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Rasch auf die Zehen gestellt, so drohen sie gegeneinander, Beide die Arm' unverzagt zu den oberen Lüften erhebend; Ferne zurück ziehn beide das ragende Haupt dem Schlage, Zwacken sich, Händ' einmischend in Händ', und entflammen den Zweikampf. |
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430 | Der ist leichter an Füßen gewandt und trotzig auf Jugend: Stark ist dieser an Bau und Gewicht; doch dem Zitternden lässig Wanket das Knie, schwerkeuchend erbebt der gewaltige Leib ihm. Viel nun schwingen umsonst der wechselnden Streiche die Männer, Viel in gehöhlete Seiten verdoppeln sie, viel auf die Brüste |
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435 | Schlagen sie los; auch Ohren umher und Schläfen umsauset Häufig die Faust, und es klirren von schmetterndem Schlage die Backen. Lastvoll steht Entellus und fest in gestemmeter Richtung Meidet er nur mit dem Leibe den Schwung, und mit wachsamen Augen Jener, wie man ankämpfet mit türmenden Werken zur Festung |
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440 | Oder des Berges Kastell einschließt in belagernde Waffen, So nun hier, nun dort umirret er jeglichen Zugang Spähend mit Kunst und drängt vielfach in vereiteltem Ansatz. Siehe da streckt ansteigend die Recht' Entellus und hochauf Hebt er sie; schleunig zuvor schaut jener den hoch von der Scheitel |
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445 | Kommenden Schlag, und behende den Leib abwendend entschlüpft er. Doch in den Wind verschüttet die Kraft Entellus, und selber, Schwer wie er war, schwerfällig mit mächtiger Last auf den Boden Taumelt er, wie wenn gehöhlt hintaumelte auf Erymanthus Oder auf Idas Höhn die dem Grund' entwurzelte Fichte. |
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450 | Eifrig fahren vom Sitz die Dardaner und die Sicanen, Ausruf schallt in die Luft, und zuerst kommt laufend Acestes, Und mitleidig erhebt er den Freund und Genossen des Alters. Ungehemmt ist der Held und unerschrocken vom Zufall; Heftiger kehrt er zum Kampf und reget die Kraft mit Erbittrung: |
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455 | Edele Scham auch empöret das Herz und sich fühlende Tugend. Ganz durch die Ebene treibt er entbrannt den getummelten Dares, Bald mit der Rechten die Schläg' und bald mit der Linken verdoppelnd; Nirgendwo Rast noch Verzug: wie häufigen Hagel ein Schauer Stürzt auf das knatternde Dach, mit so dichtschmetternden Streichen |
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460 | Wechselt die Hände der Held und schlägt und verfolget den Dares.
Doch der Vater Äneas, den Lauf aufhaltend des Zornes, |
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465 |
Unglückseliger du, wie übernahm dich der Wahnsinn! Treu nahn jenem die Freund', und wie, kaum hinschleppend die Kniee, |
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470 | Klumpiges Blut auswirft und mit Blut gemengete Zähne, Führen zur Flotte sie ihn; auch Helm und Schwert, die gerufnen, Nehmen sie mit, dem Entellus die Palm' und den Farren verlassend. Jener, erhoben vom Sieg und froh des eroberten Stieres: |
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475 | Welcherlei Kräft' auch mir in des Jünglinges Leibe gewohnet, Und aus welcherlei Tod' ihr habet errettet den Dares! Sprach's und trat vor die Stirne des zugewendeten Farren, |
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480 | Aufgebäumt und zerknirschte mit berstendem Hirne den Schädel. Sinnlos fällt, und zuckend zur Erd' hin tummelt der Stier dumpf. Über ihm dann ruft also mit lauter Stimme der Sieger: Hier für des Dares Tod die bessere Seele bezahl' ich, Eryx, dir, und Sieger entsag' ich der Kunst und dem Armgut! |
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485 |
Schnell nun ruft Äneas, mit hurtigem Pfeile zu kämpfen, |
