Achim von Arnim
Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores
Achim von Arnim

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Dreizehntes Kapitel

Das Königsschießen

Als er noch so nachsinnend auf und nieder das Zimmer mit heftigen Schritten durchmaß, und die Briefe seiner ersten Liebeszeit, die er sorgfältig bewahrt hatte, verbrannte, da verkündigten draußen drei Kanonenschüsse den Anfang des großen Königsschießens. Der Graf, der ein Freund dieser Belustigung und einer der sichersten Schützen war, erinnerte sich, daß alle auf seine Ankunft warten würden; auch die Gräfin, die eine Vorliebe für alle männliche Ergötzlichkeiten hegte, hatte versprochen sich späterhin einzufinden. Er brachte die beiden altdeutschen Büchsen, die ihm vom Doktor aufgezwungen waren, und die übrigen Schießgerätschaften nach seiner Gewohnheit selbst zusammen und in Ordnung, klingelte und ließ sich das grüne Schützenkleid geben, worin er das grüne Husarenkleid verwandelt hatte, in welchem er seine Frau zuerst erblickt, und das er trotz seiner verschossenen Farbe noch immer sorgsam bewahren ließ. Ehe er noch das Haus verlassen, ließ ihm die Gräfin sagen, sie würde bald nachkommen, sie habe schlecht geschlafen und sich dadurch in ihrem Anzuge verspätet. Sie sah ihn erst im bunten Gewühle des Schützenplatzes wieder, wo an diesem Tage nach einer Scheibe geschossen wurde, deren Mitte ein brennendes Herz bezeichnete. Witzige Köpfe wollen bemerkt haben, daß der alte Schütze Amor bei solchen Königsschießen häufiger und sicherer treffe, als die jungen Schützen in ihren neuen steifen Uniformen, in denen noch die Tuchlagen nicht ausgetragen; fast sollte man jenes wenigstens aus dem Drängen der Menge, aus dem Gekreisch der Mägde schließen, aus den einzelnen Paaren, die weit in das Getreide abirren, aus dem steten Durste, der an tausend Krügen klappt, denn die Liebe macht durstig und tapfer und daher schließt sich auch gewöhnlich das Fest mit einigen Raufereien. Gewiß ists, der uralte Trommelschläger in der uralten Bortenmondur, hatte an dem Tage wenig zu trommeln; einige Ehrenschüsse von gelehrten Magistratspersonen fielen sogar in das Hausdach des Bezeichners; wahrscheinlich weil sie aus einem Versehen, das den Gelehrten und den Regierungen eigen ihm die Schuld des Nichttreffens aller ihrer wohltätigen Gedanken zuschrieben, und ihn warnend an seine Schuldigkeit erinnern wollten. Ein alter Invalide im roten Rocke, der, wie ein dünner Kometenschweif, drohend an dem hellen Sterne der blanken Zinnbude hing, schüttelte mit dem Kopfe dabei, drehte sein Glücksrad und rief auf, gut Glück. Die Würfel klapperten und die am längsten sich zurückgehalten, waren nun am hitzigsten darauf. Seht da, ein Knabe gewann einen großen Grenadier von Pfefferkuchen, der auch in einem Augenblicke von drei andern zerrissen war. Mitten durch den Zank drangen andre mit bunten Fahnen, wie frische Truppen und die Waldteufel brummten wie das schwere Geschütz. Den ganzen streitigen Haufen trieb ein Polizeidiener als Schlachtengott mit wenigen Ohrfeigen aus einander; es endete heute doch gar nichts lustig. – Es wurde später und die Musik und die Tabakswolken zogen in die oberen Säle des Schießhauses; die Leute waren es müde, den schlechten Schützen zuzusehen. – Der Graf hatte sich den letzten Schuß ausgemacht; er tat den besten, das Herz war in der innersten Mitte durchgebohrt, der Bezeichner warf seinen Hut in die Luft und sich auf die Kniee; der Trommelschläger wirbelte, die Scheibe wurde von den Kronbedienten beschaut, sie gaben den Kanonieren das Zeichen; alles Volk drängte sich herbei und jubelte; der Graf wurde gekrönt und für den Augenblick war er wirklich der anerkannteste König der ganzen Welt. Nachdem er die Krone abgelegt und den Ehrentrunk getan hatte, trat er zu seiner Frau, die ihren Beifall in ihrer Art zu erkennen gab, indem sie ihm trotzig versicherte: Hätte ich mitschießen dürfen, du wärst sicher nicht König geworden, aber so laßt ihr Herren uns nicht dazu. – Der Graf antwortete neckend: Ich glaube, du hast nicht den Mut ein Gewehr loszudrücken, wenn es auch nicht geladen. – Das möchte ich versuchen, sagte sie ganz keck. – Du hast noch keine altdeutsche Büchse abgedrückt, sagte er. – Er nahm seine zweite Büchse, die dort liegen geblieben ungebraucht, spannte den Hahn, stach sie und gab sie seiner Frau zum Losdrücken in die Hände, während er vorne die Schwere der Büchse mit Hand und Brust unterstützte. Lachend hielt er die Büchse, lachend drückte sie ab; krachend blitzte der Schuß auf, daß ihr das Gewehr zur Erde entsank, der Graf stürzte zu Boden. Im ersten Augenblick war es nur der Schreck des Knalles, der sie und die Umstehenden betäubt hatte; als sie aber den Grafen in seinem Blute erblickte, stürzte sie nieder und wurde sinnlos nach Hause getragen.


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