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Als die lange Karawane die Pyramide erreichte, war die Überraschung eine ganz bedeutende. Sternau hatte alle verschont gebliebenen Dragoner zu Gefangenen gemacht und eine Beute gebracht die den Indianern das Lagerleben erleichterte und sie an Proviant und Munition so bereicherte, daß sie eine förmliche Belagerung hätten aushalten können. Sein Lob erklang aus aller Munde, das Beste aber, was er mitgebracht hatte, waren Hacken und Brechstangen, die er vielleicht zu gebrauchen glaubte.
Die Vorräte wurden aufgespeichert, die Gefangenen unter gute Bewachung gestellt und dann Kundschafter ausgesandt, um etwa anrückende Feinde sofort zu melden.
Nun erst nahm Sternau sich Zeit, die Karte zu studieren.
Sie war sehr deutlich gezeichnet. Das Innere der Pyramide bestand aus drei Stockwerken, deren Mitte der tiefe, viereckige Brunnen bildete. Konzentrisch zu diesem Brunnen liefen Gänge, die durch Quergänge verbunden waren, und nach den Ecken zu waren Zellen angebracht. Die Pyramide hatte unten an ihrem Fuß vier Eingänge gehabt, in der Mitte einer jeden Seite einen.
Jetzt handelte es sich darum, einen dieser Eingänge, die jedenfalls vermauert waren, zu finden. Sternau teilte den andern den Plan des Bauwerks mit, und dann begab man sich auf die Suche. Es fand sich nichts, bis Sternau auf den Gedanken kam, die genaue Mitte der Seiten abzumessen.
Als diese gefunden war, kam man an einen Felsen, der eigentümlich zerrissen war. Sternau untersuchte ihn und verzweifelte bereits, als er sich plötzlich niederkniete, an dem Stein zu schieben versuchte – und dieser sich bewegte. Da sprang er, leichenblaß vor Freude, auf und rief:
»Ich hab's!« – »Ist's möglich?« fragte Donnerpfeil. – »Ja. Hier ist der Eingang, ich habe es gefühlt.« – »Wo? Wo? Rasch! Rasch!« – »Man muß diesen Mittelstein nach innen schieben.«
Sofort kniete Donnerpfeil nieder und schob aus Leibeskräften. Der Stein wich nach innen, und es waren die steinernen Rollen zu sehen, auf denen er lief.
»O mein Gott, dir sei Dank!« rief Donnerpfeil, indem er auf den Knien liegenblieb, halb betend und halb vor Freude überwältigt.
Sternau blickte in die Öffnung. »Hier steht eine Laterne, es müssen mehrere hier gestanden haben«, sagte er. – »Eine Flasche voll Öl ist da.« – »Schnell anbrennen, und dann hinein!«
Bei diesen Worten sprang Donnerpfeil auf und steckte die Laterne in Brand. Dann schritt er eiligst vorwärts, ohne in seinem Eifer darauf zu achten, ob ihm jemand folge oder nicht. Sie waren aber alle drei hinter ihm her, Sternau, Büffelstirn und Bärenherz; ganz zuletzt kam auch der Vaquero Francesco.
Es ging den langen Gang hinter, aber dann stand man vor einer Tür. Sternau hielt hier den Plan an die Laterne und betrachtete ihn.
»Türen sind hier nicht verzeichnet«, sagte er. »Ist ein Schloß daran?« – »Nein«, antwortete Donnerpfeil, »doch sie ist fest zu.« – »So befindet sich entweder auf der inneren Seite ein Riegel, oder es gibt irgendeine geheime Mechanik daran. Wir können uns nicht damit aufhalten, diese Mechanik zu entdecken. Wir haben Pulver genug, sprengen wir also die Tür auf. Macht mit den Messern einige Sprenglöcher zwischen die Mauer und das Türgewände. Die Mauer ist aus Backsteinen und weich. Ich gehe und hole das Pulver.«
Die anderen machten sich sofort an die Arbeit, und als Sternau zurückkehrte, waren sie bereits fertig. Die Löcher wurden gefüllt, mit einer Lunte versehen, die man aus einigen Faden zusammendrehte und mit Pulver einrieb. Jetzt brannte man die Lunten an und eilte zum Ausgang zurück.