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490 | Männer kamen daher; die eingeworfenen Lose Faßt der eherne Helm; und zuerst mit gewogenem Zuruf Springt dein Los aus dem Kuppel, Hippocoon, Hyrtacus Sprößling. Mnestheus folget zunächst, der jüngst im Kampfe der Barken Hatte gesiegt, Mnestheus, mit grünendem Kranze des Ölbaums. |
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495 | Dann Eurytion auch, dir, o Ruhmvoller, ein Bruder, Pandaros, der du vordem, auf Geheiß zu verwirren das Bündnis, Unter die Grajer zuerst ein Geschoß abschnelltest vom Bogen. Aber der äußerste blieb am Grund des Helmes Acestes, Selbst auch kühn mit der Hand zu versuchen der Jünglinge Arbeit. |
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500 |
Alle sie krümmen nunmehr kraftvoll die geschmeidigen Bogen, |
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505 | Ganz erbebte der Baum, daß der Vogel geschreckt mit den Flügeln Flatterte, und vom Geklatsch, dem unendlichen, alles ertönte. Eifrig stand Mnestheus, und, straff anziehend den Bogen, Zielt' er empor, und zugleich hielt Augen und Pfeil er gespannet. Doch nicht reichte dem Armen die Kraft, daß er selber die Taube |
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510 | Traf mit dem Stahl: er zerschnitt nur die Knoten des leinenen Bandes, Das um die Füße geschürzt sie fest an dem reizenden Mast hielt, Und in die Wind' aufsteigend zu dunkelen Wolken entflog sie. Heiß von Begier nun eilet Eurytion, welcher gespannt schon Hielt auf dem Bogen den Pfeil, und er ruft mit Gelübden dem Bruder; |
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515 | Und wie am freieren Himmel sie froh mit klatschenden Flügeln Ruderte, zielt er und trifft hoch unter der schattigen Wolke. Sinnlos rollt sie herab und verhaucht in den Sternen des Äthers Plötzlich den Geist und bringt den gehefteten Pfeil mit herunter. Jetzt nach der Palme Verlust war allein noch übrig Acestes: |
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520 | Der das Geschoß gleichwohl zu den wehenden Lüften emporschwang, Daß er zeigte, der Vater, die Kunst und den tönenden Bogen. Siehe, da beut sich den Augen ein plötzliches Wunder, zu großer Vorbedeutung bestimmt! bald lehrt' es ein furchtbarer Ausgang, Und zu spät weissagten die unglückdrohenden Seher. |
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525 | Denn wie es flog, entbrannte das Rohr in gekläreten Wolken, Und es bezeichnete flammend die Bahn, und verloderte mählich Aufgelöst in die Winde: wie oft am Himmel entheftet Fliegende Stern' hinlaufen und hell nachziehen den Haarschweif. Tief erstaunten im Geist und flehten den oberen Göttern |
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530 | Dardaner und Sicanen zugleich; auch Äneas der Held nicht Wies das Zeichen zurück; er umschlang den frohen Acestes, Überhäuft' ihn mit großem Geschenk und redete solches: Vater, empfah; denn es ordnet der herrschende Gott des Olympus, |
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535 | Nimm sein Ehrengeschenk, des hochbetagten Anchises: Diesen Krug, von Bildern umstarrt, den der Thracier Cisseus Einst zu herrlichem Ehrengeschenk dem Vater Anchises Mitzunehmen verlieh, als Pfand und Gedächtnis der Freundschaft. Sprach's und umwand ihm die Schläfe mit grünendem Laube des Lorbeers; |
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540 | Und als Sieger begrüßt er vor allen zuerst den Acestes. Nicht auch Eurytion, edel an Sinn, mißgönnte den Vorzug, Da er allein doch die Taube in himmlischen Höhen getroffen. Jenem zunächst dann geht an Geschenk, der die Schlinge gebrochen; Aber zuletzt, der den Mast mit geflügelten Rohre durchbohret. |
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545 |
Doch der Vater Äneas, bevor er entlassen das Kampfspiel, Geh, dem Ascanius sage, wenn schon er bereitet die Schar hat |
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550 | Führ' er dem Ahn die Geschwader und zeige sich selbst in der Rüstung.
