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Dreiundvierzigstes Kapitel.

Der ungelenke Elephant bewegte
Den Rüssel munter zum Ergötzen Aller.

Milton.

 

Kapitän M. hielt sich nur wenige Tage zu Kalkutta auf. Die Gesellschaft schien ihm von der in England nicht sehr verschieden, ausgenommen etwa, daß die Herren mehr Gastfreundschaft an den Tag legten und die Damen mehr Bier tranken. Doch ich mache eine Abschweifung, trotz des am Schlusse des vorhergehenden Kapitels gegebenen Versprechens, und will daher abbrechen, bevor ich mir eine Uebertretung meines gegebenen Wortes zu Schulden kommen lasse.

Die Aspasia hatte den Befehl, sich mit dem Admiral zu vereinigen, der die Bai von Bengalen verlassen und nach Bombay gesteuert war, um dem Passatwinde zu entgehen, der sich bald erheben mußte. Da er nun Eile hatte, so berührte Kapitän M. Madras gar nicht, sondern trachtete so schnell als möglich die ruhige Seite der Halbinsel zu erreichen. Der General-Gouverneur hatte ihn ersucht, bei Travancore anzusegeln, und der Regentin, die unserer Regierung tributpflichtig war, einen Brief und Geschenke zu überbringen.

Die Aspasia ging bei der Stadt vor Anker, und bald darauf erschien ein Minister der Königin, ein ehrwürdiger Muselmann, der eine Bootsladung Komplimente und Gemüse brachte. In seinem Gefolge befanden sich noch zwei Personen, darunter ein Dolmetscher, jedoch ein sehr mittelmäßiger, war. Kapitän M., der so bald als möglich zu dem Admiral stoßen wollte, entschuldigte sich mit Unwohlsein, weßwegen er das Geschenk und den Brief nicht persönlich überbringen könne, und bat daher den Abgeordneten, Beides in Empfang zu nehmen, indem, wie er sagte, seine Dienste anderswo nöthig wären. Zugleich bat er, daß man so bald als möglich eine Antwort auf den Brief an Bord schicken möchte. Dies mußte der Dolmetscher dem Abgeordneten auseinandersetzen und Kapitän M. fragte alsdann, wie lange es wohl anstehen könnte, bis er Antwort erhielte. Man sagte ihm, etwa in acht bis zehn Tagen.

»Fragt ihn,« sagte der Kapitän mißmuthig, »ob ich sie nicht schon morgen erhalten kann, da ich eilends abfahren muß.«

Nachdem der Dolmetscher und der Abgesandte, welcher eine unerschütterlich ernste Miene machte, einige Worte gewechselt hatten, erwiederte der erstere dem Kapitän:

»Er sagt nein, Sir; kleine Leute, wie Ihr und ich, schreiben Briefe sehr schnell, Alles in Einer Minute. Große Leute, wie König und Königin nicht brauchen zu einem Briefe weniger, als eine Woche, oder zehn Tage. Nicht Mode in diesem Lande, Sir.«

Nachdem man nun die Geschenke in das Boot gebracht hatte, und der Brief auf einem silbernen Präsentirteller übergeben war, machte der Abgeordnete seinen Salam und entfernte sich. Kapitän M., der wohl wußte, daß alles Drängen auf größere Eile vergeblich wäre, machte keine weitere Einwendung. Am nächsten Morgen erschien derselbe gravitätische Minister, in Begleitung des Dolmetschers und seines Gefolges, und überreichte dem Kapitän ein Geschenk nebst vielen Komplimenten von seiner Königlichen Gebieterin. Während das Geschenk übergeben und die Botschaft verdolmetscht wurde, brachten die Eingebornen, die sein Boot gerudert hatten, einen großen schwarzen Affen mit einem langen weißen Barte, der ihm über Kinn und Schultern herabhing.

Das Thier, welches mit der Veränderung seiner Lage nicht sehr zufrieden schien und noch überdies sehr bösartig war, sprang an seinem Stricke rings herum und haschte mit den Pfoten und Zähnen, deren es ohne Weiteres sich bediente, nach den Beinkleidern der Matrosen.

