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XI.

Mit einem ungewohnten Ausdruck der Verbissenheit entstieg Oberinspektor Benson dem Polizeiwagen, der ihn aus seiner Privatwohnung geholt hatte und lief, von Inspektor Hunt gefolgt, die wenigen Stufen in den Keller hinunter.

An der Tür erwarteten ihn Kai Vastrup und Hausmeister Sörensen. Letzterer sah zum Erbarmen aus. Sein kalkweißes Gesicht war ganz grau und eingefallen. Die weit aufgerissenen Augen flackerten wie im Fieber.

Benson machte etwas verwunderte Augen, als er des Hausmeisters ansichtig wurde.

»Schöne Schweinerei!« knurrte er. »Wo ist er?«

Kai Vastrup lief voraus und führte Benson und Hunt in den Kellerraum, in dem er den Neger gefunden hatte. Die Untersuchung durch den Oberinspektor dauerte nur kurze Zeit. Plötzlich richtete er sich auf.

»Wer hat den Mann gefunden?« fragte er.

»Ich«, erwiderte Kai Vastrup.

»Und wer hat bei uns angerufen?« fragte Benson weiter. »Wohl ebenfalls Sie?«

»Ja.«

»Sagen Sie mal – haben Sie den Neger angerührt?«

»Angerührt? – Nein, natürlich nicht. – Ich weiß sehr wohl, daß man in einem solchen Falle nichts anfassen und nichts verändern darf.«

Benson lächelte. »In diesem Falle wäre es aber besser gewesen, Sie hätten es getan. Der Mann da ist nämlich nicht tot. Er hat eine ziemlich tiefe Wunde am Unterarm, die er sich offenbar durch einen unglücklichen Fall zugezogen hat. Er ist nämlich gar nicht niedergeschlagen worden, sondern nur sinnlos betrunken. Für die Zukunft merken Sie sich, daß es in einem solchen Falle genügt, die nächste Polizeiwache anzurufen oder den nächsten Polizisten zu verständigen.«

»Ich hatte ja keine Ahnung«, stotterte der junge Vastrup, »daß der Neger nur betrunken war.«

Benson gab dem Inspektor leise einen Auftrag, worauf dieser sofort hinauseilte. Er selber machte dem Verletzten aus zwei Taschentüchern einen Notverband am Unterarm. Dann winkte er den beiden andern, ihm zu folgen.

»Wie kommt es übrigens, daß Sie den Mann gefunden haben?« fragte er plötzlich. »Was hatten Sie hier des nachts zu suchen?«

»Es war ein reiner Zufall«, antwortete Kai verlegen.

»Wir von der Polizei pflegen Zufällen gegenüber immer sehr skeptisch zu sein«, sagte Benson. »Kennen Sie den Neger?«

»Ich weiß nur, daß er sich vor einiger Zeit hier herumgetrieben hat und Gelegenheitsarbeiten verrichtete. Dann war er eine Zeitlang verschwunden, weil ihn die Polizei suchte. Und heute abend tauchte er plötzlich wieder auf.«

Als Benson in der Nähe der Kellertreppe angekommen war, stieß er auf einen Haufen Flaschenscherben und eine Pfütze, die stark nach Branntwein roch.

»Da haben wir die Bescherung«, brummte er. »Der Mann ist in der Trunkenheit mit der Flasche im Arm die Treppe hinuntergefallen und hat sich an den Scherben den Unterarm aufgeschnitten.«

Er schwieg eine Weile und schien über etwas nachzudenken.

