Graf Alexej N. Tolstoi
Höllenfahrt
Graf Alexej N. Tolstoi

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XVI

»Ssussow!«

»Euer Wohlgeboren!«

»Grab. ... Leiser, nicht ins Wasser werfen! Ja, so, so. ... Kinder, schiebt vor, schiebt vor. ... Subzow!«

»Hier, Euer Wohlgeboren!«

»Hilf mal. ... Heben, ja, hier. ... Grab noch etwas. ... Jetzt loslassen. ... Nicht so schnell. ...«

»Langsamer, Kinder, so reißt ihr mir die Schulter weg. ... Schiebt vor. ...«

»Ja, schieb selbst vor. ...«

»Schrei nicht so, Hundesohn!«

»Drück ans andere Ende. ... Euer Wohlgeboren, soll man schon heben?«

»Sind die Enden festgebunden?«

»Fertig.«

»Heben! ...«

In den vom Mondlichte durchdrungenen Nebel hoben sich knarrend zwei lange, durch Querbalken verbundene Stangen, – eine fliegende Brücke. Am Ufer bewegten sich kaum sichtbar die Freiwilligen. Man sprach und schimpfte im Flüsterton.

»Nun, sitzt sie?«

»Sie sitzt gut.«

»Jetzt loslassen ... Vorsicht. ...«

»Vorsicht, Vorsicht, Kinder. ...«

Die mit ihren Enden gegen das Ufer, an der schmalsten Stelle des Flusses gestemmten Stangen neigten sich langsam und blieben im Nebel über dem Wasser hängen.

»Reicht sie ans andere Ufer?«

»Sie reicht, Euer Wohlgeboren. ...«

»Langsamer hinunterlassen. ...«

»Ist gar zu schwer!«

»Halt, halt, halt!«

Aber das andere Ende der Brücke fiel laut aufklatschend ins Wasser. Teljegin winkte mit der Hand: »Hinlegen!«

Die Freiwilligen legten sich lautlos ins Ufergras. Der Nebel verzog sich, aber es war nicht mehr so hell, und die Luft war vor dem Morgengrauen rauher geworden. Am andern Ufer blieb alles still. Teljegin rief: »Subzow! Geh ins Wasser und leg die Bretter auf.«

Der baumlange Freiwillige Wassilij Subzow glitt in seinem Mantel, der einen beißenden Schweißgeruch verbreitete, an Teljegin vorbei ins Wasser. Iwan Iljitsch sah, wie seine große Hand sich zitternd an einem Grasbüschel festhielt, ihn dann losließ und verschwand.

»Es ist tief!« flüsterte Subzow mit erfrorener Stimme aus der Tiefe. »Kinder, gebt die Bretter her ...«

»Die Bretter, die Bretter her!«

Die Bretter gingen schnell und lautlos von Hand zu Hand. Annageln konnte man sie nicht, – man fürchtete den Lärm. Als er die ersten Reihen fertig hatte, stieg Subzow aus dem Wasser auf die Brücke und raunte mit Zähneklappern: »Gebt schneller her, schneller. ... Schlaft nicht. ...«

Unter der Brücke rieselte schnelles und kaltes Wasser, die Stangen schwankten. Teljegin unterschied die dunklen Umrisse der Büsche am anderen Ufer; es waren zwar genau die gleichen Büsche wie auf diesem Ufer, aber sie sahen irgendwie unheimlich aus. Iwan Iljitsch kehrte zu der Stelle zurück, wo die Freiwilligen lagen, und rief laut: »Aufstehen!«

Augenblicklich erhoben sich im weißen Nebel die übertrieben großen, verschwimmenden Gestalten.

