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Die Kirchenglocken rufen laut;
Weit über Land geht ihre Reise,
Sie wecken rings umher im Kreise
Die Herzen auf für eine junge Braut.
Inmitten ihrer Nonnen stand Simplizitas
Und wer in ihren holden Augen las,
Der las darinnen Kinderfreude.
Lichtglänzend stand sie da im reichen Kleide,
Wie eine Fürstin großer Länder,
Sie trägt als Recht die goldenen Gewänder.
Es blitzt das köstliche Geschmeide
An ihrem Hals, an ihrer Hand,
Auf lichtem Grund ein lichtes Band.
Voll kindlichem Entzücken läßt sie's blinken,
Und laßt die königlichen Steine
Aus dem verwandten Sonnenscheine
Ein immer neues Leuchten trinken.
Sie lacht! sie jauchzt! und kann es nicht begreifen,
Daß sich die Nonnen nicht an ihren Schleifen,
An ihrem Schmuck wie sie entzücken,
Daß Fides gar mit nassen Blicken
Den Kranz ihr auf die Stirn gedrückt.
Den grünen Kranz, den manche so entzückt
Begrüßt, als wär er schon das Glück.
Verwelkt, verdorrt bleibt er zurück,
Nur wo die Seelen sich vereinen,
Da lebt er fort;
Wenn grüne Myrthe längst verdorrt,
Daß sie ihn frisch zu tragen meinen,
Mag Haar und Kranz auch silbern scheinen.
Doch jubelnd steht hier an der Jungfrau Grenze
Das frohe Kind, als wär's am Ziel
Und meint, es blieben ewig grün die Kränze,
Und nimmt den seinen wie im Spiel,
Wie man die Rose pflückt am Stiel;
Ob bald sie welkt, das gilt gleich viel,
Wenn sie uns nur noch heute
Mit ihrem holden Duft erfreute.
Ein großes Fest war auf dem Schloß bereitet,
Des Reichthums Fülle glänzend ausgebreitet.
Es strömten Gäste zu von allen Seiten,
Die Braut zur Kirche zu geleiten; –
Doch ob auch an die Tausend kamen,
Mit großen, adlig hohen Namen,
Nie war dem Liebenden die Fülle groß genug,
Die seines Glückes Farben trug.
Den Hochgebornen will es schlecht bedünken,
Sich seine Braut so tief zu wählen.
Sie fangen an zu schelten und zu schmälen
In leisen, halbverhüllten Winken;
Doch wo der Schönheit Banner sich entfalten,
Da gilt kein Wappen, sei's auch von den alten.
In alle Kreise weiß sie sich zu schleichen,
Sie fürchtet nicht gelehrte Zeichen,
Nicht Goldes Glanz, nicht edle Kunst,
Denn alles wirbt um ihre Gunst.
So gingen mährchenhafte Festgelage
Simplizitas, dem Kind vorüber.
Sie tanzte Nächte durch und Tage,
Als sei das Leben ein Vergnügungsfieber.
Von ihrem Zauber ganz berückt,
Folgt ihr des Schlosses Herr entzückt.
Schmückt selbst sie aus und lacht der Hast,
Mit der sie durstig, ohne Rast,
Wie Bienen, die im Honigkelche liegen,
Die Schmeicheleien sog, womit in vollen Zügen
Bewundrung ihre Schönheit tränkte.
Berauschend war der Trank, gefährlich die ihn schenkte.
Das waren helle, glanzerfüllte Zeiten!
In tiefer Nacht sah man die Fenster strahlen
Und hörte Tanzmusik vorübergleiten,
Der Gäste Ruf, bei schäumenden Pokalen.
Doch unter diesen Fenstern lag im Grau'n der Nächte,
Mit ihrem jammervollen Elend im Gefechte,
Die kranke Müllerin bei ihrem Kinde;
Sie sucht es zitternd zu erwärmen,
Allein ihr Herz sogar deckt eis'ge Rinde.
Und droben jubeln sie und lärmen!
Da wächst ihr Groll mit ihrer Noth zugleich,
Verarmt an allem, nur an Hasse reich –
Er rühmt sich seiner wilden Größe,
Der Lumpen und des Mangels Blöße –
Fühlst du es nicht, Simplizitas?
Dort liegt der Jammer todtenblaß,
Thu auf die Thür, laß ihn herein!
Erwärme ihn mit deinem Schein;
Wie magst du nur so fröhlich sein!
Fühlst du denn nie die fremde Pein?
Ist Alles Trug, die strahlenden Gesichter
Nur Widerschein der tausend Lichter?
Ist keiner, der mit frommem Herzen,
Noch leuchtender als all die Kerzen,
Die Nacht erhelle, wo in Schmerzen
Des Glücks Verlassene verzweifelnd liegen?
Hat keiner Lust, den Jammer zu besiegen?
Schwer dringt zum Fröhlichen die Klage,
Schwer dringt des Hungers Schrei zum üppigen Gelage!
Und murrend sahen es die Knechte,
Sie zürnen jenem adligen Geschlechte,
Das ohne Mitleid von des Schlosses Höhen
Kaum noch die Brüder kennen will und sehen,
Die an der Straße elend untergehen.
Mitleidig nahm die Kranke dann und wann
Der Eine und der Andre in die Kammer.
Barmherzig ist der Arme, nah dem Jammer,
Der leicht ihn auch erreichen kann.
Sie hörten oft die Frau erzählen,
Simplizitas bethöre schwacher Menschen Seelen.
Ein Grau'n erfaßt sie vor der Zauberin.
Noch sprechen sie die Drohung für sich hin,
Doch lauter, immer lauter wird sie werden
Und Thaten dann aus Mienen und Geberden.
Sie aber lebte froh, wie junges Licht,
Das spielend Nacht und Finsterniß durchbricht.