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Ich höre allerwärts rufen: »Es lebe die Nation!« Gewiß, sie lebe! Aber nieder mit Streit und Krieg! Nieder mit den Bürger- und den internationalen Kriegen! Es lebe der innere Friede, aber auch der äußere! Die Völker hoch! Aber nieder mit ihrer Selbstsucht, ihren Gehässigkeiten und ihren blutigen Triumphen!
Es ist ein an sich verbrecherisches Beginnen, zwei große Nationen, die beiderseits den ernsten Willen hegen, mit einander in Frieden zu leben ... in den Krieg hineintreiben zu wollen.
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Die wie immer fundierte subjektive Überzeugung eines Regenten oder Staatsmannes, daß der Krieg dereinst doch hereinbrechen werde, kann einen solchen nicht rechtfertigen. Unvorhergesehene Ereignisse könnten die Lage ändern und das scheinbar Unvermeidliche abwenden.
Die Träger der militärischen Autorität sind nicht entbunden von den Gesetzen der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit, der Ehre.
Wir Förderer des Friedens, die wir mit glühendem Eifer für ihn wirken, wir wollen schließlich weiter nichts als dieses: daß der Mensch ganz menschlich werde.
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Das System des Schiedsgerichtes trat schon wiederholt zur Beilegung von Streitigkeiten in Wirksamkeit, und weiter verlangen wir ja nichts, als daß dieses Prinzip sein Banner entfalten und der Menschheit zurufen möge: »Hier bin ich! Ändert euren Kurs und ich werde euch den Frieden geben!« Das System des Schiedsgerichtes, welches sich soweit seinen Weg gebahnt hat, muß noch weiter vorgerückt werden, so daß kein Streit der Menschheit demselben trotzen kann.
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Wenn in den Thaten, zu welchen der Krieg die Menschen zwingt, nicht alles vom Übel ist und wenn dabei auch manche Tugend erglänzt, so kommt dies daher, weil der Mensch, so wild und – ich möchte sagen – so tierisch er auch werden kann, doch niemals ganz aufhört, menschlich zu sein und in irgend einer Weise den Schaden mildert, den sein eigenes Werk verübt. Wenn der Krieg irgendwie Gutes gethan hat, so ist dies, man kann sagen, trotz seiner und gegen seine Absicht geschehen. Wenn auch manche Instinkte den Menschen zum Kriege treiben, um wie vieles edler sind Diejenigen, die ihn davon abstoßen! Wie erhaben – gegen das zornige Geschrei, welches dazu anfeuert – klingt doch die Stimme, die ihn davon zurückhalten will!
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Was wir verlangen, ist, daß an die Stelle der rohen Gewalt die Vernunft trete; und den Frieden eine Utopie zu nennen, heißt die Unmöglichkeit erklären, daß die Menschen vernünftig werden können.
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Der aufrichtige europäische Friede ist eine Notwendigkeit.
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Die beiden Alliirten der Friedensgesellschaften sind das Elend der Völker und die Unermüdlichkeit der Wissenschaften. Europa ist ein Waffenlager und es besteht die größte Gefahr, daß bei dem ins Ungeheure gehenden Weltlauf in den Rüstungen und in der Herstellung von Mordmitteln eines Tages alles in die Luft fliegt.
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Europa ist ein Waffenlager, ein Gleichgewicht von Befürchtungen, eine schreiende Absurdität.
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Die Vernunft wäre eine bessere Waffe zur Lösung internationaler Konflikte, als der Säbel, das Gewehr und die Kanone.
Wer den Mut haben wird, durch die That, nicht durch bloße Worte, Europa zu zeigen, daß er den Frieden durch Einschränkung der Rüstungen wünsche, der wird die Sympathien der zivilisierten Welt auf sich vereinigen und die Umgestaltung der europäischen Politik herbeizuführen vermögen.
In der Stellung, in der ich mich (als Minister des Äußern) befinde, ist die tiefe Überzeugung – welche übrigens von allen europäischen Regierungen geteilt wird – daß die ehrlichsten Anstrengungen gemacht werden müssen, um den Völkern die unermeßlichen Segnungen des Friedens zu erhalten, immer fester und durch Thatsachen begründeter geworden.
