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39. Kapitel.

Sternau ritt natürlich nicht direkt nach der Pyramide. Er wußte, daß man auf den Hufschlag seines Pferdes hören werde, und wandte sich daher der entgegengesetzten Richtung zu, machte nachher einen weiten Bogen und kam, da er sich so fern wie möglich von der Estanzia halten mußte, erst spät zu der Pyramide.

Als man dort das Pferdegetrappel hörte, sah er sich plötzlich von den Wachen der Apachen umringt. Die Wilden rufen keinen Menschen an. Wäre dieser Reiter nicht Sternau gewesen, so hätte er sterben müssen, ohne daß eine Silbe gesprochen worden wäre.

»Wo sind die Häuptlinge?« fragte er.

Er wurde zu ihnen geführt. Unmittelbar am westlichen Fuß des Bauwerks entsprang eine Quelle; man hatte sie entdeckt, und hier wurden die Pferde getränkt. Die Häuptlinge hatten sich dort niedergelassen. Das war dieselbe Quelle, die in früheren Zeiten den im Inneren der Pyramide befindlichen Brunnen gespeist hatte.

Sternau teilte mit, was er gesehen und gehört hatte. Er war sicher, daß diese Nacht nicht die mindeste Störung vorkommen würde, aber ebenso sicher war es, daß man morgen die Apachen aufsuchen würde, und so fragte es sich, was für einen solchen Fall zu tun sei. Sich zurückziehen wollte keiner, alle wollten den Platz behaupten, die einen, weil sie nicht gehen wollten, ohne ihre Lieben zu erlösen, und die anderen infolge des regen Ehrgefühls, das die Apachen auszeichnet.

Die Dragoner brauchte oder wollte man nicht fürchten. Vielleicht hätten die Roten doch anders gedacht, wenn nicht der Fürst des Felsens und Donnerpfeil bei ihnen gewesen wären. Und die Komantschen, die eintreffen wollten, bekamen es jedenfalls sehr bald mit den Apachen zu tun, die das Fliegende Pferd nachsenden wollte.

»Wir bleiben hier!« entschied auch Sternau, und das gab den Ausschlag. »Wir können unmöglich gehen«, fuhr er fort, »ohne zu wissen, ob die Unsrigen zu retten sind oder nicht. Dieser alte Opferplatz bietet uns eine Position, wie sie bequemer, fester und sicherer gar nicht gedacht werden kann. Wir haben Wasser für uns und die Pferde, die Büsche geben uns Deckung, es fehlt uns nur der Proviant. Und dieser ist sehr leicht beschafft, wir dürfen ja nur eine Anzahl Rinder herbeitreiben. Von Mitternacht an sind die Vaqueros nicht mehr auf der Weide; sie werden uns nicht stören.«

Das wurde getan. In sehr kurzer Zeit hatte man eine genügende Anzahl Rinder da, um die Apachen auf zwei Wochen lang mit Fleisch zu versehen, und das Areal, auf dessen Mittelpunkt die Pyramide stand, war groß genug, diesen Rindern mit sämtlichen Pferden Futter zu gewähren.

Jetzt legte sich ein jeder, der nicht zu wachen hatte, in seine Decke gewickelt zur Erde, um sich für die Anstrengungen des kommenden Tages zu stärken. Donnerpfeil, Bärenherz und Büffelstirn schliefen nicht. Sie dachten an die Gefangenen, die jedenfalls im Inneren der Pyramide steckten, und die Sorge um diese hielt sie wach.

Schon mit Tagesanbruch weckten sie Sternau, ohne den sie nichts unternehmen mochten. Dieser war ihnen auch sofort zu Willen.

Diese vier Männer stellten sich an den Punkt, den der Mexikaner ihnen gestern abend gezeigt hatte, und als sie die Erde untersuchten, fanden sie Spuren, die deutlich nach der südöstlichen Ecke der Pyramide führten. Sie folgten diesen Spuren durch das Gebüsch, dann aber gab es grasigen Boden, auf dem sie vollständig verschwanden. Es war zu lange Zeit vergangen, und so hatte sich das Gras wieder aufgerichtet.

