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Neuntes Kapitel.
Die Marienbader Sahne-Mandel-Orange-Platten

Mein teures gnädiges Fräulein!

Dieses Schreiben ist gewiß nicht der Ausdruck einer leichtfertigen Handlungsweise. Ich bitte ergebenst, glauben zu wollen, daß ich mir die Konsequenzen genau überlegt habe. Ihre jungfräuliche Natur, Ihr wohlgefälliges Äußere, die Jugendlichkeit, die aus jeder Ihrer Mienen und Bewegungen spricht, haben mein Herz im Sturm erobert. Und wenn ich hinzufüge, daß ich mich in einer wohlsituierten Lage befinde, so soll dies dem Idealismus meiner Wesenheit durchaus keinen Abbruch tun, es soll nur gewissermaßen die Grundlage bilden, auf dem dieser Idealismus sich umso freier entfalten kann.

In Anbetracht dessen bitte ich Sie, den hochverehrten Ihrigen gütigst Mitteilung des Geschehenen machen zu wollen, und gestatte mir gleichzeitig, dem hochachtungsvollen Wunsche Worte zu leihen, eine Zusammenkunft herbeiführen zu wollen, in der das gegenseitige Bekanntwerden zwanglos vonstatten gehen könnte. Ort und Stunde stelle gefälligem Ermessen anheim.

In steter Erwartung verharre als Ihr
bis in den Tod ergebener

Theodor Gerberding.

 

Dieser Brief unterlag im Kreise der Lüdickeschen Familienmitglieder genauer und vielfacher Prüfung.

Mama und Papa waren restlos damit zufrieden. Mama lobte die auserlesene Redeweise, die auf tiefere Geistes- und Herzensbildung schließen ließ, und Papa hielt sich an den Idealismus seiner Wesenheit, der ihn an eigene, bessere, Zeiten erinnerte.

Gudrun hingegen hatte ihre Bedenken. »Wirklich gefallen«, sagte sie, »tut mir eigentlich nur die ›wohlsituierte Lage‹, mag sie stilistisch noch so anfechtbar sein, aber ansehen muß man sich den Knaben natürlich.«

Und Herbert gar tat das Schriftstück mit einem Schnippen seines goldgelben Fingernagels von sich ab, zuckte die Achseln und murmelte: »Kleener Mann.«

Als Resultat längerer Beratungen ergab sich, daß Papa ein kurzes und sachliches Antwortschreiben an den Bewerber richtete, folgenden Inhalts:

 

Sehr geehrter Herr!

In höflicher Beantwortung Ihres an meine jüngere Tochter gerichteten gefälligen Schreibens beehre ich mich, Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß ich mit den Meinen morgen abend acht Uhr in der Konditorei Wien, Kurfürstendamm 26, auf der hinteren Estrade den Tee nehmen werde.

Mit dem Ausdruck vorzüglicher Hochachtung

Gottfried Lüdicke.

 

Gudrun war der Meinung gewesen, daß, wenn man schon acht Uhr als Teestunde wählte, es bester geheißen haben würde: »den Tee trinken«, aber Mama und Papa fanden das Zeitwort »nehmen« besonders vornehm und gewählt. Und Purzelchen wurde gar nicht gefragt. –

Es war ein holdvernebelter Frühlingsabend, als die viere – Herbert hatte natürlich Dienst – den Weg zu dem rühmlichst bekannten Lokale einschlugen, das in Papas Phantasie als Endziel glückgesegneten Strebens einen heißbeneideten Platz innehielt.

Hatte er beim Eintritt die Kuchenauslagen mit verächtlichem Blicke gestreift, so stellte er später zornbebend fest, daß dem schönen Wetter zum Trotz fast jeder Tisch voll besetzt war.

Schließlich aber fand sich doch noch ein leergebliebener Rundtisch, von dem aus man allem Kommenden gefaßt ins Auge schauen konnte.

Und dieses Kommende kam. Es hatte die Gestalt eines ein wenig beleibten, mittelgroßen, in einen vielfach gesteppten hellen Covercoat gehüllten, noch jungen Mannes, dessen rundliches, von Erregung erblaßtes Gesicht eine Wolke von Vertrauenswürdigkeit vor sich herströmen ließ.

Purzelchen kniff Gudrun ins Knie und brummelte: »Das ist er!« Aber sie hatten ihn schon alle erkannt.