Sprach's, und er selber entfernt weither aus dem Raum des Bezirkes Auf ziehn jetzo die Knaben, und gleich vor den Augen der Eltern |
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555 | Rings der Trinacrierschar und der troischen Jugend Gemurmel. Allen drückt nach der Weise das Haar ein geschorener Helmkranz; Zwei kornellene Spieße, mit Stahl vorblinkende, trägt man; Dort ist die Schulter vom Köcher umglänzt, und am oberen Busen Schwebt den Hals umwindend, ein Reif von gedrehetem Golde. |
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560 | Drei der Reitergeschwader an Zahl, drei mutige Führer Traben einher; zwölf Knaben, die jeglichem folgen in Ordnung, Gehn in gesondertem Zug glanzvoll, und mit gleichen Erziehern Eine prangende Schar der Jünglinge führet der kleine Priamus, vom Großvater benannt, dein Sproß, o Polites, |
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565 | Fort zu blühen bestimmt in Italia: den ein geschecktes Thracierroß herträgt, mit schimmernden Flecken gezeichnet, Weiß am vorderen Tritt, und weiß aufbäumend die Stirne. Atys zunächst, der die Folge der latischen Atier anhebt, Atys der klein', als Knabe geliebt vom Knaben Iulus. |
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570 | Aber zuletzt ragt herrlich an Reiz vor allen Iulus, Vom sidonischen Rosse geführt, das die treffliche Dido Ihm zum Pfand' und Gedächtnis der herzlichen Liebe geschenket. Sonst auf trinacrischen Rossen des altenden Helden Acestes Reitet der Trupp. |
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575 | Klatschend empfahn die Verschämten und freun sich die Dardaner ringsum Schauend den Zug, und erkennen die Bildungen alter Erzeuger. Als sie die sitzenden Männer nunmehr und der Ihrigen Anblick |
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580 | Jene zerstreun sich in gleicher Gestalt und lösen den Heerzug Dreifach all' in Chöre gereiht; auf erneueten Zuruf Wenden sie wieder den Schwung und sprengen mit feindlicher Wehr an. Anderen Lauf beginnen sie nun und anderen Rücklauf, Häufig entgegen geschwenkt und wechselnde Kreise mit Kreisen |
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585 | Drehn sie herum, und stellen das Bild der gewaffneten Feldschlacht. Bald in Flucht sind die Rücken geblößt; bald wenden sie feindlich Spitzige Wehr; bald wieder vereiniget, schweben sie friedsam. So wie das Kunstlabyrinth vormals in der felsigen Creta Blinder Gewölb' Ausschweif', und tausendfache Verwicklung |
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590 | Tappender Weg' umdrehte zum Trug, wo Zeichen des Fortgehns Eitelte unmerkbarer und unrückgängiger Irrtum: Nicht mit anderem Lauf verwirrt die teucrische Jugend Häufig die Spur: und sie tummeln in Flucht und spielendem Angriff: Wie wenn ein Schwarm Delphine das Meer durchschwimmet, und spaltend |
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595 | Bald carpathische Flut, bald libysche, spielt in der Wallung.
