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Es war am Weihnachtsabend.

Nach einer Hundekälte machte eingetretenes Tauwetter die Straßen von Bukarest unpassierbar. Ich ging dem König entgegen, der als Held, als Sieger nach fünfmonatlicher Abwesenheit zurückkehrte. Ich glaubte, ich würde kindisch werden vor lauter Freude. Doch ich hatte zu viel gelitten, ich konnte mich nicht mehr freuen, ich hatte nicht mehr die Kraft dazu. Die letzten Tage vor Plewna hätten beinahe alle drei Armeen auf einmal vernichtet. Nach einem furchtbaren Schneetreiben war eine Kälte von zwanzig Grad eingetreten. Die Donau trieb derart mit Eis, daß nicht einmal ein Stück Brod durchschwimmen konnte. Wenn Osman Pascha nur noch drei Tage Widerstand geleistet hätte, alle wären verloren gewesen. Nun wälzte sich der ganze Strom der Ausgehungerten von Plewna nach Nikopolis. Ich weiß nicht, wie viele die belagerte Stadt verließen, in Nikopolis kamen nur 10 000 an. Der König schlug am folgenden Tage den nämlichen Weg ein, um in sein Land zurückzukehren. Er war gezwungen, den Schlitten zu verlassen, weil die Leichen denselben hinderten. Erschüttert stieg er zu Pferde und ritt durch diese Totenallee, während sein Pferd jeden Augenblick über Leichen sprang und stolperte. Man erblickte Gruppen von Toten, um ein Feuer sitzend, das sie sich mit letzter Kraft angezündet und mit dessen Erlöschen sie erfroren, Karren standen auf dem Wege, deren Zugtiere und Führer gleich Statuen aufrecht standen, aber – zu Eis erstarrt waren. Sterbende bedeckten den Boden, die in einem letzten Stoßgebet die Hände gen Himmel streckten und dann mit einem Seufzer tot hinsanken. In der Schlacht von Griwnitza (wo sich die Rumänen ganz besonders hervorgethan) fielen 16 000 Mann. Unser Jäger-Bataillon verlor die Hälfte seiner Leute. Innerhalb der Gräben konnten die Verwundeten nicht verbunden, die Toten nicht begraben werden, so furchtbar war das Feuer der Feinde. Aber diese Schrecknisse verschwinden gegen das Entsetzliche, welches der Weg von Plewna nach Nikopolis darbot. Auf Fußpfaden, die glatt wie ein Spiegel waren, stieg der König zur Festung hinauf, während das Geheul und Gejammer von 10 000 Gefangenen, die in den Gräben lagen und denen man nicht ein Stück Brod zu reichen vermochte, ihn umtoste. In dem Augenblick, wo der König die Festung erreichte, ringsum ein Eismeer, trat die Sonne heraus und goß rosiges Licht auf die (jenseit der Donau liegende) rumänische Erde. Das von all dem Grausigen erschütterte Herz des Königs empfand es gleich einem Troste, als sein Auge hinschweifen durfte über sein Land. Man fand es am nächsten Tage so gefährlich, den König unter diesen wütenden Menschen zu lassen, deren Zahl größer war als die den Monarchen begleitenden Truppen, daß man es wagte, in einem ganz kleinen Dampfer die Reise fortzusetzen. Das Schiff brach die leichteren Schollen, die stärkeren hoben es in die Luft; man erreichte jedoch ohne ernsten Unfall das Ziel und konnte Brot nach Nikopolis bringen. Als der König zu Turn-Magurel seit fünf Monaten zum ersten Male wieder ein gewärmtes und möbliertes Zimmer betrat und in einem Bett liegen konnte, glaubte er in einem köstlichen Schlosse zu sein. Ein tolles Schneetreiben brachte ihn noch einmal in Gefahr zwischen Magurel und Krajowa, wo man endlich die Bahn erreichte, die den König, unsern Helden, in die sonnenglänzende Hauptstadt brachte, ihn seiner Frau zuführte, deren Haar Angst und Sorge gebleicht und deren Freude dem Schmerze glich, welcher ihr Herz so müde gemacht.

Carmen Sylva.
(Königin Elisabeth.)


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