»Sie kennen den Neger doch sicher auch, Sörensen?« wandte er sich endlich an den Hausmeister. »Wie ist das mit ihm?«

»Ja, es ist so, wie Herr Vastrup sagte«, antwortete Sörensen. »Er verschwand spurlos, als die Polizei nach ihm suchte, und heute abend ist er also plötzlich wiederaufgetaucht.«

»Warum verbarg er sich vor der Polizei?«

»Ja, das war so mit ihm. Eines Tages kam er ins Haus und bettelte. Meine Frau gab ihm denn auch einen Teller voll Suppe, die er hinunterschlang, als ob er wer weiß wie lange nichts gegessen hätte. Er war sehr stark und auch arbeitswillig, und so kam es, daß er in Peddersens Gasse hier und da kleine Gelegenheitsarbeiten verrichtete. Die Druckerei holte ihn sich, wenn sie eine Ladung Papier bekam. Bei der Fruchtfirma half er Kisten abladen, und auch die Schlosser gaben ihm ab und zu ein paar Kronen zu verdienen. Die Leute meinten, er wäre wohl von einem englischen oder amerikanischen Schiff ausgerückt. Er war aber sehr beliebt, weil er immer so freundlich grinste und in jeder Beziehung willig war. So schlug er sich eine ganze Weile durch. Zuerst wußte ich gar nicht, wo er nachts schlief, bis ich eines Tages dahinterkam.«

Benson nickte. »Ich habe es schon gesehen. Er hat sich ja da in dem Kellerloch ganz wohnlich eingerichtet. Wann haben Sie das bemerkt?«

»Damals, als man die Polizei holte. Denn der Neger, den sie hier alle Cesar nannten, hatte auch sehr schlechte Seiten. Er fing an zu stehlen. Wenn die Leute vom Fruchtlager frühstücken wollten, war das Brot plötzlich verschwunden. Aber auch Zigaretten, Kleingeld, Taschenmesser und dergleichen gingen denselben Weg. Sie hatten den Neger im Verdacht und sagten es ihm auf den Kopf zu. Aber keiner wagte sich an ihn heran. Sie hatten Angst vor ihm, weil er so furchtbar stark war. Sie meldeten die Sache deshalb auch nicht der Polizei, sondern schimpften nur und schlossen ihre Jacken und ihre sonstigen Sachen in einen Kellerraum ein, der noch leer war, und den ich ihnen zur Verfügung gestellt hatte.

Es wurde aber immer schlimmer mit dem Schwarzen. Er stahl, was er erwischen konnte, und war oft sinnlos betrunken. Eines Tages gelang es ihm, während der Mittagspause in das Büro des Fruchtlagers einzudringen und aus einer Kassette zweihundert Kronen zu stehlen. Dann verschwand er, aber am nächsten Abend fand man ihn schauderhaft betrunken hinten im Keller. Er wurde verhaftet und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt.

Nach seiner Strafe war er plötzlich wieder da. Aber schon nach ein paar Tagen kamen Polizeibeamte, und fragten nach ihm. Er sollte per Schub außer Landes gebracht werden. Ein kleiner amerikanischer Dampfer, der im Hafen lag, sollte ihn mitnehmen. Aber Cesar roch Lunte und machte sich dünne.«

»Wann war das?« fragte Benson gespannt.

»Das ist vor ungefähr vier bis fünf Wochen gewesen.«

»So, so! Vor vier bis fünf Wochen!« murmelte Benson nachdenklich. »Das war wohl um die Zeit, da Conni Nielsen den Keller mietete?«

»Nein!« erwiderte Sörensen. »Das stimmt nicht. Es war viel früher.«

Benson schwieg eine Weile, dann wandte er sich an den jungen Vastrup: »Was hatten Sie eigentlich heute nacht im Keller zu suchen? An einen Zufall glaube ich nicht.«

Dem jungen Vastrup schoß die Röte in das Gesicht. »Ich hatte eine Verabredung mit einer jungen Dame«, sagte er zögernd.

»Aber doch nicht hier unten im Keller?«

»Nein, natürlich nicht im Keller. Aber wir hörten den Neger laut singen, und ich erinnerte mich, daß er von der Polizei gesucht wurde. Später wollte ich nachsehen, wo er geblieben war, um dann die Polizei zu alarmieren. Dabei entdeckte ich, daß im Keller Licht brannte. Die Tür stand offen. Ich sah die Blutspur, ging ihr nach – und so fand ich ihn.«

Inzwischen war ein Polizeikrankenwagen angekommen. Die Leute kamen, von Inspektor Hunt geführt, mit einer Tragbahre in den Keller. Benson bat Sörensen und Kai Vastrup, auf seine Rückkehr zu warten, und schloß sich den Krankenträgern an.

