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Während derselben Zeit gab es in einem anderen Haus eine Unterredung, die sich ganz auf denselben Gegenstand bezog. Es war im Palast des Grafen de Rodriganda. Dort befand sich Josefa Cortejo in ihrem Zimmer. Auch sie lag in der Hängematte hingestreckt, aber welch einen anderen Anblick bot ihre Erscheinung gegen diejenige der lieblichen Amy Lindsay! Das Jahr, das vergangen war, hatte nicht dazu beigetragen, ihre Häßlichkeit zu vermindern. Sie war womöglich noch hagerer geworden, ihre Finger schienen aus langen, dünnen Totenknochen zu bestehen, und da sie noch nicht Besuchstoilette gemacht hatte, so fehlten ihr die falschen Zähne.
Sie schien bei schlechter Laune zu sein, denn als ihre Dienerin jetzt eintrat, um sie zu frisieren, erwiderte sie deren höflichen Gruß mit keinem Wort.
Die Dienerin war noch immer jene Indianerin, die wir bereits bei Josefa gesehen haben und die den Namen Amaika führte. Sie begann, stillschweigend ihre Herrin anzukleiden. Es wurde dabei kein Wort gesprochen, und erst als die Indianerin die letzte Hand an die Toilette legte, fragte die Herrin:
»Hast du mit deiner Tochter gesprochen?« – »Nein«, lautete die Antwort. – »Warum nicht?« – »Weil ich, wenn ich uns nicht verraten will, doch nicht zu ihr gehen darf. Und zu mir ist sie jetzt nicht gekommen.« – »Ich sehe, daß ihr beide nachlässig seid! Ich höre, daß diese Amy Lindsay eine Duenja sucht, ich lasse es mir Geld, Mühe und andere Opfer kosten, um ihr von anderer Seite deine Tochter empfehlen zu lassen. Ich sehe zu meiner Freude, daß mir die Intrige gelingt, daß sie sie engagiert. Aber nun ich durch die Spionin etwas von Bedeutung endlich einmal erfahren will, läßt sie sich nicht sehen!« – »Sie wird kommen, sobald sie etwas Wichtiges erlauscht hat, darauf könnt Ihr Euch verlassen, meine liebe, schöne Señorita!« – »Schön!« rief da Josefa. »Lüge nicht!«
Da schlug die Alte ganz erstaunt die Hände zusammen und sagte:
»Lügen? Mein Gott, sehen Sie doch in den Spiegel, Señorita! Der wird Ihnen sagen, ob ich lüge oder nicht!«
Josefa warf wirklich einen Blick in den Trumeau, und da sie frisiert, gepudert und geschminkt worden war, so ließ sie sich von ihrem eigenen Bild täuschen.
»Ich will dir glauben«, sagte sie. »Aber warum halten mich andere nicht für schön?« – »Andere? Wer sollte denn das sein?« – »Nun – dieser – dieser Herr de Lautreville, weißt du, der vor Jahresfrist mit jenem Sternau alle unsere Preise weggewann.« – »Der? Oh, der war blind! Ja, bei der heiligen Madonna, ich glaube fast, daß er blind gewesen ist.«
Die Herrin zuckte verächtlich mit der Schulter und sagte:
»Nein, blind war er nicht, aber verliebt. Und das ist ganz dasselbe.«
Die Indianerin war die Vertraute ihrer Herrin. Sie hatte mit ihr täglich über diesen Gegenstand gesprochen, und darum wußte sie sehr genau, wie sie sich zu verhalten hatte, und meinte in einem höchst geringschätzigen Ton:
