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26. Kapitel.

Verdoja trat zu Emma, befestigte ihr die Arme auf den Rücken, band sie vom Pferd los, hob sie herab und schob sie zwischen die Büsche hinein. Sie ließ es geschehen, denn sie sah ein, daß Widerstand vergeblich sein würde.

Jetzt wurden ihr die Augen verbunden, und Verdoja nahm sie auf den Arm und trug sie fort. Bald hörte sie an dem Ton seiner Schritte, daß sie sich in einem dumpfen Gewölbe befanden, und fühlte, daß es auf- und abwärts ging und die Luft immer schlechter wurde. Endlich knarrte eine Tür, und kurze Zeit darauf ließ Verdoja sie auf ihre Füße nieder.

Als er ihr die Binde von den Augen nahm, sah sie, daß sie sich in einer Felsenkammer befand, die ungefähr acht Fuß lang, sechs Fuß breit und sieben Fuß hoch war. Sie enthielt nichts als ein Strohlager, einen Wasserkrug, ein Stück trockenes Brot und zwei Ketten, eine jeder in eine der Längsseiten befestigt. Verdoja hatte eine Laterne in der Hand. Der Führer hatte sich von der mit Eisen beschlagenen Tür zurückgezogen.

»Jetzt sind wir an Ort und Stelle«, sagte Verdoja triumphierend.

»Du wirst nie von hier entfliehen können, darum werde ich dir die Fesseln abnehmen.«

Er tat es und ließ dabei sein gesundes Auge über ihre schöne Gestalt gleiten.

»Aber, Señor, was habe ich Ihnen getan«, hauchte das unglückliche Mädchen voller Angst, »daß Sie mich rauben und an einen solchen Ort bringen?« – »Mein Herz hast du mir geraubt«, antwortete er. »Und dieses Herz will befriedigt sein! Hier ist die Kammer der Liebe, in der bereits der Widerstand mancher Schönheit gebrochen wurde. Auch du lernst, meine Liebe zu erwidern.«

Er streckte den Arm aus, um sie an sich zu ziehen. Sie wich erschrocken zurück.

»Niemals, du Bösewicht!« rief sie, sich in die hinterste Ecke lehnend. – »O doch! Das werde ich dir sofort zeigen!«

Er trat abermals näher. Da fuhr sie mit der Hand nach seinem Gürtel, entriß ihm sein Messer, zückte es gegen ihn und gebot entschlossen:

»Zurück, sonst wehre ich mich!«

Er erschrak wirklich und trat zurück; dann aber stieß er ein kurzes, höhnisches Lachen aus und sagte:

»Ein Messer in dieser Hand ist mir nicht gefährlicher als eine Nadel. – Gib her!«

Er wollte zugreifen und setzte deshalb, da er nur eine Hand hatte, die Laterne zur Erde nieder. Da hob sie das Messer zum Stoß und rief:

»Ich bin ein schwaches Mädchen, aber Sie haben nur eine Hand. Wagen Sie es nicht, mich anzurühren!«

Er zauderte doch. Da aber tat der Führer aus dem Gang herbei und unter die Tür. Er hatte das Gespräch gehört.

»Soll ich Ihnen beistehen, Señor?« fragte er. – »Ja«, antwortete Verdoja. »Komm her und nimm ihr das Messer ab!«

Emma erkannte, daß sie sich zweien gegenüber nicht verteidigen könne, aber sie gab doch die Hoffnung nicht auf, den rohen Angriff zurückzuweisen. Entschlossen setzte sie sich selbst das Messer auf die Brust und drohte:

»Wenn Ihr es wagt, mich anzurühren, so töte ich mich selbst!«

Der Ausdruck ihres Gesichts war bei diesen Worten ein so entschlossener, daß Verdoja einsah, daß es ihr vollständiger Ernst sei, sich das Messer in das Herz zu stoßen. Dies lag aber ganz und gar nicht in seiner Absicht. Er wollte das schöne Mädchen lebendig besitzen, aber nicht tot. Darum hielt er den Diener, der seine Hand bereits nach ihr ausstreckte, zurück und sagte:

»Laß sie jetzt! Sie ist mir sicher. Der Hunger ist ein harter Gast, er wird ihren Willen rasch brechen. Sie erhält von heute an nichts mehr zu essen, bis sie gefügiger wird. Wir wollen gehen!«

Er nahm darauf die Laterne vom Boden auf und verließ das Gefängnis. Der Diener folgte ihm, die Tür schloß sich hinter ihnen, und Emma hörte draußen die mächtigen Riegel klirren, die sich vor die Tür legten, um eine Flucht unmöglich zu machen.

