Publius Vergilius Maro
Äneis
Publius Vergilius Maro

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(Erster Gesang)

            Wer du auch bist, nicht glaub' ich, verhaßt den himmlischen Göttern
Hauchst du belebende Luft, da der Tyrierstadt du genahet.
Gehe nur fort und gleich zu der Königin Schwelle begieb dich.
390   Wiederkehr der Genossen und glückliche Landung der Flotte
Meld' ich dir, die zur Bucht einführte gewendeter Nordwind:
Wo nicht Kunde der Vögel umsonst mir gezeiget die Eltern.
Schaue die zweimal sechs in dem Zug frohlockenden Schwäne,
Die, den ätherischen Höhen entstürzt, erst Juppiters Adler
395   Jagt' in entnebelter Luft; nun erdwärts siehst du im Heerzug
Teils sie gesenkt, teils nahend auf schon gesenkte herabschaun.
So wie der Heimkehr jene sich freun mit rauschenden Flügeln,
Wie sie im Schwarm umringten den Pol und Gesange des Jubels,
So ist dir auch Flotte sowohl als sämtliche Jugend
400   Teils in dem Port, teils naht sie mit schwellendem Segel der Mündung.
Gehe nur fort, und gelenkt, wie der Weg dich führet, den Fußtritt.

Sprach's und wendete sich, da erglänzt' ihr rosiger Nacken,
Und ambrosischen Locken entatmete süß von dem Scheitel
Göttlicher Duft, tief floß das Gewand zu den Füßen hinunter:

405   Und ganz Göttin erschien in dem Gange sie. Als er die Mutter
Jetzo erkannt, da verfolgt' er die Scheidende also mit Ausruf:

Was doch dem Sohne so oft, o du auch Grausame, stellst du
Täuschende Gaukelgestalt? Warum nicht darf ich genaht dir
Hand einfügen in Hand und Wahrheit hören und reden?

410  

Also klaget er an und lenket den Schritt zu den Mauern.
Venus aber verbarg die wandelnden Männer in Dunkel
Und sie ergoß ringsum dichthüllende Nebel, die Göttin,
Daß sie zu schaun nicht einer und nicht zu berühren vermöchte,
Oder Verzug darböt' und die Absicht forschte des Kommens.

415   Selbst gen Paphos enteilt sie erhabenen Ganges und schauet
Fröhlich den Sitz, wo der Tempel ihr ragt, und mit sabischem Weihrauch
Hundert Altär' aufglühn und frische Bekränzungen atmen.

Schleunig indes gehn jene den Gang, wie sie leitet der Fußpfad.
Und schon steigen den Hügel sie aufwärts, welcher die Stadt hoch

420   Überragt, und das Antlitz der Burg anschauet von oben.
Staunend erblickt Äneas den Bau, einst ländliche Hüttlein,
Staunend die Thor' und den Lärm und die langgepflasterten Straßen.
Glühender Eifer beseelt die Tyrier; einige führen
Mauern zum Baue der Burg und wälzen Gestein mit den Händen;
425   Andere wählen den Platz für ein Haus und umziehn ihn mit Furchen.
[Richter und Obherrn wählen sie schon und den heiligen Rat aus.]
Andere graben den Hafen sich aus, noch andere legen
Tief dem Theater den Grund, auch ungeheuere Säulen
Haun sie aus Felsen hervor, der werdenden Bühne zum Festschmuck.
430   So wie Bienen, wann sommert der Lenz, durch blumige Felder
Emsigkeit unter der Sonn' umtreibt, die pflegen des Volkes
Aufgewachsene Brut, dort andere häufen des Honigs
Klarsten Seim und dehnen mit lauterem Nektar die Speicher,
Oder empfahn die Lasten der kommenden, oder in Heerschar
435   Wehren sie ab die Drohnen, das träge Vieh, von den Krippen,
Rastlos glüht das Gewerb', und Thymian duftet der Honig.
O glückseliges Volk, dem schon sich erheben die Mauern,
Sagt Äneas und schaut zu den luftigen Zinnen der Stadt auf.
Mitten hinein, von Nebel umhüllt (o wunderbar klingend!)
440   Dringt er und geht in der Männer Gewühl, doch keiner bemerkt ihn.