»Verliebt? Wohl gar in jene Engländerin? Das glaube ich nicht! Er war ein gar so hübscher Señor und wird sich nie in dieser Weise wegwerfen.« – »Aber man redet doch heimlich davon, daß die Verlobung gefeiert worden sei, ehe er von hier abreiste.« – »Ich glaube nicht daran, diese Amy will sich nur rühmen.« – »Doch warum sagte er dann da draußen auf der Fantasia zu mir, daß er nicht von ihr lassen möge, daß er keine andere lieben könnte.« – »Er war sicherlich verrückt.« – »Ja, verrückt. Sie hat ihm mit ihren großen, lichten Augen den Verstand genommen. Ich bot ihm meine Schönheit und meine Liebe an, und er wies mich zurück. Ich bot ihm ein Grafentum an, und er wies mich zurück. Ich bot ihm Glück, Reichtum und Ehre an, und er wies mich zurück. Ich drohte ihm, daß seine Amy verloren sei, wenn er nicht von ihr lasse, und er wies mich zurück. Er hatte einen Helfershelfer hinter sich, der mich fangen und demaskieren wollte, und ich bin ihm nur mit Hilfe meines Dolches entgangen. O ja, wir Mexikanerinnen haben Dolche und wissen sie zu gebrauchen. Verdammt sei diese Amy, verdammt und verflucht dreimal, nein tausendmal! Ich richte sie zugrunde. Wenn nur deine Tochter ihre Pflicht tun wollte. Sie weiß ja, daß ich sie königlich belohnen werde.«
Josefa hatte sich erhoben und stand inmitten des Zimmers wie ein Furie, mit blitzenden Augen, zusammengekniffenen Lippen und geballten Händen.
»Sie wird aufpassen, Señorita«, entgegnete die Dienerin in beruhigendem Ton. »Ihr müßt nur bedenken, daß sie sich zuerst in das Vertrauen dieser kalten Engländerin einzuschmeicheln hat.« – »Ich weiß das. Aber sie ist lange genug bei ihr und soll mir endlich einmal zeigen, daß ich mich auf sie verlassen kann. Diese Amy muß fallen, muß verschwinden oder sterben. Wenn ich nur zuvor wüßte, was aus Lautreville und seiner Sippe geworden ist. Da, horch! Ich höre den Vater kommen. Er wird mir die Zeitungen und Neuigkeiten bringen. Du kannst gehen.«
Die Alte entfernte sich. Sie begegnete draußen vor der Tür Cortejo. Dieser überzeugte sich genau, ob sie auch wirklich verschwunden sei und nicht etwa zum Lauschen zurückkehren werde, dann trat er bei der Tochter ein. Ihr fiel seine vor Freude glänzende und triumphierende Miene auf, und als sie bemerkte, daß er in der Hand einen geöffneten Brief hielt, fragte sie rasch:
»Einen Brief? Von wem? Ist's die ersehnte Nachricht?« – »Ja«, antwortete er, tief aufatmend. – »Wie lautet sie? Zeig her!«
Josefa griff nach dem Schreiben, aber er zog die Hand zurück, hielt sie hoch empor und rief mit einem Ton, in dem sich der ganze Triumph eines hartgesottenen Bösewichts aussprach:
»Gewonnen! Endlich gewonnen! Wir können nun vollständig ruhig sein!« – »Ah! Ist's wahr? Gib her, gib her!«
Ihre dünnen Finger zitterten vor Aufregung, als sie sich abermals nach dem verheißungsvollen Schreiben ausstreckten. Der Vater ließ es ihr mit den Worten:
»Ja, nimm hin und lies. Es ist die größte Freude und Genugtuung meines Lebens, die mir widerfahren ist.«
Sie warf einen Blick auf das Papier und sagte einigermaßen enttäuscht:
»Ah, von deinem Bruder, dem Oheim? Von ihm hatte ich die entscheidende Nachricht nicht erwartet. Ich denke, die soll von hier aus Mexiko kommen, und zwar von Verdoja und Pardero, den beiden Offizieren!« – »Lies nur, mein Kind! Es wird dir dann alles erklärlich sein!«
Josefa konnte sich nicht niedersetzen, die Aufregung trieb sie im Zimmer hin und her, und so las sie im Auf- und Niederschreiten folgendes:
»Lieber Bruder!