Da stak nun die an Freiheit, Liebe und den feinsten Genuß Gewöhnte in der engen, dunklen Felsenkammer! Stroh war ihr Lager und schmutziges Wasser ihr Getränk. Frische Luft konnte nicht in den elenden Raum dringen, und auch zum Hunger war sie verurteilt, denn das Stück Maisbrot, das neben dem Wasserkrug lag, konnte nur für eine sehr kurze Zeit hinreichen.

Sie hatte während des weiten Ritts Gelegenheit gehabt, einige Worte ungehört mit Karja zu wechseln, und war dabei von der Indianerin darauf aufmerksam gemacht worden, sich womöglich eine Waffe zu verschaffen, um den tätlichen Angriffen, die ihnen beiden bevorstanden, widerstehen zu können. Diesen guten Rat hatte Emma befolgt; sie befand sich jetzt im Besitz eines Messers und hatte auch bereits die Erfahrung gemacht, welchen Nutzen ihr dasselbe bringe. Sie hielt den Griff noch fest mit ihrer kleinen, zarten Faust umspannt und war entschlossen, es sich keinesfalls entringen zu lassen; viel eher wollte sie es sich in das eigene Herz stoßen.

Aber der weite Ritt und der letzte Auftritt hatten ihre Körper- und Seelenkräfte so angestrengt, daß sie auf das Lager niederglitt und ihren Tränen freien Lauf ließ. Sie befand sich tief unter der Erde als Opfer eines gefühllosen Bösewichts und hatte keine Hoffnung, als nur die, daß es Sternau gelingen werde, ihre Spuren zu verfolgen und den Mördern zu entkommen, die ihm auflauerten, um ihn zu ergreifen oder zu töten.

Verdoja kehrte unterdessen mit seinem Diener zu denen zurück, die vor der Pyramide auf ihn warteten. Die Pyramide, ein Überrest alter, mexikanischer Baukunst, war aus Backsteinen auf einem Felsengrund errichtet. In diesem Grund hatte man vor Beginn des Baues zahlreiche Kammern ausgebrochen und sie durch Gänge verbunden. Auch die Pyramide war durch solche Gänge durchbrochen, in denen die Fürsten und Priester des untergegangenen Reiches ihre Geheimnisse bewahrt und ihre Orgien gefeiert hatten. Die Backsteine waren unter dem Einfluß der Jahre zerbröckelt, und Pflanzen hatten ihre Wurzeln immer tiefer in die entstehenden Ritzen getrieben. Das hatte den Bau noch mehr gelockert. Seine Spitze war verwittert und von den Stürmen nach und nach abgeweht worden, und heute hatte er das Aussehen eines pyramidalen Hügels, der von seinem Fuß bis hinauf zur Höhe mit Gesträuch bedeckt war.

Aber in das Innere hatten Sturm und Regen nicht zu dringen vermocht; da waren die Kammern und Gänge noch ganz wohl erhalten und besaßen ganz dieselbe Festigkeit, die sie seit Jahrhunderten hatten. Der alte Bau lag inmitten der Ländereien, die Verdojas Vorfahren gehörten. Einer derselben hatte lange vergebens nach einem Zugang der Pyramide gesucht, ihn endlich aber doch unter Stein- und Ziegeltrümmern gefunden. Er war darüber nicht mitteilsam gewesen, und so hatte sich das Geheimnis nur in der Familie fortgeerbt.

Seit dieser Zeit war im Innern der Pyramide manches und vieles geschehen, was sich dem Tageslicht und dem Auge des Gesetzes entziehen mußte, und der Diener, der Verdoja und Emma geführt hatte, war der Wächter des alten Bauwerks und Vertraute seines gegenwärtigen Herrn. Beide hüteten ihr Geheimnis mit sorgfältigster Verschwiegenheit und wußten, daß sie sich aufeinander verlassen konnten.

