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Hasta la muerte Karikatur auf die Königin Maria Luise von Spanien und ihre Mannstollheit
Radierung. Aus den Caprichos

Auch auf dem Dach des Schlößchens San Cristóbal, zu dessen Wiedereinweihung Cayetana ein Fest gab, saß ein Teufel und wartete auf seinen leichten Sieg...

 

Die vom elften Marqués von Villafranca, Gatten der dreizehnten Herzogin von Alba, komponierte Orchesterouvertüre war zwischen den Bäumen des Parks verhallt, Don José nahm in einer nervösen Mischung der inneren Abwehr und des Geschmeicheltseins die Glückwünsche der Spitzen der Geladenen entgegen.

Ihm habe besonders die Jagdfanfare Vergnügen gemacht, bemerkte Carlos der Vierte – durchaus irrtümlicherweise, denn das Trompetenthema, das ihm aufgefallen war, übrigens der Stolz des Erfinders, hatte unverkennbar feierlich-heroischen Charakter. Auch Maria Luisa war anwesend, denn sie fürchtete, ihr Fernbleiben könnte jenen Brandstiftungsgerüchten nochmals Nahrung geben. Vor einem Beet knallroter Kannablüten stehend, lobte sie die konservativ-klassische Haltung des Tonstücks und empfahl dem Marqués, mitbauen zu helfen an einer Schutzmauer gegen die revolutionären Einflüsse, die vom Ausland her auch die Kunst bedrohen, ihre Kusine berichte aus Wien empört über die abscheuliche Libertinage, der die Musik dort neuerdings verfallen sei. Fernando, Prinz von Asturien, spendete seine jugendliche Anerkennung mit einer Miene, als händige er einem Bettler Goldstücke aus.

Godoy verstieg sich zu der Schmeichelei, er bedaure, der Gesangskunst ganz abgesagt zu haben, denn es könnte ihn wohl reizen, eine von dem Marqués komponierte Arie zu studieren und vorzutragen. Sie sahen sehr seltsam nebeneinander aus, der Marqués mit der schmächtigen Gestalt, dem gelben kränklichen Gesicht, dem an den Schläfen ergrauten pechschwarzen Haar – und der von Gesundheit geschwellte Fürst, blond, blauäugig, muskulös. Der eine um Geistiges wenigstens bemüht, der andere nichts als Körper. Selbst wenn er wirklich gesungen hätte, sogar schön gesungen – er wäre nichts als Körper gewesen.

»Dieser liebenswürdige Wunsch Eurer Hoheit«, verbeugte sich der Marqués, »ist eine unvergleichliche Ehre für meine bescheidenen Arbeiten.«

Hoheit – das war die abermalige Ehrensteigerung, die sich Don Carlos für den Freund und Berater ausgedacht hatte. Sie fiel dem Friedensfürsten nach einem dreiwöchigen Raubkrieg gegen das schwache, von Carlos' Schwiegersohn regierte Königreich Portugal zu, zusammen mit einem neuen militärischen Titel. Der war schwer zu finden gewesen: der Krieg spielte sich zu Land ab, und Manuel nannte sich schon Generalissimus des Landheeres. Da wurde er denn zum Großadmiral von Spanien und Indien befördert. Auch übernahm er auf des Königs eindringliche Bitten wieder persönlich den Vorsitz im Ministerrat. Enthielt ein amtliches Schriftstück seine sämtlichen Titel, so folgten auf die großen Adels-, Staats- und Militärbezeichnungen und auf die eines Ewigen Regidors der Stadt Santiago noch die kleineren, die ihm das Gepräge künstlerischer und wissenschaftlicher Interessen geben sollten: Protektor der Akademie der Schönen Künste, des Kabinetts für Naturgeschichte, des Botanischen Gartens, des Chemischen Laboratoriums und des Astronomischen Observatoriums.

