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310 | Kommst du in wahrer Gestalt, mir ein wahrer Verkündiger nahend? Sohn der Göttin, du lebst? Floh aber das heilige Licht dir; Hector, wo der? – So rief sie und strömt' in Thränen, und ringsum Füllte den Ort ihr Jammergeschrei. Kaum weniges stammelnd, Geb' ich der Armen verwirrt mit stockendem Laute die Antwort: |
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315 |
Ja, ich leb', und führe von Not mein Leben in Not hin! |
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320 |
Sie dort senkte den Blick und sprach mit leiserer Stimme: |
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325 | Ich, nach Ilions Brand', entlegene Meere durchwandernd, Trug des Achillischen Stamms Hochmut und den trotzigen Jüngling, Abgequält im Joche des Zwangs: der Hermionen nachmals, Ledas Enkelin, folgt' und der lacedämonischen Hochzeit, Und mich Dienende nun dem dienenden Helenus hingab. |
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330 | Jenem, von heftiger Glut der entrissenen Gattin entzündet, Und von der Sünde verfolgt und den Furien, lauert' Orestes Tückisch auf und erschlug ihn an väterlichen Altären. Nach Neoptolemus Tode bekam ein Teil des Gebietes Helenus, welcher nunmehr chaonische Felder mit Namen, |
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335 | Und Chaonia nannte vom troischen Chaon die Herrschaft, Und hier Pergamos baut' und Ilions Burg auf den Höhen. Aber o welcherlei Wind doch brachte dich, welcherlei Schicksal? Oder was trieb für ein Gott dich ganz Unkundigen hierher? Was denn macht dein kleiner Ascanius? lebt er und atmet? |
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340 | [Den dir, wie Troja bereits]. Ob der Knabe auch wohl den Verlust der Mutter empfindet? Ob zu männlichem Mut und altertümlicher Tugend Ihn sein Vater Äneas und Hector treibet der Oheim? Also redete jene bethränt und weinete lange |
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345 | Fort mit vergeblichem Gram: als sich von den Mauern des Heros Helenus, Priamus Sohn, darbeut in großer Begleitung, Ach und die Seinen erkennt, und froh zum Palaste daherführt, Und viel Thränen vergießt bei jedem gebrochenen Worte. Wandelnd erkenn' ich Troja die kleinere und der erhabnen |
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350 | Pergamos winziges Bild, und ein schwach hinrieselndes Bächlein, Xanthus benamt, und die Schwellen des scäischen Thores umarm' ich. Auch die Dardaner gehn der verbündeten Stadt zu genießen. Dort in geräumigen Hallen bewirtete jene der König. Feierlich sprengten sie drinnen im Hof des Palastes den Festwein, |
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355 | Vor sich Speisen auf Gold, und die Opferschal' in den Händen.
Schon entschwand ein Tag und ein anderer Tag; und den Segeln Same des Tros, o Götterprophet, der die Winke des Phöbus, |
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360 | Der Dreifuß und Lorbeer des Clariers, der die Gestirn' auch Merkt, und Stimmen der Vögel und Deutungen raschen Gefieders! Rede doch, (denn es erklärt' heilmeldende Religion mir Ganz den Lauf, und mich hießen die sämtlichen Winke der Götter Nach Italia gehn und entlegene Lande versuchen; |
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365 | Nur sie allein weissaget ein Graun, die Harpyie Celäno, Neues unnennbares Graun und kündiget traurigen Zorn an, Und scheuseligen Hunger) was meid' ich zuerst für Gefahren? Welch ein Rat, ob ich etwa so schrecklichem Leiden entfliehn kann? Helenus jetzt, da er Farren zuvor nach der Sitte geschlachtet, |
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370 | Fleht um Gnade der Götter und löst die schleiernden Binden Seines geheiligten Haupts, und dir zu den Schwellen, o Phöbus, Führt er mich selbst an der Hand, wie ich beb' im Schauer der Gottheit; Dieses sodann weissaget aus göttlichem Munde der Priester: Sohn der Göttin, (denn traun von größeren Zeichen geleitet |
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375 | Fährst du die Wogen hindurch) so lost der Unsterblichen König Schicksalslos', und die Wandel des Glücks; so rollet die Ordnung! Weniges dir aus vielem, daß sicherer gastliche Meere Weit durchziehn und im Port der Ausonier ruhen du könnest, Soll erschließen mein Mund. Denn weiteres hüllet die Parce |