Nachdem Verdoja aus der Pyramide zurückgekehrt war, wurde Karja, die Indianerin, vom Pferd losgebunden. Man verhüllte ihr die Augen, und ganz dasselbe geschah auch mit Leutnant Pardero. Dieser sträubte sich allerdings dagegen, mußte es sich aber doch gefallen lassen, da Verdoja ihm sagte, daß er den Eingang zur Pyramide keinem einzigen Menschen zeigen werde. Im Inneren angelangt, könne Pardero die Binde abnehmen und ungehindert umherstreifen, nur der Eingang müsse ihm wie jedermann verborgen bleiben.

Der Wächter ergriff das Mädchen, und Pardero wurde von Verdoja geführt. Sie gelangten wieder an die Zelle, in der Emma steckte. Neben derselben gab es eine ähnliche, die geöffnet wurde, um die Indianerin unterzubringen.

»Ich gehe einstweilen«, sagte Verdoja zu Pardero, »um die anderen Gefangenen einzuquartieren. Sehen Sie, wie Sie mit ihr fertig werden. Sind Sie zu Ende, so brauchen Sie am Ausgang des Ganges nur zu rufen oder zu warten.«

Er entfernte sich mit dem Wächter, und Pardero nahm dem Mädchen nun die Binde ab, auch entfernte er ihr die Fesseln von den Händen, so daß sie sich im freien Gebrauch ihrer Glieder befand. Er hatte die Laterne bei sich behalten und betrachtete das schöne Mädchen mit leidenschaftlichen Blicken.

»Nun bist du mein, und kein Mensch soll dich mir entreißen«, sagte er.

Ihre Augen funkelten vor Stolz und Zorn. Sie, die Tochter eines berühmten Häuptlings, die Schwester des wenigstens ebenso berühmten »Königs der Ciboleros« fürchtete sich vor dem einhändigen Leutnant nicht im mindesten.

»Feigling!« antwortete sie im Ton der tiefsten Verachtung. – »Feigling?« fragte er lachend. »Haben wir euch nicht besiegt? Haben wir euch nicht gefangengenommen und bis hierher gebracht?« – »Gefangengenommen durch Hinterlist, als wir schliefen. Ein Mann kämpft nicht mit Weibern. Ist euch nicht Sternau entkommen? Er war ein Mann, und ihr konntet ihn nicht halten. Ihr seid wie die Präriewölfe, die nur des Nachts und mit Übermacht nach Beute gehen, aber vor Angst heulen, wenn sie einen Schuß fallen hören. Ich bin ein Mädchen, aber ich fürchte dich weniger als einen Hasen oder als einen Käfer, der mich umsummt, den ich aber zwischen den Spitzen meiner Finger zu zerquetschen vermag.«

Diese Worte waren in einem so verächtlichen Ton gesprochen, daß selbst ein so ehrloser Mensch wie Pardero zornig wurde.

»Schweig!« rief er. »Du befindest dich in meinen Händen, und es kommt nun ganz auf dein Verhalten an, ob ich dich zermalme oder deine jetzige Lage verbessere.« – »Mich zermalmen?« antwortete sie. »Pah, du bist nicht der Mann, die Schwester Büffelstirns zu zermalmen. Du wärest verloren, sobald du mich nur anrührtest!«

Sie stand mit drohend erhobenem Arm vor ihm und war in dieser gebieterischen Stellung so schön, daß alle seine Sinne entbrannten. Er trat auf sie zu und streckte die Arme, die unverletzte Linke und den umwickelten Stumpf der Rechten nach ihr aus, als ob er sie an sich ziehen wolle. Sie wußte, welchen Rat sie Emma erteilt hatte; es war ihr darum zu tun, eine Waffe in die Hand zu bekommen, und die mutige Indianern bebte vor einem Angriff keineswegs zurück. Sie trat daher einen Schritt vor, fuhr mit blitzartiger Schnelligkeit mit beiden Händen nach dem Gürtel Parderos und entriß ihm das Messer und den Revolver, ehe er es hindern konnte. Zugleich gab sie ihm einen so kräftigen Stoß, daß er bis an die Tür zurückflog, und nun richtete sie den Lauf ihrer Waffe gegen ihn, während der scharfe Stahl des Messers in ihrer Linken blinkte.