Mama erhob sich und begrüßte ihn mit derselben Großartigkeit, mit der sie einem bevorzugten Kunden die Bonbonnieren des illegitimen Winkels pries. Papa, der liebe Papa, der Fremden gegenüber immer ein wenig befangen war, strich sich mit der Hand durch das graue Lockengewölk, rückte mit der anderen den Cut zurecht und wartete auf den Augenblick, da seine Gattin den Herrn freigeben würde.

Und während er hierauf seine aufgestaute Inbrunst entfließen ließ, schielte Gudrun mit blinzelndem Augenspalt und lächelnden Zähnen in fragender Prüfung zu dem Bewerber der Schwester empor, als wollte sie sagen: ›Verlohnt sich's, ihn ihr auszuspannen, oder verlohnt sich's nicht?‹

Und dabei sah sie aus wie ein schmachtender Cherub.

Purzelchen aber saß beklommen und demütig da, ohne daß irgend jemand sie beachtet hätte, und kam sich so wenig hergehörig vor, als ob sie nicht im entferntesten wagen könnte, einen dieser Vorgänge auf sich selbst zu beziehen.

Erst als Herr Gerberding ihr die Hand entgegenstreckte und sie bat, neben ihr Platz nehmen zu dürfen, geriet sie ein wenig aus dieser beschämenden Lage heraus und vermochte zu hoffen, als ein halbwegs berechtigtes Mitglied in diesem Kreise Erwachsener betrachtet zu werden.

Während Herr Gerberding die Liste der Speisen und der Getränke studierte, neigte Papa sich vertraulich zu ihm hinüber und sagte, auf die Schinkenbrote hinweisend, von denen jedes der Angehörigen eins vor sich stehen hatte: »Ich möchte raten, auch lieber etwas Gesalzenes zu wählen – die Kuchen sind nicht sehr empfehlenswert hier.«

Herr Gerberding verbeugte sich dankbar, und als er beim Kellner zum Tee eine Buttersemmel mit Spickgans bestellte, hatte er Papas Zuneigung vollends gewonnen.

Allmählich kam die Unterhaltung in Fluß.

Herr Gerberding gab einen kurzen Abriß seines Lebensgangs, schilderte seinen Aufstieg in dem Lande der noch unbegrenzteren Möglichkeiten und führte die Großfirmen auf, deren Vertretung in seinen Händen lag, teils direkt, teils – hier fand er nicht gleich das passende Wort, aber Papa nickte verständnisvoll und meinte: »Bei einer solchen Unterbeteiligung kommt manchmal noch mehr heraus,« was Herr Gerberding freudig bestätigte.

So gedieh alles aufs beste, und wenn Herr Gerberding auch heute vermied, das Wort »Eroberernatur« ins Treffen zu führen, so leistete der Hinweis »Pionier deutscher Kultur« zu sein, doch kaum geringere Dienste. Zudem war dies eine schlichte und unanfechtbare Tatsache, geradeso wie jene andere, daß man im »Adlon« Wohnung genommen hatte und nicht etwa in einem schäbigen Bahnhofshotel oder gar in einer der wohlfeilen Damenpensionen.

Und als Herr Gerberding die Herrschaften bat, ihm nächstens daselbst »zum Lunch« die Ehre zu geben, da erhob sich innerhalb der Lüdickeschen Familie ein respektvolles und beinahe ängstliches Räuspern, denn jene geheiligten Räume hatte noch keiner von ihnen jemals betreten. Allenfalls Gudrun vielleicht, aber Gudrun schwieg über alles.

Als die erste Überraschung verflogen war, erklärte Mama mit einem Anflug von verletzter Würde, zuerst müsse Herr Gerberding selbstverständlich »im Hause« gewesen sein, was sich in Gestalt eines demnächstigen Teebesuches am besten bewerkstelligen lasse.

»Bei dieser Gelegenheit werden Sie auch erfahren, zu welchen Leistungen die heimische Kuchenbäckerei zurzeit imstande ist,« fügte Papa hinzu, »denn ein solches Allerweltslokal gibt wirklich keinen Begriff davon.«

Aus dieser Bemerkung ergab sich zwanglos eine Schilderung des Lüdickeschen Berufslebens, so daß nun beide Parteien übereinander im Bilde waren.