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380 | Helenus Geist, und zu reden verbeut die saturnische Juno. Gleich das Italerland, das schon dir nahe du glaubest, Und zum grenzenden Port, Unkundiger, rüstest die Einfahrt, Weit, weit trennt es durch Räum' unwegsamer Weg in die Ferne. Erst in trinacrischer Flut muß schwank sich biegen das Ruder, |
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385 | Und umschweifen der Kiel das Gewog' ausonischen Meeres, Unterirdische Teich', und die Flur der Aeäerin Circe, Eh' in sicherem Lande die Stadt du zu ordnen vermögest. Zeichen sag' ich dir an; du halte sie fest im Gedächtnis. Wann dir Bekümmerten einst an der Flut des gesonderten Stromes |
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390 | Unter des Bords Steineichen die ungeheuere Bache Nach der Geburt, umwühlt von dreißig Frischlingen, daliegt, Weiß, am Boden gestreckt, und weiß um die Euter die Ferklein, Dort sei die Lage der Stadt, dort stetige Ruhe der Mühsal. Auch nicht schaudere so vor der Tische gedrohetem Anbiß; |
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395 | Ausgang bahnt das Geschick, und es naht der gerufne Apollo. Jene Gefilde jedoch und den Rand des italischen Ufers, Welcher zunächst von der Woge des unsrigen Sundes durchströmt wird, Fliehe du! Alle die Mauern bewohnt der listige Grajer. Dort errichtete Mauern das Volk narycischer Locrer; |
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400 | Auch der Lyctierfürst Idomeneus füllte mit Streitern Sallentinisches Feld; und die kleine Petelia trotzt dort, Von Philoctetes umschanzt, dem tapferen Held Meliböas. Ja, wenn jenseit des Meers die gelandete Flotte dir stehet, Und du gestellten Altären Gelübd' am Strande bezahlest, |
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405 | Hülle das Haar dir bedeckend mit purpurfarbenem Schleier, Daß nicht während der heiligen Glut in der Götter Verehrung Feindliche Schau dir begegne, die Vorbedeutung verwirrend. Dies sei Opfergebrauch den Deinigen, so wie dir selber; Dies stets Religion dem Geschlecht frommwandelnder Enkel. |
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410 | Aber nachdem dich Geschiednen der Wind dem siculischen Ufer Näherte, und sich erweitert das enge Verschloß des Pelorum; Links dann werde das Land, und links in langer Umgehung Dir das Gewässer gewählt; rechts meide die Wog' und das Ufer. Dort durch Gewalt vormals und machtvoll rüttelnden Erdsturz, |
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415 | (So viel mag umwandeln die Zeit in alternder Dauer!) Barst, wie man saget, der Grund, da vereiniget beiderlei Erdreich Veste noch war; einströmte die Flut und mit stürmender Brandung Riß sie das Siculerland von Hesperia; Felder und Städte, Durch Meerufer getrennt, durchspült' ein geengeter Strudel. |
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420 | Rechts hält Scylla den Strand und die unfriedsame Charybdis Links; und zum untersten Wirbel des Abgrunds schlürfet sie dreimal Jäh die unendlichen Fluten hinab, dann wieder zur Luft auf Schnellt sie die wechselnden hoch und schlägt die Gestirne mit Meerschaum. Aber Scylla verweilt im dunkelen Winkel der Felskluft, |
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425 | Wo sie das Haupt ausstreckt und die Schiff' an die Zacken heranzieht. Vorn ist Menschengestalt, und schön von Busen die Jungfrau, Bis an den Schoß; doch hinten ein graunvoll ringelnder Wallfisch, Welcher Delphinenschwänz' an den Bauch der Wölfe gefüget. Besser dem Ziele genaht des trinacrischen Berges Pachynos, |
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430 | Auch mit Verzug, und umher auf längerer Bahn dich gewendet, Als in der graulichen Höhl' einmal nur gesehen das Scheusal Scylla, und das Geklipp, durchbellt von schwärzlichen Hunden! Jetzo annoch, wenn Verstand bei Helenus waltet, dem Seher, Oder wenn Treu, wenn die Seele mit Wahrheit füllet Apollo, |
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435 | Eines, o Sohn der Göttin, das Einzige laß mich vor allem Kund dir thun und wieder mit Ernst dich warnen und wieder. Junos herrliche Macht sei zuerst im Gebete verehret, Juno mit frohem Gelübde gegrüßt, und der Königin Hoheit Durch demütige Gaben gebeugt! So endlich ein Sieger |
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440 | Gehst aus Trinacria du zu den Italergrenzen gesendet. Wann hierher du gelangt der cumäischen Stadt dich genähert, Und dem begeisterten See und dem waldumrauschten Avernus, Wirst du die Seherin schaun, die rasende, die in der Felskluft Schicksal singt und dem Laube die redenden Zeichen vertrauet. |