Diesen Gebrauch, dies Rennen des Kampfs hat Ascanius eh'mals, |
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600 | Alba lehrte die Söhne hinfort, von welchen die große Roma empfahn und behauptet die angeerbete Ehre: Noch sind Troja die Knaben genannt, noch troischer Aufzug. So weit daurten die Kämpfe, gefeiert dem göttlichen Vater. |
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605 | Weil am Grab das Gedächtnis mit mancherlei Spielen geehrt ward, Sandte dich, Iris, vom Himmel herab die saturnische Juno Zur dardanischen Flott', und der fahrenden hauchte sie Wind nach, Stürmisch im Geist, noch immer des altenden Grolls ungesättigt. Jene beschleunigt den Weg durch den tausendfarbigen Bogen, |
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610 | Keinem gesehn, und enteilet im flüchtigen Pfade, die Jungfrau. Dort nun schaut sie der Menge Gewühl; und das Ufer umspähend, Sieht sie öde den Hafen umher und die Flotte verlassen. Doch fernab wehklagen, am einsamen Strande gesondert, Troische Fraun um Anchises Verlust; und zur Tiefe des Meeres |
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615 | Schaun sie gesamt wehklagend. Daß solch ein Gewässer den Müden Ach so viel noch drohe des Meers! weint alles gemeinsam; Stadt und Herd ist der Wunsch, sie verdreußt mühselige Meerfahrt. Mitten demnach in die Schar, und nicht unkundig des Schadens, Schwinget sie sich, ablegend Gestalt und Kleidung der Göttin. |
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620 | Beroe wird sie, die Greisin, vermählt dem Ciconen Doryclus, Die mit Geschlecht und Namen vordem und mit Söhnen gesegnet. So nun tritt sie hinein in die Schar dardanischer Mütter: Elende, ruft sie, die nicht achäische Macht in dem Kriege |
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625 | Armes Geschlecht, zu welchem Verderbnisse spart dich das Schicksal? Schon der siebente Sommer verrollt nach Trojas Zerstörung, Seit wir in Meer' und Lande verirrt ungastliche Felsen Und feindselige Stern' ausstehn; da durch große Gewässer Wir nach Italia wollen, die flieht, und in Wogen uns tummeln! |
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630 | Hier des Eryx Bruderbezirk und Acestes der Gastfreund. Was denn verbeut, hier Mauern und Stadt zu gründen den Bürgern? Heimat ach, und dem Feind' umsonst entrissne Penaten! Niemals nennt man hinfort trojanische Wohnungen? nirgends Werd' ich hektorische Ströme, den Simois schauen und Xanthus? |
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635 | Auf, und verbrennet mit mir die unheilbringende Flotte! Denn mir erschien im Traume das Bild der Prophetin Cassandra, Die auflodernde Brände mir bot. Hier suchet euch Troja, Hier ist, sagte sie, Wohnung für euch! – Stracks führet die That aus; Nicht ist Verzug dem Wundergesicht. Seht, vier der Altäre |
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640 | Stehn dem Neptunus; er selbst reicht Flammen und Mut, der Gebieter!
Sprach's und zuerst mit Gewalt entraffte sie feindliches Feuer, |
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645 | Pyrgo, die so viel Söhne dem Könige Priamus aufzog:
Nicht ist Beroe dies, nicht jene Rhöteerin, Mütter, |
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650 | Selbst nur eben verließ ich die Beroe, als ich hinwegging, Krank und unmutsvoll, daß allein sie, solcher Verehrung Teillos, nicht dem Anchises die schuldigen Pflichten bezahlte. Also sprach sie. |
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655 | Schauten die Flott' unschlüssig, geteilt von der heftigen Sehnsucht Gegenwärtiger Land', und des Reichs, das mit Göttergeschick rief: Als sich zum Himmel erhob gleichschwebenden Fluges die Göttin Und aus gewaltigem Bogen dahineilt' unter den Wolken. Jetzt wie vom Donner gerührt bei der Schau, und getrieben von Wahnsinn, |
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660 | Schreien sie all' und entreißen den häuslichen Herden die Feuer; Manche beraubt die Altär'; und Laub und Reisig und Brände Werfen sie ein. Wild rast in entzügeltem Laufe Vulcanus Bänk' und Ruder hindurch und die tannenen bunten Verdecke. Schnell zu Anchises Grab und dem hochgestuften Theater |
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665 | Trägt der entzündeten Flotte Bericht Eumelus; sie selbst auch Schauen, wie schwarz in Gewölk Flockasch' aufwirbelt mit Funken. Aber Ascanius rasch, wie er fröhlich den Lauf der Geschwader Führete, so mit dem Roß enteilet er zu dem verwirrten Lager; ihn hemmet umsonst nachkeuchender Ruf der Erzieher. |
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670 |
Was für befremdende Wut? o wohin nun trachtet ihr, ruft er, |
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675 | Eilend auch fliegt Äneas heran, und die Scharen der Troer.
