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Lieblich erhob sich am folgenden Tage
Strahlend die Sonne, als wäre die Klage
Nur eine Sage; –
Wandte das Grausen, wandte das Dunkel,
Tropfende Thränen in Sternengefunkel.
Am Waldesrande saß Simplizitas
Und trocknete ihr Haar, von Regen naß.
Die Tropfen, die mit silberhellem Blinken
Von seinen goldnen Wellen niedersinken,
Versucht der Sonnenstrahl hinwegzutrinken.
Sie war noch halb verweint und halb im Lächeln;
Getröstet durch der warmen Lüfte Fächeln.
Wie kann ein Kind wohl traurig sein?
Wenn rings umher im Sonnenschein
Sich tausend frohe Leben regen,
Die Welt kommt fröhlich ihm entgegen,
Und Frohsinn giebt es ihr dagegen.
Nur manchmal fährt sie scheu empor
Und lauscht gespannt, die Hand am Ohr.
Und immer war's, als rief er ihr,
Simplizitas, bist du nicht hier?
Und ruft er auch mit tausend Liebeszeichen,
Er wird die Fliehende nicht mehr erreichen,
Nicht dringen zu der bös verrufnen Schlucht,
Die sich das Hexenkind zum Schutze ausgesucht.
Doch als es Abend ward, da starben
Die Sonnenlichter und die bunten Farben;
Die Bäume standen schwarz, in Trauerflor gehüllt,
Und stumm der dunkle Wald, den sonst Gesang erfüllt.
Und wieder fühlt Simplizitas den Schrecken
Wie eine kalte Hand sich nach ihr strecken.
Sie rafft sich auf. – Sie sucht den Wald zu fliehn,
Doch Nacht und Dunkel werden mit ihr ziehn. –
Sie folgen ihr wie Geisterschatten,
Und tödtlich fühlt sie sich ermatten.
Verwundet, fast gelähmt die schönen Glieder
Sank sie an einer Klosterpforte nieder
Und hofft auf Trost und kann's nicht fassen,
Daß sie vom Glück so ganz verlassen.
Wo Liebe wohnt, ist Hülfe bald zur Stelle;
Das Pförtchen öffnet sich dem Ruf der Armen.
Schon stehn die Schwestern helfend auf der Schwelle
Und tragen die Verletzte voll Erbarmen
Zur kleinen weißen Klosterzelle;
Denn für des Himmels reiche Feste
Ist grad der hülfsbedürftigste der Gäste
Der Liebste und der Beste. –
Zufrieden liegt sie da im Stübchen, reingehalten,
Das Lager frisch, die Decke ohne Falten;
Ein Lämpchen zeigt im goldnen Schein
Ein Bild vom kleinen Jesulein
Und drüber Palmen, Blumensträußchen,
Auch noch ein Vögelchen in seinem Häuschen.
Der Schwester Fides ist's, und solche kleine Welt
Sie gleicht der Seele, die sie schafft und hält.
Hart für sich selbst, doch weich für fremden Kummer,
Bewacht sie zärtlich diesen schweren Schlummer.
Der Morgen dämmerte ... sein frischer Duft
Durchdrang Simplizitas wie Lebensluft.
Ihr war als riefe keck der junge Tag:
»Wirf ab die Nacht, die auf dir lag!«
Und wie der Sonnenstrahl durchbricht das Blätterdach,
Schlug sie die Wimper auf und wurde wach.
Voll Freude kamen alle Nonnen,
Von ihrer Lieblichkeit gewonnen, –
Es rührt uns Schönheit, weil wir wissen,
Ihr lichtes Kleid wird gar so bald zerrissen
In Staub und Noth
Und aller Mühsal, die uns hier bedroht.
Nun blieb sie da und blühte wie der Garten,
Den ihr die Schwestern gaben, sein zu warten.
Sie lernte säen, Kräuter ziehen,
Die rechte Zeit zum Keimen, Blühen;
Und wie die Pflanzen üppig frisch gediehen,
Da pries man ihre segensreiche Hand
Und ihre Einfalt, die das Rechte fand.
Ja Blatt und Blüthe fühlt sie sich verwandt,
Verwandt der träumerischen Blüthenwelt,
Die Blühen schön für Leben hält.
Sie plaudert mit den Vögeln in den Nestern,
Als wärens Brüder ihr und Schwestern;
Doch wenn die ernsten Nonnen fragen,
Weiß sie kein Wörtchen mehr zu sagen.
Umsonst bemühn sie sich, ihr Gottes Wort zu lehren,
Voll Andacht scheint sie zuzuhören;
Und schien sie auch schon halb gewonnen,
Braucht es nur einen Strahl der Sonnen,
Ist sie entronnen.
Mit Scheu betrachtet sie die heil'gen Wunden,
Den Christ am Kreuz im Dornenkranz gebunden
Und kann die Liebe nicht verstehen,
Die durch so leidensvolle Stunden
Für uns zum Kreuze mochte gehen.
Nicht von der Freude will sie scheiden;
Ihr dünket lieben, heiße leiden.
Vergnüglich strich die Zeit Simplizitas vorüber,
Kam auch der Herbst, ward auch der Himmel trüber,
Sie fand der Freuden immer neue
Und keine Zeit, an der sie sich nicht freue –
Hat sie den Armen ganz vergessen,
Der trostlos Wald und Feld durchmessen,
Auf allen Wegen, allen Gassen,
Nach ihr verlangt, nach ihr gefragt?
Zuletzt verzweifelnd sich gesagt:
»Sie hat mit Willen mich verlassen!«
Im Anfang folgte ihr sein Ruf,
Den sich ihr Schrecken immer neu erschuf;
Doch endlich schwieg der bange Laut,
Von Lust und Leben überbaut.
Jetzt hat sie nichts, vor dem ihr graut,
Und fröhlich wie der Schmetterling, der Leichte,
Den nie des Winters bittre Noth erreichte,
Lebt sie dahin, aus allen Blüthen naschend,
Nach jeder Lebensfreude haschend.