Neben einem Springbrunnen, den ein Rudel marmorner Nymphen umdrängte, hielt der mit solch tönenden Anpreisungen wie mit einem Netz unsichtbarer Glöckchen überzogene Mann Cercle, als führe er auch die Königsglocke. »Die drei Bilder bringen Ihnen viel Lob«, sagte er zu Francisco. »Die weiblichen Beschauer verweilen mehr bei meinem Porträt, die männlichen« – er verzog genießerhaft den Mund – »bei den beiden Mädchen.«

Die beiden Mädchen waren in Wahrheit nur eines, zweimal dargestellt. Damit hatte es eine seltsame Bewandtnis:

Bald nach jener Beschwörung erschien Bavi, der Todeskämpfer, bei Francisco – nicht in der Mönchskutte, sondern in speckigem Bürgerkleid. »Ich möchte Ihnen eine Gefälligkeit erweisen«, sprudelte er aufgeregt heraus, »ich bringe Ihnen das schönste Aktmodell von Madrid. Sie läßt sich sonst niemals malen, nur von Ihnen. Es ist ein Dienst an Ihrer großen Kunst. Aber bezahlen Sie sie gut, sie hat Geld nötig. Übrigens ist sie die Schwester des Bauernmädchens, dem der Dämon ausgetrieben wurde. Ich dachte, das interessiert Sie.« Und ohne eine Antwort abzuwarten, holte er das Mädchen, das er hatte auf der Treppe warten lassen.

Eng in einen schwarzen Schal gehüllt, stellte sie sich an die Wand und schaute Francisco schweigend an – mit Augen, die vorsichtig zu werben begannen. Der Überfall traf ihn vor einem über eine Holzpuppe gezogenen Spitzenkleid, nach dem er das Porträt irgendeiner vornehmen Dame zu Ende zu führen im Begriff war; so nahm er von dem lebendigen Modell und seiner zierlichen Üppigkeit nicht ungern Notiz – fand sie übrigens jener armen Besessenen völlig unähnlich.

Bavi erriet diesen Gedanken und erklärte unvermittelt, sie sei in der Stadt aufgewachsen. »Sie können das Honorar auch mir bezahlen«, fügte er bei.

Francisco schob ihm ein Geldstück in die gierig geöffnete Hand und besann sich, ob er das Mädchen nicht doch lieber wegschicken solle. Doch Bavi glitt rasch und lautlos zur Tür hinaus; die Blicke des Mädchens folgten ihm bis zur Tür, ja es schien: noch durch die geschlossene Tür hindurch. Solange war der Blick nur wie in mechanischer Bewegung, ohne Inhalt. Jetzt heftete sie ihn gefallsüchtig wieder auf Francisco, immer noch schweigend. Und riß sich unversehens, als sei es unter dem Schal schon halb vorbereitet gewesen, die Kleider vom Leib, lachte und warf sich auf ein Ruhebett.

Wenn sie einem durch den Schornstein ins Haus fällt, dachte er, kann man auch einmal eine tizianische Venus malen – aber wir sollen nicht versäumen, die spanische Abart zu betonen.

»Bleib liegen«, sagte er und machte sich an die Arbeit ...

»Warum wollen Sie mich nicht?« fragte sie, als der Abend kam. Es waren ihre ersten Worte. Als er nicht antwortete, bekannte auch sie, daß sie Geld brauche. »Er hat es ja genommen.«

»Ist er nicht mehr Mönch?« fragte Francisco.

Sie zuckte die Achseln.

Er gab ihr ein Goldstück und hieß sie andern Tags wiederkommen.

Ehe er sie das zweitemal malte, legte er ihr ein langes Hemd von dünner weißer Seide um und schmiegte es eng an alle Biegungen des Körpers. Dann ließ er sie genau dieselbe Stellung einnehmen wie auf dem Aktbild.

Er wußte selbst nicht recht, weshalb es ihm dieses fast fanatische Vergnügen machte, die beiden Bilder einander völlig entsprechen zu lassen. Er stellte eine verschleierte Aphrodite dar – nein: eine schöne Frau, die begehrt werden will, und enthüllte sie dem Beschauer, sie zugleich verdoppelnd. Der Beschauer wird entscheiden müssen, welche von beiden begehrenswerter sei – und das wird nicht leicht sein.

»Warum wollen Sie mich nicht?« fragte sie wieder.

