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Sechsundvierzigstes Kapitel.

– Denn solche Feinde
Darf man nicht ehrlich zu bekämpfen suchen
Banditenmäßig werden sie mit Dolchen
Euch heimbezahlen euren Edelmuth.

Anon.

 

Die Passatwinde hatten ihre größte Stärke bereits verloren und Kapitän M. durchsegelte, den erhaltenen Befehlen zufolge, die Bai von Bengalen nach der Meerenge von Sumatra hin, wo er auf feindliche Kaper zu treffen hoffte, die ihre Wasservorräthe dort einzunehmen pflegten. Nach einem sechswöchentlichen erfolglosen Kreuzen stießen sie auf ein bewaffnetes englisches Fahrzeug, von dem man erfuhr, daß es von einem großen Kaper verfolgt worden und ihm nur mit Mühe entgangen sei. Es machte Kapitän M. auch mit dem Hafen bekannt, aus dem derselbe zu seiner Verfolgung ausgelaufen und wohin er höchst wahrscheinlich wieder zurückgekehrt sei.

Kapitän M. wünschte natürlich nichts so sehr, als das Meer von jenen grausamen Freibeutern zu säubern, welche Niemand, der das Unglück hatte, in ihre Hände zu fallen, Gnade erzeigten, und beschloß daher, den Kaper aufzusuchen. Nachdem er eine Woche lang an den verschiedenen Inselchen, womit die See in dieser Gegend bedeckt ist, ohne Erfolg gekreuzt hatte, entdeckte man den Kaper eines Morgens vom Mastkorbe aus auf der Windseite des Schiffes, und sah, wie er mit beigesetzten Segeln auf die Fregatte zuruderte, um zu erforschen, ob es ein Fahrzeug wäre, das er angreifen könnte.

Die Aspasia wurde so viel als möglich unscheinbar gemacht, was die Seeräuber verleitete, sich auf zwei Meilen zu nähern. Als sie nun ihren Irrthum wahrnahmen, zogen sie die Segel ein, wendeten den Kiel ihres Schiffes auf die entgegengesetzte Seite und steuerten von der Fregatte hinweg gerade gegen den Wind. Die Kühlte war frisch und die Aspasia setzte ihre sämmtlichen Segel bei, um den Kaper einzuholen; aber obwohl man ihm gegen Abend noch nicht näher gekommen war, konnte man ihn doch, da der Mond sehr glänzend schien, die ganze Nacht durch im Gesichte behalten. Früh am Morgen segelte der Kaper, da seine Mannschaft wahrscheinlich durch die fortgesetzten Anstrengungen erschöpft war, nach einigen der im Wetterbug der Aspasia liegenden kleinen Inseln, und ging in einer Bucht zwischen den Felsen vor Anker, wo ihm die Geschütze der Fregatte nicht beikommen konnten.

Kapitän M. glaubte den Kaper um jeden Preis vernichten zu müssen. Er ließ also die Boote ausrüsten, übertrug das Kommando dem ersten Lieutenant und gab diesem die bestimmtesten Instruktionen, wie gegen so treulose und grausame Feinde zu verfahren sei. Das Launsch wurde gerade damals reparirt und war daher unbrauchbar; allein die Barke, die Pinnasse und beide Kutter waren vollkommen dienstfähig. Courtenay führte als zweiter Kommandant die Pinnasse; Seymour befehligte einen Kutter und auf sein besonderes Gesuch hatte man Prose die Führung des andern anvertraut.

»Nun, ich muß sagen, ich möchte doch mit,« bemerkte Prose, sobald er hörte, daß der Kaper herausgehauen werden sollte.

»Das sollen Sie auch, Prose,« erwiederte Seymour; »Sie waren noch nie bei einem Gefechte.«

»Nein – und Sie und ich sind die beiden einzigen bestandenen Midshipmen aus dem Schiffe.« (Seymour und Prose hatten nämlich, während die Aspasia zu Bombay lag, ihr Examen gemacht.) »Ich dächte, mir käme von Rechtswegen eines der Boote zu.«

So dachte auch der erste Lieutenant, als er sein Gesuch vorbrachte und demgemäß das Kommando erhielt.