Das war schlimm. Die vier scharfsichtigen Männer, denen es wohl selten einer gleichtat, standen völlig ratlos da; es wurde alles versucht und probiert, aber vergeblich. Nun mußten die Apachen herbei. Das ganze Gebüsch, die Umfassung der Pyramide, die vier Seiten und die stumpf gewordene Spitze des alten Bauwerks, alles wurde auf das genaueste untersucht, doch man fand nichts.

Es war fast ein Gefühl der Verzweiflung, das sich der vier Männer bemächtigte, aber man beschloß, die Untersuchung von neuem zu beginnen. Man war bereits wieder im vollen Zug, als plötzlich von der Höhe der Pyramide ein lauter Ruf erscholl. Man blickte empor. Grizzlytöter stand oben, winkte, daß man sich verstecken solle, und kam auch selbst mit größter Schnelligkeit herunter.

»Was gibt es?« fragte Sternau. – »Reiter«, lautete die Antwort. – »Wo?« – »Von der Hazienda her. Es sind ihrer viele, und sie kommen im Galopp.«

Ja, die Dragoner waren im Anzug. Der Komantsche hatte bereits gestern abend von dem Rittmeister erfahren, daß sein Genosse von den Apachen getötet worden sei, und dies hatte ihn zur Rache getrieben. Er war noch während der Nacht nach dem Wald gegangen, in dem er auf der Weimutskiefer gesessen, und hatte dann mit Tagesanbruch sein Werk begonnen, er war den Spuren der Apachen gefolgt. Als er in die Nähe der Pyramide kam, gebot ihm die Klugheit, haltzumachen. Er ahnte, daß sie sich dort bei der Pyramide befänden. Er schlug einen weiten Kreis um dieselbe und erfuhr da, daß die Spuren nur bis zu dem Bauwerk, aber nicht weiterführten.

Jetzt kehrte er in die Hazienda zurück und machte dem Rittmeister seine Meldung. Dieser war noch voller Wut über die Schlappe, die er gestern abend erhalten hatte, und beschloß, sich sofort zu rächen. Er ließ satteln und aufsitzen und ritt mit allen seinen Leuten nach der Pyramide; auch die meisten Vaqueros schlössen sich an, um Zeugen des Kampfes zu werden.

Als Sternau den Reitertrupp herankommen sah, nickte er nachdenklich mit dem Kopf. Über sein schönes, männliches Gesicht glitt ein Zug lustiger Ironie. »Das sind über hundert Mann«, sagte er. »Wie viele Apachen sind nötig, sie abzuhalten?« – »Fünfzig«, antwortete Bärenherz. – »Sagen wir hundert«, meinte Sternau. »Die anderen hundert will ich mit mir nehmen.« – »Wohin?« – »Das ist noch mein Geheimnis. Grizzlytöter mag hundert Mann aufsitzen lassen und mit mir kommen.«

Noch war kaum eine Minute vergangen, so saßen sie im Sattel und warteten auf Sternau, um sich von ihm führen zu lassen.

»Was beabsichtigen Sie denn eigentlich?« fragte Donnerpfeil. – »Das werden Sie später sehen.« – »Sie kommen doch wieder?« – »Versteht sich. Halten Sie sich gut gegen die Dragoner!«

Sternau setzte sich nun an die Spitze seiner Reiter und verließ die Pyramide. Gerade von Süden her kamen die Dragoner, und gerade nach Norden ritten die Apachen davon, die ersteren konnten die letzteren nicht sehen, da das breite, hohe Bauwerk dazwischen lag.

Sternau ritt im schnellsten Galopp. Als er bemerkte, daß er von der Pyramide aus nicht mehr gesehen werden konnte, schwenkte er nach Westen, dann nach Süden und in einer Weile nach Osten ein. Auf diese Weise hatten sie einen Halbkreis geschlagen und kamen von Westen her auf die Hazienda zu. Als sie die Besitzung endlich sahen, bemerkten sie, daß kein einziger Vaquero sich auf der Weide befand, darum erreichten sie das Haus ganz unbemerkt. Es war nur die alte Wirtschafterin mit dem weiblichen Dienstpersonal vorhanden.

