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Buchschmuck

Vergangen war des Sommers Pracht.
Tief lag der Schnee, kalt war die Nacht.
Der Winter trieb die Menschen eng zusammen
Und schürte heller ihres Heerdes Flammen.

Es war schon spät. Doch in der Mühle brannte Licht;
Es strahlte freundlich wie die lieben Sterne
Und lockte Wandrer schon von ferne;
Ach den für den es brannte – den nur nicht. –
Die Frau und Jungfrau saßen beieinander dicht
Und spannen stumm. – Simplizitas Gesicht,
Dem Lichte gleich an heller Freundlichkeit,
Die streicht die Haare fort von Zeit zu Zeit
Und lächelt, wenn sie Eines eingesponnen
Recht wie ein Kind, das ohne Grund in Wonnen.
Die Frau spinnt fort ... in einem fort.
Das waren schwere Tage, schwere Stunden,
Die ihr die böse Zunge festgebunden ...
Seit jenem festlichen, der ihr enthüllt,
Wie wenig Glück ihr Dasein füllt,
Da war kein Frieden mehr mit ihr zu halten;
Nur Zorn und Zank ließ sie im Hause walten.
Sie nahm dem Manne jede Freude
Und was sie konnte, that sie ihm zu leide.
Fort soll die Jungfrau! auf der Stelle fort!
Der Müller sprach, »das Mädel bleibt am Ort!
Sonst geh ich auch ... ich hab es satt,
Dein Knecht zu sein ... der Spott der Stadt.«
So ward Simplizitas ein Grund zu jedem Streit;
Der Stein der willenlos die Schärfe leiht,
Die Schneiden scharf genug zu wetzen,
Um tief und sicher zu verletzen. –

Sie wußt es nicht ... sie war nicht klug genug;
Und ohne Ahnung welche Last sie trug,
Ging sie einher, holdseelig anzusehn,
Sie war so schön.
Die Kinder hingen ihr am Rock,
Wie Bienen an dem Blüthenstock;
Es war auch böse Zeit für sie,
Die Mutter weinte, schalt und schrie,
Der Vater saß im Wirthshaus drüben.
Seit jenen Wochen, jenen trüben,
Da litt's ihn selten mehr am eignen Heerd;
Für ihn, war er des Namens nicht mehr werth.
Wer uns vor Andern nahe war,
Dem steht das Herz das Unbewehrte offen,
Kein Andrer hätte es so gut getroffen
Und keinem Andern lag es da so klar.

Doch war er fort, dann kam die bittre Reu,
Sie rief ihn tausend Mal auf's Neu
Mit ihrer Seele ungehörtem Schrei ...
Käm er auch wild und bösgelaunt zurück;
Denn gegen solches Elend, schien ihr Glück,
Ihn da zu haben, sei es wie es sei.

Das Unglück sagt man käme nie allein;
Weil eins das Andre zeugt, wird das so sein.
Die Wirthschaft brach zusammen und das Haus
Sah wie ein Ort für böse Geister aus.
Fort waren alle seine Hüter,
Zerstreut des Friedens goldne Güter.
Sie mochte keinen Finger rühren,
Das zu verdienen, was der Mann vertrank,
Und böse Worte statt dem Dank.
Und er ... was hat er zu verlieren
Er giebt sich auf ... an ihm ist nichts gelegen,
Nur sterben kann er unter solchen Schlägen;
Versinken gleich dem Schiff, das Mast und Kiel verloren.
So kräftig an Gemüth sind Wenige geboren,
Daß sie sich noch zu retten streben,
Wenn neben mühevollem Leben
Und harter Arbeit Last und Noth,
Ein Leiden ihrer Seele droht.
Wie oftmals trägt uns durch recht schwere Müh'
Ein froher Geist, dem Glück die Flügel lieh.

Heut war zum ersten Mal, seit Wochen,
Der Mann in Frieden fortgegangen.
Die Christnacht war's, er hatte ihr versprochen,
Als sie mit Zagen und mit Bangen
Die letzten Groschen gab, für seine Kleinen
Ein Brod zu bringen, denn ihr hungrig Weinen
Rief selbst des Vaters Herz noch wach,
Das sonst wie todt im Schlafe lag.