Eine Weile standen die beiden Männer schweigend da. Plötzlich aber trat Kai Vastrup vor den Hausmeister hin.

»Ich möchte ein paar Worte mit Ihnen sprechen, Herr Sörensen«, sagte er. Der Hausmeister blickte ihn fragend an, ohne etwas zu erwidern.

»Ich denke, es wird Ihnen bekannt sein, daß ich mich Ihrer Tochter in der ehrbarsten Form genähert habe«, sagte Kai.

»Ja und –?« entgegnete Sörensen zerstreut.

»Ich glaubte bis heute abend, daß Ihre Tochter mir die gleichen Gefühle entgegenbrächte, die ich – – –.«

»Wollen Sie sie heiraten?« unterbrach ihn Sörensen.

»Natürlich«, erwiderte Vastrup.

Der Hausmeister schüttelte den Kopf.

»Wir sind sehr arm«, sagte er.

»Es paßt uns nicht, Estrid ohne jede Aussteuer zu verheiraten.«

»Ist es nur das?« fragte der junge Vastrup verwundert. »Ich will keine Aussteuer heiraten.«

Sörensen blickte vor sich hin auf den Fußboden. Er hatte die Hände auf den Rücken gelegt und stieß mit der Schuhspitze ein Steinchen fort.

»Wenn das Mädel aber nun nicht will«, sagte er lauernd.

»Warum sollte Estrid mit einem Male nicht wollen?«

Sörensen zuckte die Achseln.

»Das weiß ich nicht. Fragen Sie sie doch selbst.«

Die Leute kamen mit der Tragbahre zurück. Sie gingen langsam und mit gebeugten Rücken, denn der Schwarze war ein großer und schwerer Mann.

Benson blickte ihnen nach, wie sie die Kellertreppe hinaufschritten. Dann zog er den Inspektor beiseite.

»Sie wissen, daß ich mich immer ein wenig auf meinen Instinkt zu verlassen pflege«, sagte er leise. »Ich habe das Gefühl, daß dieser Neger irgendwie mit dem Fall Vastrup in Verbindung steht.«

»Wie meinen Sie das?« fragte Hunt.

»Ja, wie soll ich Ihnen das erklären? Sörensen sagt, daß der Schwarze vor vier bis fünf Wochen verschwand, und er behauptet, es wäre vor der Zeit gewesen, da Conni Nielsen den Keller mietete. Aber ich möchte bezweifeln, daß das stimmt. Ich will ja nicht gerade sagen, daß der Hausmeister die Unwahrheit sagt, aber irgendwie bringt er die Ereignisse durcheinander. Finden Sie nicht auch, daß der Mann furchtbar schlecht aussieht?«

»Ja, zweifellos«, erwiderte der Inspektor.

Benson winkte den Hausmeister heran.

»Hören Sie mal,« sagte er. »Es ist äußerst wichtig, daß wir genauer feststellen, an welchem Tage der Neger sich aus dem Staube machte, um nicht auf das Amerikaschiff gebracht zu werden. Sollte es nicht am dritten März gewesen sein?«

»Vielleicht war es am dritten März«, antwortete Sörensen unschlüssig. »Aber mit Bestimmtheit kann ich es nicht sagen.«

»Und am selben dritten März hat Conni Nielsen den Keller gemietet, nicht wahr?«

»Nein, das war später«, erwiderte Sörensen.