»Bestie! Warte, ich werde dich zähmen!« rief da Pardero und wollte auf sie eindringen. – »Keinen Schritt weiter!« rief sie ihm entgegen. – »Pah, ein Mädchen schießt nicht sogleich!« lachte er, und schon hatte er die Laterne zur Erde gesetzt und sprang auf Karja ein. Da krachte auch bereits ihr Schuß, und mit lautem Schmerzgebrüll fuhr er sich an den Mund. Ihre Kugel hatte ihm die Kinnlade zerschmettert und die Zunge verwundet. Er stand einige Momente lang brüllend da, dann aber drang er von neuem auf sie ein. – »Satan, das sollst du mir entgelten!« rief er mit lallender Stimme, da er nun nicht mehr richtig zu sprechen vermochte, und drang, während er die linke Hand an die Wunde hielt, mit der rechten auf sie ein.

Da blitzte das Messer in ihrer Hand und senkte sich mit fürchterlicher Schnelligkeit ein, zwei, drei Mal bis an das Heft in die Brust des Angreifers. – »O Dios!« rief er und taumelte. – »Gehe zur Hölle!« antwortete sie, und zum vierten Mal fuhr das Messer ihm zwischen die Rippen, und erst jetzt traf es das Herz, so daß Pardero in die Knie sank und nach hinten auf das Lagerstroh stürzte. Im Nu kniete das tapfere Mädchen neben ihm, entriß ihm den zweiten Revolver, den Munitionsbeutel, die Uhr, die Provianttasche, die über die Schulter herab an einem Riemen hing, und nahm überhaupt alles an sich, was er bei sich trug.

Da hörte sie nebenan ein lautes Pochen.

»Wer klopft, wer ist da?« fragte sie. – »Ich, Emma!« antwortete es dumpf.

Karja stieß einen Jubelruf aus, ergriff die Laterne und stand im nächsten Augenblick vor der Tür der Nebenzelle. Sie mußte alle ihre Kräfte anstrengen, um die alten, rostigen Riegel zu entfernen, und als dies geschehen war, flog Emma ihr entgegen.

»Du hast Waffen und Licht, du bist frei?« rief diese. – »Ich bin bewaffnet, aber noch nicht frei«, antwortete die Indianerin. »Du riefst. Wußtest du, daß ich hier in der Nähe war?« – »Ich hörte zwei Stimmen, eine männliche und eine weibliche, und dachte, die letztere müßte die deinige sein. Dann fiel ein Schuß. Wer hat geschossen?« – »Ich. Ich habe Pardero erst die Kinnlade zerschmettert und ihn dann mit dem Messer erstochen.«

Sie erhob die vom Blut gerötete Klinge. Emma schauderte.

»Mein Gott, das ist furchtbar!« hauchte sie. – »Furchtbar?« fragte Karja. »O nein; es war Notwehr, und er hat seinen Lohn. Aber wir müssen unsere Zeit benutzen. Einschließen lassen wir uns nicht wieder. Kannst du mit einem Revolver umgehen?« – »Ja. Vater hat es mich gelehrt.« – »Hast du eine Waffe?« – »Dieses Messer. Ich habe es Verdoja entrissen.« – »Gut, ich sehe, daß auch du mutig sein kannst. Hier hast du den einen Revolver. Wer uns anrührt, der wird erschossen. Jetzt komm, wir wollen den Gang untersuchen!«

Sie schritten in den düsteren Gang hinein, der Richtung entgegen, aus der sie gekommen waren. Der Gang war eng und niedrig, und die Luft in demselben dick und modrig. Karja ging voran. Plötzlich blieb sie stehen und stieß einen Ruf der Freude aus.

»Was ist's?« fragte Emma. – »Ein glücklicher Fund!« antwortete die Indianerin. »Wir werden nicht im Finstern bleiben und brauchen auch nicht zu hungern. Sieh hierher!«

Bei der Aufmauerung des Ganges war ein tiefes, viereckiges Loch freigelassen worden, und in demselben lag ein Vorrat von Tortillos, wie der Mexikaner seine flachen Maiskuchen nennt, und dabei stand eine große, gefüllte Flasche, deren Inhalt sich beim Schein der Laterne als Öl erwies.

»Welch ein Glück!« sagte Emma. »Ich dachte, ich sollte verhungern!« – »Das wirst du nicht. Wir haben diese Kuchen, und ich besitze außerdem die Provianttasche, die ich Pardero abgenommen habe. Komm weiter!« – »Aber ist es nicht gefährlich, in diese Gänge einzudringen?« – »Warum?« – »Wir verirren uns vielleicht immer weiter in das Innere hinein?« – »Nein. Ich weiß ganz genau, daß wir aus dieser Richtung gekommen sind. Es waren mir zwar die Augen verbunden, aber ich habe gefühlt, daß die Tür meines Gefängnisses nach der Seite zu aufging, von der wir kamen.«

Sie schritten langsam weiter und gelangten schließlich an eine Tür, an der sich ein sehr schwerer, eiserner Riegel befand, der aber, wie man leicht sehen konnte, ganz vor kurzem neu eingeölt war. Die Tür war nur angelehnt, und als sie dieselbe zurückstießen, traten sie in einen zweiten Gang, der zu ersterem einen rechten Winkel bildete.