Aber noch interessanter gestaltete sich die Unterhaltung, als Herr Gerberding die Frage tat, ob die Marienbader Sahne-Mandel-Orange-Platten, von denen Papa allerhand Rühmens gemacht hatte, sich vielleicht in luftdichte Blechkapseln einschließen ließen, so daß ein überseeischer Export in Betracht käme.

Und als Papa keinen Grund sah, der hiergegen spräche, erbat Herr Gerberding sich mit höflicher Neigung des Oberkörpers für die alleinige Auswirkung dieses Gedankens eine Option für drei Monate, die ihm nach kurzer Überlegung huldvoll gewährt wurde.

So hatte sich im Handumdrehen ein verheißungsvoller Geschäftsverkehr entwickelt, welcher der familiären Verknüpfung schrittmachend voranging, und wer Papa fortan beobachtete, erkannte in dem träumerischen Aufleuchten seiner Augen und der genialischen Verve, mit der er die gespreizten Finger der Linken durch seine Locken führte, daß er weltumspannende Pläne wälzte, die den Namen Lüdicke zu unerhörtem Glanze emporführen mußten.

Und das war auch sehr nötig, denn trotz allem Kundenverkehr, trotz Mamas tagsüber leuchtender Hoheit und Papas allnächtlich sich entwickelnder Künste brachte das Geschäft nicht viel mehr als die Deckung der Spesen.

Die sich steigernde Ladenmiete und die überhandnehmende Konkurrenz: Schneider in der Joachimsthaler Straße und Wagenknecht auf dem Olivaer Platz – ja, es war zum Verzweifeln. – –

Als Purzelchen an diesem Abend zur Ruhe ging, warf sich Gudrun beim Haarbürsten quer über das Deckbett und sagte: »Du, Kleines, bist nun bis auf weiteres die Hauptperson im Hause. Und es kommt sehr darauf an, daß wir alle keine Dummheiten machen. Ich bin in der Verlobungstechnik nicht gerade bewandert, denn meine Herren haben Gott sei Dank die unreellsten Absichten, die man sich vorstellen kann. Aber ich glaube, mein Instinkt wird auch hierbei das Richtige treffen … Eigentlich müßten wir wohl das vorsintflutliche Institut des Anstandsbaubaus wieder aufleben lassen. Denn dein Freund ist in der deutschen Kulturgeschichte etwas zurückgeblieben. Aber ob Mama die Geeignete ist, läßt sich bezweifeln, denn ihre Liebenswürdigkeit schmeckt etwas nach bitteren Mandeln. Und ich wiederum! Ja, Purzelchen, du mußt mich nicht für überheblich halten, aber auf Männerfang versteh' ich mich besser als du, und ganz unbewußt und unwillkürlich könnte sich zwischen mir und dem künftigen Schwager leicht ein Ton einbürgern, der – der –. Also kurz und rund, wir werden dich wahrscheinlich – seiner Rückständigkeit zum Trotz – allein mit ihm losziehen lassen müssen. Die nötigen Verhaltungsmaßregeln geb' ich dir später. Ja, sag mal vor allem: gefällt er dir überhaupt?«

»Aber Gudrun!« rief Purzelchen im Tone wehmütigen Vorwurfs.

»Was heißt: ›Aber Gudrun‹?« rief diese aus ihrer Flaumfederhöhlung heraus. »Den einen liebt man, den anderen heiratet man, das ist bei uns Mädels nicht anders.«

»Würdest du ihn denn nehmen?« fragte Purzelchen, um seines Wertes noch sicherer zu sein.

Gudrun lachte hellauf. »Von mir ist Gott sei Dank nicht die Rede. Ich bin ein Biest. Was ich tue, kann selbst der ausgekochteste Schläuling nicht wissen. Übrigens: nichts zu sagen gegen ihn. Schuhnummer, Handschuhnummer, alles korrekt. Krawatte sogar hervorragend. – Als Männlichkeit ganz lecker vielleicht. Das Geistige? Na! … Intelligenz minderer Durchschnitt. Bildung? Gott, deine ist ja auch nicht sehr groß. Aber das Wichtigste: daß ein bald herbstlicher Mann sich in ein solches Pusselchen, wie mein Purzelchen immer noch ist, überhaupt verliebt, zeugt von einer solchen Ahnungslosigkeit in Weibersachen, daß man es unbedenklich mit ihm wagen kann. Nimm ihn ans Halsband, pflege seine Hühneraugen und werde glücklich mit ihm.«

Purzelchen fühlte sich von heftigem Herzweh ergriffen.