»Königin sagt, Sar – viele Komplimente, und sagt Ihnen, Affe aus sehr hoher Kaste – ja, sehr hoher Kaste, Sar – sehr schönes Geschenk, Sar.«

»Es mag sein,« bemerkte Kapitän M. gegen den ersten Lieutenant; »aber ich wünschte, sie hätte sich die Mühe erspart. Zurück geben darf ich die Bestie nicht; was sollen wir nun mit ihr anfangen?«

»Die Leute werden eine Unterhaltung dadurch haben; der Kerl scheint ganz vom Teufel besessen zu sein.«

»O!« schrie Prose, »ich muß sagen, er hat mir ein Stück aus meinen Beinen gebissen. Hohe Kaste, wahrhaftig. Ich hätte gute Lust, ihn hoch über Bord zu werfen Ein im Deutschen unübersetzbares Wortspiel, indem high cast eine Kaste und einen hohen Wurf bedeutet.

»Das ist in der That nicht übel gesagt, Prose,« bemerkte Seymour; »Jerry hatte ganz Recht, wenn er behauptete, daß Sie voll Witz stecken; nur müsse man kräftige Mittel anwenden, um ihn heraus zu locken.«

»Königin sagt, Sar, Brief schreiben in fünf bis sechs Tagen und sagt, wenn Kapitän Saib und Offiziere an's Land kommen, sie befehlen werde, Jedermann Tiger jagen solle. Königin sagt, alle Anordnungen zu treffen. Schöne Tigerjagd, Sar.«

Da Kapitän M. überzeugt war, daß er geduldig die genannte Zeit abwarten müsse, so machte er keine Einwendungen gegen den Aufschub. Er selbst wollte von dem Anerbieten keinen Gebrauch machen, sondern bat die Offiziere, sie möchten die Einladung nur annehmen, da es eine Artigkeit sein sollte, die man nicht wohl zurückweisen könne. Eine große Gesellschaft versammelte sich und ging am folgenden Tage, mit Jagdflinten und Pistolen versehen, in Begleitung des Abgeordneten und seines Gefolges unweit der Stadt an's Land, wo sie von einigen Tomtoms und mehreren hundert Zuschauern empfangen wurden. Bei ihrer Ankunft in einem für sie bestimmten Hause fanden sie ein glänzendes Frühstück bereit, dem sie volle Gerechtigkeit widerfahren ließen.

Abermals wurden jetzt die Talente des Dolmetschers in Anspruch genommen, der Ihnen den Grund angeben mußte, warum Ihre Majestät sie nicht selbst empfangen könnte. Er erklärte dies dadurch, daß er die Hände kreuzweis über seinen Bauch legte, wodurch er ihnen andeuten wollte, daß die Königin in dieser Gegend nicht wohl wäre.

Die Gesellschaft verlangte keine weitere Auseinandersetzung. Sie bezeugte ihr Bedauern und erklärte sich nach Beendigung des Frühstücks zum Aufbruche bereit.

»Wild noch nicht komm! Sar – Wild komm erst morgen.«

»Nun, so müssen wir zu ihm gehen,« erwiederte Courtenay.«

»Ah, Gentleman nicht versteht zu jagen in diesem Lande,« fuhr der Dolmetscher fort, der endlich nicht ohne Schwierigkeit der Gesellschaft begreiflich machte, wie gegen viertausend Mann aufgeboten seien, das Wild ganz nahe vor die Stadt hinzutreiben, und wie, um eine gehörige Anzahl Thiere zu bekommen, ein so weiter Kreis genommen wäre, daß sie erst am nächsten Morgen in die Nähe kommen würden. Er fügte hinzu, daß sie vielleicht die Stelle sehen möchten, wohin das Wild zusammen getrieben werden sollte und wo die Pferde und Elephanten in Bereitschaft ständen; auch habe man dafür gesorgt, daß sich an jedem Orte, wo sie abzusteigen wünschten, Erfrischungen fänden.

Macallan, der sich mit Hämmern und anderen Geräthen, die zu seinen Lieblingsstudien, der Mineralogie und Geologie, erforderlich waren, versehen hatte, war mit dem Aufschube gar nicht unzufrieden; eben so wenig die übrige Gesellschaft, die einen recht angenehmen Ausflug erwartete. Bevor sie ausbrachen, wurden sie von verschiedenen Jongleurs mit allen möglichen Künsten unterhalten, von welchen man, wenn sie in England aufgeführt worden wären, behauptet haben würde, daß sie die des berühmten Raum Samy und seiner Gesellschaft weit überträfen. Unter anderen erregten die majestätischen Bewegungen der tanzenden Schlangen Macallans Aufmerksamkeit in hohem Grade, und er äußerte gegen den Dolmetscher den Wunsch, ein Exemplar davon, und zwar die berüchtigte Brillenschlange mit unausgezogenen Giftzähnen zu besitzen. Als der Dolmetscher einige Worte mit dem Abgesandten gewechselt hatte, erwiederte er dem Doktor mit seiner gewöhnlichen Höflichkeit, alle Schlangen im Lande ständen dem Herrn zu Dienste, nur solle er sich vor ihren Bissen hüten, denn es seien Schlangen von sehr hoher Kaste.

