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Rudolf Presber (geb. 1888)

Ein Liebesliedchen

Ich schreibe so zarte Lieder,
Du töricht fragend Kind,
Weil deine jungen Glieder
So schlank und rosig sind.

Ich spinne so klingende Märchen,
Du lieb unschuldig Ding,
Weil sich an deinen Härchen
Ein Glanz der Feen fing.

Ich habe den Sang gefunden,
Aus dem der Frühling sprüht,
Weil mir in heimlichen Stunden
Dein blaues Auge blüht.

Dein Bild – mein Weggeselle,
Dein Mund – das Ziel, das winkt;
Dein Lachen – die lautere Quelle,
Aus der mein Frohsinn trinkt.

Ich küsse Leier und Schwert drauf:
Du hast mich gefeit und gestärkt;
Doch leg ich keinen Wert drauf,
Daß deine Mutter das merkt.

Der Faden der Ariadne

Schön versteckt im rankendichten
Geißblattläubchen – ich und sie.
Ich erzähle ihr Geschichten
Aus hellenischer Poesie.

Red von Halbgott, Faun und Nymphen;
Und die Kleine lauscht entzückt,
Während sie des Vaters Strümpfen
Munter neue Fersen strickt.

Sprech von Zeus, dem Göttervater,
Dem die Liebe oft gelacht,
Was er manchmal für Theater
Und für Zauberchen gemacht.

Komm auf Theseus dann zu sprechen,
Der auf Kreta stark und klug
Einst den ungeschlachten, frechen
Minotaurus niederschlug.

Freilich nur durch eine Finte
Fand er in dem Irrgeflecht,
In dem bösen Labyrinthe
Sich als einziger zurecht.

Denn ein selbstgesponnen Fädchen,
Eh der Vater es entdeckt,
Hat ihm ein verliebtes Mädchen
Heimlich winkend zugesteckt.

Und so kams, daß nach dem Hiebe,
Der das Untier überwand,
Er sich selig in der Liebe
Weiche Arme heimwärts fand...

Wie von Thesus ich berichte,
Wie er wirbt und sich vermählt,
Fühl ich, daß ich die Geschichte
Nimmer noch so schön erzählt.

Und – ihr mögt die Nasen rümpfen! –
Zu der Kleinen beugt ich mich,
Die mir mit des Vaters Strümpfen
Lachend ausbog und entwich.

Ach, ich sah noch nimmer so sie,
Gar so reizend nie zuvor;
In das dunkle Haus entfloh sie
Und die steile Trepp empor...

Aber sieh! Wo sie entschlüpfte
Lustig lachend und in Eil,
Über steile Treppen hüpfte
Auf mich zu – ein Wolleknäul.

Selig halb und halb erschrocken,
Voller Hoffnung, voller Scham,
Griff ich ihn, der von den Socken
Des geliebten Vaters kam.

Nicht gerufen, nicht geladen,
Doch geleitet für und für,
Ließ ich mir von seinem Faden
Weisen eine Kammertür.

Und ich ging auf solche Weise
Sicher ohne Licht und Schein.
Und ich klopfte leise, leise –
Und die Kleine rief: »Herein!«...

Jedes Liebespärchen hat ne
Schutzpatronin, lieb und licht;
Und die unsre hieß Ariadne – –
Und wir zwei bereutens nicht.

Doch ihr Vater – der war trocken
Und ein grämlicher Pedant –
Sprach nach Wochen: »Meine Socken
Drücken mich, s ist eine Schand.

»Schmerzen an den Hinterpfoten
Hab ich dadurch Tag und Nacht;
An der Ferse ist ein Knoten,
Der mir viel zu schaffen macht!«

Sommertag

Ein Nymphchen, das im Ölwald lag
An einem sonnigen Sommertag,
Hörts plötzlich leise knallen,
Als wollten Tropfen fallen,
Als wollten Knospen springen
Und sich zum Lichte ringen...

Und doch – der Ton, wie sonderbar!
Das Nymphchen strich zurück das Haar:
Den Leib am Boden, schlangengleich,
Schlich es durch Dickicht und Gesträuch,
Behende wie ein Echschen,
Das schlank geschmeidge Hexchen.

Dort an der Lichtung ei, ei, ei!
Da saßen unter Blumen zwei
Und – dürft es seinen Augen traun?
Hielt nicht der alte Vater Faun
Mit neckischem Gekose
Die Dryas dort im Schoße?

