Deutsche Balladen
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Das Schreckbild

(Johann August Apel, 1771 – 1816)

            König Erich zog wohl auf und ab,
er traf an ein mächtiges Hünengrab.

»Wer wälzt mir vom Grabe den schweren Stein?«
Drin ruft es, als litt es viel grimmige Pein.

»O Herr, nicht gut ist's in Gräber zu schaun;
drin wohnet Entsetzen und finstres Graun;

drin sitzen die Geister mit grimmigem Blick
und halten verborgene Schätze zurück.«

»Die Geister zwinget mein Zauberschwert,
den Eingang lassen sie unversehrt.«

Da regt sich der Stein von der Männer Gewalt
und es öffnet sich langsam ein finsterer Spalt;

und es öffnet sich weiter das finstre Tor,
ein greuliches Schreckbild drängt sich hervor.

Bleich ist es zu schaun wie der bleiche Tod,
von triefendem Blut sind die Wangen rot.

Die Glieder sind zitterndes Totengebein,
und modernde Tücher hüllen sie ein.

Und der König entsetzet sich ob dem Gesicht,
da hebt es die Hände empor und spricht:

»O König, wende dein Auge nicht ab!
Ein Lebender bin ich, doch wohn ich im Grab;

mein Nam' ist dir und den Helden bekannt,
Asvit ward ich einst im Ruhme genannt.«

Da staunt der König, es staunt das Heer:
»Asvit, wie kamst du ins Grab hierher?«

»O König, ich schloß den Freundschaftsbund
auf Tod und Grab mit dem Held Asmund.

Wir trugen zusammen die Freud' und das Leid
wir fochten zusammen den heißen Streit.

Und als Asmund zu sterben kam,
seine Roß und Hunde er mit sich nahm.

Seine Roß und Hund' und das beste Kleid,
und ich folgt ihm ins Grab nach meinem Eid.

Die erste Nacht und den ersten Tag,
beweinend den Toten, ich trauernd lag;

den zweiten Tag und die zweite Nacht
ergriff mich brennend des Hungers Macht;

am dritten wühlt ich in Roß und Hund;
doch graute vor solcher Speise dem Mund;

am vierten erlag ich der gräßlichen Qual,
ich schwelgt in dem blutigen Leichenmahl.

Das störte den Toten in finsterer Nacht
und der modernde Leichnam Asmunds erwacht.

Gewendet war seine Lieb in Haß,
seine Stimme war grimmig, sein Blick war graß.

Er stürzt auf mich in entsetzlicher Wut,
er saugt aus Gliedern und Wangen das Blut;

aus Lippen und Mund er den Atem mir saugt
und Grabesluft in die Brust mir haucht.

Allnachts ward grauser das Totengebein
und grimmer sein Blick und wilder sein Schrein.

Allnachts mit dem Toden der Lebende rang
und doch nimmer die morschen Gebeine bezwang.

Drum seht ihr mich bleich, wie den bleichen Tod,
von triefendem Blut nur die Wangen rot.

Drum sind meine Glieder wie Totengebein,
und modernde Lumpen hüllen sie ein.«

Da sprach der König: »Du treuer Mann,
deinem Schwur hast du wahrlich genug getan.

Der Lebend'ge sich nicht zu den Toten gesellt,
dem Toten der Lebende nicht gefällt.

Nun sollst du des Königs Gefährte sein,
und den Toten verschließe des Grabes Stein!«

 


 


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