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3

Geflute und Getute des lichthellen Ostens. Abendfieber Berlins, im eintönigen Grau der Hausfronten. Endlos scheinbar die schwarz wimmelnden Straßen unter dem rötlich widerstrahlenden Nachthimmel.

Durch sie lenkte der junge Mann ortskundig, mit geübtem Fingergriff und Fußspitzendruck, die Millionärmaschine, ruhig das freundliche Gesicht, prüfend die blauen Augen, schief die Kappe auf dem rötlichen Kurzhaar. Er tutete warnend und bog quer über den Bürgersteig in den Hof einer Autoreparaturwerkstatt. Stoppte. Stieg aus. Stand, mittelgroß, schmalschulterig und straff gewachsen. Stapfte steifbeinig in die Arbeitshalle.

Viele kranke Wagen blinkten – schwarz und grün und blau und grau in deren elektrischer Helle. Die Hämmer klopften. Die Schweißbrenner zischten. Draußen platschten die Wassergüsse der Wäscher.

»Die Probefahrt jing prima, Herr Zwickel! Der Kasten läuft wieder tipptopp!« meldete der Fahrer der Himbeerlimousine. Ein Lackierer brummte neben ihm über seine Spritze:

»Na – denn kann die Puppe ja wieder damit ins Schaufenster segeln!«

»Seien Sie doch froh, Staubitz, daß die Dame das gerade hier an der Ecke geschafft hat!« sagte der Garagenmeister Zwickel zu dem Lackierer. »Sonst hätten wir hier im Osten den Lambert Zwölf nicht zu Gesichte gekriegt!«

»Und passiert is ja auch weiter nischt!« Fritze, der Tankwart, kam, stark nach Benzin riechend, von seinen gelben und roten Zapfsäulen im Hof.

»Bloß, daß der Chauffeur sich uff acht Tage mit 'ner jeschwollenen Neese in die Charité zurückgezogen hat!« rief der Monteur Nonnenmacher aus der Ecke durch das Brausen der Galvanisierung an einem wunden Schlauch. »Jeschieht ihm recht! Wat läßt der ooch hier mitten in Berlin die Jnädige an den Bolang?«

»Das rechnet er ihr hoch an!« meinte trocken über seinem Leimtopf Lämmert, der Tischler.

»Muß er ooch! Die haben Jeld wie Heu – da draußen im Jrunewald – die und ihr Mann!«

»Bei denen sollte der Nachtdoktor mal einsteigen! Da is was zu holen!«

»Schreib' ihm doch 'ne Postkarte, Mensch – dem Ale!«

»Wenn eener wüßte, wohin! Der Mann lebt ja im schärfsten Inkognito!«

»Heute hat sie schon zweimal angehimmelt und gebarmt: ›Wo bleibt denn mein Wagen – mein süßer Wagen?‹.«

Der Garagenmeister wandte sich lachend an den jungen Fahrer. »Werner – Sie können Frau Hüsgen morgen die Limousine hinaus nach der Westallee bringen! Ich gebe Ihnen nachher die Adresse. Aber fahren Sie nicht zu zeitig vor. So feine Damens finden nicht so früh aus dem Bett!«

»Nee – ich werde der hohen Frau schon nich beschwerlich fallen!« Der junge Fahrer in Sportmütze und schwarzer Lederjoppe hatte die Haube seines Ungetüms aufgeklappt und betrachtete mit tiefem sachlichem Ernst den heiß dünstenden Motor. Er hatte dabei einen in sich verlorenen, forschenden Blick. Er bastelte mit seinen großen, arbeitsharten Händen, aber voll feinen Fingerspitzengefühls, an den Ventilen. Dann hob er den runden, eigenwilligen Kopf. »Kann ick für heute jehn, Herr Zwickel?«

»Nee – Werner! Augenblick: Ich hätt' noch was für Sie!« Der Garagenmeister tippte dem Fahrer auf die ölfleckige Lederbrust. »Eine feine Herrschaftsstellung! Heute nachmittag hat ein Fabrikbesitzer an der Oberspree bei uns angefragt. Gute Zeugnisse natürlich Bedingung!«

»Nee – danke sehr, Herr Zwickel!«

»Na, warum denn nicht? Andere würden sich heutzutage alle zehn Finger danach lecken! Sie passen doch dazu! Sie sind doch ein sicherer Fahrer und ein gelernter Schlosser. Und so was Herrschaftliches – worauf der Mann besonderen Wert legt, haben Sie auch – so was Wohlgefälliges fürs Auge!«

»Uff den fliegen sie – die Mächen!« sagte hinten der Monteur Nonnenmacher über seinem notleidenden Luftschlauch zu dem Lackierer.

»Danke wirklich, Herr Zwickel!«

»Mensch – nehmen Sie doch Vernunft an! Sie sind doch bei uns nur zur Aushilfe eingestellt! Das kann Ihnen jeden Tag passieren, daß Sie abgebaut werden!«

»Na – denn findet sich wat anderes, Herr Zwickel! Danke schön!« Der junge Mann lüftete die Sportkappe von dem energischen, rötlichen Rundkopf und ging. Der Lackierer schaute ihm nach und pfiff durch die Zähne.

»Merkste wat, Paule?«

»Nee!« Der Tischler sprach es undeutlich, den Mund voll Nägel, und klopfte an einer Polsterung.

»Zwei Märker zahlt der Junge uff'n Tag drüben in Feuerstakes Hotel für sein Zimmer. Nu frag' ich dich: Warum zieht er denn nich in 'ne Schlafstelle?«

»Det's ein Silbenrätsel!«

»Werd' ich dir auseinanderpolken! Im Hotel – da schreibt er einfach in den Fremdenschein: Karl Werner, Monteur aus Magdeburg. Aber in der Schlafstelle muß er sich beim Revier melden. Da sind die Brüder neugierig, wo er in Magdeburg abgemeldet is – und so – verstehste?«

»Na – ich bin doch keen Dussel!« Der Lackierer Staubitz blinzelte und spritzte seinen blauen Sprühregen auf den Wagenschlag.

»Da bleibt dem Jungen die Spucke weg! Nu sag' doch mal selber: Wenn der Werner aus Magdeburg is, warum spricht denn der dann richtiggehendes Berlinisch? Oder ganz feines Deutsch? Kann er ooch! Ick hab' mal unbemerkt im Laden hinter ihm gestanden, wie er sich Zigarren gekooft hat ...«

»Er sieht gar nicht so aus, als ob er was ausjefressen hätte!«

»So? Und nu das Fernere: Zeugnisse! Der Fabrikbesitzer will gute Zeugnisse sehen! Hat der Werner nich! Weil er wahrscheinlich gar nicht Werner heißt! Darum kriegt er kalte Füße! Verstehste mir?«

»Na – mich jeht der Werner nischt an!« sprach der Lackierer und spritzte.


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