»Aber bisher haben Sie doch immer gesagt, es wäre am dritten März gewesen.«

»Wenn ich das gesagt habe, so habe ich mich eben geirrt. Es ist sicher erst am vierten März gewesen.«

»Sie haben dem Nielsen doch eine Quittung für die erhaltene Miete ausgestellt?«

»Natürlich«, erwiderte der Hausmeister eifrig. »Aus dieser Quittung muß ja auch das richtige Datum hervorgehen. Aber diese Quittung ist natürlich nicht in meinem Besitz, sondern – – –.«

»Aber Sie haben doch sicher ein Quittungsbuch mit einer durchgeschriebenen Kopie?«

»Ja, aber die Kopie ist leider sehr unleserlich. Das Blaupapier taugt nichts mehr. Wenn ich Herrn Harian um neues Blaupapier bitte, so tut er jedesmal, als wäre ein Räuber gekommen, um ihn auszuplündern.«

Bensons Augengläser funkelten drohend. Aber er nickte nur mit dem Kopf, als wäre die Sache damit erledigt.

Dann erklärte er, den Raum, in dem der Neger gewohnt hatte, noch einmal besichtigen zu wollen.

Nur wenige Schritte von dem Keller, in dem die Leiche Vastrups gefunden worden war, entfernt, aber auf der gegenüberliegenden Seite, lag das fensterlose Loch, das dem Neger Cesar als Wohnung gedient hatte.

Eine einzige, sehr schwache Birne erleuchtete notdürftig den Raum. In der linken Ecke war ein einfaches Strohlager hergerichtet, auf dem ein paar Pferdedecken lagen. Am Fußende dieses armseligen Bettes stand eine alte Fruchtkiste, die dem Neger als Schrank gedient hatte.

In dem oberen Fach dieser unterteilten Kiste lag ein verschimmelter halber Laib Brot, ein Gesangbuch, das von irgendeiner amerikanischen Negermission herausgegeben worden war, eine farbenprächtige Kravatte und eine halbe Platte Kautabak. Im unteren Fach befanden sich ein Paar Nagelschuhe mit zerfetztem Oberleder, eine halbe Flasche Schnaps und zwei große runde Zwiebeln.

An der einen Wand baumelte eine alte, beschmutzte Hose mit ausgefransten Beinen, an der anderen hing ein billiges Kruzifix aus gegossenem Zink. Auf dem Fußboden lag ein verbeulter steifer Hut und nicht weit davon ein alter Spazierstock, der die Zwinge verloren hatte. Damit war das Inventar dieser ärmlichen Behausung erschöpft.

Benson durchstöberte alles flüchtig, aber mit der ihm eigentümlichen Gründlichkeit. Er fand indessen nichts, das ihn sonderlich interessiert hätte.

»Hatten Sie dem Neger dieses Kellergelass als Wohnung zur Verfügung gestellt?« fragte er den Hausmeister, als er fertig war.

Sörensen hob abwehrend die Hand.

»Wie käme ich dazu? Der Schwarze hat sich hier heimlich eingemietet. Ich gucke ja schließlich nicht jeden Tag in alle Kellerräume hinein.«

Benson nickte und trat an die Wand, an der das Kruzifix hing, und klopfte mit dem Knöchel seines Zeigefingers daran.

»Hier ist das Grundstück wohl zu Ende?« fragte er.

»Ja«, erwiderte der Hausmeister.

Benson trat auf den Gang hinaus und musterte eine kleine Tür, die sich in der gleichen Mauer befand.

»Wo führt diese Tür hin?« fragte er.

»Sie ist seit Jahren verschlossen und wird nie benutzt«, erwiderte Sörensen zögernd.

Der Oberinspektor legte die Hand auf die Klinke und drückte sie nieder. Die Tür öffnete sich.

»Nennen Sie das verschlossen?« brummte er.

»Das verstehe ich nicht«, stammelte Sörensen in steigender Verwirrung.