Mitten war in der Stadt ein Hain voll fröhlichen Schattens
Wo zuerst die von Sturm und Woge geschleuderten Pöner
Jenes Zeichen entgruben dem Ort, daß die Königin Juno
Bot, ein Haupt vom mutigen Roß: denn so zu Befehdung

445   Tugendlich würd' und leichten Erwerbs viel Jahre das Volk sein.
Einen Tempel der Juno erhob die Sidonerin Dido
Stattlich allhier, durch Geschenk' und die Macht der Göttin gesegnet.
Ehern stieg auf Stufen die Schwell', und eherne Pfosten
Ragten empor; dumpf knarrte den ehernen Pforten die Angel.
450   Hier zuerst in dem Haine besänftigte neuerer Anblick
Jenen die Furch; hier wagte zuerst Äneas die Hoffnung
Nahenden Heils und vertraute der Besserung seiner Bedrängnis.
Denn als er alles umher im erhabenen Tempel betrachtet,
Harrend der Königin dort, da, der Stadt Aufblühen bewundernd,
455   Er wetteifernde Hände der Kunst und die Mühe der Arbeit
Anstaunt; sieht er gereiht die ilischen Kämpf' in der Ordnung,
Jenen Krieg, den der Ruf schon weit ansagte dem Erdkreis,
Priamus, Atreus Sohn, und, beiden ergrimmt, den Achilles.
Thränend stand er und sprach: O welcher Bezirk ist, Achates,
460   Welcher Raum in der Welt nicht voll schon unseres Elends?
Schaue den Priamus doch! Auch hier ist Lohn dem Verdienste!
Hier sind Thränen dem Leid', und das Herz rührt menschliches Schicksal!
Zage nicht mehr, wohl bringt doch einiges Frommen der Ruhm dir!

Also sprach er und weidet die Seel' an der eitelen Bildung,

465   Viel aufseufzend und netzt mit strömender Zähre das Antlitz.
Denn er sah, wie im Streit um Pergamos Höhen die Grajer
Dorthin flohn, und sie drängte die troische Jugend, und dorthin
Phrygier, und mit Gespann nachjagt Achilles im Helmbusch.
Nahe dabei erkennt er des Rhesus Zelte mit Wehmut
470   Am schneeweißen Gewand, die im ersten verräterischen Schlummer
Tydeus Sohn blutgierig mit häufigem Morde verheerte,
Und die entflammeten Ross' abwandt' in das Lager, bevor sie
Futter im troischen Land und die Flut gekostet des Xanthus.
Auch ist Troilus dort, wie er flieht, nach verlorener Rüstung:
475   Unglückseliger Knab', ungleich dem Achilles begegnend!
Wie das Gespann ihn entführt, wie am ledigen Wagen er rücklings
Hängt und die Riemen noch hält, ihm schleift mit dem Halse das Haupthaar
Über den Grund, da den Staub die gewendete Lanze bezeichnet.
Ohnweit gehn zu dem Tempel der nicht gleichmütigen Pallas
480   Ilische Fraun, hinfliegend das Haar, ein Gewand ihr zu bringen,
Demutsvoll und traurig, die Brust mit den Händen zerschlagend;
Abwärts dreht sich die Göttin und heftet den Blick auf den Boden.
Dreimal hatt' er geschleift um die ilischen Mauern den Hector,
Und den entseeleten Leib verkauft' er um Gold, der Pelide.
485   O wie beklemmt nun seufzet aus innerstem Busen Äneas,
Als er Wehr und Gespann, als selbst er die Leiche des Freundes,
Als er den Priamus sah wehrlos ausstrecken die Hände!
Ja sich selbst in der Schar der achäischen Fürsten erkennt er,
Auch eoische Kämpf' und die Waffen des schwärzlichen Memnon.
490   Vorn an dem Schwarm Amazonen mit mondlicher Tartsche gebietet
Penthesilea voll Wut und umringt von Tausenden flammt sie,
Unter geöffneter Brust umschnallt mit goldenem Gürtel,
Kriegrischen Muts, und sie waget den Kampf auf Männer, die Jungfrau.