Sie erhoben ein fürchterliches Angstgeheul, als sie die Apachen erblickten, wurden aber bald zur Ruhe gebracht. Jetzt wurde das ganze Haus durchsucht. Man fand Proviant in Menge, auch Waffen und Munition, von der letzteren den ganzen Vorrat der Dragonerschwadron. Alles, was bei einem Biwak an der Pyramide gebraucht werden konnte, wurde auf die Pferde geladen, dann sperrte man die Frauen ein, und als die Apachen nun fertig waren, warteten sie auf die Rückkehr der Dragoner.

Als diese vorhin in die Nähe der Pyramide gekommen waren, hielten sie zunächst an, um zu rekognoszieren. Ein Unteroffizier mußte mit seiner Sektion absteigen und zu Fuß vorrücken. Die Dragoner näherten sich den Büschen immer mehr, ohne daß man dort ein Lebenszeichen bemerkt hätte, und schon glaubte der Rittmeister, daß der Komantsche sich geirrt habe und daß hier von Apachen gar keine Rede sei, da donnert plötzlich eine Salve, und der Unteroffizier stürzte mit seiner ganzen Sektion tot zu Boden; kein einziger war am Leben geblieben.

»Heilige Madonna, sie sind wirklich da!« rief der Rittmeister. »Das Plänkeln hilft nichts. Diese verdammten Rothäute fürchten den offenen Angriff, sie werden sofort ausreißen. Drauf auf sie!«

In donnerndem Galopp brauste die Schwadron gegen das Gebüsch. Der Kommandeur war ein mutiger Mann, aber er besaß keine Klugheit. Als Büffelstirn und die anderen Anführer erkannten, daß der Angriff nur von dieser Seite geschehen werde, riefen sie alle ihre Leute zusammen. Am Rande des Gebüschs lagen sie versteckt, Mann an Mann, und als die Reiter in genügende Nähe herangekommen waren, krachten die Büchsen und schwirrten die Pfeile.

Es entstand ein gewaltiger Wirrwarr unter den Dragonern. Tote und verwundete Menschen und Tiere lagen untereinander, und die anderen waren gezwungen anzuhalten. Auch den Rittmeister hatte ein Pfeil verwundet.

»Das ist dieser Fürst des Felsens!« zürnte er. »Ohne diesen Menschen würden die Roten nicht standhalten. Holt die Verwundeten zurück, und dann wollen wir versuchen, die Mäuse aus ihren Löchern zu locken.«

Es wurde versucht, aber ohne Erfolg. Die Apachen waren zu klug, um ihre schöne, sichere Deckung aufzugeben. Der Rittmeister saß ratlos auf dem Pferd.

»Was tun?« fragte er zornig. – »Ich habe einen Plan, der vielleicht gut ist«, meinte der Oberleutnant – »Nun?« – »Der Platz ist nur im Sturm zu nehmen.« – »Ja«, lachte der Rittmeister höhnisch, »wir haben es gesehen und erfahren!« – »Es fragt sich nur, wie man den Plan ausführt.« – »Haben Sie eine neue Methode erfunden?« – »Nein. Es ist klar, daß der Feind seine Leute hier uns gegenüber konzentriert. Die anderen Seiten sind also von Verteidigern entblößt. Wir tun also, als wollen wir diese eine Seite angreifen, schwenken aber kurz vor der Linie nach rechts ab, fassen das Terrain von der anderen Seite und rollen den Feind einfach auf; dadurch jagen wir ihn hinaus ins Freie, wo er seine Pferde nicht hat, und reiten ihn dann nieder.« – »Die Idee ist gut, Leutnant. Sie wird sofort ausgeführt!«

Die Dragoner formierten sich abermals und drangen im Galopp vor, aber sie hatten sich verrechnet denn während sie sich berieten, wurde an der Pyramide auch eine Beratung gehalten.

»Was werden sie jetzt tun?« fragte Büffelstirn nachdenklich.

Auch die anderen überlegten.