Endlich, endlich kann ich Dir eine Nachricht geben, die ungeheuer wertvoll ist. Gestern war Landola bei mir. Er ist um die Südspitze von Amerika herum nach Spanien gekommen. Er hat im Hafen von Guaymas folgende Personen getroffen: Sternau, Mariano, zwei Deutsche, namens Helmers, und zwei Indianer, von denen der eine Büffelstirn und der andere Bärenherz heißt. Ferner sind bei ihnen gewesen zwei Mädchen, nämlich die Schwester dieses Büffelstirn und sodann Emma, die Tochter des alten Pedro Arbellez, des Haziendero auf del Erina.
Diese Personen haben nach Acapulco gewollt und den Kapitän nicht gekannt. Er hat sie alle auf sein Schiff genommen, scheinbar, um sie nach dem verlangten Hafen zu bringen. Sie sind von ihm in Fesseln geschlagen worden, und da hat er von den Mädchen erfahren, daß sie dem Kapitän Verdoja glücklich entgangen sind, dem Du den Auftrag gegeben hattest, sie zu vernichten. Am ersten Abend der Fahrt, während alles schlief und nur eine Wache an Deck war, hat Landola eine Lunte an die Pulverkammer gelegt und sich unbemerkt auf dem kleinen Boot davongemacht. Das Schiff ist in die Luft geflogen und mit Mann und Maus zugrunde gegangen. Der Kapitän hat sich genau überzeugt, denn er ist bis zum Tagesanbruch an Ort und Stelle geblieben. Kein einziger ist gerettet worden.
Durch diesen kühnen Streich des Kapitäns sind wir nun alle Sorgen los. Ich teile Dir es schleunigst mit und behalte mir vor, Dir noch ausführlicher darüber zu berichten.
Dein Bruder
Gasparino Cortejo.«
Josefa ließ die Hand mit dem Brief sinken. Sie fühlte sich in diesem Augenblick von den widersprechendsten Empfindungen bewegt und wußte nicht, ob sie zunächst lachen oder weinen sollte. Sie war leichenblaß, ob vor Freude oder vor Schreck, das ließ sich nicht bestimmen.
»So sind sie tot?« fragte sie, die Augen starr auf ihren Vater gerichtet. – »Jawohl! Freilich! Du hast es ja gelesen!« rief Cortejo, vor Freude glühend. – »Alle?« – »Alle.« – »O Dios! Also auch er!« hauchte sie. – »Er? Wer?« fragte Cortejo. – »Lautreville«, antwortete Josefa.
Da trat er näher an sie heran, faßte sie am Arm und sagte beinahe drohend:
»Mädchen, ich hoffe, daß du den Verstand nicht ganz verloren hast. Er liebte dich nicht, er hat dich von sich gewiesen. Und selbst wenn wir ehrlich mit ihm gewesen wären und ihn zum Grafen de Rodriganda gemacht hätten, würde er uns einige tausend Duros gegeben haben, weiter nichts, dich aber hätte er nicht angesehen. Diese Engländerin war ihm lieber. Sie wäre Gräfin de Rodriganda geworden.« – »Ja«, stimmte sie mit funkelnden Augen bei. »Sie hätte sein Glück geteilt, darum soll sie auch sein jetziges Schicksal teilen.« – »Wie meinst du das?« – »Sie soll untergehen wie er!« – »Pah!« lachte er. »Willst du sie in die Luft sprengen, wie der Kapitän ihren Anbeter?« – »Es gibt noch andere Wege.« – »Von denen du keinen einzigen betreten wirst. Ich verbiete es dir auf das strengste! Wir dürfen den Sieg, den wir gewonnen haben, nicht durch die Unvorsichtigkeit eines Mädchens wieder in Gefahr bringen. Ich habe ganz andere Dinge vor, ich darf das Gelingen meiner Pläne nicht durch einen Jugendstreich in Frage stellen.« – »Deine Pläne? Welche wären das?«