»Warum legen sie den Thieren dieses Landes eine hohe Kaste bei?« fragte Seymour Macallan. »Ich glaubte, nur die Braminen und Rajaputs hätten eine solche Auszeichnung.«

»Auch die Affen und Schlangen werden von dem Volk indirekt verehrt,« erwiederte der Doktor, »da ihre vermeinten Gottheiten, wie sie glauben, unter der Gestalt dieser Thiere erschienen sind. Je schädlicher oder giftiger sie sind, in desto höherem Range stehen sie. Die Brillenschlange ist, so viel ich weiß, die giftigste von allen.«

»Ich muß sagen, daß der Affe seinem Range Ehre macht,« bemerkte Prose. »Ich kann in der That kaum gehen.«

»Nun, aber Sie können doch reiten, Prose; hier stehen Pferde.«

Die Pferde nebst drei Elephanten, von denen Zwei Howdah's auf dem Rücken trugen, während auf dem Dritten ein großes Zelt befestigt war, wurden jetzt in Parade vor der Thüre aufgestellt; jedes Pferd hatte seinen Syce oder Wärter bei sich, der es niemals verließ, sondern mit einem aus Roßhaaren verfertigten Wedel die Fliegen von ihm wegscheuchte. Es waren herrliche, aber sehr lebhafte Thiere, so daß einige Mitglieder der Gesellschaft fürchteten, sich nicht im Sattel halten zu können.

Prose, der noch nicht zweimal in seinem Leben den Rücken eines Pferdes bestiegen hatte, war in großer Angst. Er sah bald die Pferde an, welche immer stampften und von ihrem Wärter kaum gezügelt werden konnten, bald die Elephanten, deren ungeheure Größe, die beständig bewegten Rüssel, ihre Fangzähne und kleine, stechende Augen ihm gleichfalls Furcht einjagten.

»Ich muß sagen,« bemerkte Prose, der jetzt mit Absicht besonders stark hinkte, »mein Fuß thut mir sehr weh. Ich glaube –«

»Nur her, Mr. Prose – nicht lange gezögert, das Bein hat nichts zu sagen,« rief Courtenay, der, so wie Seymour, einen muthigen Araber bestiegen hatte; »wählen Sie jetzt – aber gehen müssen Sie.«

»Nun dann, wenn ich muß; wozu würden Sie mir wohl rathen?«

»Nehmen Sie ein Pferd,« sagte Seymour lachend; »von zwei Nebeln muß man stets das kleinste wählen.«

»Nein, wählen Sie lieber einen Elephanten, Mr. Prose,« sagte Courtenay; »er ist zwar noch so groß, wird Ihnen aber weniger zu thun machen?«

»Wie soll ich aber auf seinen Rücken hinauf gelangen?«

»O, er wird Sie auf den Rüssel nehmen und selbst hinaufsetzen.«

»Nein, das nicht,« rief Prose, indem er einige Schritte zurück trat; »sagen Sie mir, Herr Dolmetscher, wie kann ich auf dieses große Thier hinaufkommen?«

»Nach Belieben, Sar. Wollen Sie vornen hinauf, so hebt er sein Bein auf, damit Sie an demselben hinaufklimmen können. Wollen Sie hinten hinaus, so hat er auch nichts dagegen. Wollen Sie in der Mitte hinauf, so nehmen Sie eine Leiter.«

»Nun gut, Herr Dolmetscher, haben Sie doch die Güte, mir eine Leiter zu verschaffen.«

Man brachte eine Leiter. Prose und Macallan mit seinen Geräthschaften stiegen in die, auf dem Rücken des gewaltigen Thieres befestigten Howdah. Als Alles bereit war, brachen sie auf, nach Leitung des Abgeordneten, des Dolmetschers und mehrerer anderen schön gekleideten Eingeborenen, welche zur Ehre der Offiziere die Jagd mitmachen mußten.

