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Während des Nachmittags und während der Nacht unterbrach nichts die Einsamkeit des Tales, auch fast der ganze Vormittag verging, aber um die Zeit des Mittags ließ sich Pferdegetrappel vernehmen. Sternau hatte für diesen Fall jedem seinen Posten angewiesen und jedem den Befehl gegeben, zunächst die Pferde zu erschießen. Als sich das Geräusch vernehmen ließ, steckte sich jeder einzelne hinter einen der herumliegenden Felsenblöcke.
Es erschienen sechs Mexikaner an der Stelle, wo nach Westen hin das Tal sich wieder zum Paß verengte. Sie blieben halten, um das Tal zu überblicken. Als sie aber keinen ihrer Gefährten bemerkten, schwenkten sie in das kleine, enge Seitental ein. Kaum waren sie dort angekommen, so fielen vier Schüsse, und darauf aus den Doppelgewehren noch zwei. Alle sechs Pferde bäumten sich empor und stürzten dann zur Erde; sie waren zu gut getroffen, als daß sie sich hätten wieder erheben können. Pferde und Reiter bildeten für einige Zeit einen Wirrwarr, den die vier Schützen augenblicklich benützten, indem sie herbeisprangen, die Mexikaner, noch ehe dieselben sich von den Pferden losmachen konnten, mit dem Kolben zu Boden schlugen und sie mit ihren eigenen Lassos so banden, daß an eine Flucht nicht zu denken war.
Der Anführer dieser Leute war derjenige, der auf der Hacienda del Erina als Lanzenreiter-Offizier erschienen war.
»Jetzt sehen wir uns wieder, mein Bursche, und werden Abrechnung halten«, sagte Sternau zu ihm. »Du sollst nicht so bald wieder Gelegenheit finden, den Offizier zu spielen.«
Der Mann warf einen haßerfüllten Blick auf ihn und antwortete:
»Ich bin ein freier Mexikaner, mit mir hat kein Fremder Abrechnung zu halten.« – »Also ein freier Mexikaner?« lachte Sternau. »Ich habe noch nicht gewußt, daß jemand, der in Fesseln liegt, frei ist. Wohin habt ihr eure Gefangenen gebracht?« – »Das geht niemanden etwas an.« – »Ich wiederhole meine Frage, aber nur dies eine Mal! Wo sind die Gefangenen?« – »Ich sage es nicht!«
Da zog Büffelstirn das Messer, hielt es dem Mexikaner entgegen und sagte:
»Wo ist Karja, meine Schwester?«
Der Gefragte schwieg trotzig; denn er kannte den Sinn der Indianer nicht. Der Häuptling der Mixtekas bemerkt nochmals mit ruhiger Stimme:
»Antworte!« – »Ich sage nichts!« – »So brauchst du nicht zu leben. Nur die Toten schweigen, und wer schweigt, soll tot sein. Aber dein Tod soll nicht schnell sein, sondern du sollst ihn langsam kommen sehen.«
Mit diesen Worten setzte Büffelstirn dem Gefangenen das Messer auf den Unterleib und riß ihm denselben mit einem raschen Schnitt auf, so daß die Eingeweide sofort aus der Wunde hervorquollen. Der Mann stieß einen Schrei des Entsetzens aus, aber trotzdem er sah, daß er nunmehr unvermeidlich dem Tod verfallen sei, rief er:
»Verdammte Rothaut, nun sollst du erst recht nichts erfahren!« Und sich an seine Gefährten wendend, setzte er hinzu: »Tausendmal verflucht sei der von euch, der sagt, wohin wir die Gefangenen geschafft haben!« – »So werden sie alle sterben, gerade wie du!« sagte Büffelstirn kaltblütig.
Dann setzte er das Messer dem zweiten auf den Leib und fragte:
»Wirst du auch schweigen, oder sagst du mir, wo sie sind?«
Der Mann besann sich nur eine Minute lang, er wollte gern sein Leben retten, aber der Fluch des anderen hatte ihn eingeschüchtert. Diese Minute entschied über ihn, sie dauerte dem Mixteka zu lange, er senkte sein Messer in den Leib des Mexikaners, und sofort quollen auch dessen Gedärme durch die fürchterliche Wunde.
»Ihr sollt sterben wie die Hunde«, sagte Büffelstirn. »Ihr sollt eure Kaldaunen sehen und zählen, bis der Brand euch tötet. Sprich, Hund, wo sind die Gefangenen!«
Während die beiden Aufgeschlitzten vor Schmerz und Todesangst ächzten und wimmerten, setzte er bereits dem dritten das Messer auf den Leib.
»Ich will es sagen«, rief dieser eilig. – »Schweig!« brüllte der Anführer. – »Daß ich ein Esel wäre!« antwortete der Mann. »Ich will leben und nicht sterben nur dir zuliebe!« – »So möge dich die Hölle verderben, schuftiger Verräter!«
Der Sprecher, der jetzt sah, daß er sein Leben nutzlos geopfert hatte, schäumte vor Schmerz und Wut. Seine Augen unterliefen mit Blut, und dicker Gischt stand auf seinen bleichen Lippen.
»Rede schnell!« gebot Büffelstirn dem Mexikaner.
Mit dieser Aufforderung drückte er die Klinge seines Messers durch die Kleidung des Gefesselten, so daß die Spitze den bloßen Leib berührte.
