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Friedensmarseillaise.

»O rolle stolz und frei, zieh' deines Wegs gelassen,
Du Nil des Occidents, Nationenbecher Rhein,
Und schwemme mit dir fort den Ehrgeiz und das Hassen
Der Völker, die geschart sich deiner Woge freu'n!
Nie von dem roten Blut des Franken sei dein Rücken,
Nie von dem blauen auch des Deutschen mehr befleckt!
Nie biege mehr Geschütz die Joche deiner Brücken,
Die, Händen gleich, ein Volk aus nach dem andern streckt!
Nie senke zischend mehr der Schlachten Regenbogen,
Die glüh'nde Bombe, sich auf deine Rebenhöh'n!
Nie mög' ein zitternd Kind im Schaume deiner Wogen
Blutrünst'ge Rosse mehr, von blut'ger Mähn' umflogen,
Mit deinen Wirbeln ringen sehn! – – – – –
Roll' hin, frei und beglückt! Der Gott, der deine Wellen
Hoch im Gebirge schlug aus Gletscher und Gestein,
Ließ deinen Tropfen nicht zum mächt'gen Strome schwellen,
Daß er entzweie – nein, daß er verbinde, Rhein!
Warum uns streiten denn um Hügel und um Flächen?

*

Roll' hin, frei und in Pracht, umgraut von deinen Trümmern,
Du Strom, an dem Armin entblößten Schwertes stand,
Du Strom, den Cäsar trank, umringt von seinen Schwimmern,
Und den nicht ausgeschöpft des großen Karol Hand!
Und warum hassen uns? Warum ein Band gezogen,
Das Gott ein Greuel ist, weil es die Stämme trennt?
O hebt den Blick empor! schaut auf zum Himmelsbogen,
Ob eine Grenze wohl sein blau Gewölbe kennt!
Nationen! (stolzes Wort für eine schlechte Sache!)
Ist euch die Liebe nur im eignen Hause Pflicht?
Zerreißt die Fahnen doch! was soll am Strom die Wache?
Wer hat ein Vaterland? die Selbstsucht nur, die Rache!
Die Bruderliebe wahrlich nicht!
Roll' hin, frei, königlich, ein Stromfürst, reich an Gnade!
Und wenn du segnend ziehst durch deine Rebengau'n,
O Rhein, so frage nicht die Wandrer am Gestade,
Ob sie nach Morgen späh'n, ob sie nach Abend schau'n!
Nicht wird nach Graden mehr bestimmt der Menschheit Erbe!
Kein Fluß mehr grenzt es ab, kein Meer, kein Himmelsstrich!
Kein Markstein, als der Geist! Wie man die Karten färbe,
Im Drang nach Licht erhebt die Welt zur Einheit sich!
Ich fühle mich zu Haus, wo Frankreichs Strahlen brennen,
Wo seiner Sprache Schall mir tönt als Heimatspfand!
Das beste Bürgerrecht der Geist und das Erkennen!
Wer denkt, weß Volkes auch, ich will ihn Landsmann nennen.
Die Wahrheit ist mein Vaterland.
Roll' hin, frei durch ein Land der Freien und der Starken!
Du tränktest ihren Geist, du tränktest ihren Stahl.
O, mög' ihr alter Zorn in deines Bettes Marken
Wie Gletschereis zergeh'n an des Jahrhunderts Strahl!

*

O, mög' die Völker auch vereinigen dein Strand!
O rolle frei und froh! Und deine Frühlingswogen,
Um deines Ufers Schilf anbrandend laß sie sprüh'n!
Und lächelnd spiegle sich des Friedens Regenbogen,
Der unsre Banner färbt, in deiner Fluten Grün!«

Lamartine.
(Deutsch von Freiligrath.)


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