»Einer nach dem andern im Laufschritt! ...«

Teljegin wandte sich zur Brücke. Im gleichen Augenblick war es, als durchdringe ein Sonnenstrahl die Nebelwolken, und die gelben Bretter und der erschrockene Kopf Subzows mit dem schwarzen Vollbart waren auf einmal hell beleuchtet. Das Licht des Scheinwerfers glitt seitwärts ins Gebüsch, ließ dort einen knorrigen Baumstamm mit nackten Ästen aus dem Nichtsein erstehen und legte sich wieder auf die Bretter. Teljegin bekreuzigte sich schnell, wie er es manchmal vor dem Baden zu tun pflegte, und lief über die Brücke. Im gleichen Augenblick stürzte diese ganze schwarze Stille zusammen, und ein Donner ging los. Von der österreichischen Seite fing man an, die Brücke aus Gewehren und Maschinengewehren zu beschießen. Teljegin sprang auf das andere Ufer, kauerte nieder und sah sich um. über die Brücke lief gerade ein baumlanger Soldat – er konnte nicht erkennen, wer es war –, er hatte sein Gewehr an die Brust gedrückt ... dann ließ er es fallen, hob wie lachend die Arme und stürzte seitwärts ins Wasser. Das Maschinengewehr überschüttete die Brücke, das Wasser und das Ufer mit Blei. ... Ein zweiter Soldat – es war Ssussow – lief über die Brücke und legte sich neben Teljegin. ...

»Ich könnte sie mit den Zähnen totbeißen, hol sie der Teufel!«

Ein zweiter, ein dritter, ein vierter Soldat kamen herüber; der fünfte stürzte ab und schrie etwas, im Wasser zappelnd. ...

Nun waren alle herübergelaufen; sie schaufelten etwas Erde vor sich auf und legten sich nieder. Die Schüsse krachten wie wahnsinnig längs des ganzen Flusses. Man konnte nicht den Kopf heben, – die Stelle, wo die Freiwilligen lagen, wurde vom Maschinengewehrfeuer förmlich begossen. Plötzlich sauste etwas in geringer Höhe über die Köpfe, einmal, zweimal, – sechsmal, und beim Feinde schlug es sechsmal krachend ein. Offenbar wurde das Maschinengewehrnest nun von russischer Seite beschossen.

Teljegin und Wassilij Subzow vor ihm sprangen auf, liefen an die vierzig Schritte weiter und warfen sich wieder hin. Links im Finstern arbeitete wieder das Maschinengewehr. Aber es war klar, daß das russische Feuer das stärkere war, – es trieb die Österreicher in die Erde. Die Freiwilligen liefen in den Feuerpausen zu der Stelle, wo die russische Artillerie noch gestern den Drahtverhau vor den österreichischen Schützengräben zerstört hatte.

Die Österreicher hatten wohl am Abend versucht, den Drahtverhau wiederherzustellen, – im Stacheldraht hing eine Leiche. Subzow schnitt den Draht durch, und die Leiche fiel wie ein Sack vor Teljegin hin. Der Freiwillige Laptjew überholte, ohne Gewehr, auf allen Vieren kriechend, alle anderen und legte sich dicht vor die Brustwehr. Subzow rief ihm zu: »Steh auf, wirf die Handgranate!«

Laptjew schwieg aber, regte sich nicht und wandte sich nicht um, – sein Herz stockte wohl vor Schreck. Das Feuer war wieder stärker geworden, und die Freiwilligen konnten sich nicht rühren, – sie drückten sich platt an die Erde und gruben sich ein.

»Steh auf, wirf die Handgranate, Hundesohn!« schrie Subzow: »Wirf die Handgranate!« Er richtete sich auf, faßte sein Gewehr am Kolben und stieß mit dem Bajonett Laptjew in den Rücken. Laptjew wandte sein angstverzerrtes Gesicht um, löste vom Gürtel eine Handgranate, stürzte sich plötzlich gegen die Brustwehr, warf die Granate hinunter und sprang, als diese explodierte, in den Schützengraben.

»Hau zu, hau zu!« schrie Subzow mit wilder Stimme ...

An die zehn Mann Freiwillige sprangen auf, liefen hin und verschwanden in der Erde, – man hörte nur die abgerissenen, scharfen Töne der Explosionen.

Teljegin taumelte auf der Brustwehr, wie blind vor dem Blut, das ihm in den Kopf geschossen war, und war nicht imstand, seine Handgranate vom Gürtel zu lösen. Schließlich sprang er in den Graben hinein und stürmte, mit den Schultern den nassen Lehm streifend, vorwärts; er stolperte über etwas Weiches und biß die Zähne krampfhaft aufeinander, um nicht vor Wahnsinn zu schreien. ... Er erblickte das wie eine Maske weiße Gesicht eines Menschen, der sich in eine Vertiefung des Grabens gedrückt hatte, und packte ihn an den Schultern ... Jener fing schnell zu murmeln an, wie aus dem Schlafe ...