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445 | Welche Verkündungen nun in das Laub einritzte die Jungfrau, Ordnet sie alle nach Zahl und läßt sie verschlossen im Felsen. Jene ruhn unbewegt an dem Ort und behaupten die Ordnung. Doch wenn heran nur leise bei umgedreheter Angel Hauchte der Wind, und die Pforte die luftigen Blätter verwirrte; |
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450 | Nimmer die flatternden dann im gehöhleten Felsen zu haschen, Noch zu erneuen die Lag', und die Sprüche zu einigen sorgt sie. Ratlos ziehen sie fort und hassen das Haus der Sibylle. Hier laß weder Verzug so sehr dich reuen noch Säumnis; Ob auch laut antreiben die Freund', und dringend die Meerfahrt |
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455 | Segel verlangt, und schwellen du kannst die gewogene Wölbung; Nein, der Prophetin genaht und mit Flehn das Orakel erbeten! Rede sie selbst, und öffne die willige Lippe zum Ausspruch. Sie wird Italias Völker gesamt und die kommenden Kriege, Auch wie meiden du kannst und endigen jegliche Mühe, |
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460 | Kund dir thun; und verehrt wird günstigen Lauf sie gewähren. So weit gönnt das Geschick dir unseres Mundes Ermahnung. Gehe denn, hebe durch That die gewaltige Troja zum Äther. Als nun so der Prophet mit freundlicher Stimme geredet, |
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465 | Heißet er tragen zur Flott', und drängt in die fassenden Räume Mächtiges Silbergerät und dodonäische Becken, Auch den geringelten Panzer aus Drillichsmaschen des Goldes, Auch den stattlichen Kegel des Helms und den wallenden Haarbusch, Einst Neoptolemus Wehr. Nicht fehlt auch Geschenk für den Vater, |
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470 | Rosse dazu und Führer dazu. Ruderer werden ergänzt, und gerüstet die Schar mit Gerätschaft. Rasch hieß jetzo die Segel der Flott' einfügen Anchises, |
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475 |
O Anchises, von Venus erhabener Liebe gewürdigt, |
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480 | Geh, o du durch die Liebe des Sohns glückseliger Vater, Doch was red' ich noch mehr und verzögre den wachsenden Südwind? Auch Andromache jetzt, von Trauer erfüllt bei dem Abschied, |
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485 | Ganz mit gewebeten Gaben umhäuft sie ihn, also beginnend:
Dies auch empfah, was dir von meinen Händen ein Denkmal |
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490 | So warf jener den Blick, so trug er die Händ' und das Antlitz! Und nun wüchs' er mit dir zu gleichem Alter des Jünglings! Jetzo schied ich von dannen und sprach mit quellender Thräne: |
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495 | Euch ist Ruhe geschafft; kein wogendes Meer zu durchpflügen, Kein Ausonierland, das stets sich weiter zurückzieht, Auszuspähn. Ihr sehet des Xanthus Bildnis, und Troja, Die ihr mit eigener Hand euch gebaut: zu besserem, wünsch' ich, Vorbestimmt, und minder der Wut zugänglich des Grajers! |
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500 | Wenn ich zum Thybris einmal und den Nachbarfluren des Thybris Eingeh' und die dem Volke verliehenen Mauern erblicke; Städte, verwandt vormals, und blutsbefreundete Völker, Hesperus Land mit Epirus, vom selbigen Dardanus stammend, Duldend das selbige Los, die schaffen wir beide zu einer |
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505 | Troja an Sinn. Heim falle die Einigung unseren Enkeln.
Vorwärts gehn wir ins Meer, die nahen Ceraunien streifend, |
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510 | Als wir um Ruder gelost; ringsher auf trockenem Meersand Pflegen wir müde den Leib, und Schlaf durchrieselt die Glieder. Noch nicht führten die Nacht zu des Kreislaufs Mitte die Stunden: |
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515 | Alle Gestirn' auch merkt er, die still hingleiten am Himmel, Auch den Arctur und die feuchte Hyad' und die doppelte Bärin, Auch den großen Orion in goldener Rüstung umschaut er. Da er gesehn, wie alles sich füg' am heiteren Himmel, Tönet er hell vom Hinterverdeck; wir eilen zum Aufbruch, |
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520 | Wagen die Fahrt, und breiten die segelnden Flügel des Schiffes.