»Also, ich frage noch einmal: Wo führt diese Tür hin?«

»In einen schmalen Durchgang, der dieses Grundstück von dem Nachbargrundstück trennt«, antwortete Sörensen nach einer kurzen Pause. »Von dort aus gelangt man in eine Nebenstraße. In jedem der vier Kellergänge des Blocks B befindet sich so eine Tür. Ich hatte angenommen, sie wären alle verschlossen; aber nun sehe ich, daß das nicht der Fall ist.«

»Und welchen Zweck haben diese Türen?«

»Das weiß ich nicht, Herr Oberinspektor. Vielleicht haben die beiden Grundstücke mal zusammengehört.«

»Ist Herr Harian auch Besitzer des Nachbargrundstückes?«

»Nein.«

»Herr Kollege,« wandte Benson sich an den Inspektor, »lassen Sie sich doch von dem Hausmeister einmal gleich alle diese Türen zeigen und überzeugen Sie sich, ob sie offen oder verschlossen sind.«

Als Sörensen und Hunt gegangen waren, bemerkte Benson den jungen Vastrup, der sich nicht von der Stelle gerührt hatte.

»Wußten Sie, daß der Schwarze hier einen Unterschlupf gefunden hatte?« fragte er.

Der junge Mann schüttelte den Kopf: »Woher sollte ich das wohl wissen?«

»Wissen Sie überhaupt nichts von ihm zu erzählen?«

»Nein. Schließlich wohne ich ja nicht in Peddersens Gasse, sondern ein ganzes Stück davon entfernt.«

Benson bohrte die Zwinge seines Schirmes in die an der Wand hängende alte Hose und drehte sie herum. An den Knieen befanden sich helle, tellergroße Flecke.

»Sieh einer an!« rief er überrascht. Wie ein Händler, der ein Kleidungsstück anpreisen will, breitete er die Hose auseinander und betrachtete eingehend die merkwürdigen Flecke auf den Knieen.

»Was sind das für Flecke?« fragte er, Vastrup heranwinkend. »Sie müßten das wohl wissen.«

»Natürlich weiß ich das«, antwortete Kai ohne Zögern. »Zement ist das, was sonst?«

»Dachte ich's mir!«

Benson nickte mit dem Kopf. »Wie um alles in der Welt, bekommt ein Mensch Zement an die Knie und sogar an den Hosenboden?«

»Ganz einfach: wenn er sich da hinkniet oder hinsetzt, wo sich Zement befindet.«

»Ja, natürlich.« Benson entnahm seiner Brieftasche ein kleines Tütchen, wie er es zu bestimmten Zwecken immer bei sich führte, und blies es auf. Dann bat er den jungen Vastrup das Hosenbein festzuhalten, holte ein Taschenmesser hervor, schabte vorsichtig die dünne graue Schicht von dem Hosenknie und ließ das abgeschabte Pulver in das Tütchen rinnen. Endlich verschloß er dieses und verwahrte es sorgfältig in der Brieftasche.

»Was wollen Sie damit machen?« fragte der junge Vastrup.

»Untersuchen lassen«, entgegnete Benson. »Ich möchte gern wissen, was mit diesem Zement los ist.«

»Was soll denn damit los sein? Zement ist Zement, meine ich.«

»Zement ist Zement, das ist wohl wahr. Aber vielleicht können Sie mir sagen, wie oft Zement bindet?«

»Einmal«, entgegnete Kai, der sich im stillen wunderte, wie man so dumm fragen konnte.

»Na, sehen Sie. Ich möchte nämlich gern wissen, ob der Zement an der Hose des Schwarzen freier oder gebundener Zement ist. Aber hören Sie! Daß Sie mir den Mund halten! Haben Sie verstanden?«

»Seien Sie unbesorgt. Ich pflege nicht über Dinge zu reden, die mich nichts angehen.«

In diesem Augenblick kam Inspektor Hunt mit dem Hausmeister zurück.