Aber zerstreut in der Angst nach jeglicher Seite des Ufers |
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680 | Doch nicht darum rastet der hell auflodernden Flammen Unbezwingbare Macht; tief unter dem feuchten Gehölz lebt, Langsamen Rauch aufwirbelnd, das Werg; zäh glimmender Brodem Naget den Raum, und zum Kiele hinab zehrt dumpfe Verwesung. Nichts hilft Heldengewalt, nichts schafft einströmendes Wasser. |
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685 | Siehe der fromme Äneas, das Kleid von der Schulter sich reißend, Ruft um Erbarmen die Götter daher und strecket die Händ' aus: O allmächtiger Zeus, sind noch nicht alle verhaßt dir |
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690 | Nun, und entreiß, o Vater, was teucrisch noch blieb, der Vernichtung! Oder den winzigen Rest, mit feindlichem Donner, verdient' ich's, Send' in den Tod'; hier schmettre dein eigener Arm ihn zum Abgrund! Kaum war alles gesagt, als in platzendem Regen ein Wetter |
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695 | Höhen der Erd' und Thäler hinab; rings stürzt aus dem Äther Stürmischer Regen von Flut und heftigem Süde geschwärzet. Überschwemmt stehn schon die Verdeck', und es trieft um gesengte Planken der Guß, bis gelöscht war der Brand nun völlig, und völlig (Vier nur schwanden dahin) vom Verderb die Schiffe gerettet. |
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700 |
Doch der Vater Äneas, durchbebt von dem herben Verhängnis, |
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705 | Einzig gelehrt und erleuchtet mit höherem Lichte der Kenntnis; Diese gewährt' Antworten, sowohl was zürnende Götter Droheten, als was selber die Ordnungen heischten des Schicksals. Er mit tröstenden Worten begann also zu Äneas: Göttlicher, wo das Geschick hinruft und zurück, ihm gefolget. |
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710 | Was es auch sei, zu bestehn ist jegliches Los durch Erduldung! Siehe, den Dardaner hast du, den Göttersprößling Acestes. Diesen vereinige dir als willigen Ratesgenossen; Diesem vertraue das Volk der verlorenen Schiffe, und wer sonst Müde der Arbeit ist und deines erhabenen Zieles; |
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715 | Auch hochaltrige Greis' und des Meers verdrossene Mütter, Und was alles um dich kraftlos und scheu der Gefahr ist, Wähl', und laß die Matten im Land' hier Wohnungen haben. Diese benennen die Stadt mit vergönnetem Namen Acesta. Als er von solcherlei Rede des älteren Freundes ergriffen, |
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720 | Jetzo wankt ihm das Herz in vielfach teilende Sorgen. Aber die dunkele Nacht durchfuhr zweispännig den Himmel. Plötzlich schien aus den Lüften herabzuschweben ein Bildnis, Gleich dem Vater Anchises, das so mit Worten ihn ansprach: Sohn, du mehr denn das Leben, so lang' ich Leben geatmet, |
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725 | Stets mir geliebt, o Sohn, den Ilions Schicksal umhertreibt, Jovis Befehl schickt mich hierher, der den Schiffen das Feuer Abgewandt und sich endlich aus himmlischen Höhen erbarmt hat. Folge dem heilsamen Rate, den jetzt der greisende Nautes Anrät: Jünglinge nur, die tapfersten Herzen des Volkes, |
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730 | Führ' nach Italia hin. Ein Geschlecht, rauhsittig und wildernd, Mußt du zwängen mit Kampf in Latium. Aber zu Plutos Wohnungen steig' erst unter die Erd', und durch Avernus Geklüfte Strebe dich mir zu gesellen, o Sohn. Nicht hält mich des freveln Tartarus grauliche Nacht; in Elysiums seligen Fluren |
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735 | Wohn' ich mit Frommen vereint. Dorthin von der reinen Sibylla Durch viel strömendes Blut schwarzwolliger Schafe geführet, Wirst du dein ganzes Geschlecht und die Stadt der Verheißung erfahren. Lebe nun wohl. Schon kreiset die Nacht um die Mitte des Laufes, Ja, und der grausame Morgen mit schnaubendem Sonnengespann haucht. |
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740 |
Dieses gesagt, schnell floh er wie Rauch in die wehenden Lüfte. |
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745 | Ehrt er mit heiligem Korn andächtig und dampfendem Weihrauch.
