Achim von Arnim
Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores
Achim von Arnim

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Fünftes Kapitel

Graf Karl

Da trat der alte Bediente wie gewöhnlich in seinem Sonntagsrocke mit derselben Art zu ihnen ein, wie er in Zeiten des Glücks gekommen war, sie schmeichelten und ärgerten ihn nach alter Art. Aber statt wie gewöhnlich von ihrem Vater zu erzählen und von dem vielen Weine, den er bei Tische umhergesetzt und eingeschenkt, wie er dem Herrn den Schloßbau einst abgeraten, aber dafür beinahe aus dem Dienste gejagt worden wäre, begann er heute seine Reden ganz anders wohlgefällig geheimnisvoll. Erst nach langen Umschweifen von dem Glücke, das oft unverhofft käme, brachte er vor, daß ein junger Graf, wunderlich, halb soldatisch, halb abenteuerlich wie alle Studenten gekleidet, nicht groß aber von recht feinen Zügen, von dunklen Augen und krausem Haar, auf einem Wege, den sonst jedermann, dem er nicht notwendig, zu vermeiden pflegte, über alte Felsen und Schluchten sich dem gräflichen Lustgarten angeschlichen und über der Mauer, von der die Deckplatten und manchen Stein gestohlen, zu seiner großen Verwunderung vor dem Palaste zwei schöne Mädchen gesehen, die er für Königinnen wegen des edlen Anstandes aller ihrer Bewegungen gehalten, hätte nicht ihre Beschäftigung, die Wäsche an der Sonne auszubreiten und zum Bleichen zu begießen, ihn an seiner Meinung und an seiner Anrede gehindert. Der junge Herr hätte sich ihnen möglichst genähert, und hinter einem Haselstrauche versteckt, so lange zugesehen, als sie damit beschäftigt gewesen und nachher noch bemerkt, wie sie ihre zahme Dompfaffen aus dem Munde mit etwas Grünem gefüttert. Dann wären sie, mit den Vögeln auf der Hand, ins Haus getreten, und der Herr hätte sich gewünscht nur eine Stunde so ein Vogel zu sein. – Ei, der ist doch nicht törigt, sagte Dolores ganz trocken. – Nein, sagte der alte Bediente, das ist so ein alter ehrlicher Wunsch von jedem Liebhaber, er möchte immer etwas andres sein, als er wirklich ist, um mehr zu gefallen, ich war in meiner Jugend eben so! – Die Mädchen lachten und der Alte erzählte weiter, der Graf sei zum Wirte der drei Weltkugeln gegangen, bei dem er eingekehrt, habe ihm mit großer Heimlichkeit sein Geschichtchen erzählt und besonders viel von einer gesprochen, die ihm so besonders in die Augen gefallen, und die er gern kennen möchte. Die Mädchen sahen einander an, und Klelia sagte ganz ruhig: das bist du gewiß! – Nein, Schwester, antwortete Dolores, dich hat er gemeint, du hattest heute das schöne rote Halstuch umgebunden; heimlich aber dachte sie: gewiß bin ichs, die er aufsucht; ich hielt die Vögel viel öfter an meinen Mund, ich bin voller, meine Züge größer und meine Wangen röter, und meine Augen so viel beredter, als meine Locken krauser sind, obgleich unsre Haare von gleicher Farbe; auch nennen mich alle Leute schöner. Ihr wurde doch dabei so eifersüchtig, als stände der junge Mann zweifelnd zwischen ihnen, wie zwischen Tugend und Laster. Der alte Bediente fuhr darauf fort, wie der schlaue Wirt, der auch noch einige Anforderungen an das Haus hätte, gleich zu ihm geschickt, er möchte doch dem jungen Herrn, der sich Graf Karl nannte, unter dem Vorwande das schöne Haus zu besehen, zu den schönen Gräfinnen bringen, es könne immer was daraus werden, der Mensch denke, Gott lenke, und dann sei ihnen allen geholfen. – Klelia setzte diesem Vorschlag viele ernste Bedenklichkeiten entgegen; es sei ihren Gewohnheiten ganz unangemessen einem jungen Manne, der allen unbekannt, mitwissend seiner Absicht also entgegen zu kommen, sie wolle ihn nicht sehen. Dolores erklärte sich heftig gegen diese Hindernisse ihrer angeregten Eitelkeit, sie hätten so viele Männer gesehen, was ihnen die Bekanntschaft dieses einen schaden könnte; wenn er ihnen auch nur etwas Neues erzählte, so wäre das schon genug; dann fuhr sie auf: Hör', Klelia, wenn du nicht heiraten wolltest, warum zeigtest du mir wohl neulich den Rand deiner Hand am kleinen Finger, daß du eine Falte dort trägest, wenn die Hand gebogen, also einen Mann bekämest, und sahst nach meiner Hand, und ich hatte anderthalb Falten; sieh, du hast gerade recht viele Lust zum Heiraten, darum willst du es nicht eingestehen. – Klelia stand, erzürnt über diese Mißdeutung eines kleinen spielenden Aberglaubens, von ihrem Stuhle auf und verließ das Zimmer; nichts kränkt tiefer als absichtliche Mißdeutung mit dummer Listigkeit vermischt. Der alte Bediente stand dabei wie ein einfältiger Beichtvater neben einem höher gebildeten Beichtkinde, das sich Sünden anrechnet, die ihm ganz gleich gültig sind; doch gab er der Klelia, weil sie so trotzig weggegangen, Unrecht und eilte dann den Bitten der Dolores zu folgen, den Besuch nach einer Stunde herbei zu führen. Während sich nun Klelia auf ihre Kammer zum Gebetbuche gesetzt hatte, des Streites ganz zu vergessen, ging Dolores rechts und links in großer Eile, aus ihren beiderseitigen Kleidern einen guten Anzug sich zusammen zu stoppeln, der glänzend weiß und reinlich, aber freilich von mancher überflüssigen Naht durchkreuzt war, als diene er gegen Behexung. Als sie damit fertig war, lauerte sie ungeduldig durch die angelegten Laden auf jeden, der die Straße herunter schritt, zwischen durch sah sie sich im Spiegel und sann auf guten Ausdruck des Gesichts und der Rede, und dann gedachte sie lachend, wie sie oft Fürsten und Herzöge, die ihr als Kind geschmeichelt, kaum eines Blicks gewürdigt. Endlich erblickte sie die grüne polnische Mütze auf den dunklen Haaren, die grüne leichte Husarenkleidung mit Kamaschen und Reiseschuhen, die nach dem Vorberichte des Bedienten, den bedeutenden Mann bezeichnen sollte, der Bediente begleitete ihn; sie wollte ihm wie durch Zufall auf der Treppe begegnen, damit er ihr elendes Stübchen nicht bemerke. –


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