Schon errötete jetzt bei fliehenden Sternen Aurora, |
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525 | Aber der Greis Anchises bekränzt den gewaltigen Mischkrug, Füllt ihn mit lauterem Wein und fleht den Unsterblichen stehend Hoch auf dem Hinterverdeck: Götter des Meers und der Erd', die in Sturm und Wetter ihr herrschet, |
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530 |
Frischer saust, wie er flehte, die Luft und der Hafen enthüllt sich |
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535 | Selber liegt er versteckt, der gedoppelten Mauer Umarmung Senkt sich von türmenden Höhn; und es flieht vom Gestade der Tempel. Dort vier Ross', als erste Verkündigung, sah ich im Grase Weitumher das Gefild' abmähn, weißschimmerndem Schnee gleich. Drauf Anchises der Greis: Krieg trägest du, Land der Bewirtung! |
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540 | Krieg bewaffnet das Roß; Krieg droht das weidende Rudel! Dennoch sind auch am Wagen hinfort zu traben gewöhnet Jene Ross' und im Joch einmütige Zäume zu dulden: Fried' auch erscheint! so ruft er. Wir flehn die heilige Gottheit Pallas der Kriegerin an, die zuerst uns Jauchzende aufnahm. |
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545 | Vor den Altären bedeckt uns phrygische Hülle die Häupter; Und, was Helenus mehr als alles verlangt, nach der Satzung Weihn wir gebotene Pflicht der argivischen Königin Juno. Ohne Verzug, sobald wir Gelübd' und Flehen vollendet, |
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550 | Und von der Grajer Bezirk und verdächtigen Wohnungen fliehn wir. Drauf wird Tarentums Bucht, des herkulischen, meldet der Ruf wahr, In der Ferne gesehn. Es erhebt sich die hehre Lacinia jenseits, Und die caulonische Burg, und der Kiele Verderb Scylaceum. Dann wird fern aus der Flut der trinacrische Ätna geschauet; |
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555 | Auch lauttosenden Meeraufruhr und geschlagene Felsen Hören wir schon weither und gebrochene Hall' am Gestade: Hochauf wallen die Gründ', in den Brandungen strudeln die Sand' um. Jetzt Anchises der Greis: Hier traun ist jene Charybdis, |
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560 | Raffet heraus, o Genossen; zugleich schwingt alle die Ruder!
Gern wird, was er befohlen, gethan; und das krachende Vorschiff |
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565 | Senket uns, unten entrafft, zu des Erebus Schatten die Woge. Dreimal scholl aus der Kluft hohlzackiger Klippen Gebrüll auf; Dreimal sahn wir, wie spritzet der Schaum zu den träufelnden Sternen. Uns den Ermatteten nun war Wind und Sonne geschwunden, Als wir des Wegs unkundig zum Strand der Cyclopen hinangehn. |
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570 |
Friedsam ruht vor der Wind' Androhn der geräumige Hafen; |
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575 | Oftmal Graus und Gesteine, dem Schoß entrissen des Berges, Bäumet er strudelnd empor, und geschmolzene Felsen zum Himmel Drängt er mit dumpfem Gekrach und tobt aus dem untersten Grund' auf. Sag' ist, Enceladus Leib, den gebrandmarkt sengende Donner, Werde gedrückt von der Last, und der mächtige Ätna darüber |
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580 | Hingewälzt, veratme die Flamm' aus geborstenen Essen; Und wann er müd' umwechsle die Seit', erzittere murmelnd Ganz das trinacrische Land, und Rauch umwalle den Himmel. Wir nun dulden die Nacht das entsetzliche Wunder, in Waldung |
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585 | Denn nicht schien ein klares Gestirn, noch leuchtete funkelnd Heitere Bläue des Pols; umwölkt war der dunkele Himmel, Und tief deckte den Mond der mitternächtliche Schauer. Schon der folgende Tag stieg auf mit dem Sterne des Morgens, |
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590 | Als aus den Waldungen schnell, mit abgehagertem Antlitz, Eine befremdende Mannesgestalt, in erbärmlichem Aufzug, Vorwärts trat, demütig die Händ' ausstreckend zum Ufer. Schau! ein gräßlicher Wust, und verwilderte Länge des Bartes, Rings gestopft die Hülle mit Dorn; doch übrigens Grajer, |