»Ich dachte, du wirst mir als Schwester zur Seite stehen,« klagte sie. »Statt dessen hast du nichts als Spott und Verachtung für mich.«

Und wie sie das sagte, kamen ihr auch die Tränen schon.

Erschrocken richtete Gudrun sich auf.

»Was ist denn los?« rief sie. »Ich rackere mein bißchen Grips ab, um das Beste für sie auszubaldowern, und sie – pfui, schäm' dich, Geliebtes!«

Damit warf sie sich über sie und besäte ihr Wangen und Hals mit kleinen, klatschenden Küssen.

Dann schlüpfte sie in ihr Bett hinüber, wo sie auch heute alsbald den Schlaf nervenloser Selbstzufriedenheit schlief.

Purzelchen aber grübelte sorgend ins Dunkel hinein; so stark hatten Gudruns Zweifel an ihrem Glücke gerüttelt.

Als aber am nächsten Morgen ein großer goldener Korb mit achtzig blutroten Rosen ankam, von denen nicht eine einzige auf Draht steckte, da waren alle Nöte geschwunden, und eitel Hoffnung umstrahlte das Leben.


Der verabredete Teebesuch, der zwei Tage hernach stattfand, gestaltete sich zu einem neuen Triumph.

Auch Herbert, dessen Fahrten um diese Stunde erst recht begannen, hatte sich frei gemacht, um als Familienmitglied seine Vornehmheit leuchten zu lassen.

Und in der Tat! Als die beiden Männer einander gegenüberstanden und der Bruder beim Shakehand den Ellbogen rechtwinklig von sich stieß, da erschien er weit mondäner und eleganter als der reiche Freiersmann selber.

Von seinem Chauffeurtum schwieg er natürlich, und als Herr Gerberding sich nach seiner Tätigkeit erkundigte, ließ er vorsichtig durchblicken, daß ihm bei der künftigen Wiederaufrichtung des Vaterlandes im Fliegerdienste eine wichtige Stellung zugedacht sei, was verständnisvolles Staunen hervorrief.

Der Teetisch strotzte von den Erzeugnissen des väterlichen Kunstgeschmacks. Da waren die Wiener Ananastascherln und das Pariser Butterschaumgebäck und insbesondere waren die Marienbader Sahne-Mandel-Orange-Platten da, die die Bestimmung hatten, den argentinischen Barbaren einen Begriff von deutscher Kultur zukommen zu lassen. Denn daß Marienbad nunmehr den Tschechoslowaken gehörte, das würde man drüben kaum wissen.

Herr Gerberding schmeckte von allem, und das offenbare Entzücken, mit dem seine Zunge die ihm dargebotenen Herrlichkeiten verkostete, war ebenso echt wie das heimliche, mit dem sein Auge dabei an Purzelchens weichleuchtender Jugend vorüberglitt.

Sie gewahrte es wohl und freute sich, daß sie das lichtblau-silberne Tanzkleid anhatte, das eigentlich für dies Nachmittagslicht nicht geschaffen war, das aber die vorwitzige Glut der Maizeit allenfalls rechtfertigen konnte.

Daß sie ebensogut im grauen Küchenkittel hätte dasitzen können, ohne jenes Entzücken zu schmälern, das freilich ahnte sie nicht. Aber Papa und Mama, die dauernd nach ihr hinüberschielten, wußten es wohl und Gudrun erst recht, die, auf ihrer anderen Seite sitzend, in leiser Liebkosung zuweilen an ihrer Hüfte herniederstrich.

Nur Herbert kümmerte sich wenig um sie. Auch Herr Gerberding schien seine Aufmerksamkeit nicht wesentlich mehr zu erregen. Er empfahl sich alsbald, und jedermann atmete erleichtert auf. Denn seine stumme und herablassende Kritik hatte wie ein Alp auf jedem Gemüte gelegen.

Herr Gerberding gab nunmehr einen Überblick über seine hiesige Tätigkeit.