Nach kriegerischem Ruhm trachten wir nicht, wir wollen nur Kulturaufgaben lösen, das friedliche Zusammenleben der Völker erleichtern, die europäischen Kräfte zusammenschließen für eine spätere Zeit, wo es einmal notwendig sein sollte, im Interesse einer großen, gemeinsamen Wirtschaftspolitik einen großen Komplex von Staaten gemeinsam zu umfassen.
Ich bin ein Apostel des Friedens. Ich könnte den Krieg wollen gegen die Bedrücker der Völker, nicht aber gegen die Völker selbst. Den Krieg können nur Narren und Gewaltthätige wünschen. Bereiten wir diesen Zustand vor (die Konföderation), den die Menschheit braucht.
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Krieg können nur Thoren oder Herrschsüchtige wollen. Die Thoren wissen nicht, was der Krieg heißt, sie haben kein Schlachtfeld noch gesehen, sie ahnen nicht die Greuel, die schrecklichen Schlächtereien. Die Herrschsüchtigen aber mögen wohl den Krieg wollen, weil sie glauben, die Schwachen unterjochen zu können. (1893.)
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Seit fünfzehn Jahren verfolge ich, wie die internationale Politik sich den Frieden als höchstes Ziel gesetzt hat. Niemand kann den Krieg wünschen. (1894.)
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Der Friede ist die Notwendigkeit und die Hoffnung der modernen Welt.
Die hauptsächliche Funktion eines Botschafters, wie ich sie verstehe, bleibt immer doch, den Frieden zu erhalten – nicht bloß zwischen zwei Staaten, sondern, soweit unser Einfluß reicht, zwischen allen europäischen Mächten. Denn der Krieg ist nicht nur ein besonderes, sondern ein allgemeines Unglück. Wenn er an einem Orte ausbricht, kann niemand sagen, wie weit das Contagium sich ausbreiten wird, und Talleyrand hatte niemals eine richtigere Empfindung, als indem er sagte: » Après tout, il faut être bon Européen.«
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In früheren Tagen wurden Kriegserklärungen mit großen Zeremonien unter Trompetenstößen durch die Herolde der Könige verkündigt. In modernen Zeiten werden dieselben in kurzen, oft ungrammatikalischen Telegrammen vermittelt. Meine neue Idee über die Vermittlung von Kriegserklärungen würde dahin gehen, zwei hohe Galgen an der Grenze zu errichten und mit gebührendem Pomp und Dekorum die beiden Botschafter der respektiven Staaten aufzuhängen, Wenn das Instrument noch durch die Gegenwart der beiden auswärtigen Minister erschwert würde, so würde die Lektion um so drastischer ausfallen.
Der Militarismus ist der größte Tyrann unserer Zeit.
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Es giebt noch ein anderes Mittel, vorzugehen, welches wir in unsrer begrenzten Sphäre auf dieser Regierungsbank zur Geltung zu bringen versucht haben und auf welches ich einen ganz besonderen Wert lege, das ist: die Gründung eines Tribunals zu provozieren, das ich ein »Zentral-Tribunal Europas« nennen würde, einen Rat der Großmächte, in dessen Mitte man den rivalisierenden Eigeninteressen vorbeugen oder doch erreichen könnte, daß dieselben sich gegenseitig neutralisieren und daraus eine unparteiische Autorität hervorginge, um die Streitigkeiten zu schlichten. Ich bin überzeugt, daß, wenn jener Egoismus beseitigt werden könnte, und jeder Staat dazu gelangte, seine Ansprüche auf ein gerechtes Maß zu beschränken, die Wirkung einer zentralen Autorität in Europa von unberechenbarem Nutzen wäre.
