Johann Kaspar Riesbeck
Briefe eines reisenden Franzosen über Deutschland an seinen Bruder - Band 1
Johann Kaspar Riesbeck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Acht und dreysigster Brief.

Prag –

Die Reise von Wien hieher war für mich eine der interessantesten, die ich je gemacht; ob wir schon auf einem Weg von 42 deutschen Meilen, nach der Post gerechnet, keine erhebliche Stadt zu Gesicht bekamen. Meine Gesellschaft bestand aus einem kaiserlichen Officier, einem Geistlichen, und einem reisenden Niedersachsen. Der Officier hatte den letzten schlesischen Krieg mitgemacht. Er war ein Mann von Kopf, und auf zwey der berühmtesten Schlachtfeldern, welche die neue Geschichte kennt, unser Cicerone.Cicerone – scherzhafter Vergleich mit dem römischen Staatsrechtler, Schriftsteller und Redner Cicero († v.C. 43): ein viel redender Fremdenführer

So lange unsere Reise noch durch Oestreich gieng, sahen wir das Land vortreflich angebaut, und alle Merkmale von einem hohen Wohlstand der Einwohner. Aber in dem Theil von Mähren, durch welchen wir kamen, schien das Landvolk nicht so glücklich zu seyn, als seine deutschen Nachbarn. Doch war das Land durchaus gut angebaut, und man sah keine Spur von Wildheit, die in Hungarn so auffallend ist. Znaym und Iglau sind zwey hübsche Landstädtchen. Die Einwohner sprechen zwar deutsch, doch merkt man, daß es ihre Muttersprache nicht ist.

Das ganze Land war theils eben, theils sanft hügelicht. Aber auf der Gränze von Böhmen erhoben sich die Hügel in eine Reihe ansehnlichere , doch fruchtbarer Berge. Da, wo unsere Strasse diese Bergreihe durchschnitt, war sie mit Dörfern, einigen adelichen Schlössern, und schönem Gehölze bedeckt.

Die Strasse ist vortreflich. Alle tausend Schritte erblickt man einen Pfahl, worauf die Zahl der Schritte eingebrennt ist, die man zurückgelegt hat – Wir erblickten auf dem ebenen Land von Böhmen sehr wenig Dörfer, und die Deutschen haben ein Sprüchwort: »Das Ding kömmt ihm so fremd vor, wie böhmische Dörfer.« Allein aus dem militärischen KonskriptionslistenKonskriptionslisten – Liste der zum Wehrdienst Einzuberufenden ergiebt sich, daß das ganze Königreich ungemein stark bevölkert ist, und wir sahen auch den Anbau des Landes in dem besten Zustand. Der Boden besteht durchaus aus einer gelblichten lockern und sehr guten Erde, und wir erblickten weder merklich viele Brachfelder, noch irgend einen öden Strich. Unser Offizier,welcher das Land die Kreutz und Quere durchwandert hat, löste uns das Räthsel auf. Er sagte uns, die meisten Dörfer lägen in den Vertiefungen des Bodens, an den Bächen und Flüssen, oder hinter Holzungen, und wenn wir nur eine halbe Stunde weit rechts oder links von der Strasse giengen, so würden wir Dörfer genug erblicken. Diese Gewohnheit der Bauern, ihre Wohnungen in den Tiefen oder hinter Holzungen aufzuschlagen, rührt vielleicht aus den Zeiten des Faustrechts her, wo sie sich vor dem Anblick der Räuber und fahrenden Ritter, welche das Land durchstreiften, zu verstecken suchten, und ohne Zweifel hat auch die Gemächlichkeit, das Wasser in der Nähe zu haben, viel dazu beygetragen.

Mitten zwischen Kolin und Planiany, welche Orte zwey deutsche Meilen von einander entlegen sind, kamen wir auf das Feld der so entscheidenden Schlacht, die von beyden Orten benennt wird, aber eigentlich den Namen von einem kleinen Dorf haben sollte, dicht an welchem sie vorfiel. Wir stiegen aus, und unser sehr gefälliger Cicerone, der stolz darauf war, Theil an diesem so merkwürdigen Vorfall gehabt zu haben, durchlief mit uns diese Gegend, wo Oestreichs Ehre gerettet ward.