Und was wie fallende Tropfen klang
Und knallt, als ob ein Knöspchen sprang,

Das wirkten pressend Mund auf Mund
In dieser selgen Sommerstund
Voll Licht und Duft und Gnade
Herr Faun und Frau Dryade.

Das Nymphchen in dem Baumversteck,
Das ward im Schauen froh und keck
Und dacht: Der Plätzchen gibts noch mehr,
Und kommt ein Faunchen jetzt daher,
So möcht ich das da drüben
Heimlich Gelernte üben...

Und ob ein listig Faunchen kam,
Das blonde Nymphchen mit sich nahm,
Das weiß ich nicht. Doch der Chronist
Vermerkt: Im Ölwald wird geküßt
Genau wie unter Eichen
Und Buchen und dergleichen.

Kartenorakel

Mein schönes Kind, ich sag dir was:
Bleib fein in deiner Stuben!
Die Karte warnt: es liegt Coeur-As
Zu nah beim Karobuben!
Gar böse Tage wirst du sehn,
Durchweinen bange Stunden –
Sonst hätt sich hier die Schippenzehn
Nicht zur Treffneun gefunden.

Auch werden Eifersucht und Neid
Und Schmähsucht nicht erlahmen.
Das deuten dir hier Seit an Seit
Von Treff und Pik die Damen.
Doch Haß und Klatsch und Weibertück
Durchbricht ein siegreich Lieben,
Denn Farb und Zahl bedeuten Glück:
Coeurzehn bei Karosieben!

Von Reichtum, Kindchen, Macht und Rang
Steht nichts in deinen Karten;
Du sollst drum auch ein Leben lang
Auf solchen Tand nicht warten.
Glaub mirs, der längst sie Lieb und Haß
Und Traum und Glück begruben:
Das Beste bleibt halt doch: Coeur-As
Ganz nah beim Karobuben!

Erziehung zum Seelenfrieden

Ich sucht ein heilsam Kräutchen
Mir jüngst für Herzensweh,
Da sah ich zwei Liebesleutchen
In einer Pappelallee.

Sie schritten so weltvergeßlich,
Treu Hand von Hand geführt,
Und waren beide so häßlich
Und beide so gerührt.

Sie waren von ihrem Lose
Beglückt und voll Vertraun –
Er trug ne karierte Hose,
Just wie ein Zirkusclown.

Ihr Blick war voller Süße,
Der Abend war hell und schwül.
Sie hatte platte Füße
Und einen Ridikül.

Das war ein Gliedergezappel,
Die Herzen zwickte der Mai –
Sie hielten mich für ne Pappel
Und gingen selig vorbei.

Ich stand am Straßengraben
Und schaute, wie das ging;
Sich gar so liebzuhaben,
Ist doch ein schönes Ding!

Und was die Dichter schwappeln
Von Hollerbusch und so,
Es wird auch unter Pappeln
Noch mancher herzensfroh.

Und wer nicht grad nach großen
Und seltnen Freuden strebt,
Hat in karierten Hosen
Bescheidnes Glück erlebt.

Die Heckenrose

Eine schlanke Heckenrose
Schaukelt lustig in dem Wind;
Freute sich, das fleckenlose,
Rosig zarte Sonnenkind.

Hat geduftet und gesungen:
»Blühe hier für jedermann,
Alle, alle hübschen Jungen
Lachen mich am Strauche an.«

Eine dicke Hagebutte,
Tief gekränkt und voll Verdrieß,
War es, die aus roter Kutte
Also sich vernehmen ließ:

»Wart ein Weilchen, meine Teure,
Und bann bist du Spatzenspott.
Dick und voll Zitronensäure,
Wirst du bestenfalls Kompott!«

Die süße Beere

Eine Beere mocht ich pflücken,
Ei jaja, der Hunger wills;
Und im Wegschaun und im Bücken
Griff ich einen Fliegenpilz.

Ach, nun krümmt sich mein Gedärme,
Das die üble Kost gewann,
Und es fängt ein groß Gelärme
Unter meinem Nabel an.

Ja, die Welt ist zum Entzücken –
Junger Ehemann, was gilts?
Süße Beeren willst du pflücken,
Und du faßt nen Fliegenpilz.


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