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Des Grafen schwerer Traum. Warnungsbrief. Verzweiflung an der Liebe und Flucht
In derselben Nacht träumte dem Grafen ein wunderbarer Traum, der ihm die Gräfin in fürchterlicher Untreue darstellte, daß er beim Erwachen auf sie schimpfte, und sich erst allmählich zu erinnern vermochte, was ihn so gewaltig aufgebracht. Als er zum Fenster hinaussah, am Sonnenscheine die trüben Gedanken aus den Augen zu wischen, da hörte er unten einen kleinen Buben, der ein bekanntes Abschiedslied so hinsang ohne zu wissen, was er gesungen; er sang es so aus Nichtstuerei.
Jetzunder geht mir mein Trauern an, Die Zeit ist leider kommen; Die mir vorm Jahr die liebste war, Die ist mir jetzt genommen. Mein Herz ist von lauter Eisen und Stahl, Es trauert mit mir die Sonne, der Mond, Wollte Gott, daß ich gestorben wär Es ist nicht hier ein kühler Brunn, |
Der Graf mußte heftig weinen; zum Weinen war er überhaupt leicht gebracht, wenn er allein oder mit Vertrauten war; vor fremden Menschen fand er sich nie zu Tränen gerührt. Nachher fielen ihm einzelne Stücke seines Traumes ein, der ihm bald mit dem Liede wunderlich genug zusammenschmolz; er schrieb es zu seiner Zerstreuung auf und diese undeutliche Erzählung wird seinen Zustand deutlicher darstellen, als wir es in unsrer Art zu tun vermochten.
Der böse Traum
Sie | Mein Karl, was soll ich heut anziehn, Daß ich ins Auge dir falle, Soll ich in schimmerndem Rosa blühn, Ich ging so gern zum Balle. |
Ich | Es kleidet sich schwarz ein ganzes Jahr, Die Zeit ist schwarz gekommen, Die mir die Liebste noch gestern war, Ist schlecht mir vorgekommen. |
Sie | Du schauest mich an und sprichst mit dir, Als wär ich nicht zugegen, Nun sieh der Zimmermann ließ die Tür Der lauten Grillen wegen. |
Ich | Die Grillen versingen sich die Nacht, Doch ich muß immer träumen, Es ist nun Morgen, ich bin verwacht, Was soll mich nun aufräumen. Mein Herz ist so voll von Höllenqual, Wie von dem Bild, dem Deinen, Ach könnt ich doch alles nur einmal, Die Augen mir ausweinen. Es trauern mit mir die Blumen all, Die dir zum Kranze gebrochen, Die rissest du mit in den Sündenfall, Die hatten mich zerstochen. Es trauert mit mir die Sonne der Mond, Dazu die hellen Sterne, Was hoch da lebend und schwebend wohnt, Das ziehet fort zur Ferne. Sie blühen im himmlischen Gartenland Das steht auf Feuersäulen, Der Regen, der spület hinweg mein Land, Ach könnt er mich so zerteilen. Mein Garten aus blinder Lieb war erbaut Auf einem schwarzen Sumpfe, Und der ich lebend und schwebend vertraut, Die ist als Irrlicht versunken. Vergiftet ist der Spiegelbrunn, Der labte meine Schmerzen, Ein kühler Brunn zu aller Stund, Der fließt aus meinem Herzen. |
Sie | So sag doch an, so sprich doch aus, Was hat dich so betrübet, Es stehet noch alles wie gestern im Haus; Wie hast du mich gestern geliebet! |
Ich | Verliebet und fröhlich schlief ich hier ein, Und traurig bin ich erwachet, Die Liebe scheinet mir nun ein Schein, Sie hat mich im Traume verlachet; Im Traume da sahest du mich recht an Mit allen Liebesgewalten, Ich stürzte nieder, ich freute mich dran, Doch du schienst dich zu halten. Du gabst mir die Hand und sahst mich an, Dann mußtest du dich drehen, Du sagtest: Da steht der Jedermann, Den muß ich auch noch sehen. Den Jedermann sahst du so freundlich an, Wie du mir nie erschienen, O fände ich nur den glücklichen Mann, Ich legte ihn nieder im Grünen. Wollt Gott, daß früh ich gestorben wär In meinen jungen Jahren, So hätt ich an Liebe, so hätt ich an Ehr, Nie solchen Schmerz erfahren. |