Man giebt verschiedne Gründe an, warum diese Schlacht für den König von Preussen so unglücklich ausfiel. Es lassen sich nach einem Vorfall von der Art unendlich viel wahrscheinliche Betrachtungen und Folgerungen machen, wodurch gar oft ein Nebenumstand, der zum Ausschlag beytrug, als entscheidend angegeben, und der Geschichtsschreiber, der so viele widersprechende Nachrichten, sogar von Augenzeugen vor sich liegen hat, in nicht geringe Verlegenheit gesetzt wird. – Hier hieng zuverläßig der Ausschlag des Treffens bloß von dem Terrein ab, welches Daun zu benutzen wußte.

Längst der Strasse und zur Rechten derselben zieht sich eine Ebene in die unabsehbare Ferne hin. Zur Linken derselben erhebt sich sanft eine Anhöhe, die nächst an dem Dorf, wo der Hauptangriff geschah, eine Art von Gipfel bildet. Von der rechten Seite dieser Anhöhe (die man kaum einen Gipfel nennen kann) zieht sich, wenn man sie gerade vor Augen hat, ein langer tiefer und mit steilen Wänden eingeschlossener Graben hin, der in einer beträchtlichen Entfernung ein Thal zwischen Hügeln wird. Auch zur Linken senkt sich diese Anhöhe in ein merkliches Tobel, und nur rückwärts verliert sie sich in einen ebenen Boden. Dauns rechter Flügel stand auf der Spitze dieser Anhöhe, und der übrige Theil der Armee war von dem Graben gedeckt, der sich zur Linken hinzieht. Der König von Preussen rückte durch die Ebene heran, welche unsere Strasse durchschnitt. Er mußte schlagen, oder die Belagerung von Prag aufheben und Böhmen räumen. Es war kein andrer Angriff möglich, als auf den rechten Flügel der Kaiserlichen. Die dapfern Preussen achteten nicht auf die Mißgunst des Terreins. Ueberall gewohnt zu siegen, avancirteavanciren – avancieren: vorwärtsstreben, aufrücken ihr linker Flügel die Anhöhe muthig hinan. Die kaiserlichen, welche den Vortheil der Erhöhung hatten, schlugen sie standhaft zurück. Sechsmal wiederholten die Preussen den fehlgeschlagenen Angriff, und da das Terrein des Angriffs sehr eingeschränkt war, so waren ihnen zuletzt wirklich die Haufen ihrer eignen Todten sehr hinderlich, welche den Abhang der Anhöhe bedeckten, den sie übersteigen mußten. Und doch hätten sie vielleicht noch gesiegt, wenn nicht Daun Zeit gehabt hätte, Reuterey auf seinen schlagenden Flügel zu ziehn. Diese fiel auf einmal aus dem Tobel, welcher der Anhöhe zur Linken ist, in die Flanke der Preussen. Sie mußten nun nach den verzweifeltesten Angriffen die Flucht ergreifen. Indem sie schon flohen, nahm Prinz Moritz von Dessau, dessen Bravour öfters eine Art von Raserey ward, einzle Bataillons, und wollte noch dem ganzen Strom der siegenden kaiserlichen Armee damit Einhalt thun, und so wurde der Verlust der Preussen unnöthiger Weise und auf die tollste Art vergrössert. Er hätte bis auf den letzten Mann gefochten, wenn er nicht von seinem tollkühnen Unternehmen durch des Königs Befehle wäre zurückgerufen worden. Er hatte auch die brave Garde des Königs auf diese Art dem Tod in den Rachen geführt, und als er zum König kam, schrie ihm dieser zu: Prinz! Meine Garde! Meine Garde! Der Prinz schrie zurück: Euer Majestät! Mein Regiment! Mein Regiment! – Er glaubte wirklich, weil sein Regiment zu schanden gehauen wäre, so dürfte keines mehr übrig bleiben.

