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Da nehmen, wild und brausend
Wie Stürme, zehnmal Tausend
An einem Streite teil,
Um den sie sich nicht kümmern.
Sie rauben, sie zertrümmern
Das stille Lebensheil
Vom Pallast bis zum Schatten
Der kleinsten Hütte, weil
Zwei Fürsten Launen hatten;
Oft auch, weil's Einen quält,
Daß eine helle Streife
Des Prunkes ihm noch fehlt
Im bunten Titelschweife.
Doch ist das Volk geneigt,
Sein eigenes Blut zu hassen?
Das Volk – versteht sich – schweigt –
Von seinem Pfluge laufen muß,
Von seinen Lieben fort,
Um schnell mit Wehr und Waffen
Weit in der Ferne dort
Sich Feinde zu verschaffen. – – –
Der große Meuchelmord
Deckt fürchterlich die Erde. – –
Vernichtet ist ihr Fleiß,
Zerstört ihr Lebenskreis.
Wer rettet Menschen noch
Vom Blutdurst wilder Krieger?
Der Tiger schont denn doch
Sich selbst im andern Tiger! – – –
Durcheinander liegen die Gebeine
Der Erschlag'nen um den Blutaltar.
Ruhig liegt, wie an der Brust des Freundes,
Hier ein Haupt an Feindes Brust gelehnt,
Dort ein Arm vertraut am Arm des Feindes.
Nur das
Leben haßt, der
Tod versöhnt.
O, sie können sich nicht mehr verdammen,
Die hier ruh'n! Sie ruhen Hand in Hand;
Haben gern einander sonst erwidert,
Was die Liebe gibt und Lieb' erhält.
Nur der Sinn, der Menschen noch entbrüdert,
Weist den Himmel weg aus dieser Welt.
O, so reicht einander doch die Hände,
Eh' die Gruft euch an einander drängt! – –
Aber hier, um öde Menschentrümmer,
Hier auf öder Wildnis ruht ein Fluch.
Welche Fäden sind hier abgerissen!
Und was fällt, wenn nur Ein Haupt zerfällt!
Ach, sie waren einst beglückte Väter,
Gatten, Söhne – – – – – .
Dies Säulenthor, es halte
Den Fürsten die Geschichte
Verschwundner Tage vor!
Sie predigt Prophezeiung
Dem thörichten Geschlecht,
Wie grausam die Entweihung
Der Menschlichkeit sich rächt.
Es währt so kurz hienieden,
Und dennoch rauben sich
Die Menschen freventlich
Einander ihren Frieden! – –
Welch ein Anblick! Hierher, Volksbegierer!
Hier, bei dem verwitternden Gebein
Schwöre, Deinem Volk ein sanfter Führer,
Deiner Welt ein Friedensgott zu sein!
Hier schau' her, wenn dich nach Ruhme durstet,
Zähle diese Schädel, Völkerhirt,
Vor dem Ernste, der dein Haupt entfürstet
In die Stille niederlegen wird!
Laß im Traum das Leben dich umwimmern,
Das hier unterging in starres Grau'n!
Ist es denn so reizend, sich mit Trümmern
In die Weltgeschichte einzubau'n?
Einen Lorbeerkranz verschmäh'n, ist edel!
Mehr als Heldenruhm ist Menschenglück!
Ein bekränztes Haupt wird auch zum Schädel,
Und der Lorbeerkranz zum Rasenstück!
Cäsar fiel an einem dunklen Tage
Ab vom Leben, wie entstürmtes Laub;
Friedrich liegt im engen Sarkophage;
Alexander ist ein wenig Staub.
Klein ist nun der große Weltbestürmer,
Er verhallte, lauten Donnern gleich.
Längst schon teilten sich in ihn die Würmer,
So wie die Satrapen in sein Reich. –
Dort, dort unten, wo zur letzten Krümme
Wie ein Strahl der Lebensweg sich bricht,
Tönet eine feierliche Stimme,
Die dem Wanderer dumpf entgegen spricht:
»Was nicht rein ist, wird in Nacht verschwinden,
Sterne werden aus dem Nebel geh'n;
Zittern werden die bekränzten Sünder,
Und der Mensch wird vor der Wahrheit steh'n.«
O, verrufen sei die Gruft des Würgers,
Dessen Schwur ein gutes Volk betrog,
Der den Frieden und das Blut des Bürgers
Feil für Gold in fremde Hände wog!
Doch mich weh'n von ruhenden Gebeinen
Guter Fürsten sanfte Schauer an;
Leitet mich, ihr Schauer, daß ich weinen,
Dort mein Herzensopfer weinen kann!
Du, o du, den nicht der Witwe Jammer
Wimmernd anklagt, ruhig sei dein Grab!
Wehmut send' in deine Friedenskammer
Eine Ros' und eine Thrän' hinab! – – –
Verwüster! haltet ein
Und gönnet doch der Erde,
Ein Paradies zu sein!
O, Paradiese schaffen
Ist mehr als Glück der Waffen!
Euch ward dazu die Kraft,
Ihr hohen Völkerhirten!
Ein Kranz von heil'gen Myrten
Dem, der das erste schafft!
Tiedge.