Stracks die Genossen nunmehr und zuerst den Acestes beruft er; |
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750 | Und man erteilet die Mütter der Stadt, und das willige Völklein Setzen sie ab, nicht Herzen, nach edlerem Ruhme verlangend. Selbst erneun sie die Bänk', und verkohlete Balken der Schiffe Werden ergänzt, und Ruder gefügt und Taue gebessert: Wenige sind sie an Zahl, doch zu Krieg' thatkräftige Tugend. |
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755 | Aber Äneas indes umgrenzt mit dem Pfluge den Stadtraum, Teilt die Häuser durch Los und gebeut, daß Ilion hier sei, Troja hier. Es freut sich des Reichs der Trojaner Acestes, Ordnet den Markt und bestimmt ihr Recht den erkorenen Vätern. Dann wird nach den Gestirnen auf Eryx Scheitel ein Wohnsitz |
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760 | Aufgestellt für Venus Italia. Aber ein Priester Pflegt des heiligen Hains um das anchiseische Grabmal. Schon neun Tage durchschmauste das sämtliche Volk, und Altären |
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765 | Jetzo entstieg dem krummen Gestad' ein unendliches Jammern. Alle umarmen einander und weilen die Nacht und den Tag durch. Selbst die Mütter nunmehr, sie selbst auch, denen so rauh jüngst Deuchte des Meeres Gewalt, so unerträglich der Name, Trachten zu gehn und zu dulden die Flucht und jegliche Mühsal. |
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770 | Freundlich ermahnt sie mit Trost der gütige Vater Äneas Und er empfiehlt sie mit Thränen dem Blutsverwandten Acestes. Drei Stierkälber dem Eryx, ein Lamm den Stürmen zu opfern, Giebt er Befehl, und zu lösen vom Strand nach der Reihe die Taue. Selber das Haupt mit dem Laube gekrönt des geschorenen Ölzweigs, |
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775 | Fern in dem Vorschiff hält er die Schal'; und das Innre des Lebens Streut er in salzige Wogen und gießt des lauteren Weines. Steigender Wind vom Steuer verfolgt die rüstige Meerfahrt. Alles erhebt um die Wette den Schlag und durchfegt die Gewässer. Aber Venus indes, von empörenden Sorgen geängstigt, |
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780 | Wendet das Wort zu Neptunus und bricht in solcherlei Klag' aus:
Junos heftiger Zorn und unaussühnbarer Eifer |
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785 | Nicht ja genug, daß sie mitten aus phrygischem Volke die Stadt weg Sengte mit gräßlichem Haß und fort durch jegliche Marter Schleifte den Rest; auch dem Staub und Gebein der ermordeten Troja Lechzet sie nach. Ursachen des rasenden Grolles, die weiß sie! Neulich warst du selber mir Zeug' in den libyschen Wassern, |
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790 | Welchen Tumult sie plötzlich erhub. Meerwogen und Himmel Mischte sie, blindes Vertraun des Äolus Stürmen gewährend, So in deinem Gebiet tollkühn. Siehe, zu Frevel sogar die troischen Mütter bethörend, Hat sie die Schiff' (o entsetzlich) verbrannt, und durch Mangel der Flotte |
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795 | Ihn, zu verlassen die Freund' im Fremdlingslande genötigt! Übrig bleibt mir zu flehn: gönn' ihm durch deine Gewässer Sichere Bahn, gönn' ihm zum laurentischen Thybris die Einfahrt, Ist verstattet der Wunsch, und verleihn dort Mauern die Parcen! Drauf antwortete dies der saturnische Herrscher des Meergrunds: |
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800 | Billig und recht, Cytherea, daß meinem Gebiet du vertrauest, Dem du selber entstammst. Auch verdient' ich es: oft ja gebändigt Hab' ich so grimmige Wut und das Toben des Meers und des Himmels. Auch nicht minder zu Lande, wie Simois zeuget und Xanthus, Hab' ich für deinen Äneas gesorgt. Da verfolgend Achilles |
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805 | Trojas entatmete Schwärm' anschmetterte gegen die Mauern, Und viel Tausende streckte dem Tod', und die Ströme gefüllet Brauseten, daß nicht finden den Weg noch erzwingen den Ausgang Xanthus konnte zum Meer: damals hab' ich den Äneas, Der mit Achilles sich maß, ungleich an Kräften und Göttern, |
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810 | Fort in der Wolke gerafft; da so gern ich zerrüttet von Grund aus, Was ich gebaut, die Mauern der meineidschwörenden Troja. Jetzt auch gleiche Gesinnung besteht mir. Banne die Sorgen. Sicher soll, wie du wünschest, er gehn in die Bucht des Avernus. Einen Verlorenen nur in der strudelnden Woge vermißt er; |
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815 | Vielen gereicht ein Haupt zur Entsündigung.