Cortejo warf sich stolz in die Brust und erklärte:
»Ich habe bisher geschwiegen, sehe aber, daß ich nun endlich sprechen muß, um dich vor Dingen zu bewahren, die uns großen Schaden machen können. Du weißt, daß wir jetzt zwei Präsidenten haben, von denen ich keinen für geschickt halte, sich zu behaupten. Das Land bedarf einer einheitlichen Regierung. Es ist ein Mann nötig, der bei einer rücksichtslosen Schlauheit auch die Geldmittel besitzt, seine Gegner zu bestechen. Dieser wird dann Präsident, und dann stehen ihm alle Reichtümer der Nation zu Gebote. Und dieser Mann werde ich sein.« – »Du?« fragte Josefa mit dem Ausdruck des unverhohlensten Erstaunens. – »Ja, ich!« antwortete er im Ton stolzen Selbstbewußtseins. »Oder wunderst du dich darüber? Ich habe meinen Neffen zum Grafen von Rodriganda und meinen Bruder zum Verweser von dessen Einkünften gemacht. Das Haus Rodriganda besitzt über hundert Millionen. Soll ich leer ausgehen? Nein, sondern ich werde die mexikanischen Besitzungen erhalten. Sie repräsentieren einen Wert von vierzig Millionen. Ich stehe schon längst in Unterhandlung mit dem Panther des Südens. Wenn ich ihm eine Million zahle, fällt mir sein ganzer Anhang zu. Er will mich in diesen Tagen aufsuchen, vielleicht kommt er bereits heute abend. Er beherrscht sämtliche Bewohner der Gebirge und die freien Indianer des Südens. Sobald ich ihm seine Million gegeben habe, wirbt er an und erscheint mit über zehntausend Mann hier in der Stadt. Benito Juarez wird gefangengenommen und erschossen, mit den anderen habe ich dann leichtes Spiel.«
Die Augen des Mädchens glänzten vor Entzücken.
»Und das ist wahr, wirklich wahr?« fragte sie. – »Glaubst du, daß ich träume?« – »O nein, sondern nur scheint es, als ob ich es sei, die träumt. Ich, Josefa Cortejo, von der sich die anderen stolz zurückziehen, die Tochter des Präsidenten, die höchste Dame des Landes! Wer hätte das gedacht! Oh, wie werde ich sie alle mit Verachtung strafen, die sich jetzt einbilden, hoch über mir zu stehen! Sie sollen ihren Stolz büßen müssen, alle, alle, alle!«
Ihr Vater nickte jetzt wohlgefällig zustimmend und sagte:
»So will ich dich hören und sehen, denn so bist du eine echte Cortejo. Wir sind gewohnt gewesen, unsere Herren zu beherrschen und uns an unseren Widersachern zu rächen. Was ist mein Bruder, was ist sein Sohn, der falsche Rodriganda, gegen mich und dich! Was wäre Mariano, der echte Rodriganda, wenn er nicht in die Luft geflogen wäre, gegen uns? Ich werde der Beherrscher von Mexiko sein. Ich werde dieses Land zu einem erblichen Königreich machen, und für dich wird dann nur ein königlicher Prinz gut genug sein. Du siehst, daß wir vor einer Aufgabe stehen, deren Lösung wir uns nicht durch leichtsinnige Jugendstreiche unmöglich machen dürfen. Ich hätte nichts dawider, wenn du dich an dieser Amy und ihrem stolzen Vater rächen wolltest, wenn es nur ohne Gefahr für uns geschehen könnte. Aber wie leicht könnten wir verraten werden, und dann wäre das Gelingen unseres Plans sehr in Frage gestellt Ich darf mich nicht blamieren oder gar unpopulär machen.