Deutsche Balladen
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Die Odaliske

(Friedrich Hebbel, 1813 – 1863)

        Es harrt auf weichem Purpursamt
die jüngste Sklavin ihres Herrn,
und unter dunkler Braue flammt
ihr Auge, wie ein irrer Stern.

Sie stammt aus jenem Lande nicht,
wo ehrbar-blond der Weizen reift
und stachlich-keusch die Gerste sticht,
wenn man sie noch so leise streift.

Sie ist der Feuerzone Kind,
wo jede Frucht von selber fällt,
weil sie der Baum, der zu geschwind
die zweite zeitigt, gar nicht hält.

Sie hat von dem Johannisstrauch
die karge Beere nie gepflückt,
die, ohne Kraft und ohne Hauch,
zur Abwehr gar den Dorn noch zückt.

Doch ward sie oft vom Wein bespritzt,
weil himmelan die Rebe drang
und dann vom Sonnenstrahl zerschlitzt,
die Traube in der Luft zersprang.

Drum sitzt sie auch nicht seufzend da,
nun ihre eigne Stunde naht,
sie denkt der Rosen, fern und nah,
die sie schon selbst gebrochen hat.

Und sieh, der Pascha tritt herein,
zwar ernst und düster, doch nicht alt,
und vor ihm her den Becher Wein
trägt eines Mohren Nachtgestalt.

Er sieht das Mägdlein lange an,
mißt Zug für Zug und nickt nur still,
zum goldnen Becher greift er dann
und fragt, ob sie nicht trinken will.

Ihr aber schwillt schon jetzt das Blut
bis an der Adern letzten Rand,
drum fürchtet sie des Weines Glut
drum stößt ihn weg mit ihrer Hand.

Nun weist er stumm den Mohren fort,
dem wild das Auge glüht vor Lust,
und setzt sich an den weichsten Ort
und küßt ihr langsam Mund und Brust.

Doch plötzlich dringt ein jäher Schrei
von außen ihr ins bange Ohr:
sie ruft verstört, was das denn sei, –
und er versetzt: »Es starb der Mohr!

Er trank den Wein, den ich dir bot,
und wird der Sünde nimmer froh,
denn beigemischt war ihm der Tod! –
Ich prüfe jede Sklavin so!«

 


 


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