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Buchschmuck

Am Fenster stand Simplizitas,
Wie war es draußen kalt und naß,
Kein Hälmchen, nicht das kleinste Gras.
Der Himmel löst sich ganz in Flocken auf,
Sie fallen endlos, dicht zu Hauf,
Als sollte alles farblos werden
Auf Erden.
Auch ihr ist kalt und winterlich zu Muth,
Es schleicht der Frost sich in ihr Blut.
Erst drang sie leise zu dem Kranken,
Die Seele voll von freundlichen Gedanken,
Wie sie ihn warten wolle, wolle pflegen,
Den Trank bereiten und die Kissen legen. –
Er aber wandte sich von ihr und schrie,
Mit bösen Namen rief er sie;
Aus ihrem Anblick schöpfte neue Wuth
Des Fiebers ungehemmte Gluth.
Nichts kann sie helfen, nichts bereiten;
Die Leute meiden sie. – Von allen Seiten
Fühlt sie ein kaltes, starres Hassen. –

Ja einsam lebt sie – – einsam und verlassen. –
Oft lauscht sie bang an seiner Thüre,
Ob er sich rühre,
Dann hört sie wohl in tausend Weisen,
Daß er den Bruder ruft, als käm er heim vom Reisen.
Wie jede Zärtlichkeit, dem Kinde einst erklungen,
Erwacht und scheint mit Engelzungen,
Durch all dies schwere Leid hindurchgedrungen.
Sie aber führt kein Weg zu diesem Herzen,
Fern seinen Freuden, bleibt sie's auch den Schmerzen.

So gingen hin vier trübe Wochen,
Doch endlich war des Fiebers Kraft gebrochen,
Zu leben schien er, zu genesen.
Doch nicht er selbst ist es gewesen,
Ein Andrer war's an seiner Statt.
Denn Tage giebt es, die verwandeln,
Wir können nicht wie sonst mehr handeln.
Und wie ein Tag des Körpers Leben endet,
So ward ein Tag der Seele auch gesendet,
An dem du sie für hier ersterben siehst;
Dann wartet sie, nach oben hingewendet,
Des Lebens, das sich droben ihr erschließt.
Stumm saß er da im Wintersonnenschein
Und sog den warmen Strahl begierig ein.
Im Schlafe lag bis jetzt sein Sinn,
Das war für ihn wohl nur Gewinn.
Jetzt kennt er auch Simplizitas nicht mehr. –
Er sieht sie an so fremd und leer;
Sie kann den Blick fast schwerer tragen,
Als Jenen aus den Fiebertagen.
Die Hoffnung stirbt daran, die unbewußt
Gestillt die Sehnsucht ihrer jungen Brust.

Zu seinen Füßen lag Simplizitas. –
Ihr Recht, ihr liebster Platz ist das,
Denn seit Sever sie nicht mehr kennt,
Da leidet sie nicht mehr, daß man sie trennt.
Sie müht sich, seine Wünsche zu errathen
Und ihm gehört sie ganz, Gedanken so wie Thaten.
Ob freudlos auch der Tag verging,
Sie sehnt sich nie von seiner Seite.
Und mehr und mehr scheint ihr gering,
Was sonst ihr kindisch Herz erfreute.

Von seiner Strenge ist ihm nichts geblieben,
Sie darf den Armen, Hülfsbedürft'gen lieben.
Und wie uns theuer wird ein Kind, das wir versorgen,
So steigert jeder neue Morgen
Den heißen Wunsch, ein Lächeln zu erreichen,
Ein freundlich Wort und ein Erkennungszeichen. –
Das goldne Haar hielt sie bedeckt
Und ihre Schönheit fast versteckt,
Damit sie seinen Groll nicht weckt; –
Doch nicht an sie hat er gedacht,
Denn dunkel ist es um ihn her und Nacht.

O welche Wonne, wenn der Treugepflegte
Uns endlich wieder kennt ... und fand,
Wer Tag und Nacht an seinem Lager stand;
Wie streichelt er die liebe Hand,
Die schon wie Heilung sich auf's Haupt ihm legte.
Wie schön, wie lieblich dünkt ihm das Gesicht,
Ob es auch aller Schönheit sonst gebricht.
Und arm und dürftig stehn daneben
Die Anmuth und die äußre Schöne;
Was können sie dem Elend geben,
Daß es mit seinem Loose sich versöhne.

Simplizitas, bald wird die Seele wach, –
Dein herrlich Antlitz wird er bald erkennen.
Doch weite Ferne wird euch trennen,
Ob euch auch hält das nämliche Gemach;
Denn wer den Garten, den ihm Gott vertraute,
Nicht pflegte und nicht selbst bebaute,
Der wird ein Fremdling und ein Gast darinnen
Und mühsam muß er ihn zurückgewinnen.

Er öffnet seine Lippen – sprach er nicht von ihr?
Von ihr! und weiß er nicht, daß sie so nahe hier? –
Ja träumend lebt er neu die schönen Stunden,
Als er im Klostergärtchen sie gefunden;
Und wieder giebt er ihr die Namen,
Die sonst so gern auf seine Lippen kamen. –
Es schlägt ihr Herz – sie wagt sich scheu heran, –
Er sieht sie starr und zweifelnd an,
Betastet mit der Hand ihr holdes Haupt.
Ob er sie kennt? – – sie hofft es fast – sie glaubt ...
Da löst das Band sich von den Haaren,
Sie quellen wie ein Strom hervor,
Die goldigen, die lichten, klaren;
Er kennt sie – – ja er fährt empor,
Er wehrt sie ab – er stößt sie fort
Mit wildem, trauervollem Wort.
Er nennt den Abend, nennt den Ort,
Er spricht von Tod, er spricht von Mord
Und halb entseelt legt man ihn nieder –
Da ging zu ihm Simplizitas nicht wieder. –

An einem Tag im März ... am Morgen,
Da stand sie auf, und still verborgen
Saht ihr sie aus der Pforte gehen.
Sie ging und ging und blieb nicht stehen,
Und niemand sah sie rückwärts sehen.

Buchschmuck

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