»Schweig, Teufel, ich tu dir nichts!« brüllte ihm Teljegin in die weiße Maske und lief, über die Leichen springend, weiter. Der Kampf war aber schon zu Ende. Ein Trupp grauer Menschen stieg ohne Waffen aus dem Schützengraben. Man stieß sie mit den Gewehrkolben und warf, um ihnen Angst zu machen, dicht neben ihnen Handgranaten auf die Erde. Aber an die vierzig Schritt weiter knatterte noch immer in seinem gedeckten Nest das Maschinengewehr und beschoß die Brücke. Iwan Iljitsch drängte sich durch die Freiwilligen und die Gefangenen und schrie: »Worauf wartet ihr noch, worauf wartet ihr noch?! ... Subzow! Wo ist Subzow? ...«

»Hier bin ich ...«

»Worauf wartest du noch, Teufel verdammter?...«

»Kann man denn herankommen ...«

»Ich hau dir gleich in die Fresse! ... Vorwärts ...«

Sie liefen vorwärts. Subzow zupfte plötzlich Teljegin am Ärmel. »Halt! ... Da ist es!«

Ein schmaler Gang führte aus dem Schützengraben ins Maschinengewehrnest. Teljegin beugte sich, lief den Gang entlang, sprang in den bombensicheren Unterstand, wo alles vor dem unerträglichen Dröhnen zitterte, packte einen an den Ellenbogen und versuchte ihn fortzuschleppen. Es wurde sofort still, er hörte nur den Mann röcheln, den er vom Maschinengewehr loszureißen suchte ...

»Zäh ist der Hund, er will nicht, laß mal mich!« murmelte hinter Teljegin Subzow. Dann schlug er dreimal mit dem Gewehrkolben auf den Schädel. Jener fuhr zusammen, sagte etwas wie »Buh, buh, buh« und wurde still ... Teljegin ließ ihn los und ging aus dem Unterstande.

Bald war es ganz hell geworden. Im gelben Lehme sah man Blutflecke und Blutpfützen, einige Kalbsfelle, Blechbüchsen und Pfannen, auch mehrere Leichen. Die Freiwilligen waren ganz erschöpft, – einige lagen da und schnarchten, andere aßen von den Konserven oder durchsuchten die zurückgelassenen österreichischen Tornister.

Die Gefangenen hatte man schon längst über den Fluß getrieben. Das Regiment zog hinüber, besetzte die Stellungen, und die Artillerie beschoß nun die zweite österreichische Linie, die das Feuer recht matt erwiderte. Ein feiner Regen ging nieder, der Nebel hatte sich ganz verzogen. Iwan Iljitsch stand, gegen den Rand des Schützengrabens gelehnt, und sah aufs Feld, über das sie in der Nacht gelaufen waren. Das Feld war ganz gewöhnlich, braun und naß, hier lag zerrissener Stacheldraht, dort sah man die schwarzen Stellen, wo man gegraben hatte; einige Leichen von Freiwilligen lagen herum. Der Fluß war ganz nahe. Von den gestrigen riesengroßen Bäumen und den unheimlichen Büschen war nichts zu sehen. Wieviel Mühe hatte es aber gekostet, diese dreihundert Schritte vorzukommen!

* * *

Die Österreicher zogen sich weiter zurück, und die russischen Abteilungen verfolgten sie unermüdlich bis zum Anbruch der Nacht. Teljegin hatte den Befehl, mit seinen Freiwilligen das Wäldchen zu besetzen, das sich blau auf einem Hügel erhob, und er besetzte es nach einem kurzen Geplänkel gegen Abend. Die Freiwilligen gruben sich in aller Eile ein, stellten Wachen auf, bauten eine telephonische Verbindung mit der Truppe, aßen was sie gerade in ihren Beuteln hatten, und schliefen unter dem feinen Regen, in der dunkeln, feuchten Waldluft ein, obwohl ihnen befohlen war, das Gewehrfeuer die ganze Nacht nicht ruhen zu lassen.