»Mach, daß du dich ankleidest«, sagte er und gab ihr Geld. »Ist es wahr, daß du die Schwester der Besessenen bist?«

»Ich habe keine Schwester ...«

 

»Wer ist eigentlich das Mädchen?« fragte der Käufer der Bilder, der vor dem Nymphenbrunnen Cercle haltende.

»Sie hat sich nicht zu erkennen gegeben, Hoheit, und ich habe sie nie wiedergesehen. Ich weiß nur, daß ein Mönch um ihretwillen aus dem Kloster gejagt worden ist.«

Godoy schlug ihm lachend auf die Schulter. »Mir scheint, Sie sind auch Dichter. Aber behalten Sie sie ruhig, ich will sie Ihnen nicht abjagen.«

Er sah Franciscos feindseliges Stirnrunzeln nicht mehr, da er sich der Gastgeberin nahte. Über einen großen Elfenbeinfächer weg hörte sie seine Komplimente mit lustigen Augen an.

»Sie sind in glänzender Laune, Duquesa«, stellte Godoy fest.

»Es ist ein Tag großer Genugtuung für mich.« Der Unterton in ihrer Stimme hätte ihm unbehaglich sein müssen, wäre er feinfühlig genug gewesen, ihn zu hören.

Ein junger Neger bot gekühlten Champagner an.

»Ich habe ihn und seine Schwester als Kinder in Toledo auf der Straße aufgelesen«, warf Cayetana in die Konversation.

»Er ist gut gewachsen. Ob man wohl auch die Schwester zu Gesicht bekommt?«

Cayetana schnitt ihm eine Grimasse und entfernte sich unter seinen verletzten Blicken.

Sie fühlte seit Minuten Javiers bewundernde Augen und ging, über die Verbeugungen eines Dutzends Höflinge hinwegsehend, auf ihn zu. Seine Mutter stand bei ihm, und so wandte sie sich zuerst zu ihr: »Noch niemals ist mir die Familienähnlichkeit mit Ihrem verstorbenen Bruder so deutlich an Ihnen aufgefallen, Doña Josefa.«

Pepa wußte nicht recht, was antworten, und verneigte sich stumm.

»Was machen die Studien, Don Javier?«

Er nahm die Frage sehr ernst und schickte sich an, der Herzogin sein Herz auszuschütten, über gewisse Enttäuschungen seines Wissensdurstes klagend.

»Vergessen Sie die Brüste der Weisheit für heute«, unterbrach sie ihn lächelnd, »es sind hübsche Señoritas da.«

Der lange, schmächtige Javier errötete.

 

Die Gäste sahen sich mit Zerstreuungen überschüttet. Aus den Gebüschen erklangen den Lustwandelnden Serenaden entgegen, aus den Baumkronen fielen Blumen auf sie nieder, Jahrmarktbuden waren aufgeschlagen und wurden von jungen Damen und Herren der Hofgesellschaft betrieben, buntgeschmückte Esel standen als Reittiere bereit – am Sattelplatz geruhte längere Zeit der König sich über die Auf- und Absteigenden zu amüsieren –, Menuette wurden getanzt, für die von einer Lotterie ausgegebene bunte Bänder die Zusammengehörigkeit der Paare bestimmten.

Auf einer dem Schloß vorgebauten Terrasse stellten Rita Molinos – wohl geeignet, Götter zu entzünden –, der rüstungstrahlende Isidro Maiquez und ein für seine dionysische Rolle etwas zu zarter junger Aristokrat das Spiel von Ariadne, Theseus und Bacchus dar, das Leandro de Moratíns Verskunst ins Heitere gewandt hatte.

Kaum hatte das vereinte Paar dem widerstrebenden Dichter einen Lorbeerkranz aufs Haupt gedrückt – »Man sollte mit Lorbeeren nicht scherzen«, sagte er nachher etwas rätselhaft zu Francisco –, als aus der Tür des Schlosses ein Trupp andalusischer Musikanten stürmte, sich zu beiden Seiten der Terrasse verteilte und auf Gitarren und Mandolinen Tanzrhythmen anschlug.

