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Rudolf der Schreiber (um 1220–1254)

Vokalscherz

Ein rotes Mündlein, das ich sah,
Hat mich verletzt, und das geschah
Mir grad im tiefsten Herzen da,
Allwo die Minne liegt ganz nah.
Bleibt ihre Huld mir aus etwa,
Spricht sie nicht bald ein freundlich Ja,
So sterb ich – bin schon tot beinah.

Ich glaube kaum, daß einem je
Nach seinem Liebchen ward so weh.
Was soll mir Mai und bunter Klee?
Ich achte Blumen so wie Schnee
Und nichts den Vogelsang und seh
Nach ihr nur, wo ich geh und steh,
Und Minne hetzt mich wie ein Reh.

Ich bin so traurig, weiß nicht wie,
Und müßte froh sein wie sonst nie;
Was mich so martert, ist nur sie.
Zum Unmut möcht ich sagen: flieh! –
Wenn sie drei Tag lang mir verlieh,
Bei ihr zu sitzen Knie an Knie,
Wohl keine Lust wär groß wie die!

Ob ich der Minne Schlingen floh,
Sie legten mich in Fesseln so,
Daß Freude mir blüht nirgendwo.
Doch wie das Leid mich auch bedroh,
Zween Arme nur und Hände zwo
Genügten mir: dann wär ich froh
Und würde brennen lichterloh.

Mich plagt die Sehnsucht immerzu
In tiefster Seele spat und fruh
Und drückt wie Blei des Herzens Truh.
Vielholde Minne, spende du
Mir deinen Trost, dann hab ich Ruh
Vor aller Merker Zunft im Nu
Und tanze hin in leichtem Schuh! (8.)


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