Als dies wundernd betrachtet der Dardanerheld Äneas.

495   Als er erstaunt und ganz wie ein Starrender haftet im Anschaun,
Wandelt die Königin her, die an Reiz holdselige Dido,
Und ihr folgt zu dem Tempel der Jünglinge großes Geleit nach.
Wie an Eurotas' Gestad' und auf luftigen Höhen des Cynthus
Tanzende Reihn Diana beseelt, sie umdrängen zu tausend
500   Hier Oreaden und dort, wildschwärmende, ihr an der Schulter
Hängt das Geschoß, und sie raget im Gang vor den Göttinen allen,
Heimlich schwillt der Latona von inniger Wonne der Busen:
So war Dido zu schaun, so trat sie mit fröhlichem Antlitz
Durch das Gedräng', antreibend das Werk und die künftige Herrschaft.
505   Jetzt an der Pforte der Göttin, bedeckt vom Gewölbe des Tempels,
Saß sie, mit Waffen umschart, auf des Throns hochragendem Sessel.
Urteil sprach sie den Männern und Recht; und die Mühe der Arbeit
Teilte sie gleich entweder nach Billigkeit oder nach Losen:
Als auf einmal Äneas daher im Getümmel des Zulaufs
510   Antheus sieht und Sergestus sich nahn, und den tapfren Cloanthus,
Auch der Teucrer noch mehr, die der schwarz herzuckende Wirbel
Weit in dem Meere verstürmt und an andere Küsten geschleudert.
Innig erstaunt er selber zugleich und innig Achates,
Freud' im Herzen und Angst, von Begier, die Hände zu drücken,
515   Brennen sie, aber es hält Unkunde den Geist in Verwirrung.
Hemmend sich selbst nun, spähn sie im hohlen Gewölk, das sie einhüllt,
Welches der Männer Geschick, wo die Flott' am Strande sie ließen,
Was ihr Begehr, denn es kommen Erlesene jeglichen Schiffes,
Freundlichen Sinn zu erflehn, und sie nahn lautrufend dem Tempel.

520  

Als sie hereingetreten und Anred' ihnen vergönnt war,
Hub Ilioneus an, der älteste, ruhigen Herzens:

Königin, welcher die Stadt hier Juppiter neu zu erbauen
Und mit Gerechtigkeit gab hochherzige Völker zu mildern,
Wir, unglückliche Troer, vom Sturm durch die Meere geschleudert,

525   Flehn dich an: o wehre den gräßlichen Brand von den Schiffen,
Schone des frommen Geschlechts, mit gnädigem Blicke betracht' uns.
Nicht ja mit Stahl die Penaten der Libyer frech zu verwüsten,
Kamen wir, noch zum Gestad' entwendete Beute zu raffen.
Nicht so strotzt von Gewalt, nicht so der Besiegte von Dünkel.
530   Westlich lieget ein Land, Hesperia nennt es der Grajer,
Uralten Ruhms, durch Waffen gelobt und ergiebigen Boden,
Einst vom önotrischen Volke bewohnt, nun heißt es, die jüngern
Nannten es Italerland, von Italus Namen, des Führers.
Dahin segelten wir,
535   Als uns plötzlich im Sturm mit Gewog' aufzeigend Orion
Trug auf blinden Morast, und mit ganz ungebändigtem Südwind,
Brandungen durch, in Empörung des Meers, bahnloses Geklipp durch,
Streuete; wir nur kamen an euere Küste geschwommen.
Welch ein Menschengeschlecht? wo wird so barbarischer Sitte
540   Heimisch zu werden erlaubt? Gastfreundliches Ufer verwehrt man,
Stürmend zum Kampf und verbietet des Erdreichs Saum zu betreten!
Wenn ihr die Menschheit denn und der Sterblichen Waffen verachtet,
Seid doch gewiß, daß Götter für Recht noch sorgen und Unrecht!
König war uns Äneas, dem nicht in Gerechtigkeit Einer,
545   Nicht in Frömmigkeit je, noch Krieg und Waffen zuvorging.
Wenn den Mann das Geschick uns rettete, wenn er des Äthers
Hauch noch genießt, und nicht zu den grausigen Schatten hinabsank;
Dann unverzagt; auch soll die zuerst wetteifernde Wohlthat
Nie dich gereun. Wohl sind auch in Siculergegenden Städte,
550   Rüstungen auch, und berühmt aus troischem Stamme Acestes.
Aufzuziehn sei vergönnt die von Sturm zerschlagene Flotte,
Und im Gehölz uns Balken zu haun und Ruder zu glätten:
Wenn uns Italias Fahrt, in der Freunde Verein und des Königs,
Wird, daß Italia wir und Latium fröhlich erreichen.
555   Doch wenn geschwunden das Heil, und dich, obwaltender Vater,
Libysche Woge verschlang, und die Hoffnung erlosch auf Iulus,
Laß in Sicanias Sund uns wenigstens und in die Wohnung,
Der wir eben entschifft, und zum König' Acestes zurückgehn.