Nun glitten sechs Tänzerinnen auf die Szene, auch sie in andalusischer Tracht: weiß die flachen, nur an den Hüften sich ausbuchtenden seidenen Krinolinen und die Mieder, weiß die von hohen Prunkkämmen gehaltenen Spitzenmantillas und die Stöckelschuhe. Sie begannen, während Diener hinter ihnen grellbunte Tücher und Teppiche über die Fensterbrüstungen legten, in gemessener, würdevoller Grazie zu schreiten, sich zu wenden, die Arme zu heben, sich zu wiegen – schlugen erst leicht, dann hitziger die Kastagnetten – umkreisten einander, ließen der steifen Einschnürung zum Trotz die Glieder spielen, verstärkten mit stampfenden Absätzen den Takt der Kastagnetten.

Die Augen funkeln, die schönen Gesichter spiegeln Leidenschaft. Die Tänzerinnen fallen in Gemessenheit zurück, zögern – und plötzlich haben sich sechs andere Mädchen zwischen sie gedrängt, biegsamer, freier gekleidet: die Körper sind eng in bunte Fransenschals gewickelt, doch bleiben die Arme und ein Teil des Rückens frei. Keck sitzt auf dem Kopf der breitrandige Cordobeserhut. Die Musik steigert Tempo und Feuer.

Die Hofgesellschaft, die beim Schauspiel blasiert gelächelt, dann und wann wohl auch kennerisch genickt, doch Form und Etikette keinen Augenblick vergessen hat, kann während der Tänze immer weniger verbergen, daß sie mitgerissen wird. Es sind nicht einmal die jüngsten Kavaliere, die den Bewegungen der Mädchen mit einem anfänglich unmerklichen Wiegen des eigenen Körpers zu folgen beginnen und sich lautlos mit Fuß und Knie dem Takt hingeben. Einer sieht es beim andern und bekommt mehr Mut, sich gehen zu lassen. Bewegung kommt in die Masse, die Damen nicken wenigstens mit dem Kopf. Und während auf der Terrasse die weißen Tänzerinnen den bunten mit Händeklatschen den Rhythmus angeben, so daß ein ganzer Schwall von Musik und Geräusch sie in seinen Bann reißt, fällt gar der König herzhaft in das Händeklatschen ein, sein Gesicht glänzt vor Vergnügen.

Ist das nun königliches Reservat wie das Billardspiel oder Zeichen und Vorbild für die andern? Ein paar Augenblicke ist man ratlos.

Dann beteiligen sich Godoys Hände. Was aber ihm recht ist, nehmen etliche andere gleichfalls für sich in Anspruch. Und viele folgen. Alle Kavaliere.

Da fühlt auch Maria Luisa Feuer im Blut. Sie ist etwas mißtrauisch gewesen, als ihr in der Eingangshalle des Schlosses an Stelle des Porträts des Hausherrn ihr eigenes entgegenprahlte, und weiß noch immer nicht, ob das versöhnliche Huldigung ist oder Spott, da beruhigt es etwas, sich zwanglos zu geben. Und so klatscht sie denn – unedel. Alles klatscht.

Die wenigen, die den Takt verfehlen, werden übertönt. Auch die Musik wird übertönt. Dennoch gelingt es den Tänzerinnen, das Tempo vorwärtszureißen. Alle Augen hängen an ihnen, man sieht ihren Rhythmus und den der Saitenspieler, und so dirigieren die Mädchen gemeinsam das große Lärmorchester. Farben, Gliederspiel, Augenspiel, Klappern, Stampfen – alles schwillt zum Wirbel, zum Rausch. Und zum jähen Stillstand in stolzer Gebärde.

Man jubelt, beglückwünscht die Duquesa.

 

Mit Sinken der Dämmerung werden die Gäste gebeten, zur Beobachtung eines Feuerwerks Platz zu nehmen.