Jetzt kommt er. – Horch! ... sein Lachen klang
Die stille heil'ge Nacht entlang;
Und wieder ... horch! – jetzt tritt der Vater ein;
Die Kinder wachen auf ... sie schrei'n:
Simplizitas! als könne nur allein
Simplizitas noch ihre Rettung sein.

Starr sieht die Mutter auf den trunknen Mann;
Mit blödem Auge kommt er dicht heran,
Und lacht und schwankt und spricht sie an
Und sucht in langvergeßnen Zärtlichkeiten
Die Arme nach ihr auszubreiten. –

Bleich weicht sie aus bis an die Wand,
Jetzt steht sie ganz in seiner Hand,
Sie fühlt den Kuß und länger hält sie's nicht:
Jäh wie der Blitz die Wolkenwand durchbricht,
Ballt sie die Faust und schlägt sein Angesicht.
Dumpf brüllt er auf. – Er faßt sie wie der Tod;
Ein Messer blitzt in seiner Rechten,
Er scheint beseelt von düstren Mächten,
Schon färbt die Hand ein dunkles Roth. –
Sie schreit und lärmt in ihrer Noth.
Von allen Seiten dringt das Volk herein.
Sie fassen ihn, sie schreien auf ihn ein.

Ernüchtert steht er – theilnahmlos daneben,
Als fühl er kaum sein Elend und sein Leben;
Auf seiner Stirne glüht der Sünde Zeichen,
Ein Merkmal für die Reinen, auszuweichen.

Sie weint und schreit und kann kein Ende finden,
Ihr Elend vor den Leuten zu entfalten,
Wie viel sie jüngst gelitten, ausgehalten,
Bei solchem Mann und seinen vielen Sünden.

Simplizitas, erschreckt, verstört,
Begreift nicht was sie sieht und hört.
Ihr armer Geist bemüht sich klar zu sehn,
Doch nimmermehr wird sie die Welt verstehn.
Sie küßte, streichelte das Kleine,
Bekümmert daß es dennoch weine;
Verlegen lächelt sie es an,
Wie sie es oft am frohen Tag gethan. –

Jetzt führen sie ihn fort – er folgt den Leuten stumm;
Er sieht sich nicht einmal nach seinem Jungen um.
Dem war er doch so herzlich gut,
So stolz auf seinen frohen Muth. –
Der Junge aber trägt das nicht,
Er reißt sich los, er klammert sich ihm an,
Bedeckt mit Küssen ihn und spricht
»Simplizitas, wie kannst du sehn,
Daß ihm so Unrecht heut geschehn;
Der Vater ist nicht Schuld daran!«

»Ja rufe nur die Hexe«, schreit die Frau,
»Daß sie das Elend recht beschau,
Sie hat den Schaden angericht'
Mit ihrem glatten, lockenden Gesicht!«
Und forschend sieht das Kind zum Vater auf.
Der giebt ihm bitter höhnend Antwort d'rauf:
»Wenn es die Mutter sagt, die wird es wissen!«
Da hat sie ihm ihr Kind entrissen
Und hinter ihm schließt sich die Thüre zu. –

Sie sind allein – die Leute sind zur Ruh ...
Die Frau, das Mädchen stehn sich gegenüber;
»Geh!« sagt die Frau; »je ehr, je lieber! –«
Es will die Freundliche erbarmen
Das Kind schon wieder aufzuwecken,
Nach all den Thränen, all dem Schrecken.
»Geh!« sagt die Frau, »was bleibst du stehn?
Du thust mir weh, wie eine Wunde
Und wirst du nicht von selber gehn,
So hetz ich dich mit meinem Hunde –«
Da macht Simplizitas die Händchen los
Und legt das Kind der Mutter in den Schooß
Und lächelt, weil es dennoch nicht erwacht
Und wendet sich und geht dieselbe Nacht.

Buchschmuck

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