Hier mußte er vor Schmerz abbrechen; was sie ihm geantwortet hatte war ihm zu unerhört; er ritt aus und malte sich tausend Arten ihrer Untreue vor. Als er nach Hause kam, fand er einen Brief des alten Bedienten, der ungeachtet seiner Schwäche sich die Oberaufsicht im Hause und das Berichten an den Herrn nicht nehmen ließ. Nach mehreren Nachrichten, ermahnte ihn der alte Mann aus einem gewissen innern Antriebe, es sei nicht recht, daß er seine Frau so lange habe allein gelassen; er kenne ihre Art von Kindheit, sie wolle immer geführt sein und weil sie das fühle, tue sie stolz und herrisch; wer wisse, was daraus entstehen könne. Diese Worte, so wie die Warnung des Markese auf dem Wege, die ihm erst jetzt auffiel, schienen dem Grafen in seiner Stimmung ganz überzeugend, daß ein Unrecht geschehen sei; er aber wagte es nicht zu wissen. Jetzt erinnert er sich auch, daß ihm im Traume ein gewaltiger wilder Mann erschienen, der jene Waffen und Armringe getragen, die er in dem Denkmale des Riesensteines gefunden und aufgestellt hatte; der habe ihm mit dem Schwerte gewinkt, in alle Welt zu gehen. Sein Entschluß war bald gefaßt; an seiner Liebe verzweifelnd wollte er nichts, als weit von dem Orte fort. Er ordnete flüchtig das Notwendigste im Hause, sagte niemand, wohin er reise, und fuhr ohne Bedienten in einem leichten Wagen mit Postpferden nach der nächsten Station. Auf dem Wege nahm er manchmal in seinen Gedanken zärtlichen Abschied von ihr; es war ihm, als ob eine fremde Gewalt sie von einander risse, und wie an einer Wetterscheide, sein Schiff nach Westen und das ihre nach Osten getrieben würde. Wir hassen alle schauderhaften Bilder, die das Gemüt trostlos verwirren; wir halten es gefährlich sogar, den Menschen unnötig mit zerrissenem Herzen auszustellen, um die Mitmenschen zu rühren, oder ihn neugierig zu beobachten; wir unterdrücken gern das Meiste was uns aus jener Zeit von ihm übrig geblieben; nur einige Stationen seiner Reise heben wir aus, um seinen Ideengang zur Verbindung der Geschichte uns zu versinnlichen; sie rühren uns bei aller Nachlässigkeit ungemein, denn es ist Sprache eines tief gekränkten Herzens.
1.
Über Stock, über Stein, drein, drein, ohne Bewußtsein; knackts, brichts, wirfts um, ich sitze stumm; meiner Blicke einzige Sprache ist ewiges Wachen, ein nordischer Tag ohne Nacht in hallender rastloser Jagd.
Der Schweißfuchs trabt, der Braune hinkt, das Sattelpferd springt – ein Heimchen noch singt: Halt still, wie mirs das Herz erlabt.
Der Schwager sagt: Wir sind gleich da, wir sind gleich da! – Das Posthorn klagt: Die Hände riß ich auseinander, die Herzen zerreiß ich elende, und wandte hin und zurück; dies ist Geschick. Berge ihr hemmenden, neblig beklemmenden, Berge ihr trennenden, abendlich brennenden, seid mir nun nah, und wir sind nah und wir sind da.
2.
Die müden Pferde ausgespannt werden, matt und dürr zum Einbrechen bleiben sie stehen; lassen die Fliegen stechen, in den Brunnen sie sehen. Verlassen stehet der Wagen; es wehet!
Und von den spielenden Lüften bleibt kühlender Schauer der Trauer des harrenden starrenden greisenden Reisenden.
Und sinken die Winde, so ruhet geschwinde alles umher, öde und schwer, wenig Bewegliches, lauter Alltägliches, alles ist gleich; hier ein paar Blasen im Teich heften den Blick an ihr Geschick; Luftbälle der Unterwelt an der Sonne zerschellt, dort trockener Blätter Geflügel, hier schmilzt der Schnee vom Hügel, und rieselt zu nähren die Zähren. Brand! Brand! Ich trink ihn aus meiner Hand. Er fließet zum Munde, da schreiet die Wunde des Herzens zum Himmel – sie schließet sich nimmer! – Das Herz das bewegliche, urleidend klägliche, nimmermehr rastende, ewig nun fastende, still sich verzehrende, nimmer sich leerende, läßt sich der heiligen Stille enthüllen.