Karja war vorsichtig und untersuchte zunächst die Tür. Diese zeigte auch auf der anderen Seite einen Riegel, konnte also von innen und außen verschlossen werden.

»Das war alles wohl überlegt«, sagte sie. »Dieser äußere Riegel diente dazu, den Gang, in dem sich unsere Zellen befinden, abzuschließen, und der innere hatte den Zweck, alle Störungen abzuhalten, wenn unsere beiden Anbeter uns besuchten.« – »Ich schaudere«, gestand Emma. »Welches Schicksal stand uns bevor!« – »Das ist glücklich abgewandt.« – »Aber was nun weiter?« – »Ich hoffe von neuem, Sternau wird uns folgen und unser Gefängnis vielleicht entdecken. Wir haben Waffen, Munition, Öl und Proviant. Wir werden uns wehren und uns nicht ergeben. Wüßte ich nur, wohin wir uns zu wenden haben, ob nach rechts oder nach links.« – »Horch!«

Auf diesen leisen Ruf Emmas lauschten beide in den Gang hinein und hörten das Geräusch von Schritten, die sich von fern her näherten.

»Zurück! Wir verschließen die Tür!« gebot Karja.

Sie schlüpften schnell zurück, zogen die Tür an sich und schoben den Riegel vor. Die Schritte näherten sich und – gingen draußen vorüber; man machte keinen Versuch, die Tür zu öffnen, nur ein leiser Schlag geschah gegen dieselbe, als ob man probieren wolle, ob sie offen sei oder nicht.

»Das waren mehrere Männer«, flüsterte Emma. – »Ja, es schienen vier Personen zu sein«, antwortete Karja. »Ich glaube, es waren Verdoja und der Wächter, die Señor Mariano und Señor Helmers gebracht haben. Sie halten an. Horch, was sprechen sie?«

Die vier Vorüberschreitenden hatten sich noch nicht sehr weit entfernt, als man die Stimme Verdojas hören konnte.

»Halt, da sind wir! Hier hinein der eine und daneben der andere. Vorwärts!«

Es vergingen einige Minuten, ohne daß sich ein Geräusch vernehmen ließ, und dann hörte man Riegel klirren. Darauf kehrten die Schritte von zwei Männern zurück. Draußen vor der Tür des Ganges hielten sie an, und man versuchte zu öffnen.

»Ah, er hat verschlossen«, lachte Verdoja. – »Das hätte er nicht nötig gehabt!« brummte der Wärter. »Nun müssen wir warten.« – »Pah, er will nicht gestört sein von uns. Ich möchte ihn fast beneiden. Die Indianerin ist fast ebenso hübsch wie ihre Herrin. Aber ich werde dieser Señorita Emma schon noch Gehorsam beibringen. Übrigens fällt es mir gar nicht ein, auf Pardero zu warten.« – »Aber wenn er zurückkehren will?« – »So mag er warten.« – »Er wird vielleicht in die Gänge laufen und sich verirren oder etwas sehen, was er nicht zu sehen braucht.« – »Wir verschließen die nächste Tür, dann kann er nur in diesen Gang gelangen und muß Geduld haben, bis wir ihn holen.« – »Doch wenn er von seiner Zelle aus Hinterwerts geht?« – »So kommt er auch nicht weit. Die hintere Tür kann er nicht öffnen, denn er kennt das Geheimnis nicht. Komm, in einer Stunde holst du ihn.«

Sie gingen, und die beiden Mädchen holten erleichtert Atem, denn es war ihnen nicht sehr wohl zumute gewesen bei dem Gedanken, daß sie ergriffen werden könnten. Sie lauschten, bis die Schritte verklungen waren, und dann fragte Emma:

»Was tun wir jetzt?« – »Wir befreien die beiden Señores.« – »Wird dies gehen?« – »Ich hoffe es. Dann sind wir zu vieren und brauchen uns nicht zu fürchten.«


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