»Der zweite Häuptling macht dem ersten einen Vorschlag«, meinte Bärenherz, der den Feind scharf beobachtete. – »Dieser Vorschlag scheint nicht viel zu taugen«, lachte Donnerpfeil; »ich glaube sehr, daß ich ihn errate.« – »Unser Bruder sage uns seine Gedanken«, bat Bärenherz. – »Die Dragoner werden bemerkt haben, daß die Krieger der Apachen sich meist auf dieser Seite befinden; sie werden ihren Angriff nun auf eine andere richten.« – »Auf welche?« – »Das muß man sehen.« – »Dann ist keine Zeit mehr«, meinte Büffelstirn. – »Mehr als genug!« versicherte Donnerpfeil. »Sie werden tun müssen, als ob ihr Angriff abermals dieser Seite gälte; wenn sie dann abschwenken, geraten sie auf einige Zeit in Unordnung, und das gibt uns die nötige Frist. Wir stellen uns hier in der Mitte der Seite auf, so daß wir beliebig nach rechts oder links schwenken oder auch vorgehen können. Haben wir sie dann zwischen den Büschen, so können sie zu Pferde gar nichts tun, während wir zu Fuß freiere Bewegung haben.«

Die anderen sahen die Wahrheit dieser Worte ein und trafen die Aufstellung ihrer Leute danach. Bald sahen sie die Schwadron herangebraust kommen, dann umschwenken und sich nach der Ostseite wenden. Da nahmen auch die Apachen Stellung gegen Osten, und als die Dragoner herankamen, stutzten sie fast, daß kein einziger Schuß fiel; als sie aber samt und sonders in die Büsche eingedrungen waren, da krachte es von allen Seiten auf sie ein.

Es entstand ein schauderhaftes Gemetzel. Die Dragoner, hoch zu Roß, konnten sich fast gar nicht verteidigen, weil ihnen das Strauchwerk hinderlich war; die Apachen aber hatten Raum genug zur Bewegung. Dieser Kampf dauerte nicht zehn Minuten, aber er war ein mörderischer. Als der Rittmeister seine Leute sammelte, hatte er von seinen hundert Mann nur noch einzige zwanzig. Er hatte eine Dummheit begangen, die ihm von seinem Vorgesetzten sicherlich nicht vergeben wurde.

Er hielt noch lange unentschlossen draußen auf der Ebene; fast war es, als ob er noch einmal angreifen wolle, um sich den Tod zu holen, dann aber ritt er doch nach der Hazienda zurück.

Seine Toten und Verwundeten ließ er liegen, er wußte sicher, daß er sie nicht erhalten hätte; ein Indianer verschenkt keinen Skalp.

Die beiden Leutnants waren auch gefallen. Er war der einzige Offizier, und als er die Hazienda erblickte, die er mit so stolzem Mut verlassen hatte, da hätte er sich vor Grimm und Scham erschießen können.

Sie ritten in den vorderen Hof, der Kommandeur ging sofort nach seinem Zimmer. Sternau war so vorsichtig gewesen, die Apachen mit ihren Pferden nach dem hinteren Hof zu schicken. Als der Rittmeister in seine Stube trat, riß er den Degen aus der Scheide, warf ihn zu Boden und rief grimmig:

»Eine verdammte Heldentat! Diese Rothäute haben wohl nicht fünf Mann verloren, ich aber über achtzig!« – »Das ist traurig!«

Der Rittmeister schrak zusammen, als er diese Worte hörte. Er hatte geglaubt, allein zu sein, und drehte sich um – da saß Sternau auf dem Stuhl.