»Ich spreche ja schon, tue das Messer fort!« rief der Mann erschrocken. »Die Gefangenen befinden sich in einer alten Opferstätte.« – »Leben sie noch?« – »Ich hoffe es.« – »Wo ist die Opferstätte?« – »Im Staat Chihuahua, in der Nähe der Hacienda Verdoja.« – »Beschreibe sie mir.« – »Das ist eine alte, mexikanische Pyramide, sie liegt im Norden von der Hazienda und ist mit Gebüsch bewachsen.« – »Wo ist der Eingang?« – »Das weiß ich nicht. Es war Nacht, als wir hinkamen. Wir mußten im Freien halten bleiben und durften nicht mit hinein.« – »Keiner von euch?« – »Keiner. Nur Señor Verdoja, Señor Pardero und ein alter Diener gingen in die Pyramide. Erst wurden die Damen und dann die beiden Männer hineingeschafft.« – »Auf welcher Seite befindet sich der Eingang?« – »Ich weiß es nicht.« – »Dummkopf! Auf welcher Seite hieltet ihr, als ihr dort ankamt?« – »Auf der Ostseite.« – »Und auf dieser Seite verschwand Verdoja in der Pyramide?« – »Nein. Er ging nach den Büschen, die an der Ecke der Pyramide stehen, und verschwand dann auf der Südseite.« – »So ist dort der Eingang. Was tatet ihr, als die Gefangenen fort waren?« – »Wir ritten nach der Hacienda Verdoja, erhielten frische Pferde und Proviant, dann brachen wir sofort wieder auf.« – »Nach hier?« – »Ja.« – »Wie lange seid ihr geritten?« – »Von zwei Stunden nach Mitternacht bis jetzt.« – »Wenn wir jetzt aufbrechen, können wir also des Abends bei der Pyramide sein?« – »Ja.« – »Gut. Du wirst uns führen, und zwar so, daß wir von niemand bemerkt werden. Aber beim kleinsten Verdacht, daß du uns betrügen willst, bist du ein Kind des Todes. Hast du dir den Weg gemerkt?« – »Ja, ich kenne ihn genau.« – »Das genügt, und wir brauchen die anderen nicht. Sie haben nach den Gesetzen der Savanne den Tod verdient und sollen ihn haben, aber da sie nicht widersetzlich gewesen sind, so sollen sie ihn leicht und schnell finden.«
Damit zückte Büffelstirn, ehe Sternau es noch verhindern konnte, dreimal das Messer und senkte es bis an das Heft in die Herzen der drei übrigen Mexikaner; sie waren augenblicklich tot. Dann wandte er sich an die zwei, die mit aufgeschlitzten Leibern dalagen, und durchschnitt ihre Banden.
»Ihr sollt hier liegen und sehen, wie die Geier eure Kameraden zerreißen, und dann sollt ihr mit den Vögeln ringen, bis ihr matt werdet und sie euch überwältigen. Wir aber brechen auf, denn es ist keine Zeit zu verlieren.« – »Warum nimmt man nicht die Skalpe der Toten?« fragte Donnerpfeil.
Der Gefragte antwortete in stolzem Ton:
»Der Häuptling der Mixtekas nimmt nur die Skalpe solcher Feinde, mit denen er gekämpft hat, dies hier aber sind Hunde, deren Fell er nicht haben mag, sie sind gestorben wie die Schakale, die man mit dem Stock erschlägt.«
Man nahm nun den sechs Mexikanern alles ab, was sie Brauchbares bei sich trugen, dann wurde aufgebrochen. Der gefangene Führer erhielt das Pferd, das Sternau übrig hatte. Als die fünf Männer davonritten, sahen sie noch, wie die beiden Lebenden sich bemühten, ihre Gedärme in die geöffneten Leiber zurückzustecken, und noch lange verfolgte sie das Geschrei der dem langsamen Tod Geweihten, die an diesem einsamen Ort so unerwartet ihre Bestrafung gefunden hatten. Sie ritten durch den Paß und bogen nach Norden um, wo die Apachen ihrer warteten. Diese hatten Posten vorgeschoben, um leichter gefunden zu werden.
Als Bärenherz hörte, was im Tal geschehen war, gab er zu dem, was Büffelstirn getan hatte, seine Zustimmung. Der Führer wurde gefragt, ob er gehört und gesehen habe, daß Komantschen in der Gegend von Chihuahua befindlich seien. Er verneinte die Frage, und auch von den Regierungstruppen, die in der Hacienda Verdoja lagen, wußte er nichts. Er hatte die Hazienda ja vor dem Morgen verlassen, an dem sie dort angekommen waren.
Es wurde nun beschlossen, insgesamt aufzubrechen. Die Apachen wollten sich der Hazienda bemächtigen und Verdoja mit Pardero gefangennehmen. Beide waren dann ja gezwungen, ihre Gefangenen herauszugeben, und dann sollte Gericht über sie gehalten werden. Einer der Apachen ritt als Bote zurück, um dem Fliegenden Pferd zu melden, wo die nachfolgenden Krieger mit den zuerst aufgebrochenen zusammentreffen sollten.
Nun setzte sich der Zug in Bewegung. Voran ritten die Weißen mit Bärenherz und Grizzlytöter, den wohl bewachten Führer in der Mitte. Dann folgten unter Anführung des ältesten Kriegers die Apachen in ihrer gewohnten Weise, einer immer in den Tapfen des anderen reitend. Sie erreichten die Hochebene von Chihuahua und passierten die Gebiete mehrerer Haziendas, ohne von den Bewohnern derselben gesehen zu werden.
Am Spätnachmittag ritten sie an einem Wald vorüber, der sich so in die Länge dehnte, daß es unmöglich war, ihn zu durchsuchen, was eigentlich durch die Vorsicht geboten worden wäre. Als es dunkel wurde, gelangten sie an die Grenze von Verdojas Besitzung und sahen im Westen die Pyramide aufsteigen, die das Ziel ihrer Wanderung bildete. Sie erhob sich finster, von jeher der Schauplatz von Taten, die das Licht zu scheuen hatten.