Als so redend der Göttin die fröhliche Brust er gesänftigt; |
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820 | Nieder sinkt das Gewog', und unter der donnernden Axe Ebnet sich schwellende Flut; es entfliehn durch den Äther die Wolken. Jetzo erscheint vielfaches Geleit; Scheusale des Abgrunds, Glaucus im altenden Chor, und der Inoide Palämon, Auch der Tritonen Gewühl, und des Phorcus sämtliche Heerschar; |
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825 | Thetis und Melite links, und die Meerjungfrau Panopea, Auch Nesäa und Spyo, Cymodoce auch und Thalia. Doch dem Vater Äneas durchzieht nach Bekümmernis endlich |
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830 | Alle zugleich sahn wechselnd die Luft: gleich lösen sie linkshin, Rechtshin dann von dem Borde den Bausch; gleich schweben die Hörner Vorgedreht und zurück; es entrauscht vor dem Winde die Flotte. Vornan steurt vor allen und lenkt Palinurus der Segel Dichten Schwarm; ihm folgen, den Lauf nachlenkend die andern. |
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835 | Fast zum mittleren Ziel war die tauige Nacht an dem Himmel Jetzo gelangt; es entspannt' in behaglicher Ruhe die Glieder, Hin am Ruder gestreckt, auf harten Bänken der Seemann: Als sanftgleitenden Ganges der Schlaf von den Sternen des Äthers Durch die gedunkelte Luft anschritt und die Finsternis trennte, |
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840 | Dir, Palinurus, zu nahn, und dir, Unschuldiger, bringend Träume des Wehs; hoch saß er, der Gott, auf dem Steuerverdecken Phorbas gleich an Gestalt, und sprach mit der Stimme des Phorbas: Jasus Sohn Palinurus, das Meer trägt selber die Flotte, |
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845 | Lege das Haupt und entzeuch die ermüdeten Augen der Arbeit. Ich will selbst ein wenig für dich abwarten des Amtes. Kaum aufhebend den Blick, antwortete drauf Palinurus: |
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850 | Soll ich Äneas vertraun (was ist trugvoller?) dem Wind', ihn Launiger Luft, da so oft mich tückische Heitre getäuscht hat? Also sprach Palinurus, und, fest an das Steuer sich schmiegend, |
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855 | Und einschläfernden Kräften der Styx, umschüttelt ihm beide Schläfen; und bald schwimmet des Sträubenden Aug' in Betäubung. Kaum erst hatte die Ruh unversehns ihm die Glieder gelöset, Da machtvoll andrängend, mit berstendem Teil des Verdeckes, Und mit dem Steuer zugleich warf jener in wallende Flut ihn |
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860 | Häuptlings hinab, der die Freund' oftmals anrief, doch vergebens. Selbst dann hub er den Gang im geflügelten Schwung zu den Lüften. Fort auf der Meerbahn läuft nicht weniger sicher die Flotte, |
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865 | Das so gefahrvoll einst und weiß von vielem Gebein war. Rauh jetzt schallten umher von bestürmendem Salze die Klippen; Als der Held hinwanken das Schiff nach verlorenem Meister Unstät sah, und er selber es lenkt' in nächtlicher Wallung, Wehmutsvoll und erschüttert im Geist von des Freundes Verhängnis. |
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870 | O, der zu dreist du dem Himmel und heiterem Meere vertrautest, Nackt nun liegst du hinfort an fremdem Gestad' Palinurus! |