Nun mag es freylich ein Fehler gewesen seyn, daß der König keine Kavalerie auf seinem linken Flügel hatte. Allein dieser Fehler hieng bloß von der Mißgunst des Terreins ab. Hätten die Oestreicher nicht den so grossen Vortheil der Erhöhung ihres rechten Flügels und der Sicherheit des übrigen Theils ihrer Armee gehabt, so hätten die Preussen, die ihnen dieser vortheilhaften Stellung ungeachtet doch den Sieg so lange streitig machten, wahrscheinlicher weise gesiegt, ehe Daun den angegriffenen Theil mit Kavalerie hätte unterstützen können, und niemand hätte dann daran gedacht, daß bey der Preußischen Armee irgendwo Kavalerie gefehlt hätte. Der König konnte auch die Bewegung der feindlichen Reuterey nicht bemerken, und ihr Anfall aus dem Tobel heraus war um so entscheidender, da er ganz unerwartet, und vielleicht auch in den Augen des Königs a prioria priori – von vornherein ganz unwahrscheinlich war.

Andre sagen, der König habe nicht mit seinem linken Flügel, sondern, während daß der Prinz von Dessau den Feind amusirenamusiren – hier: beschäftigen sollte, seine Ordre de BatailleOrdre de Bataille – Schlachtplan verändern, und nur mit dem rechten Flügel schlagen wollen. Seine Flanke wäre alsdann gegen einen Anfall der feindlichen Kavalerie gesichert gewesen, und er hätte von dem linken Flügel der Oestreicher, der jenseits des tiefen Graben stand, ohnehin nichts zu beförchten gehabt. Der Prinz von Dessau habe aber, anstatt den Feind zu amusiren, einen so lebhaften und kritischen Angriff gethan, daß ihn der König habe unterstützen müssen, aus Forcht, wenn der Prinz zurückgeschlagen würde, möchte durch die Flucht seiner Regimenter die ganze Armee in Unordnung gebracht werden. Ich glaube, dieß ist auch eine von den hintenach angestellten Reflexionen, wodurch man wohl herausbringt, was man hätte thun sollen, aber nicht, was man thun wollen, und wirklich gethan hat – Andre meinen, der König habe sich durch die Schmeicheleyen seines bisherigen Glückes, welches besonders in dem, nicht lange zuvor, bey Prag vorgefallenen Treffen Wunder für ihn gethan, ein wenig zu kühn machen lassen, und einige Dinge bey dieser Schlacht, z. B. die Stellung der Reuterei vernachläßigt. Aber dies scheint auch eine von den Beobachtungen zu seyn, die irgend ein hochweiser Zeitungsschreiber hintenach angestellt, um sich die Miene zu geben, als wüßte er mehr als andre Leute. Ein Mann von des Königs Karakter, der genug bewies, daß er sich durch keine Misgunst des Glückes niederschlagen läßt, läßt sich auch gewiß durch keine Schmeicheleyen desselben irre machen.

Nach so manchen erfochtenen Siegen zum erstenmal geschlagen, zog der König in der besten Ordnung über Leutmeriz und Aussig nach Sachsen zurück. Niedergeschlagen war er nicht, aber wohl ein bisgen mürrisch, welches sein verstorbener älterer Bruderälterer Bruder – die beiden älteren Brüder des Königs waren zu der Zeit längst verstorben, gemeint ist sein nächstjüngerer Bruder August Wilhelm Prinz von Preußen, † 1758 empfand, der einen andern Theil der Armee über Gabel nach Sachsen zurückführte. Doch diesen merkwürdigen Rückmarsch und die damit verbundenen Anekdoten kennst du ohne Zweifel aus dem Recueil de lettres de sa Majesté le Roi de Prusse regardant la derniére Guerre.Recueil de lettres ... – aus der Briefesammlung seiner Majestät des Königs von Preußen über den letzten Krieg Hätte er hier gesiegt, so wäre er Meister von ganz Böhmen gewesen; ganz Oestreich hätte ihm offen gestanden, und nur OllmützOllmütz – Olmütz, im Siebenjährigen Krieg eine starke Festung hätte vielleicht Wien selbst gerettet. Er hätte seinen Feinden Friedensbedingnisse vorgeschrieben. Nun waren aber noch 6 blutige Kriegsjahre die Folge dieses Treffens.