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595 | Und in heimischen Waffen vordem gen Troja gesendet. Als er die Dardanertracht fernher und die troische Rüstung Schauete, stutzt' er ein wenig, und abgeschreckt von dem Anblick Hemmt' er den Schritt; bald aber in eiligem Lauf zum Gestade Flog er mit Flehn und Jammer heran: Bei den Sternen beschwör ich, |
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600 | Bei den Unsterblichen euch, und dem Lebenslichte des Himmels! Nehmet mich, Teucrer, hinweg; in welcherlei Land' auch, entführt mich! Das ist genug! Ja ich weiß, ein Genoß der Danaerflotte Bin ich, und naht', ich bekenn' es, mit Krieg den Penaten der Troer. Dafür, wenn so groß die Beleidigung meines Vergehns ist, |
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605 | Streut in die Flut mich umher, in des Abgrunds Wogen versenkt mich! Wenn ich ja sterb', o ein Trost, durch Menschenhände zu sterben! Jener sprach's, und umarmend die Knie', und gewälzt um die Kniee |
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610 | Selber reicht dem Jüngling die Hand der Vater Anchises, Ohne Verzug, und stärkt mit erbotenem Pfande das Herz ihm. Als er endlich die Angst ablegete, redet er also: Her aus Ithaka stamm' ich, Genoß des geplagten Ulixes; |
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615 | Arm von Geburt, (o wäre mein Los mir geblieben!) gen Troja. Hier, da in zitternder Hast sie entflohn aus der grausamen Wohnung, Ließen die Freund' achtlos mich Einsamen in des Cyclopen Räumiger Kluft. Ein Haus voll blutiger Kost und Verwesung, Düster und groß inwendig. Er selbst hochragend berühret |
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620 | Hohes Gestirn; (o enthebt solch Unheil, Götter, dem Erdkreis!) Weder den Schauenden hold, noch je Anredenden freundlich, Zehrt er der Elenden Fleisch und schlürft des schwärzlichen Blutes. Sah ich doch selbst, wie er zwei aus unserer Freunde Versammlung Faßt' in gewaltiger Hand, und zurück in die Höhle gelehnet, |
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625 | Schmetterte gegen den Fels und die Schwell' in umspritzendem Moder Schwamm; ja ich sah, wie er Glieder, beströmt von schwarzer Verwesung, Fraß, und die warmen Gelenk' ihm zitterten unter den Zähnen, Zwar nicht blieb's ungestraft; nicht duldete solches Ulixes, Noch vergaß sein selbst der Ithaker, als die Gefahr rief. |
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630 | Denn sobald, vom Schmause gefüllt, und mit Weine beschweret, Er den gebogenen Hals hinsenkt', und die Höhle hindurch weit Dalag, klumpige Jauch' ausbrechend im Schlaf und zerstücktes Fleisch mit blutigem Weine gemischt; jetzt flehn wir den Göttern, Und, nach geworfenem Lose, zugleich rings all' um den einen |
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635 | Stürzen wir her, und bohren mit spitzigem Schafte das Aug' ihm, Welches groß und allein von der struppigen Stirne bedeckt lag, Gleich dem argolischen Schild' und der leuchtenden Scheibe des Phöbus; Und sind endlich vergnügt die ermordeten Freunde zu rächen. Aber entflieht, o ihr Armen, entflieht, und das Seil vom Gestade |
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640 | Hurtig gesprengt! Denn so mächtig und groß im gehöhleten Fels Polyphemus Sein schwerwolliges Vieh einsperrt, und die Euter sich ausmelkt, Wohnt bei Hunderten noch ringsum an dem krummen Gestade Gräßliches Volk der Cyclopen und irrt auf steilen Gebirghöhn. |
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645 | Dreimal ergänzte mit Licht die gehörnete Luna den Vollmond, Seit ich in Waldeinöden, umdroht von zerreißenden Wildes Höhlungen, bang' ausharr' und die ungeheuren Cyclopen Schaue vom Fels, vor dem Donner des Gangs und der Stimmen erschreckend. Elende Kost, Waldbeeren und steinige Frucht der Kornelle, |
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650 | Reichen die Äst', auch nähren mich ausgewurzelte Kräuter. Alles umher durchspähend, erblickt' ich zuerst am Gestade Hier die kommende Flott', und beschloß ihr, wer sie auch wäre, Mich zu vertraun. Nur entfliehn dem verruchten Geschlecht ist genug mir. Mögt ihr lieber den Geist durch jeglichen Tod mir vertilgen! |