Das Land war, gleich den meisten nahe an der Küste befindlichen Gegenden Ostindiens, ein überschwemmtes Paddy oder Reisfeld, auf dem hie und da Gebüsche und Gruppen hoher Bäume abwechselten. Bisweilen hatten sie tiefe Pfützen zu passiren, in welchen Büffel lagen, von denen man nur die Hörner und Nasenspitzen sehen konnte: so tief hatten sie ihre gewaltigen Leiber in das schlammige Wasser versenkt, um sich vor den Stichen der Musquitos und den glühenden Sonnenstrahlen zu schützen.

»Sehen Sie dort die Büffel, Prose?«

»Wo, Seymour? Ich sehen keine, ich habe noch nie einen Büffel gesehen; nicht wahr, sie sehen wie Ochsen aus?«

»Nein, wie Wallfische,« erwiederte Courtenay.

In diesem Augenblicke erhob sich, aufgeschreckt durch die Annäherung des Zuges, ein Büffel aus der schlammigen Pfütze und zeigte Prose's verwunderten Augen seinen mächtigen mit Schmutz bedeckten Leib.

»Herr Jesus, was ist das für ein Fisch!« rief Courtenay mit scheinbarer Verwunderung aus, indem er auf einen alten, abgedroschenen Matrosenwitz anspielte.

»Ei, ist das ein Fisch?« rief Prose, etwas bestürzt. »Das muß ich sagen. He! Herr Dolmetscher, was ist denn das für ein Ding?«

»Das nennt man einen Büffel, Sar.«

»Nun, ich muß sagen, ich war immer der Meinung, die Büffel seien Landthiere.«

»Es geht nichts über das Reisen,« bemerkte Courtenay. »Sie werden in Zukunft also einen Büffel kennen, wenn Sie einmal auf den Vorputtingen stehen und einen herausnageln.«

»Und auch an einen Affen aus hoher Kaste werden Sie denken, wenn Sie wieder einem begegnen,« fügte Seymour hinzu.

»Ja, mein ganzes Leben lang.«

Je weiter sie in's Land hinein kamen, desto verschiedener wurde der Charakter der Gegend. Es ging immer aufwärts; jedoch nur sachte. Sie erblickten nur Wälder mit hohen Bäumen und Felsenstücken, anstatt der Paddyfelder, die sie hinter sich gelassen hatten. Macallan wollte jetzt absteigen, um geologische Produkte zu sammeln. Er setzte dem Dolmetscher seinen Wunsch auseinander und bat, man möchte den Elephanten anhalten.

»Bedarf der Herr Steine, Elephant sie gibt,« erwiederte der Dolmetscher; »nicht nöthig, daß Saib herunter steigt.« Er machte hierauf den Elephantenführer mit dem Wunsche des Doktors bekannt, was unter den Eingebornen ein lautes Gelächter veranlaßte, da sie nicht begreifen konnten, wozu der Doktor Steine brauche. Der Dolmetscher fuhr fort: »Nun, Sar, zeigen Sie auf jeden Stein hin, den Sie bedürfen.«

Der Doktor that es, und der Cornac sprach mit dem Elephanten, worauf das kluge Thier mit dem Rüssel augenblicklich den bezeichneten Stein seinem Führer darreichte, der ihn alsdann Macallan übergab.

Länger als eine Stunde beschäftigte sich der Doktor mit dem Zerschlagen und Untersuchen der verschiedenen Steine, bis er an einer einzelnen Steinmasse vorbeikam, die so in der Sonne glänzte, daß er begierig wurde, ein Exemplar davon zu erhalten. Es war ein beträchtlicher Felsen, etwa so groß als sechs Elephanten, und der Doktor zeigte darauf hin.

»Ah, Sar,« rief der Dolmetscher, »Elephant ein sehr stark Thier, aber nicht aufhebt diesen.«

»Das weiß ich wohl; aber ich muß absteigen und den Felsen untersuchen,« erwiederte Macallan ernsthaft, der ganz in seine wissenschaftlichen Forschungen vertieft war.