Teljegin saß auf einem Baumstumpf, gegen einen mit weichem Moose bewachsenen Stamm gelehnt. Es tropfte ihm ab und zu in den Kragen, und das war gut: es hielt ihn wach. Die Erregung von vorhin war schon längst vergangen, ebenso die schreckliche Müdigkeit nach all den Strapazen, als sie an die zehn Werst über aufgeweichtes Ackerland gehen, über Zäune klettern und über Gräben springen mußten, als die erstarrten Füße nicht mehr unterschieden, worauf sie traten, und der Kopf vor Schmerz anschwoll.

Jemand kam, über das Laub schreitend, näher, und die Stimme Subzows fragte leise: »Wollen Sie einen Zwieback?«

»Ich danke.«

Iwan Iljitsch nahm von ihm den Zwieback und fing an zu kauen; der Zwieback war süß und schmolz förmlich im Munde. Subzow hockte sich neben ihm hin: »Erlauben Sie, daß ich rauche?«

»Ja, aber sehr vorsichtig.«

»Ich hab ein Pfeifchen.«

»Subzow, du hast ihn doch ganz ohne Grund erschlagen, wie?«

»Den Mann am Maschinengewehr?«

»Ja.«

»Natürlich ohne Grund.«

»Willst du schlafen?«

»Nein, das muß nicht sein.«

»Wenn ich einschlafe, weck mich.«

Die Tropfen fallen langsam und weich auf das faule Laub, auf die Hand und auf den Mützenschirm. Nach dem Lärm, dem Geschrei, nach dem abscheulichen Treiben der letzten Nacht und nach der Ermordung des Mannes am Maschinengewehr fallen die Tropfen wie Glaskügelchen ... Sie fallen in die Dunkelheit, in die Tiefe, wo es nach faulem Laube riecht. Sie rascheln und lassen nicht einschlafen ... Man darf nicht einschlafen, nein ... Iwan Iljitsch riß die Augen auf und sah die unbestimmten, wie mit Kohle angedeuteten Umrisse der Zweige ... – Die ganze Nacht zu schießen ist aber auch eine Dummheit, sollen die Freiwilligen nur ausruhen ... Acht Tote, elf Verwundete ... Natürlich muß man im Felde vorsichtig sein ... Ach, Dascha, Dascha. ... Die Glaskügelchen werden alles versöhnen, alles beruhigen. ... Oh, mein Gott, mein Gott ...

»Iwan Iljitsch! ...«

»Ja, ja, Subzow, ich schlafe nicht ...«

»Darf man denn einen Menschen so mir nichts, dir nichts erschlagen ... Er hat wohl sein Häuschen, auch irgendeine Familie, du hast aber mit dem Bajonett nach ihm gestochen, als wärs eine Vogelscheuche ... Und dafür kriegst du eine Medaille. Als ich zum erstenmal einen Menschen umbrachte, konnte ich dann lange Zeit nichts essen, es ekelte mich ... Und heute ist es der zehnte oder der neunte. ... So weit sind wir gekommen. ... Ist es denn nicht schrecklich? Früher dachte man doch gar nicht daran. Hier macht es aber nichts, man wird sogar belobt. Es hat also jemand die Sünde auf sich genommen? ...«

»Was für eine Sünde?«

»Nun, zum Beispiel die meine. ... Ich sage: jemand hat wohl meine Sünde auf sich genommen, – irgendein General oder sonst irgendein Mann in Petersburg, der alle diese Sachen unter sich hat ...«

»Ist es denn Sünde, wenn du dein Vaterland verteidigst?«

»Das stimmt wohl, Iwan Iljitsch, aber auch der Deutsche verteidigt sein Vaterland. Auch er glaubt wohl recht zu haben. Wer trägt aber die Schuld an dieser ganzen Geschichte?«

»Es sind gefährliche Worte, die du da sprichst, mein Lieber!«

»Warum denn! ... Ich sage: hör mal, Iwan Iljitsch, wir werden den Schuldigen schon finden ... Nun habe ich, so mir nichts, dir nichts, neun Menschen niedergestochen. Was werde ich dann mit dem Schuldigen machen? Ich könnte ihm die Kehle durchbeißen.«

