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Heimkehr des Grafen zur Gräfin
Etwas über vier Wochen waren vergangen, als der Graf fast erschöpft mit einem Mute, den er sich in einer Flasche Wein angetrunken, spät Abends in das Zimmer seiner Frau trat; er fand sie drei Zimmer davon bei ihrem Kinde, wie sie neben der Wiege stand, und sich über den Schlaf freute, dem es so ganz überlassen. Ihr freudiges Ausrufen bei seinem Anblicke war ungeheuchelt. Bald saß der Graf neben ihr, alle Sorge war plötzlich ihm benommen, auch sie wurde fröhlich; sein Gesicht schien nur zuweilen von dem wunderlichen innern Kampfe noch nachbewegt, wie ein großes Meer nach dem Ungewitter, wenn schon lange heller Himmel darüber ruht. Ihr blickte die Hoffnung, daß alles Unglück vergessen werde, aus den Augen, doch so sparsam wie das Grün auf einer Wiese, die ein Strom in einem unseligen Durchbruche versandet hat; die schöne alte Liebe ist nicht untergegangen, aber sie liegt tief unten ganz verdeckt von der Schuld, und nur wenig Leben kann daraus hervorschießen. In ihrem Anblicke ward ihm immer wohler; kaum hielt er sich, ihr nicht spottend seinen, wie er jetzt sicher meinte, törichten Argwohn aufzudecken; ziemlich unverständlich brachte er wenigstens das auf dem Wege ausgesonnene Märchen vor: wie ihn ein alter Familienprozeß zu einem ganz geheimen Nachsuchen in einem großen Archive gezwungen. Sie gab nicht Achtung darauf, und glaubte alles; sie war so zärtlich gegen ihn, um ihm reichlich zu vergüten, was sie ihm von dieser Zärtlichkeit entwendet, und der Graf ergab sich ihr so von ganzem Herzen.
Am andern Morgen fragte er den alten Bedienten mit einer scheinbar gleichgültigen Miene, was er denn mit seiner Warnung damals hätte sagen wollen. Der Alte sagte ganz offen: der Markese habe ihm etwas Verdächtiges gehabt, und die Gräfin, er kenne sie von Jugend auf, sei leichtsinnig; es tue nicht gut, wo zwei solche Leute mit einander in einem Hause wohnten. Der Graf mußte ihn belächeln: Mit dem Markese bin ich ganz sicher, der hat mich selbst gewarnt, so dachte er in sich, es ist ein edler Mann, der Sinn für alles Edle hat. – Als seine Frau aufgestanden, ging er zu ihr und erzählte ihr offenherzig die ganze Geschichte, das Befremdende in ihr, daß er jetzt gar nicht mehr finde, den wunderlichen Traum mit dem Jedermann und die Warnung; doch sagte er nicht, von wem sie ihm gekommen. Die Gräfin verzieh ihm seinen Argwohn mit einem heimlichen Erröten vor sich selbst, und wie tief sie jetzt unter ihm stehe; sie erkannte seinen Genius mit Schaudern, der ihn so gründlich gewarnt hatte. Ist es ein Glück, daß die lichte Stirne des Menschen so vieles verschließen kann, und der Mund so viel sagen, wovon nichts darinnen? Des Grafen Glück war es; die Bestürzung ihrer Schuld wurde, wie es ihr Mund aussagte, zur Empörung über so unwürdigen Argwohn; der Graf fiel auf seine Kniee nieder, der Kopf glühete ihr; sie glaubte den Markese, vor dem Fenster zu sehen, wie er spottend zwei Finger gleich einem Geweihe über ihn erhob und ihr ein buntes Tuch zeige, das er an jenem Abende ihr entrissen; sie weinte in Zorn und Verlegenheit, der Markese verschwand, sie drückte ihren Mann herzlich an sich.
Als der Graf wieder auf sein Zimmer gekommen, fiel ihm die bestaubte Gitarre in die Hand, er fand sie wenig verstimmt; nachlässig ging er im Zimmer auf und nieder, dachte wie er in die Welt so verloren hineingeirrt, und sie war doch sein, ganz sein; seine ganze Seele schwebte in den Worten »so warst du nicht verloren, so warst du dennoch mein« die von tausenden vielleicht ausgesprochen doch nie so wie in ihm zu Musik wurden, und diesen wiederkehrenden Tönen gab er immer neue Worte; so erfand er ein Lied, das er den ganzen Tag halblaut sich vorsingen mußte.
So bist du nicht verloren, So warst du dennoch mein! So bin ich nicht verloren, So bin ich wieder dein! Ich ging in mir verloren Ich hatt' den Weg verloren Es klang: Was du verloren, So stand ich vor den Toren Ich bin zum Glück geboren, Ich bin wie neugeboren, |
Also hatte die Liebe in ihm allerlei ausgegoren, um ganz zur Weinklarheit zu gelangen; aber auch in der Gräfin ruhte sie nicht, zum Bessern zu wirken, wenn sie auch nicht das Beste erreichen konnte. Die Gräfin nahm sich ernstlich vor, ganz gut zu werden und die erste Äußerung dieses Entschlusses zeigte sich in der Entfernung alles des Halbguts, woraus bis dahin ihre Gesellschaften bestanden, eigentlich schämte sie sich, das Volk in der entstandenen Vertraulichkeit zu ihr, dem Grafen vorzustellen, auch ihre politische Schreibereien verbrannte sie. Die alten Freunde des Hauses traten darauf wieder in ihre Rechte und es war ein Nachsommer des Glücks in dieser Erhellung ihrer Schönheit durch die Güte, – dem nichts fehlte als die Dauer.