Der König kommandirte dieses Treffen aus den Fenstern des obern Stokwerks eines Wirthshauses, welches ganz einzeln und hart an der Landstrasse liegt, und wo der Mittelpunkt seiner Armee stand. Mit unbeschreiblichem Vergnügen speißten wir in dem Zimmer, welches auf beyden Seiten die Aussicht auf das Schlachtfeld beherrscht, zu Mittag. Alles war mir auf eine gewisse Art heilig. Ich stand an der Stelle des Königs, an dem Fenster, wo man die Anhöhe, worauf der Angriff geschahe, schnurgrade vor den Augen hat. Ich empfand seinen Schmerz auf das lebhafteste, den ihm der Anblik seiner zurückweichenden Truppen auf diese Stelle mußte verursacht haben – In den Mauern des Wirthshauses sah man einige Spuren von Kanonenkugeln, und der König war nicht ganz sicher.

Kolin ist wirklich ein artiges Städtchen, und ohne Vergleich der beste Ort, den man von Wien bis hieher zu Gesicht bekömmt; doch hat er schwerlich – die darin liegenden Truppen ungerechnet – über 3.500 Seelen, denn es sind der Häuser nicht über 700, und sie scheinen eben nicht häufig bewohnt zu seyn. Wie hielten hier ein wenig Rast, und wurden vortreflich bewirthet, wie man dann in Böhmen überhaupt sehr gut und wohlfeil speißt. Junge Hahnen, Enten, Gänse u. dgl. m. sind auch auf den schlechtesten Dörfern in den Wirthshäusern ein gewöhnliches Essen. Um dir einen Begriff von dem geringen Preiß der Lebensmittel zu geben, will ich dir eine der Zechen beschreiben, die ich in Gesellschaft des Niedersachsen, mit dem ich immer zusammenhielt, gemacht habe – Fast alle Wirthshäuser die wir gesehn, hatten ein schlechtes Ansehn, und die Wirthe schienen, ungeachtet sie uns sehr gut bedienten, in keinen guten Umständen zu seyn. Ihre Häuser standen meistens einzeln an der Strasse, und hatten weder Obst, oder Gemüßgärten, noch irgend ein Stückchen Landes dabey, das ihnen eigenthümlich zugehörte. Sie müssen dem Landesherrn oder den Edelleuten, welchen die Wirthshäuser zugehören, einen so grossen Zins geben, daß sie wenig gewinnen können. Endlich erblikten wir nahe bey einem Dorfe ein Wirthshause, das eine viel bessere Miene hatte. Es hatte einen geräumigen Hof, Scheunen, Stallungen und Gärten um sich her. Es war das Eigenthum des Wirthes. Nun, sagten wir beym Eintritt unsers Schlafzimmers, wird es eine andre Zeche geben, und vermuthlich werden wir die herrliche Aussicht, welche unser heutiges Nachtquartier beherrscht, die schönen Meublen, das niedliche Geschirr und all die Herrlichkeit, die wir geniessen und nicht geniessen, bezahlen müssen. Wir bekamen zum Nachtessen eine Reissuppe, mit einem sehr guten Huhn, einen Salat und 2 gebratene junge Hahnen. Wir tranken zusammen eine Maaß Bier, welches in Böhmen überhaupt sehr vortreflich ist, und einen Schoppen Wein zur Probe obendrauf, fanden ihn sehr schlecht, und wollten um so weniger den zweyten fodern, da wir wußten, daß der Wein in ganz Böhmen sehr theuer ist. Wir hatten zwey reinliche und gute Betten, und einen köstlichen Kaffee zum Frühstük. Und glaubst du nun wohl, daß unsre ganze Zeche zusammen nicht mehr als 42 Kreutzer, oder ohngefähr 1 Livre 17 Sous betrug?