« – »Ich gebe dir recht. Oh, wäre es doch bereits so weit! Also um eine Million handelt es sich?« – »Ja, gerade um eine Million.« – »Aber woher diese ungeheure Summe nehmen, bevor dir die mexikanischen Besitzungen zugesprochen worden sind?« – »Ich verkaufe eine derselben im Namen des Besitzers, oder, was noch besser und müheloser ist, ich schenke sie dem Panther des Südens. Nun unsere gefährlichsten Feinde vernichtet sind, darf ich alles wagen.« – »Aber haben wir wirklich keine Feinde mehr, durch die es entdeckt werden kann, daß Alfonzo nicht der richtige Sohn des alten Rodriganda ist?« – »Diejenigen, die noch übriggeblieben sind, habe ich nicht zu fürchten.« – »Auch nicht den Haziendero Pedro Arbellez und die schändliche Marie Hermoyes, die von uns zu ihm geflohen ist?« – »Bin ich Präsident, so sind sie in meine Hand gegeben!« – »Rosa de Rodriganda, die jetzt Frau Sternau heißt?« – »Sie hat ihr Erbteil ausgezahlt erhalten und ist unschädlich.« – »Der Kapitän Henrico Landola, der das ganze Geheimnis kennt?« – »Er erhält seinen Lohn und wird schon um seiner selbst willen verschwiegen sein.« – »So haben wir also keinen Menschen eigentlich mehr zu fürchten und können ruhig sein. Aber wenn ich mich an dieser Amy Lindsay rächen könnte, ohne uns Schaden zu machen, so würde ich mein Glück vollständig nennen.« – »Vielleicht ist es möglich. Man kann eben nicht in die Zukunft blicken. Sollte sich eine Gelegenheit bieten, so hoffe ich, daß du nicht handelst, ohne mich vorher um Rat zu fragen. Jetzt weißt du alles. Ich muß zum Präsidenten gehen. Je mehr ich mich bei ihm einschmeichle, desto fester habe ich ihn im Sack. Adios, meine Tochter!« – »Adios, mein Vater!«
Cortejo küßte Josefa und sie ihn, ein Zärtlichkeitserguß, der zwischen diesen beiden Menschen seit langer Zeit nicht mehr stattgefunden hatte.
Als er sich entfernt hatte, eilte Josefa an den Spiegel, um sich zum tausendsten Mal zu betrachten und dabei heute allerdings zum ersten Mal zu beurteilen, ob ihre Schönheit einer Präsidenten- oder gar Königstochter würdig sei. Sie war noch mit dieser Untersuchung beschäftigt, als es leise an die Tür klopfte. Auf ihr Herein trat jene Halbindianerin ein, die als Duenja jetzt im Dienst von Amy Lindsay stand. Sie war die Tochter der alten Amaika und hatte ihre jetzige Stellung nur zu dem Zweck angetreten, Josefa Cortejo als Spionin zu dienen.
»Ah«, sagte diese, »endlich! Ich dachte bereits, du hättest vergessen, daß du in meinem Sold stehst. Hast du etwas Wichtiges erfahren?« – »Oh, etwas sehr Wichtiges, Señorita!« antwortete die schöne Spitzbübin. – »So erzähle schnell!« – »Darf ich mich vorher setzen?« – »Setze dich!«
Das Mädchen nahm in der Hängematte Platz, und zwar in einer Stellung, in der ihre Schönheit zur vollen Geltung kam. War sie eine natürliche Kokette, oder beabsichtigte sie, der Señorita zu zeigen, welche von beiden die Schönere sei?