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655 |
Kaum dies hatt' er gesagt, da schauen wir hoch auf dem Berge, |
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660 | Wollige Schaf' umwimmeln den Gang, sie einzige Lust ihm, Einzige Tröstung des Grams. Als er das tiefe Gewässer berührt' und zum Meere herabkam; Jetzt das flüssige Blut des geblendeten Auges sich spülend, Knirscht er laut mit den Zähnen und stöhnt; dann mitten das Meer durch |
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665 | Wandelt er, doch ungenetzt ragt über der Flut ihm die Seite. Fern in beschleunigter Flucht enteilen wir, nehmend den armen Flehenden, der es verdient, und haun in der Stille das Seil ab; Alle wir drehn vorsinkend mit eifrigem Ruder die Meerflut. Jener vernahm's und lenkte zum Schall der Stimme den Fußtritt. |
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670 | Aber da keine Gewalt, mit der Hand uns zu fassen, verliehn wird Und der ionischen Woge sich ungleich fühlt der Verfolger; Hebt er ein ungeheures Gebrüll, daß die Tiefe mit allen Fluten umher aufbebt, und weit von Schrecken betäubtes Italerland, und aus krummem Geklüft nachbrüllet der Ätna. |
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675 | Aber das Volk der Cyclopen aus Waldungen rings und Gebirghöhn Stürzet erregt zu dem Hafen herab und füllt die Gestade. Dastehn sehen wir sie mit umsonst anfunkelndem Auge, Die ätnäischen Brüder, das Haupt hoch tragend zum Himmel: – Schauder erregender Schwarm! – wie wenn mit erhabenem Wipfel |
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680 | Luftige Eichen gedrängt, wie wenn fruchtreiche Cypressen Stehn, dort Juppiters hohes Gehölz, dort Hain der Diana. Hastig in Angst hat alles, wohin es auch gehe, das Tauwerk Aufgerollt und die Segel dem helfenden Winde gespannet. [Doch warnt Helenus Wort, daß Scylla hindurch und Charybdis |
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685 | Beiderlei Weg hinführ' auf des Tod's angrenzendem Rande, Wenn man nicht halte den Lauf; und zurück wird beschlossen zu segeln.] Schau nun, Boreas weht von dem engenden Sitz des Pelorus Frisch. Den lebenden Fels um die Mündung Pantagias fahr' ich, Auch die megarischen Busen vorbei und die niedrige Thapsus. |
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690 | Solche Gestade des Meers, da zurück die umirrten er streifte, Zeigt' Achämenides mir, der Genoß des geplagten Ulixes. Gegen die brennende Spitze Plemmyrion streckt sich ein Eiland |
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695 | Unter dem Meere den Lauf insgeheim herlenkte, der jetzo Dir, Arethusa, im Born den siculischen Wellen sich einmischt. Nach dem Gebot verehr' ich des Orts obwaltende Mächte, Steuere dann um Helorus, des sumpfigen, fette Gefild' hin. Drauf die zackigen Klippen des Vorgebirges Pachynum |
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700 | Streifen wir; dann wo nie Umwandlung duldet das Schicksal, Scheint uns fern Camarina daher und geloische Felder, Gela zugleich, von dem Namen des rasenden Stromes genennet. Hochher zeiget darauf der Acragas ferne die weiten Festungen, er ein Erzeuger hinfort großherziger Rosse. |
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705 | Dich auch lass' ich, durch Winde erfreut, palmreiche Selinus; Auch hartfelsigen Grund lilybeïscher Watten umsteur' ich. Jetzo empfängt dein Port und das freudenlose Gestad' uns, Drepanon. Hier, da im Meere so manch Unwetter vorbeizog, Wird mir ach, mein Vater, der Leid und Sorge gelindert, |
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710 | Wird mir Anchises geraubt! Hier, teuerster Vater, vermiss' ich Trostlos dich, der umsonst so drohenden Schrecken entflohn war! Helenus nicht der Prophet, wie viel Graunhaftes er kundthat, Sagete dies Herzleid mir voraus, noch die grause Celäno. Dies war das Ende der Müh'n, dies langer Verirrungen Ziel mir. |
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715 | Dorther trug mich Geschiednen ein Gott an euere Küste.
So der Vater Äneas, da all' aufmerkten dem einen, |