Ohngefähr eine Stunde vor Prag machten wir halt, und giengen eine hübsche Streke weit rechts von der Strasse ab, um das Feld der im Jahr 1757 vorgefallenen, berühmten Schlacht zu beschauen; Hier besiegten die Preussen die Natur selbst. Eine vortheilhaftere Stellung hätten die Oestreicher nicht haben können. Ein tiefer, weiter und von ziemlich steilen Abhängen eingeschlossener Graben trennte sie von ihrem Feind. Sie hatten eine förchterliche Artillerie, die auf sehr vortheilhaft angelegten Batterien den Graben bestrich. Als die Preussen durch den Graben den ersten Angriff wagten, fielen sie wie die Schneeflocken zusammen. Das Feuer der Oestreicher war schrecklich. Eine hartnäckigere und blutigere Schlacht ist in diesem Jahrhundert nicht vorgefallen, und vielleicht hat die ganze Geschichte kein Beyspiel, daß ein Treffen in so ungünstigen Umständen als die Preussen hier zu bekämpfen hatten, gewonnen ward. Es ist hier fast buchstäblich wahr, daß sie in dem nämlichen Augenblik zugleich eine Vestung einnehmen und eine Armee schlagen mußten, die stärker als die ihrige war. Denke dir einen tiefen mit Kanonen flankirten Graben, auf dessen entgegengesetztem Rand eine Armee von ohngefähr 70.000 Mann in der besten KontenanceKontenance – Contenance: Fassung, Gelassenheit steht! Und die Preussen setzen durch den Graben, ersteigen siegreich den entgegenstehenden Wall, schlagen den Feind in die verworrenste Flucht, und belagern Prag, worein sich ein Theil der flüchtigen kaiserlichen Armee geworfen hatte! Sie hatten aber den Sieg theuer bezahlt. Ihr Verlust an Mannschaft war ungleich beträchtlicher als jener ihrer Feinde. Man ist aber über die Zahl ihrer Todten nicht einig. Einige geben sie auf sieben, andre auf neun bis zehn tausend Mann an. Alle neuere Schlachten haben so ungeheure Varianten. Unterdessen soll es doch ohne Uebertreibung wahr seyn, daß der Boden des Grabens hie und da in seiner ganzen, ansehnlichen Breite dicht mit Todten und an manchen Orten auch mit hohen Haufen derselben bedeckt war.

Der Verlust des berühmten Generals SchwerinSchwerin – Kurt Christoph von Schwerin, preußischer Generalfeldmarschall, fiel 1757 in obbemeldter Schlacht war bey dieser Schlacht das schmerzlichste für den König. Wir betrachteten mit feyerlichster Wehmuth den Baum, an welchen er fiel. Der jetzige Kaiser ließ ihm ein Denkmal setzen, das dem Stifter noch mehr Ehre macht, als dem, dessen Namen es trägt und verewigt. Vom Tod dieses braven Mannes erzählt man verschiedene Anekdoten. Einige sagen, er habe im Treffen einen Adjutanten an den König geschikt, mit dem Bericht, er halte es für unmöglich, daß die Schlacht gewonnen werden könnte. Der König habe den Adjutanten mit einer sehr kränkenden Antwort zurückgeschikt, worauf Schwerin vorsetzlich den Tod gesucht. Ich habe keinen Glauben an diese Anekdote; denn wenn der General auch noch so viele Bedenklichkeiten über den Ausgang der Schlacht geäussert hätte, so wußte der König doch, daß es mit dem trocknen Wort: Gehorche, genug sey, um ihn an seine Pflicht anzuweisen, und von ihm alles zu erwarten, was ein Mann von Schwerins Karakter, Muth und Fähigkeit leisten konnte. Wir wollen ihm die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, die man nach dem Sprüchwort allen Todten schuldig ist. Er starb als Patriot. Er sah die Schwierigkeiten des Angriffes; sah den guten Willen und den durch die greuliche Verheerung des Todes noch nicht erschütterten Muth seiner Truppen; sah, daß ein kühner Anführer entscheiden könnte, und indem er einen KornetKornet – Kornett: Fähnrich bei der Reiterei so eben stürzen sah, riß er dem sterbenden die Fahne aus der Hand; rief seinen Soldaten zu : Folgt mir Kinder! Und ritt gegen Kanonen hinan. Eine Stückkugel schlug ihn an der Spitze seiner braven Gefährten nieder; welche aber durch seinen Muth angefeuert, die Anhöhe erstiegen, in den Feind einbrachen, und dadurch dem Treffen zum Vortheil ihres Königs den Ausschlag gaben.

Der König belagerte hierauf Prag. Dann [Daun] sammelte unterdessen die zerstreuten kaiserlichen Regimenter und brachte eine Armee zusammen, die um so eher im stand gewesen wäre, diese Stadt zu entsetzen, da sie eine so starke Besatzung hatte, die ohnehin durch heftige Ausfälle dem König warm machte. Der König rückt ihm entgegen, um die Belagerung souteniren zu können, und da kam es zu der oben beschriebenen Schlacht bey Kolin, wo für ihn alles wieder verloren gieng, was er in der ersten gewonnen hätte!


 << zurück weiter >>