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Buchschmuck

Im Garten ging Armin, den Kopf gesenkt,
Wie Einer der an Schweres denkt.
Er dachte an Sever, denn schon seit lange
Ist ihm um seinen Liebling bange.
Sonst, wenn er traurig war,
Kam er zu ihm ... doch jetzt scheint ihn zu trennen
Sein Kummer, und der Liebe droht Gefahr.
So ging er auf und ab, den Buchenweg entlang
Bis durch die hochgewölbten Bogen
Der Dämmrung graue Schleier zogen,
Die keine Sonne mehr durchdrang.

Da trat ein Weib an ihn heran,
Bleich, abgezehrt und sprach ihn an.
»Kennt ihr mich nicht? ich bin die Barbara,
Der dort am Wald die reiche Mühle stand,
Für Arme hat' ich immer offne Hand
Und glücklich pries mich, wer mich sah.
Da war ich's auch, ich hatte ja,
Was nur das Herz erdenken kann.
Verbrannt ist nun die Mühle, todt der Mann. –«

»Schuld warst du selbst«, erwiderte Armin.
»Du drängtest ihn
Zum Wein mit deinem bösen Sinn.«

»Ich war's?! die Hexe war's! Simplizitas genannt,
Sie war's, die mir mein Haus entweihte,
Nach jahrelangem Frieden uns entzweite.
Der jetzt sie liebt, ist euch verwandt!
Verzaubert hat sie ihn! – sich ihm in's Herz gebrannt!
Ich warne euch, gebt auf den Bruder Acht!
Sever steht ganz in ihrer bösen Macht.«
Er wies die Hand hinweg, die ihn im Eifer faßte.
»Von meinem Bruder«, sprach er, »schweigt,
Geheime Warnung war mir stets verhaßte!«

Sie hob das Haupt, wild, ungebeugt.
»So jagt ihn denn in seinen Tod,
Ich helfe mir schon selbst in meiner Noth,
Der Gott der Waisen wird die Sache schlichten,
Und zwischen mir und dieser Hexe richten!«

Besorgt und trübe ging Armin nach Haus.
Es schlich sich Stern an Stern heraus;
Und eine Fluth von Mondenschein,
Die wogte auf und ab im Hain.

Er fand Sever am Schloß, im Buchengang
Verstimmt und liebeskrank.
Simplizitas ist fort! vom Kloster aus
Sucht man die Gegend ab, schickt hier und dort hinaus,
Verloren bleibt sie, bleibt verschwunden,
Gleich räthselhaft, wie sie sich einst gefunden.
Die Leute aus dem Dorf, die schüttelten ihr Haupt.
»s'ist eine Hexe, wie wir stets geglaubt –
Im Klosterweihrauch wird ihr auf die Länge
Doch wohl zu enge.«
Voll Grimm erfährt Sever die Kunde. –
Er schilt sie Thoren, doch zur Stunde
Macht keiner mit ihm durch den Wald die Runde.
Da kam Armin, und wie der lang Verbannte,
Der endlich, da ihn Heimathsluft umweht,
Es fühlt, wie ihm das Herz aufgeht,
So strömt sein Leid hervor, das heut ihn übermannte.
Der Liebe Mährchen hat Armin gehört.
Ein Mährchen, oft von uns erdacht,
Von Einem fortgeweint, vom Andern fortgelacht.
Doch wehe dem, der seinen Zauber stört,
Er wird die Wunderkraft nicht brechen,
Die Herzen eh, die gläubig davon sprechen.
Das fühlt Armin, hat er auch nie
Erfahren solche liebliche Magie,
Doch Alles wissen, die sich selbst vergessen,
Und alle Tiefen haben sie durchmessen
Vom bittren Schmerz zur höchsten Lust,
Im Mitgefühl der treuen Brust.

»Sie nennen Zauber«, sprach Sever,
»Ihr anmuthvolles, lieblich scheues Wesen,
Das Auge tief und leuchtend wie das Meer,
Das Haar von goldner Fülle schwer,
Zu Liebesfesseln wie erlesen, –
Sie haben recht, von Zaubermächten
Ist meine Seele wie gefangen;
Ich weiß nichts mehr von Adelsrechten,
Von Sitten, die die Hohen knechten;
Nur eins – Simplizitas erlangen –
Von ihr allein will ich noch Gunst empfangen.« –

Sobald des Morgens bleicher Schimmer
Am Horizont erscheint, tritt aus dem Zimmer
Sever, denn schlafen kann er nimmer,
Er sucht den Wald – der Jagd bewegtes Treiben;
Nur unter freiem Himmel mag er bleiben.
Er hetzt den Hirsch, doch ob zusammenbricht
Das Wild, die Lust des Sieges fand er nicht.
Er trennt sich von den Jagdgesellen,
Sucht traurig einsam düstre Stellen
Und ruft in heißer Sehnsucht immer wieder –
Simplizitas! – Da tönt auf ihn hernieder
Vom Zweige heut dasselbe Wort, –
Und einen Staaren sieht er dort,
Die Federn struppig und der Schnabel blaß,
Doch immer ruft er noch »Simplizitas!«
Er flattert zu ihm hin, er kennt ihn auch,
Scheint ihn zu locken durch Gebüsch und Strauch.
Bald hüpft er vor ihm her – – fliegt dann ein Stück,
Sieht wartend klug nach ihm zurück.
Im Felsgeklüft – am Runenstein
Da hält er still, hebt kläglich an zu schrein;
Pickt an die Thür, als wollte er hinein,
Doch festverschlossen läßt sie Niemand ein.
Allein Sever, ein Held an Kraft,
Zwingt Riegel, Stein und sprengt die Haft –