»Nun?« fragte Josefa in einem nicht sehr freundlichen Ton, da sie unwillkürlich die Schönheit dieser Dienerin mit der ihrigen vergleichen mußte. – »Ich hoffe, heute eine sehr gute Belohnung zu erhalten, Señorita«, sagte das Mädchen, »denn ich bringe wirklich einige Neuigkeiten von größter Bedeutung. Nämlich Pedro Arbellez war heute bei uns.« – »Der Haziendero von del Erina?« fragte Josefa erstaunt. – »Ja. Er ist auch beim Oberrichter gewesen, der ihn sogar eingeladen hat, bei ihm zu wohnen.« – »Santa Madonna! Was hat dies zu bedeuten?« – »Nicht sehr viel. Ich habe alles gehört, denn ich war bei Miß Amy, als er kam und ihr alles erzählte. Zunächst hat er den Pachtzins gebracht, den er dem Oberrichter zu bezahlen hat. Sodann hat er goldene Geschmeide gebracht, das fortgeschickt werden soll. Und drittens hat er ihm erzählt, daß seine Tochter geraubt worden ist und daß alle verschwunden sind, die den Entführern nachjagten.«
Josefa verbarg den Eindruck, den diese Mitteilung auf sie machte, und fragte nur:
»Was hat Benito Juarez dazu gesagt?« – »Er will die Sache untersuchen und über sie Erkundigungen einziehen.« – »Wer sind diejenigen, die verschwunden sind?« – »Es war eine lange Reihe von Namen, und Namen kann ich nicht gut merken.« – »Das ist die eine Nachricht. Sie interessiert mich nicht sehr. Und nun die andere?« – »Wenn Ihr Euch für erste nicht interessiert, so werdet Ihr es für die zweite noch viel weniger tun. Es liegen nämlich große Schätze im Haus des Lords.« – »Ah!« fuhr Josefa auf. – »Ja, mehrere Millionen.« – »Woher weißt du das?« – »Miß Amy hat es zu dem Haziendero gesagt. Dieser hatte nämlich den Lord bitten wollen, einige Kostbarkeiten für ihn nach Deutschland zu schicken, aber der Oberrichter hat dies übernommen, weil Wertsachen, die der Lord schickt, nicht sicher bis an die Küste gehen. Miß Amy stimmte dem bei. Sie sagte, daß ihr Vater wohl an die fünf Millionen Pesos im Keller liegen habe und nicht fortsenden könne, weil er die Bravos fürchten müsse. Dieses Geld gehört nicht ihm, sondern den englischen Kapitalisten, die an Mexiko Geld geborgt haben. Es sind teils Zinsen und teils zurückgezahlte Kapitalbeträge.« – »Auch das geht mich nichts an«, sagte Josefa, obgleich sie ihre Freude kaum beherrschen konnte. »Kennst du diesen Keller?« – »Ja. Ich muß zuweilen Eingemachtes aus demselben holen.« – »Ist er groß?« – »Sehr groß. Vorn ist der Küchenkeller, dann kommt der Weinkeller, und hinter diesem liegt noch ein kleines Loch, vor dem eine starke, eiserne Tür ist. Da drin steht das Geld in eisernen Kisten.« – »Woher weißt du das?« – »Miß Amy sagte es dem Haziendero, um ihm zu zeigen, wie vorsichtig man hier mit dem Geld sein müsse.« – »Und gerade dadurch handelt sie außerordentlich unvorsichtig. Wenn es nun jemand erfährt und in den Keller dringt!« – »Das geht nicht, denn stets müssen abends die Schlüssel zu den Vorkellern an den Lord abgegeben werden. Den Schlüssel zu dem hintersten hat er selbst und gibt ihn niemals aus der Hand. Er schließt sie alle in das geheime Fach seines Toilettentischs ein, der in seinem Schlafzimmer steht.« – »Dann allerdings ist er sicher, daß niemand zu dem Geld kann.« – »Und nun das dritte, was du mir mitzuteilen hattest?« – »Es war ja nur dieses beides. Ich dachte, daß es Euch interessieren würde, Señorita, weil ich Euch bisher nichts anderes mitteilen konnte.« – »Nun, ich sehe wenigstens deinen guten Willen. Hier hast du fünf Goldstücke. Paß auch ferner auf und sage mir besonders alles, was von der verschwundenen Tochter des Hazienderos und einem gewissen Mariano oder Lautreville gesprochen wird. Jetzt kannst du gehen.«
Das Mädchen schlüpfte aus der Hängematte heraus, schlug die Mantille graziöse um sich, machte eine Verbeugung und verließ das Zimmer. Josefa lauschte, bis die Tritte verklungen waren, schlug dann die Hände frohlockend zusammen und sagte:
»Gefunden! Die Rache ist da! Oh, wenn doch der Panther des Südens bald käme!«