Die Boote ruderten ab, sobald die Leute ihr Frühstück eingenommen hatten, und waren in weniger als einer Stunde ganz in der Nähe des Kapers, der, wie sie bald sahen, einer der größten war. Eine Kartätschenladung aus einer der beiden langen, aus dem Vordertheile des feindlichen Schiffes befindlichen Kanonen wurde auf die Boote abgefeuert, jedoch ohne Schaden anzurichten. Eine zweite Ladung war verderblicher, indem sie drei von den Leuten in Prose's Boot blutend unter die Dosten warf und die Ruder, welche sie noch im Fallen festgehalten hatten, dadurch hoch in die Luft geschleudert wurden.

»Hollah, geht's an's Krabbenfangen?« rief Prose.

»Man hat noch Schlimmeres, als Krabben gefangen,« erwiederte der Beischiffsführer. »Wilson, bist du schwer verwundet?«

»Die Schurken haben mir das Tageslicht hereingelassen, fürchte ich,« antwortete der Matrose mit matter Stimme.

»Nun, ich muß sagen, es ist mir gar nicht eingefallen, daß die armen Burschen verwundet sind. Beischiffsführer, nehmen Sie eines der Ruder und ich will das Boot steuern, sonst werden wir dem Feinde nie an die Seite kommen. Mr. Jolly, könnt Ihr nicht rudern?«

»Ja, Sir, wenn es sein muß,« antwortete der Seesoldat, an den sich Prose gewendet hatte, legte seine Muskete auf die Sternschoten und ergriff eines der daliegenden Ruder.

»Nun wacker angezogen!«

Aber die durch diesen Unfall veranlaßte Zögerung machte, daß der Kutter um Vieles hinter den andern Booten zurückblieb, welche, unbekümmert um diesen, an den Kaper herangekommen waren und ihn geentert hatten. Der Kampf dauerte nicht lange, da die Engländer weit überlegen waren und man ohne viele Schwierigkeit in ein Fahrzeug mit so niedrigem Bord kommen konnte. Als Prose mit dem Kutter herbeikam, waren die Seeräuber entweder getödtet oder hinuntergetrieben. Mit gezogenem Dolche sprang Prose auf die Brüstung und von dort aus auf das Verdeck, das nicht wie bei andern Schiffen aus Dielen, sondern aus langen, von vorn nach hinten laufenden Bambusstöcken bestand, welche mit Palmried unter sich verbunden waren. Als nun Prose auf das etwas gewölbte, überdies vom Blute schlüpfrige Verdeck hinuntersprang, glitt er aus und kam in eine sitzende Stellung.

»Ein Kapitalsprung, Mr. Prose;« rief Courtenay; »allein Sie sind zu spät gekommen, um Ihr Blut für das Vaterland zu vergießen – verdammt ärgerlich, nicht wahr?«

»O Gott! – o Gott! – ich muß sagen – o – o – o –!« schrie Prose, indem er den Versuch machte, auf die Beine zu kommen und von Neuem wieder hinfiel.

»Um's Himmelswillen, was gibt's Prose?« rief Seymour, ihm zu Hülfe eilend.

»O Gott! – o Gott! – noch eins' – oh! –« schrie Prose und versuchte sich zu erheben. Seymour richtete ihn auf und fragte abermals, was ihm sei? Prose konnte nicht sprechen – er zeigte mit der Hand nach hinten und ließ den Kopf auf Seymours Schulter sinken.

»Es ist verwundet, Sir,« bemerkte einer von den Leuten, der zu Seymour herangekommen war und ihm das Blut zeigte, welches wie ein kleiner Bach aus Prose's Beinkleidern rann. »Schnell, Mr. Seymour, machen Sie sich auf die Brüstung oder sie werden Ihnen auch Eins versetzen.«

Die Sache verhielt sich so. Da das Verdeck, wie bereits gesagt wurde, aus Bambusstöcken bestand, hatte einer der unten befindlichen Seeräuber seinen Dolch durch eine Fuge Prose in das Dickfleisch gestoßen, als derselbe auf dem Verdecke in eine sitzende Stellung kam, und den Stoß wiederholt, da der Verwundete nicht mehr auf die Beine kommen konnte.

Jetzt erhielt einer der Matrosen, der sich nicht mit Schuhen versehen hatte, eine schwere Wunde in den Fuß, und nachdem Prose in eines der Boote gebracht war, wurde über die geeignetsten, gegen das feindliche Schiff zu ergreifenden Maßregeln berathschlagt.