So des Ilioneus Wort; und es murmelte Beifall die ganze

560   Dardanerschar.

Kurz darauf, ihr Antlitz gesenkt, antwortete Dido:
Bannt aus dem Herzen die Furcht, und entschlagt euch, Teucrer, des Kummers.
Harte Not und die Jugend des Reichs entpreßten mit Zwang mir
Solcherlei Rat, ringsher durch Hut zu beschirmen die Grenzen.

565   Wer nicht kennt des Äneas Geschlecht, nicht Ilios Veste,
Thaten und Männer zugleich, und den Brand des gewaltigen Krieges?
Nein, nicht tragen wir so unempfindliche Herzen, wir Pöner,
Nicht so entfernt spannt Sol von der Tyrierstadt das Geschirr an!
Ob ihr das große Hesperien nun und saturnische Felder,
570   Ob ihr des Eryx Bezirk auswählt und den König Acestes,
Werd' ich mit sichernder Hilf' und erfreuendem Gut euch entsenden.
Wollt ihr gesellt mir selber euch hier ansiedeln im Lande,
Die ich erbau', ist eure, die Stadt. Auf ziehet die Barken,
Troer und Tyrier gelte mir gleich ohn' jeglichen Vorzug.
575   Wäre doch selbst der König, vom selbigen Sturme gedränget,
Euer Äneas allhier! Gleich send' ich Erlesene ringsum
An die Gestad' und heiße das äußerste Libyen ausspähn,
Ob er in Waldungen irrt, ein Gestrandeter, oder in Städten.

Fröhlich der Red', erhoben den Mut wie der tapfre Achates,

580   So Äneas der Held; und sofort aus der Wolke zu brechen
Brannten sie. Schnell zu Aeneas begann sein treuer Achates:

Welcher Entschluß im Herzen, o Sohn der Göttin, erhebt sich?
Sicherheit schaust du umher, und Flott' und Freunde gerettet.
Einer nur fehlt, der im Schwalle der Flut, wir sahen es selber,

585   Niedersank; sonst alles entspricht den Worten der Mutter.

Kaum dies hatt' er gesagt, als schnell des umwallenden Nebels
Hülle zerreißt und gelöst in offenen Äther sich läutert.
Siehe da stand Äneas und strahlt' in der Helle des Tages,
Hehr an Schulter und Haupt, wie ein Gott; denn die Zeugerin selber

