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Friedrich Wilhelm Gotter (1746-1797)

Die Unbefangne

Ich bin ein Mädchen, fein und jung,
Und bin gottlob! noch frei;
Ich weiß nichts von Romanenschwung
Und haß Empfinbelei.

Leicht fließt mein Blut; ich liebe Scherz
Und liebe Sang und Tanz.
Mein Reichtum ist ein frohes Herz,
Mein Schmuck ein Rosenkranz.

Ich schlage nicht aus Evens Art:
Leichtgläubig, eitel, schwach
Bin ich, und liebe Neugier ward
Mein Erbteil siebenfach!

Auch flieh ich nicht der Männer Spur,
Mir sagte die Mama:
Wir armen Mädchen wären nur
Um ihretwillen da.

Drum schleicht in meinen schlichten Sinn
Kein blöder Stolz sich ein –
Wohl mir, daß ich ein Mädchen bin,
Laß andre Engel sein!

Beruf zur Liebe

Unser süßester Beruf
Ist das Glück der Liebe;
Alles, was der Himmel schuf,
Fühlet ihre Triebe.
Wenn umher der Käfer irrt.
Sucht er sich ein Weibchen,
Wenn ein Tauber einsam girrt,
Locket er sein Täubchen.

Blumen öffnen ihre Brust
Lauen Abendwinden;
Efeu schlinget sich mit Lust
Um bemooste Linden;
Liebemurmelnd eilt der Bach
Unter den Gebüschen
Einem andern Bache nach,
Sich mit ihm zu mischen.

Liebe tönt der Sänger Heer
Von den Zweigen nieder;
Weibchen flattern um sie her,
Sträuben das Gefieder,
Locken, schmachten und entfliehn
Schamhaft zu Gesträuchen,
Wo, mit zärtlichem Bemühn,
Männchen sie erreichen.

Seelen, die der Himmel schuf,
Fähig edler Triebe,
Folgt dem süßesten Beruf,
Schmeckt das Glück der Liebe!
Sie nur kann euch freudenreich
Diese Wallfahrt machen;
Sie nur führet lächelnd euch
Zu dem schwarzen Nachen.


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