»Tausend Teufel! Sie hier!« rief der Offizier. – »Wie Sie sehen«, meinte Sternau, ruhig sitzen bleibend. »Ich habe mir erlaubt, mir eine Ihrer Zigaretten anzubrennen.« – »Ich denke, Sie haben bei der Pyramide mitgekämpft?« – »Fällt mir nicht ein! Ich habe Ihnen ja gesagt, daß ich nicht Ihr Feind bin. Ja, ich habe Ihnen sogar einen großen Gefallen getan.« – »Welchen?« – »Haben Sie nichts bemerkt?« – »Daß ich nicht wüßte«, sagte der Rittmeister, der gar nicht wußte, wie er sich zu benehmen habe. – »So wissen Sie doch vielleicht, wie stark die Apachen sind?« – »Zweihundert und sechs Mann.« – »Und gegen wie viele haben Sie heute gekämpft?« – »Gegen diese alle, jedenfalls.« – »Sie irren, es hat nur die Hälfte Ihnen gegenübergestanden.« – »Nur hundert?« – »Hundert und sechs.« – »Unmöglich. Dann wären wir an Zahl ja gleich gewesen. Und wir hätten siegen müssen.« – »Sehr falsch, wie sich erwiesen hat. Ich habe Ihnen den Gefallen getan und den Häuptlingen hundert ihrer Krieger entführt.« – »Ah, ist das wahr?« – »Vollständig.« – »Aber weshalb taten Sie es?« – »Um Ihnen den Sieg leichter zu machen«, antwortete Sternau mit ironischem Lächeln. – »Wollen Sie mich verspotten?« brauste der Rittmeister auf. – »Gar nicht. Ich spreche sehr im Ernst. Hätte ich diese hundert Mann nicht entführt, so wäre keiner der Ihrigen entkommen. Als Sie im Süden anrückten, ritt ich nach Norden ab. Sie konnten das nicht sehen, die Pyramide verdeckte mich.« – »Wie kommt es da, daß ich Sie hier finde?« – »Ebenso könnte ich Sie fragen: Wie kommt es, daß ich Sie an der Pyramide sah? Sie kamen, um uns anzugreifen, und ich komme, um Sie anzugreifen. Sie wollten mich gestern festhalten, heute dreht sich das Ding um: Sie sind mein Gefangener!«

Bei diesen Worten erhob er sich und trat auf den Rittmeister zu.

»Sind Sie bei Sinnen?« rief dieser.

Bei diesen Worten griff er nach seinem Revolver, den er vom Kampf her noch im Gürtel hatte. Sternau blitzte ihn aber mit seinen leuchtenden Augen an und drohte:

»Hand von der Waffe! Oder wünschen Sie einen ähnlichen Hieb wie gestern?«

Der Rittmeister nahm doch die Hand weg und sagte:

»Sie werden mir unbegreiflich! Ich werde meine Leute rufen.« – »Und ich die meinigen.«

Damit trat Sternau an den Tisch, ergriff eine darauf stehende Schokoladentasse und warf sie durch dasjenige Fenster des Zimmers, das nach dem hinteren Hof ging. Er hatte mit seinen Indianern ausgemacht, sobald er das Fenster zerbreche, sollten sie nach dem vorderen Hof gehen und alle Dragoner gefangennehmen. Daß sie dieser Verabredung Folge leisteten, bewies ein wirres Geschrei, das sich jetzt unten erhob.

»Kommen und sehen Sie!« gebot Sternau.

Der Rittmeister sprang zum Fenster und kam gerade recht, um zu sehen, daß der letzte seiner Leute niedergerissen und gefesselt wurde.

»Die Apachen hier?« rief er erschrocken. – »Natürlich«, antwortete Sternau. »Und zwar wiederum Ihnen zuliebe. Wir wollen Sie nicht nach Chihuahua gehen lassen, wo Ihrer eine fürchterliche Nase wartet für den Streich, den Sie heute spielten. Sie sind mein Gefangener und bleiben mit Ihren Leuten bei uns!« – »Was soll ich bei den Apachen?« fragte der Rittmeister entsetzt. – »Es geschieht Ihnen nicht das mindeste. Sie sind eine Geisel, sind mein Gefangener, es wird Sie niemand anrühren.« – »Eine Geisel? Wozu?« – »Das werden Sie später erfahren. Packen Sie Ihr Notwendigstes zusammen, Sie hören, meine Apachen sind bereits vor der Tür.«

Da endlich sah der Offizier ein, daß es Ernst war.

»Señor, Sie sind ein Verräter!« rief er. »Sie als Weißer überantworten mich den Rothäuten!« – »Ob ich ein Verräter bin, müssen meine Freunde wissen. Ich habe Ihnen gestern gesagt, daß die Apachen nicht mit Ihnen kämpfen wollen, ich habe Sie um einen dreitägigen Waffenstillstand gebeten, Sie wollten nicht. Sie haben den Kampf herbeigezwungen und mögen nun auch die Folgen tragen.«

Sternau öffnete hierauf die Tür und ließ einige Apachen herein, die den Rittmeister ohne Umstände banden und fortführten.