Es dauerte eine kleine Weile, dann hörte man es schnell hintereinander viermal krachen, und schon wollten sich die fünf wieder nach dem Innern begeben, als Grizzlytöter herbeikam. Man sah es seinem eiligen Lauf an, daß er etwas Wichtiges zu verkünden habe.
»Was bringt uns mein Bruder?« fragte Bärenherz. – »Die Hunde der Komantschen kommen durch den Wald, an dem wir gestern vorüberritten.« – »Wer hat diese Kunde gebracht?« – »Der Rote Hirsch.« – »So wollen wir ihn zunächst hören. Hole ihn!«
Der Apache, der den Namen Roter Hirsch trug, kam herbei. Er war einer von denen, die auf Kundschaft ausgesandt worden waren.
»Mein Bruder sage uns, was er gesehen hat!« gebot Bärenherz. – »Ich ging den Weg zurück, den wir gekommen sind«, sagte der Kundschafter. »Die beiden Komantschen, deren einen wir töteten, hatten uns gesehen, und das konnte nur im Wald geschehen sein. Ich ging also an dem Rand desselben entlang und fand eine ganz neue Fährte, die hineinführte; ich untersuchte sie und erkannte die Fährte eines Indianers, die von der Hazienda kam.« – »Es war jedenfalls der Komantsche, der auf der Hazienda übernachtete; er wird seine Gefährten geholt und ihnen auch gesagt haben, daß wir hier sind«, sagte Sternau. »Der Rote Hirsch mag weiter berichten.« – »Ich verfolgte die Fährte«, fuhr dieser fort. »Sie führte gerade in den Wald hinein. Ich kam nur langsam vorwärts, da ich meine eigene Spur immer verwischen mußte. Da hörte ich das Krächzen mehrerer Raben. Sie waren von jemand, der im Wald ging, aufgescheucht worden; darum verbarg ich mich schnell in ein Dickicht und wartete. Es dauerte nun gar nicht lange, so kamen die Hunde der Komantschen an mir vorüber. Es war ein großer Stamm, denn ich zählte viermal zehnmal zehn Krieger, und es waren drei Häuptlinge dabei.« – »Kanntest du diese?« fragte Bärenherz. – »Nein.« – »Wohin gingen sie?« – »Als der letzte vorüber war, folgte ich ihnen. Sie gingen bis an den Rand des Waldes. Dort erzählte ihnen der Spion, daß wir hier sind, und alles, was geschehen ist. Darauf hielten sie eine kurze Beratung und gingen zur Hazienda.« – »So werden wir sie bald zu sehen bekommen.« – »Vielleicht erst heute nacht«, meinte Donnerpfeil. – »Nein. Sie werden uns einschließen, damit uns jede Verbindung abgeschnitten wird«, versetzte Sternau. »Dann aber greifen sie uns des Nachts an. Haltet gut Wache, und wenn etwas Wichtiges passiert, so kommt uns in diese Höhle nach und sagt es uns.«
Damit war der Kundschafter entlassen; die anderen aber drangen wieder in den Gang hinein.
Als sie die Stelle erreichten, wo sich die Tür befunden hatte, lag diese am Boden. Sie war samt dem Gewande aus der Mauer gerissen worden. Sie wurde aus dem Mauerblock hervorgezogen und untersucht. Es war nichts zu sehen als oben und unten ein viereckiges Loch. Man untersuchte darauf den Boden an der Stelle, wo sie befestigt gewesen war, und ebenso die Decke; da fand man oben und unten einen eisernen Zahn, der in das Loch eingegriffen hatte; aber dieser Zahn war fest und unbeweglich, und man konnte die Mechanik nicht entdecken, mittels welcher er vor- und zurückgeschoben wurde.
