Deutsche Balladen
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Der getreue Hund

(Günther von Göckingk, 1748 – 1828)

              In König Karls, des Weisen, Gnade
wuchs Aubry von Montdidier,
gleich einem Ölbaum am Gestade
der Marne, in die Höh;
denn er, kein Schmeichler und kein Zwitter
von Schurk und Biedermann,
hing eifriger, als alle Ritter
bei Hof, der Weisheit an.

Scheel sah der Ritter von Macaire
im Sommerglanz den Lieblichen blühn,
und er, der gern gewesen wäre,
was, ohne sein Bemühn
itzt Aubry war, legt Aubry Schlingen
fein, wie der Hofmann flicht,
und grub ihm Gruben; doch gelingen
wollt alle List ihm nicht.

Von einem Jagdhund nur begleitet,
ging einstens Aubry in den Wald
von Bondy. Siehe! plötzlich reitet
sein Feind daher. »Halt! halt!
du Schurke!!« rief er. Aubry kannte
die Stimm' und hielt's für Scherz;
doch jener zog sein Schwert und rannte
die Spitz' in Aubrys Herz.

Noch warm verscharrt er Aubrys Leiche,
bedeckte den blutroten Ort
mit Erde, Rasen und Gesträuche
sorgfältig und ritt fort.
Der Hund blieb aber auf der Stelle
dem toten Herrn zu lieb,
mit Kratzen, Heulen und Gebelle,
bis Hunger fort ihn trieb. –

Von Aubrys Freunden fast vergessen
kam Herkul mager nach Paris.
Kaum hatt er halb sich satt gefressen,
so heult er und verließ
geschwind das Haus und rannte wieder
in Bondys Wald hinauf,
legt auf der Gruft des Herrn sich nieder
und hielt Schildwache drauf.

So trieb er's lange Zeit. Man spürte
des Hundes Fährte nach und fand
tief im Gehölz, wohin sie führte,
den Hund auf seinem Stand.
Als man die Stelle voll Gesträuche
und frisch gegraben sah
grub man sie auf und Aubrys Leiche
lag halb verweset da.

Man fuhr sie nach Paris. Die Ohren
gesenkt, lief Herkul nebenher
schon alle Hoffnung war verloren,
je zu entdecken wer
der Mörder sei. Da packt voll Rache
einst Herkul seinen Mann,
im Kreis der Armbrustschützenwache
des Königs, grimmig an.

Was schlagen konnte, schlug den Treuen
der seines Herren Mörder biß:
doch immer faßt er ihn von neuem,
bis man hinweg ihn riß.
In allen Häusern, allen Gassen
sucht er den Ritter auf,
und konnt er ihn nach Wunsch nicht fassen,
so bellt er drauf und drauf.

Dem Adel, der den Hund wohl kannte,
schien das verdächtig. Bald erfuhr
der König selbst es . Dieser brannte,
noch näher auf die Spur
zu kommen; ließ, umringt von Rittern,
den Mörder Aubrys stehn;
und dennoch war heraus ihn wittern
in einem Hui geschehn.

Denn Herkul kündigt mit Gebelle,
so schlau sich dieser auch verbirgt,
den Mörder an, und auf der Stelle
hätt er ihn stracks erwürgt
(so schlug er, Haken gleich, die Pfoten
ins Fleisch des Feindes ein!),
wenn nicht der weise Karl geboten,
Macaire zu befrein.

Der König zog ihn auf die Seite:
»Gestehet, Ritter!« sprach er sacht,
»habt Ihr – schon sagen's alle Leute –
nicht Aubry umgebracht?
Bedenkt! wenn selbst verloren sollte
auch Eure Seele gehn!«
Allein aus Furcht vor Strafe wollte
Macaire nichts gestehn.

»Nun wohl!« sprach König Karl, »so mache
Gott selber denn die Wahrheit kund,
denn Aubrys Blut schreit laut um Rache
durch seinen treuen Hund;
drum soll ein Zweikampf zwischen beiden
den sonderbaren Zwist
auf übermorgen gleich entscheiden,
und wenn du schuldig bist« –

Karl drohte mit den Augenbrauen
dem Mörder noch und hieß ihn gehn.
Die Insel unser lieben Frauen
zum Kampfplatz ausersehn,
ward eingefasset mit Staketen,
dem Hof ein Pavillon
erbaut; der König kam; Trompeten
erschallten vom Balkon.

Macair erschien; in seiner rechten
mit einem Prügel, einen Schild
in seiner linken Hand. Zum Fechten
hatt' Herkel nichts, der wild
um seinen Feind und um die Keule,
die keck der Bube schwang,
mit Zähnefletschen und Geheule
herum im Kreise sprang.

Auf einmal fuhr er zu und packte
den, der verhöhnend vor ihm lief,
so fest, daß das Genick ihm knackte
und daß aus Angst er rief:
»Ach, Gnad! ihr sollet alles wissen!
bringt nur die Bestie fort!«
Und als der Hund war losgerissen,
gestand er seinen Mord.

Man drängte sich, Herkuln liebzukosen:
es lebe, schrien aus einem Mund
enthusiastisch die Franzosen,
der König und der Hund!
»So!«, rief itzt vom Balkon der König:
»Wohlan! du Schlangenbrut!
Recht und Gerechtigkeit versöhn ich
nunmehro durch dein Blut!«

Macair erzittert und erbleichte;
er bat; – umsonst! Da kamen schon
zwei Priester, führten ihn zur Beichte
und Absolution, –
worauf, als er sich sträuben wollte,
der Henker fest ihn band
und – nur ein Schwertschlag – schnappend rollte
sein Kopf schon in den Sand.

 


 


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