»Alle anderen Türen sind verschlossen«, meldete er. »Die Schlösser sind in einer Verfassung, die deutlich verrät, daß sie schon seit Jahren nicht mehr geöffnet worden sind.«

»Das freut mich wirklich,« sagte Benson geheimnisvoll lächelnd.« Dann ist es anscheinend kein Zufall, daß wir diese Tür offen fanden.« Er beugte sich über das Schloß und bewegte die Klinke auf und ab. »Die Klinke ist sogar frisch geölt worden. – Sonderbar!« Er wandte sich an den Inspektor: »Lieber Kollege, sehen Sie doch einmal zu, ob Sie auf diesem Wege in die Nebenstraße gelangen, von der der Hausmeister sprach.«

Der Inspektor nickte, knipste seine Taschenlampe an und verschwand durch die Tür mit dem frisch geölten Schloß.

»Sagen Sie,« wandte sich Benson an Vastrup, »haben Sie Herrn Sörensen benachrichtigt, als Sie den Neger gefunden hatten?«

»Ja,« erwiderte Kai, »Ich ging sofort zu Herrn Sörensen hinauf, nachdem ich bei Ihnen angerufen hatte.«

»Sie waren also oben in Ihrer Wohnung?« wandte sich Benson an den Hausmeister.

»Ja.«

»Was machten Sie da?«

»Was ich machte? Ich war gerade im Begriff, mich ins Bett zu legen.«

»Pflegen Sie immer so spät schlafen zu gehen?«

»Meine Tochter war zu Besuch hier, und da ist es etwas später geworden.«

»Haben Sie nichts davon gehört, wie der Schwarze im Hof krakehlte?«

»Nein. Das heißt, ich habe nicht darauf geachtet.«

»Wann begaben Sie sich heute abend in Ihre Wohnung, Sörensen?«

»Es mag kurz nach acht Uhr gewesen sein.«

»Und Sie haben ihre Wohnung nicht wieder verlassen?«

»Nein«, entgegnete Sörensen zögernd.

»Das heißt natürlich, bis Herr Vastrup kam und Ihnen mitteilte, daß er den Neger unten im Keller gefunden hätte?«

»Ja.«

»War der Hausmeister sehr erschrocken, als Sie ihm von Ihrem Funde Mitteilung machten?« fragte Benson den jungen Vastrup.

»Nein«, erwiderte dieser etwas verwundert. »Er war weniger erschrocken, als ärgerlich. Er meinte, nun ginge die Schweinerei mit der Polizei wieder los.«

»Das war natürlich nicht persönlich gemeint,« fiel Sörensen ein, Vastrup einen wütenden Blick zuwerfend.

»Hat sich denn eigentlich der vermißte Spaten wieder aufgefunden?« wandte Benson sich plötzlich an den Hausmeister.

Sörensen fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. In seinen Augen zeigte sich deutlich zunehmende Angst. Ehe er aber etwas erwidern konnte, trat Inspektor Hunt durch die Außentür herein. In der Rechten trug er einen Spaten. Er hielt ihn in die Höhe und sagte mit schlecht verhehltem Triumph:

»Das ist er, Herr Oberinspektor!«

»Alle Wetter!« entfuhr es Benson.

»Und es befinden sich alte, eingetrocknete Blutspuren an seinem unteren Ende«, fügte Hunt langsam hinzu.

Plötzlich gellte ein seltsam pfeifender Ton durch die Luft und hallte schauerlich durch die gewundenen Gänge des Kellers. Dann hörte man einen dumpfen Fall. Benson fuhr herum.

Sörensen lag auf dem Boden und wand sich in heftigen Zuckungen. Hunt sprang hinzu und bemühte sich um ihn. Benson warf Kai Vastrup einen fragenden Blick zu:

»Ist dieser Sörensen denn Epileptiker?«

»Ich habe bis heute nichts davon gewußt«, antwortete Kai betroffen.

»Ist es schlimm?« wandte der Oberinspektor sich an Hunt.

Dieser nickte kurz. Ich glaube, es ist das beste, ihn in ein Krankenhaus zu bringen. Er ist bei dem Sturz böse mit dem Hinterkopf aufgeschlagen.«

»Ja«, meinte Benson resigniert. »Da ist ja dann nichts zu machen. Das wäre nun der zweite in dieser Nacht.«


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