3.
Wie bin ich zur Küste des Meeres gekommen allhier, oder kam das Meer zu mir? – Ich seh mich im Spiegel des Meeres an, ein jeder über sich selbst wohl lachen kann; ich meinte, das Glück mir lächle zurück. Wie Stoßvögel drüber die Sorgen viel trüber, sie dringen hernieder und weichen nicht wieder. Die Narben und Falten sich zeigen und halten, selbst von den Toten nicht scheiden; doch spurlos sind Freuden, ein gleitender Strahl hin übers zerrissene Felsental.
4.
Licht von Orient wiederkehrend, ach wie bist du so betörend, es verlöscht dein erster Strahl einen Augenblick die Qual; Blut so röter kehrst du wieder, und je feuriger, je trüber.
O du heller Orient, den keiner so kennt wie ich, hast du schon vergessen mich? Wer sitzt an meiner Stelle auf der Schwelle, erwartend das Frühgetön, das scharfe Wehn umflattert von Fledermäusen, umkrochen von Ameisen und doch schien mirs schön, wie dies Land von den Höhen. – Wer lang genug darinnen haust, der weiß wo es graust.
5.
Warum muß ich fliehen, woher sie alle ziehen, die strahlenden, die malenden, die luftig zerstreuten im Leuchten erfreuten Blicke der Liebe! – Des Unbedeutenden Macht hat keiner gedacht und des Bedeutenden Blick ist voller Tück. Was riß mich fort? Was hielt mich dort? Mich hielt ein Blick, sie hat ihn abgewendet vom Glück. Nun reißen vier Stricke am Wagen gespannet, mich weg von dem Glücke, ich hab mich ermannet. Den Wagen sie ziehen, die Steine erglühen, wär einer gerissen, ich hätte halten müssen. Warum reißet mein Schmerz doch nie und schreiet nur immer: Flieh. Mit wem red ich, wer kennt mich, wer sind wir? – Ich und die Luft hier.
Der Lüfte lieb Wort, der Vogel zieht fort, wer war der erste im Flug, ihn treffe mein Fluch. Die Luft zieht ihm nach, und ich seufze mein einsam Ach! Niemand hört mich, Keiner stört mich und die sind mir jetzt Gesellschaft, meine ganze irdische Freundschaft.
Sie liebt einen andern und ich muß wandern.
»Herr, da liegt eine Leiche am Weg«
Schwager, fahr stille weg, er mußte auch wandern mit den andern, auch du geliebter Feind mußt wandern mit den andern, wenn gleich dein Leib geheiligt ist seit sie dich hat geküßt.
6.
Der hat das Ende der Welt erreicht, der von der Liebsten weicht! Dem ihre Stimme fehlet in Freud und Grimme. O Erde nenne sie mir! Du schweigest vor dir, bist frostig verschlossen und ich bin verdrossen. Ach meine Lieb war mehr als ich, denn sie bezwang mich. Ach meine Liebe ist nun für immer aus, sie fand kein Haus!
Wie ein verspätet Kind ausgeschlossen in Regen und Wind; der Regen läuft ihm übers Angesicht, es stehet vor dem Hause dicht, es möchte noch klopfen an und es nicht wagen kann. Wenn vieles ich nicht sagen will, so sag ich nichts und schweige still. – Ich bin kein Kind, mir übers Gesicht wehte scharf der Wind, daß mir der Bart aufging; die Jugend verging, ich hab sie nicht genossen, die süßen Gedanken sind alle zu nichts zerflossen.
7.
Ich wandle weiter voraus vor des Wagens dunkles Haus; ich seh ihn nicht, ich hör ihn klirren mit den Geschirren und wie das Schicksal folgt er mir nach. Hier steh ich am Bach, im kleinen Haus gehet die Mühle mit Braus. Der Bach verrinnt, der Stein zerreibt, und keiner gewinnt und keiner bleibt.