Kriegsmut ist nur in Verbindung mit den schönsten friedlichen Tugenden, Kriegszucht nur in Verbindung mit dem höchsten Freiheitsgefühl ehrwürdig. Beides getrennt – und wie sehr wird eine solche Trennung durch den im Frieden bewaffneten Krieger begünstigt! – artet diese sehr leicht in Sklaverei, jener in Wildheit und Zügellosigkeit aus.
Was würde man von einem Familienvater denken, der seinem Sohn sagte: »Sieh das Kind des Nachbars, es ist klüger und fleißiger als du, – also dulde nicht seine Überlegenheit und schlage es, da du ja stärker bist; und bist du nicht stärker, nun so verbündet euch zwei oder drei und leget ihm eine Falle.« Nein, der Vater wird dem Sohne sagen: »Folge dem Beispiel der Guten, stehe zu den Schwachen und verhindere überall das Ungerechte.« Und so wird man einst zu den Völkern sprechen, statt sie zu Neid und Haß zu hetzen; so wird die Menschheit reden, wenn wir Friedensfreunde endlich zur Geltung gelangen.
Schließlich liegt der große Triumph der Zivilisation darin, daß der gesetzliche Schiedsspruch an Stelle der grausamen, rohen Waffengewalt trat.
Die Sophisten des Militarismus und des Nationaldünkels haben zu jeder Zeit den Krieg als einen sittlichen Zuchtmeister gepriesen. Dennoch kann niemand verkennen, daß der Krieg der höheren Kultur tausendfach schadet. Er ist dem humanen, idealen Streben feindlich und bringt einen bengelhaft brutalen Nationalegoismus, der sich als Mordpatriotismus breit macht, zur Herrschaft ... Bis zur Erschöpfung aller Völker erzeugt ein Krieg den andern und in jedem wird die Gesamtexistenz mehr oder weniger dem Spiel des Zufalls preisgegeben.
Wenn die Politik die Nationen nicht bewegen kann, endlich abzurüsten, aufzuatmen, zu arbeiten, – was ist dann eigentlich die Politik und wodurch unterscheidet sich unsre Zivilisation von der Barbarei?
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Unter dem Vorwand, es gebreche ihnen nicht an Mut, lassen die Menschen die Ereignisse bis zum Ausbruch der Katastrophe fortschreiten. Der Krieg! Wer hat Furcht vor dem Kriege! Was weiter? Man wird sich schlagen. Ich bin der Stärkere. – O weh! Narren, die ihr seid, wer weiß vor dem Ereignis, wer der Stärkere ist? Und wer hat nicht durch schmerzliche Erfahrung gelernt, was ein thörichter Augenblick über den Verstand eines Herrschers, eines Generals vermag? Ein schlecht gegebener oder schlecht verstandener Befehl genügt, daß ein Kaiserreich einstürze.
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Zwei oder drei Männer gibt es auf Erden, die den Krieg unmöglich machen würden, wenn sie sich auf die Liste der Friedensgesellschaften einschreiben wollten. Sie wären größer als Alexander und als Christoph Columbus. Ist es möglich, daß man eine solche Macht in Händen hat und sich ihrer nicht bedient?
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Worüber beklagt man sich heute? Die Arbeit genügt nicht, der Handel ist flau. Daran ist nicht schuld, daß es der einen oder dem andern an Schutz gebricht. Was mich betrifft, so glaube ich, daß das Mittel, alles emporblühen zu machen, darin bestände, alle Schranken fallen zu lassen. Ihr zieht es vor, sie zu verschließen, zu verdoppeln, zu verriegeln? Nach Belieben! Schreibt euch nur selber die Folgen zu! Der Hauptgrund unserer Erschöpfung – einer allgemeinen Erschöpfung! – liegt an der Rüstung auf Kriegsfuß (die berühmte »Kriegsbereitschaft!«) in vollem Frieden. Und woher kommt diese Rüstung! Wer ist's, der unsre Werkstätten und unsere Kontore ihrer Substanz beraubt? Wer leert unsere Taschen und erschöpft unsern Kredit? Wer zwingt uns, alle Jahre die alten Steuern aufzuheben und unsere Gehirne zu martern, um neue Einkommenquellen zu finden? Der Krieg ist's!