590   Hatt' anmutige Locken dem Sohn und blühender Jugend
Purpurlicht und heitere Würd' in die Augen geatmet.
So wie das Elfenbein durch Kunst sich verschönet, wie Silber
Prangt und parischer Stein in des rötlichen Goldes Umrandung.
Drauf zur Königin wandt' er das Wort, und allen ein Wunder,
595   Redet' er plötzlich und sprach: Hier schauet mich, welchen ihr suchet,
Mich den Troer Äneas, entrafft aus den libyschen Woge.
Die du allein dich erbarmend der endlos leidenden Troja,
Uns, dem Rest der Danaerwut, da in Meeren und Ländern
Alles Geschick wir bereits ausduldeten, darbend an allem,
600   Stadt mitteilest und Haus: dir würdigen Dank zu erstattet,
Das vermögen wir nicht, noch was auch irgend, o Dido,
Vom dardanischen Volk ringsum in die Lande verstreut ist.
Götter, wofern des Frommen noch Himmlische walten, wofern noch
Irgend Gerechtigkeit gilt, und ein Herz, unsträflich sich fühlend,
605   Geben dir würdigen Lohn! O was für glückliche Zeiten
Zeugeten dich? von welchen so Edelen, Herrliche, stammst du?
Ja so lang' in das Meer noch ein Strom fließt, Schatten die Berghöhn
Kreisend umziehn, so lange der Pol noch weidet die Sterne,
Soll dir Ehr' und Namen und Ruhm in Ewigkeit bleiben,
610   Welches Land auch der Erde mich ruft. – So sprach er, und freundlich
Faßt' er Ilioneus an, ihn rechts und links den Sergestus;
Andre darauf, auch Gyas den Held, und den tapfren Cloanthus.

Tief ob dem Anblick schon war erstaunt die Sidonerin Dido,
Mehr ob dem Wundergeschicke des Manns. Jetzt redet sie also:

615  

Welches Geschick verfolgt dich, o Sohn der Göttin, durch solche
Schrecknisse? Welche Gewalt, die den furchtbaren Küsten dich zuwarf?
Du bist jener Äneas, den einst an des Simois Strömung
Venus die hehre gebar dem Dardanerheld Anchises?
Selbst gedenk' ich, wie Teucrus einmal nach Sidon daherkam,

620   Fern aus heimischen Fluren verbannt, und mit Hilfe des Belus
Suchend ein neues Gebiet. Da verwüstete Belus der Vater
Cyprus gesegnetes Land, und herrscht' als Sieger mit Obmacht.
Seit den Tagen bereits ist Trojas Jammergeschick mir
Und dein Name bekannt, und die Könige dort der Pelasger.
625   Selbst er lobte, der Feind, mit erhabenem Lobe die Teucrer,
Und sich rühmt' er entsprossen vom altenden Teucrergeschlechte.
Auf, ihr Jünglinge, denn, kehrt ein in unsere Wohnung.
Mich auch trieb ein gleiches Geschick durch mancherlei Trübsal,
Bis es zuletzt das Land mir erkor zum bleibenden Wohnsitz.
630   Fremd nicht blieb ich dem Kummer und lernt' Unglücklichen beistehn.

Dieses gesagt, führt Dido den Held Äneas zur hohen
Königsburg und ordnet ein Fest für die Tempel der Götter.
Auch nicht minder indes entsendet sie seinen Genossen
Zwanzig Stier' an den Strand und hundert gewaltige Schweine,

635   Borstenumstarrt, auch hundert gefeistete Lämmer und Mütter;
Als ein Freudengeschenk für den Tag.

Aber das innere Haus, voll königlich strahlenden Prunkes,
Stehet geschmückt, und sie rüsten den Schmaus in dem mittleren Raume.
Teppiche, reich an Gewirke der Kunst und prangendem Purpur.

640   Ganz von Silber die Tafeln umblinkt, und, in Golde gemeißelt,
Tapferer Ahnen Verdienst, und langgereihete Thaten,
So viel Männer herab von des Stamms uraltem Erzeuger.

Siehe da heißt Äneas (denn väterlich wallte das Herz ihm)
Rasch den Achates zur Flotte hinabgehn, daß er die Botschaft

645   Seinem Ascanius bring' und daher zu den Mauern ihn führe.
Ganz auf Ascanius ruht die zärtliche Sorge des Vaters.
Ehrengeschenke zugleich, aus der fallenden Troja gerettet,
Fordert er her: den Mantel, von Gold und Bildungen starrend,
Und das Gewand, umbordet mit gelbdurchblühtem Akanthus,
650   Einst der Helena Schmuck, der Argiverin, den von Mycenä,
Als sie nach Pergamos ging zur unrechtmäßigen Ehe,
Jene gebracht, ein Wundergeschenk der Erzeugerin Leda;
Auch ein Scepter dabei, das geführt Ilione weiland,
Priamus ältere Tochter; dabei ein köstliches Halsband,
655   Perlenhell, und die Kron', aus Gestein und Golde gedoppelt.
Dies zu beschleunigen, richtet den Gang zu den Schiffen Achates.

