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Und schweigend geht die Mutter mit dem Kinde,
Sie schützt es zärtlich vor dem Morgenwinde,
Sie zieht es nah und näher an die Brust,
Damit sie auch des Glück's sich werde recht bewußt.
Vor Einem zitternd, wenn es nun erwacht:
Daß es ihr Antlitz weinen macht, –
Dies schöne Antlitz hell und sonnig,
Für alle anzusehn so wonnig.
Jetzt schlägt's die Augen auf, – es hat gelächelt;
Das goldne Haar, vom Wind gefächelt,
Kam in das Händchen ihm, da hielt es fest
Und krähte gleich dem Vögelchen im Nest
Und lächelte und jauchzte wieder –
Und zog das schöne Antlitz zu sich nieder.
Erst wagt sie kaum mit ihm zu scherzen,
Wagt's kaum zu küssen und zu herzen.
Hat sie doch beides fast vergessen,
Es schien ihr sündlich und vermessen,
Vor ihrer Lieblichkeit begann sie sich zu scheuen,
Allein ihr Kindchen scheint's zu freuen;
Und ist es erst ein wenig noch erschrocken,
Bald zaust's getrost die golddurchblitzten Locken.
Sie suchte Arbeit – scheute keine,
Jetzt dünkt ihr Freude, schaffen für das Kleine.
Nur nicht zum Dorfe wagt sie sich hinein; –
Sie fürchtet sich, – doch nein! –
Sie fürchtet für ihr Kind allein.
Im Anfang fand sie gute Leute
Und manches Stückchen Brod für heute.
Doch bald ach gab es finstre Mienen,
Mit einem Kind ist's schwer sein Brod verdienen.
Und was als Segen ihr erschienen,
Das nannten sie nur Last und Noth,
Weit besser wär das arme Würmchen todt.
Und weh der Armen, wenn der Eine und der Andre
Erkannte, wer hier so verlassen wandre.
Dann schlossen sich die Thüren alle,
Kaum gab es noch ein Obdach in dem Stalle,
Und scheu und bebend schlich sie weiter,
Die Angst ihr täglicher Begleiter.
Wohl dem, dem treue Eltern hier den Weg bereiten,
Auf dem die Kinder noch in späten Zeiten
Die Früchte ernten, deren Saat sie streuten.
Da kam der Sommer – welch ein Glück für Beide!
Welch einen Reichthum birgt die Haide –
»Jetzt, Liebling!« sprach die Mutter, »freue dich!
Jetzt ist gesorgt für dich und mich.
Wir wollen ganz alleine wohnen
Im Wald, wo unter grünen Kronen
Die Vogel frohe Lieder singen.
Kein böses Wort soll zu uns dringen;
Und nicht mehr sollst du es entgelten,
Wenn sie die Mutter Hexe schelten.
s'ist gute Zeit jetzt für die Armen,
Der liebe Gott läßt aus Erbarmen
Im Walde durch die Sonnenflammen
Viel Beeren wachsen süß und roth;
Die suchen fleißig wir zusammen,
Verdienen damit unser Brod.
Wir gehen früh von Thür zu Thür
Und fragen, wollt ihr Beeren hier?
Doch heim zum Walde kehren wir.
Ich weiß ein Kämmerlein in Tann versteckt,
Wo uns kein böser Blick erschreckt,
Dort schlafen wir von Gottes Näh bedeckt.
Und sind wir Abends dann allein,
Wer wird wie wir so glücklich sein!«
Sie gingen in den Wald hinein,
Der unter frischbegrünten Zweigen
Schien Lust auf Lust zu zeigen.
Nun sind sie da – es sind dieselben Mauern,
Die einst gefangen sie gehalten. –
Wird ihr vor diesem düstren Ort nicht schauern?
Nein, Liebe wird ihn umgestalten.
Es fliehn vor ihrem hellen Morgen
Die bösen Geister, die dort lauern,
Und lieblich scheinen selbst die Sorgen. –
Wie müht sie sich, ein Lager zu bereiten,
Des Feuers Gluthen zu entzünden,
Damit das Kleine ja bei Zeiten
Die Nahrung möge fertig finden.
Hier wird sie klug, – hier wird geweckt
Die Seele, die der Nebel deckt.
Ihr Geist versucht die jungen Schwingen,
Scheint er auch wenig heut noch zu erringen,
Der Liebe muß zuletzt das Größte auch gelingen.