Dann begab er sich in den Raum, wo man die Frauen eingeschlossen hatte. Als er unter die Tür trat, erhoben sie ein großes Geschrei.

»Still!« gebot er.

Aber solchen Weibern ist schwer Schweigen zu gebieten. Die alte Haushälterin warf sich vielmehr vor ihm nieder, hob die Hände auf und flehte.

»Señor, habt Erbarmen! Wir haben Euch doch nichts getan! Oder ist mein Cousin Euer Feind gewesen?«

Bei diesen Worten kam Sternau ein Gedanke.

»Verdoja war Euer Cousin?« fragte er. – »Ja, Señor. Ich bin die Dame des Hauses.« – »Hatte er Vertrauen zu Euch?« – »Hätte er mich sonst zur Dame des Hauses gemacht, Señor?« – »Ich meine es anders. Hat er Euch zuweilen Dinge mitgeteilt, die er anderen nicht sagen würde?« – »Einiges.« – »Wißt Ihr, wo er sich befindet?« – »«Nein.« – »Hat Verdoja die Nacht hier in der Hazienda geschlafen?« – »Ja.« – »Kennt Ihr die Pyramide, die hier in der Nähe liegt?« – »Ich kenne sie.« – »Wißt Ihr nicht, ob sie hohl ist?« – »Sie ist hohl, denn Señor Verdoja war sehr oft darin.« – »Ah«, fragte Sternau erfreut, »wie ist er hineingekommen?« – »Das weiß ich nicht, das war ein Geheimnis schon zu Zeiten seines Vaters; aber droben im Schreibtisch, da liegt eine Zeichnung, auf der es steht, wie es in dem Innern der Pyramide aussieht« – »Führen Sie mich zu dem Schreibtisch.«

Die Alte führte Sternau nunmehr nach dem Wohnzimmer Verdojas. Dort stand ein sehr alter Schreibtisch, den mit dem Messer zu öffnen, Sternau Mühe hatte. Endlich sprang der Kasten auf, und nun fand Sternau wirklich einen Plan, der sich auf das Innere der Pyramide beziehen mußte.

»Aber was wird Señor Verdoja sagen, wenn er sieht daß der Tisch aufgesprengt worden ist?« sagte die Alte ängstlich. – »Habt keine Sorge«, antwortete Sternau. »Er wird nichts merken, denn er kehrt gar nicht zurück; die Apachen werden ihn töten. Und übrigens werde ich die Hazienda jetzt anbrennen.« – »Anbrennen? – O heilige Madonna! Was habe ich Euch denn getan, daß Ihr mich Ärmste unglücklich machen wollt?« – »Verdoja hat es verdient.« – »Aber ich nicht! Wenn er wirklich tot ist, so bin ich ja die Erbin!«

Das machte Sternau zur Milde gestimmt. Als die Alte jetzt bat und flehte und auf ihr Geschrei die anderen Frauenzimmer herbeieilten und, nachdem sie gehört, um was es sich handle, ihm zu Füßen fielen und ihn unter Tränen baten, daß er barmherzig sein möge, willigte er endlich ein, steckte den Plan als einen jetzt köstlichen Schatz in die Tasche und gebot dann seinen Apachen, aufzubrechen. Diese waren unterdessen nicht müßig gewesen und hatten den Pferden der Dragoner auch noch vieles aufgeladen, so daß die Tiere fast unter ihrer Last zusammenbrachen.

Der Zug setzte sich in Bewegung. Alle Männer gingen zu Fuß, und ein jeder führte sein beladenes Pferd. Die Dragoner waren so gefesselt, daß sie zwar ihre Pferde führen, aber nicht entfliehen konnten. Von den Vaqueros ließ sich keiner sehen. Erst waren sie Zeugen des unglücklichen Kampfes gewesen, dann waren sie zu ihren Herden zurückgekehrt, und jetzt als sie die Apachen erblickten, versteckten sie sich, so gut es gehen wollte.


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