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Graf P... und die Seinen
Dieser Palast, dieser Garten mit Kunstwerken geschmückt, die jetzt niemand wert zu sein schienen und niemand nützten, das Werk vieljähriger Anstrengungen eines leidenschaftlichen Bauverständigen, des Grafen P..., begründeten den Ruhm seiner Einsicht und seines Geschmackes; sie galten für Weltwunder in der ganzen Gegend und wären auch in Italien ausgezeichnet worden. Der Graf hatte sich mit vielem Kunstsinne einen der schönsten Pläne Palladios angeeignet und zugerichtet, der Garten ging aus dem französischen zu dem Naturgeschmacke über. Nicht die Schönheit dieses Baues, aber seine Größe kränkte den Stolz der Fürstin, deren Neigung zum Grafen in eine Art Eifersucht übergegangen war auf seine Frau, der sie es schon allzu hoch anrechnete, daß sie den Grafen in Besitz genommen. Sie fand sich in ihrem alten Schlosse zum erstenmal wie im Gefängnisse, seit sie in die hellen Zimmer ihr gegenüber blicken konnte; der Fürst, ihr sonst so ganz ergeben, war nicht zu einem ähnlichen Schloßbaue zu bewegen; der Graf hatte zu viel Stolz auf sein Werk, um sich mäßigen zu können, als die Fürstin es ihm aus Verdruß tadeln wollte; er wurde beleidigend und der Hof wurde ihm verboten, nachdem er dreißig Jahre mit dem Fürsten ganz vertraulich von der Jugendzeit an zusammen gelebt, mit ihm auf Reisen manches Abenteuer bestanden, die Fürstin ihm zugeführt hatte. Er sagte kein Wort zu seiner Verteidigung; doch ließ er über seine Gartentüre die Worte eines Liedes eingraben.
Freund, hüte dich vor Fürsten, Denn Freunde werden sie nie Magst du auch hungern und dürsten Für sie. |
Wollen wir aber ruhiger sein Verhältnis überschauen, so entdecken wir, daß es nicht immer reine Freundschaft war, die ihn dem Fürsten verbunden; die Freundschaft war ihm nur ein Mittel den Unterschied auszugleichen, den die Geburt zwischen ihnen beiden unabänderlich festgesetzt hatte. Doch war sein Geist unabhängig genug, um sich über diese Ungunst leicht hinwegzusetzen, welche gleich die meisten Einwohner der Stadt und der Gegend von ihm entfernte. Sein Einzugsfest in das vollendete Haus war wenig glänzend, auch von unangenehmen Zeichen begleitet. Der Erbprinz, der mit kindischer Neigung an der jüngeren Tochter des Grafen, Dolores, hing, war heimlich hinübergeschlichen; Dolores sprang mit ihm die glatten Treppen hinunter, der Prinz fiel herab und wurde blutig halbtot in das Haus seiner fürstlichen Eltern zurück gebracht, die den Bann ihrer Kinder, nicht zum Grafen zu gehen, darum noch schärften. Dieser Bann kränkte den Grafen sehr tief, insbesondre da eben dieser Älteste der fürstlichen Kinder, gegen die Familienart, schwarzes Haar, wie der Graf zeigte; er hatte ihn immer allen andern vorgezogen. Klelia, die ältere Tochter des Grafen wollte sich über diese Trennung tot grämen, sie erdachte die abenteuerlichsten Mittel ihre Verbindung zu erhalten, doch die Zeit und andre Gesellschaften ersetzten ihr allmählig, was Dolores in den ersten Tagen schon vergessen hatte.
Der große Bau, und noch mehr das Bemühen seinen Palast mit Gesellschaften zu beleben, hatten das Vermögen des Grafen in einer Reihe von Jahren aufgezehrt, während denen Klelia ihr achtzehntes und Dolores ihr sechzehntes Jahr erreichte; weder die Seinen noch die Fremden merkten etwas davon in dem steten Wechsel der verschiedensten Zerstreuungen. Mit heimlichem Neide sahen die Prinzessinnen, als sie eines Abends mit ihrer Fürstin-Mutter in goldverschnörkeltem Wagen langsam daher fuhren, die Gräfin Dolores auf einem zierlichen englischen Pferde in rotem Reitkleide, von den artigsten Reisenden in mancherlei Uniform umgeben, zu einem Feste im Walde vorüberjagen, das sie aus der reichen Jagdmusik erraten hatten. Dolores machte dann wohl spielend die Herren auf den Kutscher mit dem großen Barte, auf die uralten schön geputzten Geschirre der sechs alten glänzenden dicken Rappen aufmerksam. So etwas erzählte sich leicht wieder und erbitterte; aber was bedurften sie der Herrscher, die froh sein mußten, daß so viel Geld in ihrer Stadt verzehrt werde. Klelia war mildtätig gegen Arme, Dolores kannte die Armut gar nicht, sie war ihr eine poetische Person, die sie einmal als Maske darstellte; sie erzählte den jungen Herrn ganz ernsthaft, sie sehne sich nach einem einfacheren Leben und die jungen Herren bewunderten sie. Der Graf, ungeachtet er seine Umstände genau übersah, lebte in gleicher Sorglosigkeit und guter Gesundheit, den fröhlichen Tagen, die jede Altersschwäche noch lange von ihm ab zu halten schienen; mit verkehrter Zuversicht rechnete er auf Umstände die nicht zu berechnen waren, auf den Tod einiger Lehnsverwandten, die statt zu sterben, sich verheirateten und Söhne zeugten, zuletzt auf die Lotterie. Als ihm zuerst deutlich wurde, daß er nicht gut noch einen Monat seinen gewohnten Aufwand bestreiten könne, träumte ihm, nachdem er spät zu Bette gekommen, seiner Frau und Kinder Alter, als die Zahlen in denen sein Glück begründet. Statt diesen Traum moralisch zu deuten, meinte er ihn unmittelbar zu bewähren und besetzte die drei Zahlen mit einer bedeutenden Summe in allen Lotterien; er war seiner Sache so gewiß, meinte es eine so bestimmte, himmlische Offenbarung, damit er sein angenehmes Leben fortsetzen könne, daß er mehrere Schuldner auf den Tag bestimmte, wo er alle Nachrichten von den Ziehungen erhalten. Der Tag kam schnell heran, er öffnete mit Zuversicht die Briefe, keine seiner Zahlen war heraus gekommen. Er war leichtsinnig genug über sich selbst zu lachen und ohne den Seinen etwas von seinen Absichten zu vertrauen, nahm er Abschied, als wollte er eine kleine Reise machen um neue Gäste zu holen, da die letzten eben abgereist; und so fuhr er ohne Unterbrechung mit dem Reste seines baren Geldes bis zu einem deutschen Seehafen, und schrieb erst in dem Augenblick den Seinen eine kurze Nachricht von seiner Lage und seinem Entschlusse in die weite Welt zu gehen, als eben ein günstiger Wind einen Ostindienfahrer, auf dem er sich eingeschifft, zum Absegeln anblies.