Ein heftiges Knallen beginnt. Rote und grüne Räder spiegeln sich in dem Teich, jenseits dessen die Zurüstungen aufgebaut sind. Raketen erheben sich über die Bäume, immer vier, fünf, sechs zugleich. Fontänen, wie große Wasserspiele angelegt, gießen Sternregen aus. Feuerumrandete Boote gleiten übers Wasser, Leuchtkugeln auswerfend. Sonnen strahlen miteinander um die Wette. Ein Regen von Krachfröschen geht nieder mit einem Lärm, als sei ein Pulvermagazin explodiert. Eine Fülle des Gleichzeitigen, ein verschwenderisches, pausenloses Nacheinander – bis sich zwischen Rauch und Feuer als Ruhepunkt in roten Linien die großen, langsam abbrennenden Initialen des Königspaares abzeichnen: C. M. L. In den prasselnden Beifall mischt sich das boshafte Flüstern: Carlos – Manuel – Luisa ...

Während nun ringsum die Diener Laternen und chinesische Lampions aufhängen und jedermann das Ende des Schauspiels gekommen glaubt, erstrahlt plötzlich hinter der Flucht der Beete und Büsche die Front des Schlosses in grünem bengalischem Licht. Ein prachtvoller Anblick, nur ein wenig unheimlich. Denn – man sieht es ganz deutlich – das Licht kommt aus dem Innern des Hauses, aus den geöffneten Fenstern und Türen.

Die Königin fragt danach.

»Ein neuartiger Effekt, Eure Majestät«, antwortet die Herzogin.

Als Rauch aus den Fenstern dringt, werden ein paar Gäste unruhig. Doch befindet man sich in genügender Entfernung, um für die persönliche Sicherheit nichts befürchten zu müssen.

Allmählich wird die Sache doch etwas toll. Diese Detonationen kommen gleichfalls aus dem Haus ... Und nun sieht man, daß dort drin ein zweites Feuerwerk abgebrannt wird mit Sprühregen und Leuchtkugeln und einem ganzen Hexensabbat von Fröschen und Knallkörpern.

Man beschwichtigt sich gegenseitig, ein Kammerherr, der sich als Sachverständiger ausgibt, versichert, es handle sich um eine neue Erfindung der Pyrotechnik, ein Scheinfeuer, ein kaltes Feuer gewissermaßen, eine interessante, großartige Sache. Einige Beherzte wollen sich dem Haus nähern, sie werden von einer Bedientenkette höflich zurückgehalten. Währenddessen schüttelt Carlos halb verlegen, halb mißbilligend den Kopf, Maria Luisa wiederholt ziemlich scharf ihre Frage, was das bedeute.

»Ein neuartiger Effekt, Eure Majestät«, antwortet die Herzogin.

Ihr Gatte, bleich, völlig ratlos, sucht in ihrem Gesicht zu lesen. Ihm ahnt Schlimmes.

Jeder Zweifel schwindet. Das Schloß, der Neubau, dessen Vollendung durch dieses Fest gefeiert wird, brennt. Brennt in sämtlichen Räumen und Winkeln zugleich. Der Gedanke, irgendetwas zu retten, wäre sinnlos. Die Flammen schlagen aus allen Fenstern in die Nacht hinaus, während im Innern die letzten Feuerwerkskörper explodieren. Es ist ein großartiges Schauspiel.

Die Gäste flüstern in aufgeregten Gruppen. Ein beträchtlicher Kreis vernimmt die Stimme der Herzogin, als sie laut und langsam die triumphierenden Worte spricht: »Ich wollte das lieber selbst besorgen, ehe sich meine Freunde nochmals bemühen!«

Wer noch nicht begriffen hat, begreift jetzt.

Während sich, immer noch flüsternd, Parteien bilden, deren eine behauptet, an der Herzogin seit Wochen Zeichen geistiger Störung wahrgenommen zu haben, hört man einige Diener mitteilen, die abgelegte Garderobe befinde sich unversehrt im Gartenpavillon.