Ich schwanke zwischen Bäumen, da will mir träumen, als führ ich in dem schwarzen Meer in dunkler Nacht daher; im schwarzen Meer die Masten, sie ziehen ohne Rasten, kein Schiffer will mehr grüßen, die tiefe Still wird büßen, den Leuchtturm versenkt schon der Sturm. Die Segel herunter, es gehet bald bunter. Ich bin auch einer der Euern, ihr müßt nicht feiern. Die Segel hernieder, ihr Brüder. Nun tragt mich ihr Füße durch Regengüsse. Die bestimmten erklimmten Wolken am Waldhang sich senken, es tropft mir das Haar so klar. Wer kann nachdenken! – Wir machen im Dunkel große Augen und keiner kann sie brauchen. Ihr Wirbel im Meere, ihr füllet die Leere; ihr Augen, Leuchttürme, Eingänge der andern Welt, neulebend möchte hinaus der Held; ihr seligen Erinnerungen, ich leb in euch und bin von euch durchdrungen; ihr lieben Augen der Geliebten, wie kann das taugen dem Betrübten, ihr habt mir Meer und Sturm und Himmel verschlungen und durchdrungen.
8.
Müde sink ich in die Kniee, soll ich beten, weil ich glühe, viele Tropfen fallen kühl, keine Tränen, kein Gefühl! Dieser Schritt ist nun der letzte und ich sink der Selbstgehetzte, der sich selber hat gejaget, selbst zerrissen, nicht geklaget, und die keusche Jagdgöttin sinkt in Strahlen auf mich hin.
9.
Meine Mütze voll von Trauben, Nüsse, die am Boden rollen, Pfirsichen rötlich, weich in Wolle, frischen meinen schwachen Glauben und ich denk an andre Zonen, wo die dunklen Menschen wohnen, wo ein Goldlack Mädchenblicke, schwarze Locken ohne Tücke. Stille wirds in meinem Herzen und im Hirne wird es wach, Liebe, süße Liebesschmerzen, lasset ihr doch endlich nach. Und die Fluten, die zerstörten, lassen mich den Tiefbetörten hier im Grünen einsam stehn. Ach wie ist mir doch geschehn. Ach wo war ich doch so lange; kühlend wehet ein Vergessen und mir wird nun endlich bange, daß ich gar nichts hab besessen. Hab ich einstmals doch gesessen meinem Glücke in dem Schoß und hier sitz ich nackt und bloß. Neun Monat lag ich im Mutterschoß und hab ihn mit Weinen verlassen, so ließ mich die Liebe nackt und bloß am Berge in Nebelmassen; die Schwalben streifen nur daran, wie um das Grab des Geliebten; sie hören mich singen und wissen nicht wo, und kreuzen durch die Lüfte und verlieren sich im Klaren.
10.
Mögen alle Gläser springen, alle Lippen davor erblassen, ja ich will die Wahrheit singen, muß ich auch die Wahrheit hassen. Warum die Schönheit so flüchtig ist, das will ich euch verkünden, sie ist ein Gift, das um sich frißt, die Augen davon erblinden. Warum die Liebe so törigt ist, das will ich euch verkünden, weil sie mit aller ihrer List, sich selbst nicht kann ergründen; o wohl uns daß so viel Schönheit tot, daß wir sie nicht brauchen zu lieben, o weh uns, daß in der Tränennot mehr Glück als in der Überlegung. Könnt ich von meinen Augen, noch eine Träne erpressen, könnt ich von ihrem Hauche die Seligkeit vergessen!
In diesem abwechselnden Kampfe der Liebe mit der Verzweifelung an der Liebe scheint er nach den letzteren Bruchstücken einige fröhligere Gegenden südlicher durchstrichen, vielleicht auch im unvermeidlichen Umgange mit einigen Menschen neue Überlegung gewonnen zu haben. Gewiß ist es, er erhielt es endlich über sich, mit Klugheit Überzeugung zu suchen; erst jetzt gestand er sich, daß er eigentlich doch nur Verdacht, nicht Gewißheit habe, daß Dolores in irgend einer neuen Neigung von dem Markese und dem Bedienten belauscht worden sei, und nicht ohne Widerwillen wendete er sich rückwärts.