»Wem denn?«

»Dem, der die Schuld hat ...«

»Der Deutsche hat die Schuld ...«

»Ich aber meine: wer diesen Krieg zugelassen hat, der hat die Schuld ... Wer meine Sünde auf sich nimmt, der wird sie auch büßen müssen. ... Er wird es grausam büßen ...«

In diesem Augenblick krachte im Walde ein Schuß ... Teljegin fuhr zusammen ... Dann fielen noch einige Schüsse von der anderen Seite. Dies war um so verwunderlicher, als man seit dem Abend ohne Fühlung mit dem Feinde war. Teljegin lief zum Telephon. Der Telephonist erhob sich in seinem Erdloch: »Der Apparat arbeitet nicht, Euer Wohlgeboren.«

Durch den ganzen Wald krachten jetzt die Schüsse, und die Kugeln streiften die Äste. Die Vorposten zogen sich, das Feuer erwidernd, langsam zurück. Neben Teljegin tauchte der Freiwillige Klimow auf und sagte mit wilder, unheimlicher Stimme: »Sie umgehen uns, Euer Wohlgeboren!« Dann drückte er schnell die Hand ans Gesicht, hockte nieder und fiel auf den Rücken. Dann schrie noch ein anderer im Dunkeln: »Brüder, ich sterbe!«

Teljegin unterschied zwischen den Baumstämmen die großen, unbeweglichen Gestalten der Freiwilligen. Sie alle sahen auf ihn, – er fühlte es. Er gab ihnen den Befehl, einzeln zur Nordseite des Waldes vorzudringen, die wahrscheinlich noch nicht umzingelt sei. Er selbst werde aber mit denen, die bei ihm bleiben wollten, so lange als möglich aushalten.

»Ich brauche fünf Mann. Lebend kommen wir nicht zurück. Wer tut mit?«

Subzow, Ssussow und der ganz junge Bursche Kolow lösten sich von den Baumstämmen und gingen auf ihn zu. Subzow wandte sich um und rief:

»Wir brauchen noch zweie. Rjabkin, komm her.«

»Nun, warum nicht ...«

»Den fünften, den fünften her!«

Vom Boden erhob sich ein kleiner Soldat in Halbpelz und einer zottigen Mütze. Sein Gesicht verschwand ganz im mächtigen Bartwuchs.

»Nun, warum nicht ...«

Die sechs Mann legten sich zwanzig Schritt voneinander entfernt nieder und eröffneten das Feuer. Die anderen verschwanden hinter den Bäumen. Als Iwan Iljitsch einige Patronenstreifen verfeuert hatte, sah er plötzlich ganz deutlich, wie morgen früh Männer in grauen Mänteln seine Leiche auf den Rücken umwenden und seine Kleider durchsuchen, wie eine schmutzige Hand ihm unter das Hemd fährt.

Er legte sein Gewehr hin, wühlte die lockere, feuchte Erde auf, holte Daschas Briefe aus der Tasche, küßte sie, legte sie ins Loch und verschüttete sie mit dem faulen Laube ...

»Oh, oh, Brüder!« schrie plötzlich Ssussow, der links von ihm lag. Es blieben ihm nur noch zwei Patronenstreifen. Iwan Iljitsch kroch zu Ssussow heran, der regungslos dalag, legte sich neben ihn und holte aus dessen Tasche die Patronen. Jetzt schossen nur noch Teljegin und noch einer rechts von ihm. Die Patronen waren schließlich zu Ende. Iwan Iljitsch warf sein Gewehr weg, wartete eine Weile, sah sich um, stand auf und fing an, die Freiwilligen bei den Namen zu rufen. Nur eine Stimme antwortete: »Hier!« Kolow kam, sich auf sein Gewehr stützend, auf ihn zu. Iwan Iljitsch fragte: »Sind keine Patronen mehr da?«

»Nein.«

»Antworten die anderen nicht?«

»Nein, nein.«

»Gut. Komm. Laufschritt!«

Kolow warf sich das Gewehr über die Schulter und lief, sich hinter den Stämmen verbergend. Teljegin war aber noch keine zehn Schritt gegangen, als ihn von hinten ein stumpfer eiserner Finger in die Schulter stieß.


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