»Wer da glaubt, daß ich zu meinem Vergnügen hier weile,« sagte er, »der würde sehr irregehen. Ich mache Besuche vom frühen Morgen bis zum Schluß der Geschäftszeit. Viele erklären einem ja: ›Ich habe meine Vertretung bereits,‹ aber fragt man sie nach ihren Erfolgen, dann werden sie meistens sehr kleinlaut, und dann ist es Zeit, von den eigenen Erfolgen zu reden. Oft hat man da gewonnenes Spiel … Verdrängen will man ja keinen – dazu ist man viel zu sehr Gentleman, aber wie Sie unlängst mit Recht bemerkten, Herr Lüdicke, gibt es ja auch eine Unterbeteiligung, die oft sehr einträglich ist … Und dann sehen Sie mal: die Optionen. Auf die Optionen muß man sein Augenmerk richten … hat man erst so eine kleine Option, dann ist die Sache in Ordnung … Sie darf einem natürlich nichts kosten, und man hat Rechte erworben. Wie man sie ausübt, ob man sie ausübt, das wird sich dann später schon finden.«

Papa wurde bei diesen letztern Worten sehr ernst und warf einen bedenklichen Blick auf den Teller mit den Marienbader Sahne-Mandel-Orange-Platten, für die Herr Gerberding bereits eine dreimonatige Option erworben hatte. Wenn er diese Verpflichtung ebenso leicht nahm, dann würde kaum etwas Großes draus werden.

Herr Gerberding war nicht auf den Kopf gefallen. Er erkannte sofort, daß er einen Fauxpas gemacht hatte, und zögerte nicht, ihn, so gut es ging, zu verwischen.

»Oh, mit uns beiden, mein teurer Herr Lüdicke,« sagte er, »ist das ganz etwas anderes. Für Sie gibt es dort drüben sonst überhaupt keine Chancen. Alles hängt von meiner Tatkraft und von meiner Interessiertheit ab. Und um diese Interessiertheit entsprechend zu steigern –«

»Möchten Sie auch für die Hand meiner Schwester eine kleine Option haben,« warf Gudrun dazwischen und machte dazu ihr unschuldigstes Cherubgesicht.

»Aber Gudrun!« rief Mama, entsetzt in die Höhe fahrend.

Herr Gerberding schwieg einen Augenblick ganz verdutzt, dann brach er in ein selbstbefreiendes Lachen aus.

»Ein ganz famoser Scherz! Ein höchst treffender Scherz!« rief er aus. »Ei, jawohl, ich möchte auch auf die Hand Ihrer Fräulein Tochter eine Option haben. Oder noch besser gesagt: ich selber – ich – ich – möchte – möchte –«

Und nun wußte er richtig nicht weiter.

Wiederum griff Gudrun ein, diesmal, um ihm aus der Patsche zu helfen, in die sie ihn selbst hineingelegt hatte.

»Was Sie wahrscheinlich meinen, ist ganz richtig,« sagte sie. »Nur muß der Wunsch aus unserem Munde kommen, nicht aus dem Ihrigen. Indem Sie uns Ihrer Freundschaft würdigen, geben nicht wir Ihnen, sondern Sie uns eine Option – als Anwartschaft auf Ihre Hoffnungen und Ihr Vertrauen. Und wenn es dir recht ist, Papachen, wollen wir jetzt einen Schluck von deinem vorzüglichen Malaga trinken. Der braucht nirgends eine Option, denn den kennt und hat alle Welt.«

Purzelchen sprang eilends auf und schenkte die Gläser voll, die mit der schönen Kristallkanne auf dem Büfett bereit standen, und als sie Herrn Gerberding das Tablett vorhielt, griff er in seiner Verwirrung zweimal vorbei, dann aber – beim Anstoßen – raffte er sich zu einem regelrechten Toast auf den künftigen Weltruf der Sahne-Mandel-Orange-Platten empor, was bei Papa und Mama große Begeisterung hervorrief. – –

Als der Freiersmann sich empfohlen hatte, stürzten beide sich mit Vorwürfen auf Gudrun. Sie hätte mit ihrer patzigen Zwischenfrage beinahe alles verdorben, und wäre Herr Gerberding böse von dannen gegangen, so hätte es ihm niemand verdenken können.

Gudrun zuckte nur lachend die Schultern und meinte: »Was wollt ihr? Ich bin bekanntlich ein Biest. Da kann man nichts machen.«

Mit dieser Erklärung gaben sie sich gerne zufrieden, denn es war ja nun klar: dem Hause Lüdicke erblühte ein zwiefaches Glück. – – – –


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