Alle stimmten darin überein, daß es gegen alle Klugheit wäre, die im Raume befindlichen verzweifelten Leute anzugreifen, da sie mit ihren Dolchen gegen die Säbel der Matrosen bedeutend im Vortheile gewesen sein würden, und da man nicht hoffen durfte, sie auf das Verdeck heraufzubringen, so wurde beschlossen, die Kabeltaue zu kappen und das Schiff an die Fregatte heran zu bugsiren, wo es alsdann mit einer einzigen vollen Lage in den Grund gebohrt werden konnte.

Die Kabeltaue wurden gekappt und einige Matrosen empfingen den Befehl, an Bord zu bleiben, um vor den Luken Wache zu stehen. Kaum hatten die Boote den Kaper in's Schlepptau genommen, als man zum größten Erstaunen Aller dicke Rauchsäulen und Flammen nach jeder Richtung aus demselben hervorbrechen und Alles an Bord mit unglaublicher Schnelligkeit ergreifen sah. Von dem Verdecke stieg das Feuer in's Takelwerk, von da ergriff es die Masten und Segel, und ehe noch die Boote zu Hülfe kommen und die an Bord des Kapers zurückgebliebenen Leute aufnehmen konnten, mußten sich dieselben in das Meer stürzen, um dem Alles vernichtenden Elemente zu entgehen. Die Seeräuber hatten ihr Schiff selbst in Brand gesteckt. Die meisten von ihnen blieben unten und erstickten mit störrischem Gleichmuthe; einige wenige sah man durch den Rauch sich über Bord stürzen, um einen minder qualvollen Tob zu finden. Die Boote hielten die Ruder an und sahen dem Schauspiele mit stummer Verwunderung zu.

»Verzweifelnd und zum Aeußersten entschlossen,« bemerkte der erste Lieutenant. Nach wenigen Minuten füllte sich der nur leicht gebaute Kaper mit Wasser und ging unter. Die letzte durch das Wasser von ihm getrennte Rauchsäule wirbelte in die Luft und man sah nichts mehr, als einige verkohlte Bambusstöcke, die auf dem Wasser herumschwammen. Wenige Minuten, nachdem das Fahrzeug untergesunken war, tauchte einer der Seeräuber wieder auf.

»Da ist noch ein Mann am Leben,« bemerkte Courtenay, wir wollen ihn zu retten suchen.«

Mit einigen Ruderschlägen fuhr eines der Boote auf ihn zu, kam aber etwas zu weit vor, so daß der Seeräuber sich dicht am Hintertheile des Bootes befand. Courtenay lehnte sich über das Dolbord, um ihn heraufzuziehen. Der Verruchte aber packte ihn mit der Linken beim Kragen und stieß ihm mit der Rechten den Dolch in die Brust. Dann versank er unter dem Spiegel der Pinnasse mit einem halb trotzigen, halb höhnischen Blicke und wurde nicht mehr gesehen.

»Undankbare Viver,« murmelte Courtenay, indem er seinen Leuten in die Arme sank.

Die Boote eilten nach der Fregatte zurück. Außer den bereits Erwähnten waren nur wenige verwundet worden; aber Courtenay und Prose um so gefährlicher. Die Seeräuber hatten vorher ihre Dolche in Ananassaft getaucht, der, wenn er noch frisch ist, für ein tödtliches Gift gehalten wird.

Die Aspasia ging bald nachher auf der Rhede von Madras vor Anker, und es wurde zur Wiedergenesung beider Offiziere für nöthig gehalten, sie nach einem gesünderen Klima zu senden. Courtenay und Prose waren dienstunfähig und kehrten auf einem Ostindienfahrer nach England zurück; allein es verflossen mehrere Monate, bis sie wieder genasen.

Kapitän M. übertrug Seymour die Dienste eines Lieutenants und sprach, als er wieder mit dem Admirale zusammentraf, so zu seinen Gunsten, daß dieser die Uebertragung bestätigte, und unser Held jetzt als dritter Lieutenant des königlichen Schiffes Aspasia das Halbdeck beschreiten durfte.

Wenn der Leser unterdessen Ostindiens noch nicht überdrüssig ist, so bin ich es wenigstens. Alle Begebenheiten zu beichten, läge außer dem Plane dieses Werkes; ich will daher nur noch hinzufügen, daß M.– nach drei Jahren jenes Land verließ, wo er an Ruhm viel gewonnen, aber hinsichtlich seiner Gesundheit noch mehr verloren hatte. Wenn wir wieder auf die Fregatte zurück kommen, wird sie schon einen bedeutenden Theil ihrer Heimreise hinter sich haben.


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