Die Königin ist niedergeschlagen, und sie muß es verbergen – muß überhaupt verbergen, daß sie den Theatercoup auf sich bezieht... Sie hat von den beiden Brandstiftungen, der gelungenen und der mißglückten, gewußt, es verhält sich wirklich so, wenn sie auch nur einem subalternen Vorschlag zugestimmt, den Plan also keineswegs erdacht hat. Und nun hat sie die Empfindung, daß der von ihr geduldete, plumpe, geistlose Angriff, im Grunde doch ihr Angriff, von einer Geste des überlegenen Spottes aufgefangen worden ist, die jeden weiteren Stoß unmöglich macht und darum selbst trifft. Maria Luisa bewundert in einem heimlichen Winkel des Herzens die Größe dieser Geste – und hat die Wahl, sich entweder zu einer brutalen Handlungsweise zu bekennen oder sich geschlagen zu fühlen.

Das Bekenntnis kommt für eine Königin nicht in Frage – für eine Königin des beginnenden neunzehnten Jahrhunderts (während sie das überlegt, wird sie auch noch, mag sie sich darüber klarwerden oder nicht, von der Empfindung beunruhigt, etwas allzu Stilloses begangen zu haben).

Um den Schein des Unbeteiligtseins zu wahren, spielt sie die Belästigte, Ungnädige, sagt gereizten Tones, man sei hier seines Lebens nicht sicher – und läßt sich gerne, wenn nur diese Komödie ein Ende nimmt, vom König beschwichtigen, der Cayetana gutmütig die Hand zum Abschied reicht, ohne zu wissen, was er ihr sagen soll. Der Marqués ist verschwunden.

Die Wagen hat man hinter dem Wirtschaftsgebäude aufgestellt, um für die Pferde das Feuer einigermaßen abzublenden. Dennoch sind sie sehr unruhig, die Kutscher haben große Mühe, der Gefahr des Scheuens der Tiere zu begegnen. So wird der Aufbruch höchst ungemütlich ...

An einen Baum gelehnt, betrachtet Francisco unverwandt das Feuer. Er mißtraut jetzt der Oberfläche aller Dinge – darum muß ihm auch dieses Flammenspiel zum Symbol werden: Die Sonnenflamme ist Gottes. Als der Engel in den Abgrund gestoßen wurde, entzündete er im Sturz eine Fackel am heiligen Licht, um sich mit ihren Funken die Finsternis zu erhellen. Doch nun hat er das Feuer als Waffe im Kampf zu nützen gelernt – als Waffe, die durch ihre Schönheit blendet.

»Es ist doch nur geraubtes Licht«, sagte er, als Cayetana zu ihm tritt.

Sie schaut ihn fragend an.

»Gott ist der Herr des Lichts, Satanas der Herr des Feuers.«

Sie versteht ihn nicht, überlegt sogar, ob sich hinter den Worten ein Vorwurf verbirgt. »Wenn du von dieser Absicht gewußt hättest«, fragt sie ihn, »würdest du mir abgeraten haben?«

Er zögert: »Ja – ich fürchte wirklich, ich hätte abgeraten. Hätte nicht mehr den Mut für so etwas aufgebracht. Aber – ich bin zufrieden, daß ich keine Gelegenheit dazu hatte.«

Sie lacht etwas gedrückt.

»Diese Idee«, ergänzt er sich, »konnten vielleicht noch andere erfinden. Aber ausführen konnte sie niemand außer dir. Deshalb ist es wohl richtig, daß es wirklich dazu gekommen ist.«

»Ich werde das Haus nicht wieder aufbauen, sondern den Betrag, den das kosten würde, den Armen von Madrid zuweisen.«

 

Als Francisco mit Pepa und Javier in die Stadt zurückfuhr und sich Pepa über die maßlose Verschwendung der Herzogin ausließ, sagte er nur, sie sei ungeheuer reich und könne sich so etwas leisten.

Javier griff das Wort »maßlos« auf und meinte, man dürfe diese Frau wohl nicht mit den üblichen Maßen messen.

Francisco aber gab dem Kutscher Anweisung zu halten und hieß Javier mit der Mutter nach Hause fahren. »Ich gehe zu Fuß.«

»Allein in der Nacht I« hielt ihm Pepa entgegen. »Der Weg ist viel zu weit und zu dunkel.«

»Der Mond scheint«, stellte er fest und stieg aus.


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