Da saß Simplizitas und spann,
Sie blickt nicht auf, sieht ihn nicht an.
Die goldnen Haare hangen
Wie welk um ihre Wangen.
Erst schreit sie auf, als er sie nennt,
Dann aber scheint ihr Wonne seine Näh.
Ihr Retter ist's! ist Einer, den sie kennt –
Sie flüchtet zu ihm hin, ein hülflos Reh,
Gehetzt, gejagt, in Todesweh –

»Ach hilf mir! rette noch ein Mal
Mich armes Kind aus Noth und Qual!
Ich kann nicht leben hier in diesem Trauern,
Wo Finsterniß und Grauen auf mich lauern,
Wo keiner freundlich zu mir spricht,
Kein Angesicht, kein Himmelslicht,
Von Thränen ist mein Auge immer naß,
Ach schlimmer als die Liebe ist der Haß!«

Da nimmt er sie, die Langersehnte,
An seine Brust mit Wonneschauern,
Küßt ihr das Antlitz, das bethränte,
Und trägt sie froh zum Licht aus dumpfen Kerkermauern.

So fanden ihn die Jagdgefährten,
Die jetzt zu ihm zurückgekehrten;
Sie waren Seinethalb in Aengsten
Von allen aber war am Bängsten,
Der Bruder, und er sah die Beiden
Und dachte nicht daran, sie noch zu scheiden.
Die Freunde standen, Wunder in den Mienen,
Ein Räthsel scheint die Jungfrau ihnen,
Doch wie die Reden schwanken, irren,
Sich lösen oder sich verwirren,
In Einem sind sie einer Meinung,
Dies sei die lieblichste Erscheinung,
Die je in irdischen Gewanden
Vor ihrem Blick gestanden.

Doch von dem wartenden Gesinde
Wird lachend, unbarmherzig, rauh,
Wie man die Füchse fängt im Bau,
Ein krankes Weib mit ihrem Kinde,
Ein junger Bursch hervorgezogen –
Er mißt sie trotzig und verwogen
Und spricht: »Ihr habt euch nicht betrogen!
Ich bin's! ich habe sie gefangen,
Gelüstet euch nach solchen Schlangen,
So mögt ihr sie erlangen. –«
Und drohend rief das Weib hinein:
»Laßt ihn die Hexe immer frei'n,
Denn nicht gar lange wird es sein,
Bis sie dem Thor das Herz zerbricht.
Sie trägt in ihrer Augen Licht
Ein schleichend Gift, das tödtlich sticht.
Fluch über sie und alle die ihr nahn!
Fluch allen Häusern, die sie froh empfahn.«

Da schloß der Jüngling um Simplizitas
Den starken Arm, vor Zorn und Liebe blaß;
Sie aber barg wie Kinder, die sich grauen,
Zufrieden, wenn sie nur das Schreckliche nicht schauen,
An seiner Brust ganz dicht
Ihr holdes Angesicht.
Froh rief Sever: »Du bist mein eigen!
Der ganzen Welt will ich beseeligt zeigen,
Daß du der Heiligsten, der Reinsten Eine
Und keine Liebe glücklicher als meine.«

Da tritt die Frau ganz dicht den Bruder an
Und spricht: »Jetzt rette ihn, bist du ein Mann!
Gewiß es ist um ihn gethan,
Läßt du die Hexe erst sich nahn. –«
Der aber wies sie fort mit Widerwillen
Und sprach: »Ich sah dein Herz sich mir enthüllen,
Und Haß und Rache sah ich es erfüllen,
Aus solchen läßt kein Glück sich bauen,
Da will ich lieber seiner Liebe trauen.«

»Laßt gehn die Frau und auch das Kind,
Sie schaden keinem, elend wie sie sind,
Befahl Sever – doch diesem Burschen will ich lehren,
Die Freiheit ehren.
In Haft soll er von Jahr zu Jahren
Das Elend der Gefangenschaft erfahren.«

Sie fesseln ihn – er ringt mit wilder Wuth
Um seine Freiheit, um sein letztes Gut –
Und jammernd wirft die Mutter sich dazwischen,
Umsonst! – sie sieht den Sohn, den Frischen,
Der ihre Stütze war, hinweggerissen.
Ihr elend Brod wird sie erbetteln müssen –
Zusammen sinkt sie und des Fluches Wort
Stirbt von den bleichen Lippen fort.

Buchschmuck

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