Neue List nun planet in sinnender Brust Cytherea,
Neuen Entwurf: daß Cupido, Gestalt umtauschend und Antlitz,
Statt des süßen Ascanius komm', und mit Gaben zu Wahnsinn

660   Zünde der Königin Herz und Glut ihrem Herzen entflamme.
Denn das schlüpfrige Haus, zweizüngige Tyrier scheut sie;
Qual ist die trotzige Juno; es kehrt mit den Nächten der Kummer.
Darum redet sie nun dies Wort zum geflügelten Amor:

Sohn, mir einzige Kraft, o allein du große Gewalt mir,

665   Sohn, der des oberen Zeus typhoische Blitze verachtet,
Dir nun nah' ich mit Flehn und bitt' um dein göttliches Wesen.
Wie dein Bruder Äneas im Meer um alle Gestade
Wogt und irrt, durch den Zorn der unbarmherzigen Juno,
Ist dir bekannt, nicht selten betrübte dich meine Betrübnis.
670   Den hält Dido nunmehr, die Phönicerin, fesselnd in holder
Schmeichelred', und mir graut, wohin sich wende der Juno
Gastfreundschaft; nicht säumt sie fürwahr in so großer Entscheidung.
Drum mit Listen zu fahn und rings zu umhegen mit Feuer
Denk' ich die Fürstin zuvor, daß keinerlei Macht sie verändre,
675   Sondern sie fest anhange mit mir dem geliebten Äneas.
Wie das schaffen du mögest, vernimm jetzt meine Gesinnung.
Zu der sidonischen Stadt, auf den Ruf des teueren Vaters,
Trachtet der fürstliche Knabe zu gehn, mein trautester Liebling,
Bringend Geschenk, das vom Meer und Trojas Flamme verschont ward.
680   Ihn, in betäubendem Schlaf zu Idalions oder Cytheras
Luftigen Höhen entführt, verberg' ich in heiliger Wohnung,
Daß nicht merken er könne die List, noch begegnen zur Unzeit.
Du, nur die einzige Nacht erkünstele seine Gestalt dir
Trüglich und schlüpfe vertraut als Knab' in des Knaben Geberde:
685   Daß, wenn dich auf dem Schoß sie empfängt, die fröhliche Dido,
Unter dem Königsmahl und dem feurigen Trank des Lyäus,
Wenn sie hold dich umarmt und zärtliche Küsse dir aufdrückt,
Du die verborgene Glut einhauchst, und dein Gift sie berücke.

Amor gehorcht dem Worte der trautesten Mutter; die Flügel

690   Leget er ab, und wandelt vergnügt in dem Gang des Iulus.
Aber Cypria taut dem Ascanius friedsamen Schlummer
Über den Leib und hebt ihn, gewärmt im Schoße, die Göttin,
Hoch in Idalias Haine, wo schwellender Majoran sanft ihn,
Blumengedüft anatmend, in würzigen Schatten umwallet.
695   Und schon ging nach dem Worte, die Gab' hintragend des Königs,
Amor zur Tyrierstadt und begleitete froh den Achates.