»Es wird uns nichts anderes übrigbleiben, als alle Türen aufzusprengen«, sagte Sternau. »Ich werde wieder Pulver holen. Zunächst aber wollen wir weitersehen.«
Sie hatten eine bedeutende Strecke zu gehen, ehe sie wieder an eine Tür kamen, die sich an der rechten Mauer befand, während der Gang weiterführte. Da nahm Sternau den Plan abermals vor und sah nach.
»Was sucht mein Bruder?« fragte Bärenherz. – »Ich suche den Ort, an dem sich die Gefangenen befinden. Jedenfalls sind sie in der Mitte der Pyramide, in der Nähe des Brunnens, denn dort sind sie am sichersten. Bis zum Brunnen haben wir noch fünf Türen. Diese hier muß aufgesprengt werden, denn dem Gang folgen wir nicht weiter.«
Wieder machten sich die anderen daran, Sprenglöcher zu bohren, und als Sternau mit Pulver zurückkehrte, wurden dieselben geladen. Man kehrte darauf in eine genügende Entfernung zurück, und als die Knalle erfolgt waren, fand man ganz dasselbe Ergebnis wie vorher. Auch hier sahen sie oben und unten die eisernen Zähne aus dem Gestein hervorragen, ohne daß man ihre Mechanik entdecken konnte. Der Mann, der diese Vorrichtung erfunden hatte, war jedenfalls ein kluger Mann gewesen.
Man drang nun nach Sternaus Anweisung weiter vor. Dieser hatte außer dem Pulver jetzt auch eine Hacke und einen eisernen Hebebaum mitgebracht. Bei der nächsten Tür wurden diese beiden Instrumente versucht, aber sie erwiesen sich als nicht zulänglich. Es mußte wieder das Pulver zu Hilfe genommen werden. Diese Tür hatte von zwei Seiten schwere Riegel; man mußte mehr Pulver als bisher verwenden. Das gab einen fürchterlichen Knall, so daß der ganze Bau zu beben schien. Als man zu der gesprengten Tür kam, war so viel Mauer und Decke mit fortgerissen, daß man nicht weiter vorwärts konnte. Man mußte zunächst den Schutt forträumen und auch die Decke stützen. Dies gab, da es an geeignetem Material dazu fehlte, eine bedeutende Arbeit, worüber mehrere Stunden vergingen.
Noch während man damit beschäftigt war, kam ein Bote und rief die Häuptlinge nach außen. Sie sagten sich, daß das Wohl und Wehe, ja das Leben der Eingesperrten an einem einzigen Augenblick hänge, aber da draußen standen zweihundert Apachen, deren Schicksal ihnen anvertraut war, und so mußten sie dem Ruf folgen.
Als sie vor der Pyramide anlangten, sahen sie, daß die Komantschen einen weiten Ring um dieselbe gezogen hatten und sie eingeschlossen waren. Eine Zählung der Feinde ergab, daß es nicht viel über hundert waren. Aber alle hatten Pferde.
»Sie haben sich mit den Pferden, die zur Hacienda Verdoja gehören, beritten gemacht«, sagte Sternau. »Die anderen streifen noch weiter, um Pferde zu finden. Sie werden den Kampf nicht eher beginnen, als bis sie alle Tiere besitzen. Wir sind also jetzt noch sicher und können an unser Werk zurückkehren.«
Es darf nicht Wunder nehmen, daß sich hundert Indianer auf einer einzigen Hazienda beritten machen, es gibt Hazienderos, die viele tausend Stück halbwilder Pferde auf den freien Weiden haben. Existieren doch auch in den ungarischen Pusten und in den Steppen Rußlands Pferdeherden von mehreren tausend Stück.