Jetzt wie er kommt, hat schon auf prangenden Teppichen Dido
Über dem goldnen Gestühl sich gelegt an die Mitte der Tafel.
Schon der Vater Äneas, und schon die trojanische Jugend,

700   Treten herein; man lagert sich rings auf gebreiteten Purpur.
Dienende reichen den Händen die Flut und entheben der Ceres
Gabe dem Korb', und bieten das weichgeschorene Handtuch.
Fünfzig waren der Mägd' im Palast, die geschäftig den Vorrat
Langhin sorgten zu reihn und mit Glut die Penaten umhäuften.
705   Hundert andere Mägd', und so viel gleichaltrige Diener,
Lasten mit köstlichem Schmause die Tisch' und setzen die Becher.
Auch die Tyrier traten herein durch stattliche Schwellen
Dichtgeschart, und sie ruhn, auf gezeichnete Polster genötigt.
Wundernd schaun sie Äneas Geschenk' und schaun den Iulus,
710   Ihn mit entbranntem Gesichte, den Gott, und geähnlichten Worten,
Mantel zugleich und Gewand mit gelbumblühtem Acanthus.

Aber zumeist die arme, dem nahen Verderben geweihte
Pönerin kann ihr Herz nicht sättigen; gierig des Anschauns
Brennt sie, vom Knaben zugleich und zugleich vom Geschenke bezaubert.

715   Jener, nachdem er Äneas umarmt und am Hals ihm gehangen,
Und das begierige Herz dem geheuchelten Vater gesättigt,
Eilt zur Königin nun. Mit den Augen an ihm, mit der Seele
Haftet sie, oft auch im Schoß erwärmt ihn Dido und weiß nicht,
Welch ein Gott ihr genaht, der Elenden. Er, sich erinnernd
720   Dein, acidalische Mutter, enthebt des Sychäus Gedächtnis
Allgemach und versucht mit lebender Glut zu erobern
Ihr längst kühleres Herz und der Seel' entwöhnete Regung.

Als zuerst nun ruhten vom Mahl, und entfernet die Tafeln;
Stellen sie mächtige Krüg' umher und kränzen die Weine.

725   Rauschender wird der Palast, es durchrollt die geräumigen Säle
Stimmengetön; schon hangen von goldenen Decken die Leuchter
Rundumflammt, und Sieger der Nacht, glühn strahlende Fackeln.

Dido verlangt ihr altes, von Gold und Gesteine beschwertes
Opfergefäß und füllt es mit Wein: das Belus und alle

730   Seit dem Belus gebraucht. Nun schwiegen verstummt die Gemächer.

Juppiter, denn dich nennt man des Gastrechts heiligen Hüter:
Diesen Tag laß fröhlich den Tyriern, und die von Troja
Wanderten, sein; laß dessen noch unsere Enkel gedenken!
Sei der erfreuende Bacchus mit uns und die gütige Juno.

735   Und, o Tyrier, feiert mit gewogener Seele das Gastmahl!

Sprachs und goß auf den Tisch des edelen Trankes zur Weihe,
Kostete selbst den geweihten zuerst mit dem Rande der Lippen,
Reicht' ihn sodann zutrinkend dem Bitias; und unverdrossen
Leert er den schäumenden Kelch aus gefülltem Golde sich letzend.

740   Andere Fürsten darauf. Dann schlägt der gelockte Jopas,
Er, den Atlas belehrt, der erhabne, die goldene Cither.
Dieser besingt Mühsale der Sonn' und Irren des Mondes,
Woher Menschen und Vieh, woher Platzregen und Feuer,
Auch den Arctur und die feuchte Hyad' und die doppelte Bärin,
745   Warum winternde Sonne so rasch zum Oceanus nieder
Taucht, und welcher Verzug die säumigen Nächte so aufhält.
Beifall klatschen die Tyrier oft, nach folgen die Troer.

Auch durch mancher Gespräch' Abwechselung führte die Nacht hin
Dido, und trank, ach Arme, in langem Zuge die Liebe,

750   Viel um Priamus jenen, und viel um Hector befragend;
Dann, mit welcherlei Waffen der Sohn der Aurora gekommen,
Dann, wie schön Diomedes Gespann, wie groß der Pelide.
Besser, wohlan von dem ersten Beginn, o Fremdling, erzähl' uns,
Sprach sie, der Danaer Trug und der Deinigen wechselndes Schicksal,
755   Und dein Irren umher. Denn schon der siebente Sommer
Trägt dich in irrendem Lauf durch Land und Gewässer des Erdreichs.

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