Der Elephant hielt an und der Doktor, ohne an die Höhe desselben zu denken, versuchte, an seiner Seite herunter zu gleiten. Er kam nun freilich auf den Boden, aber gerade nicht mit den Füßen, zum großen Ergötzen der Gesellschaft. Unbekümmert um Kleinigkeiten, wenn es die Wissenschaft galt, bat er Prose, ihm seinen Sack mit den Gerätschaften herunter zu werfen. Dann ging er auf den Gegenstand seiner Forschungen zu, und dieser erschien ihm so interessant, daß er die Anderen bat, ihren Zug nur fortzusetzen und ihn bis zu ihrer Rückkehr hier zu lassen.

»Ah, Massa wollen an diesem Platze bleiben?« sagte der Dolmetscher.

»Ja,« erwiederte der Doktor.

»Haben Sie wirklich die Absicht, hier zu bleiben?« fragte Courtenay.

»Ja wohl; dies ist eine ausgezeichnete Gattung Zimmtsteine, und davon muß ich mir, wo möglich, ein Exemplar verschaffen.«

»Nun muß ich sagen,« rief Prose, »ich glaubte, der Zimmt wachse auf den Bäumen. Doktor, ich möchte bei Ihnen bleiben; denn dieses Thier schüttelt mich so arg, daß ich ganz wund bin – ich habe das Seitenstechen.«

Prose machte sich demgemäß zum Herabsteigen bereit und der Dolmetscher rieth ihm, an einem der Hinterbeine des Thiers herunter zu gleiten.

»Tritt er nicht, oder?«

»Elephant nicht tritt, Sar.«

Prose stieg glücklich herunter und gesellte sich zu dem Doktor, während die übrige Gesellschaft ihren Weg fortsetzte.

Der Doktor ging mehrere Male um den Felsen herum, um eine Stelle ausfindig zu machen, wo er seine Werkzeuge ansetzen konnte; allein das Bruchstück, welches wahrscheinlich seit der Sündfluth dagelegen, ohne daß ein Naturforscher es mit einem Besuche beehrt hätte, war mit der Zeit völlig glatt geworden und zeigte nirgends einen scharfen Winkel, auf den der Hammer hätte Eindruck machen können; eben so wenig vermochte Macallan hinaufzusteigen, da der Felsen sich fast senkrecht erhob. Je mehr er denselben untersuchte, desto sehnlicher wünschte er, einige Stücke davon zu erhalten, und beschloß deßwegen, den Felsen zu sprengen. Da er kleine Brecheisen und Pulver bei sich hatte, so ersah er sich eine Stelle, welche ihm als die zugänglichste vorkam, und begann seine Arbeit.

»Kann ich Ihnen helfen, Mr. Macallan?« fragte Prose.

»Ja wohl, Mr. Prose. Nun geben Sie Acht; treiben Sie das Brecheisen so weit in dieses Loch hinein, bis Sie es neun bis zehn Zoll tief gemacht haben; das wird hinreichen. Ich will ein anderes auf der entgegengesetzten Seite bohren.«

Prose begann seine Arbeit, und zwar einige Minuten lang mit hinlänglichem Fleiße, fand aber bald, daß er ein höchst ermüdendes Geschäft übernommen hatte. Er hielt endlich inne, um wieder Athem zu schöpfen.

»Nun, Mr. Prose,« fragte der Doktor auf der andern Seite des Felsens, indem er bemerkte, daß dieser seine Arbeit eingestellt hatte, »wie geht's?«

»Ich wünschte, bei Gott, ich hätte die Sache gar nicht angefangen,« murmelte Prose, »denn das geht über den Elephanten.«

Der Doktor jedoch war ein Enthusiast, eine Art von Leuten, die nie ermüden, und beurtheilte Andere nach sich selbst.

»Wie weit sind Sie jetzt, Mr. Prose?«

»O, ich glaube anderthalb Zoll,« antwortete Prose ganz erschöpft.

»Nicht weiter?« rief Macallan aus. »Sie müssen schneller arbeiten, oder wir können den verdammten Felsen niemals sprengen.«

»Ich habe ihn in den letzten zehn Minuten in meinem Herzen genug verdammt,« dachte Prose und ging wieder an die Arbeit.

»Verstehen Sie nichts von der Mineralogie?« fragte der Doktor nach einigen Minuten.

»Dies ist meine erste Lektion, Doktor,« erwiederte Prose laut, und murmelte dann vor sich hin; »ich muß sagen, es soll auch meine letzte sein.«

»Es ist ein sehr unterhaltendes Studium,« fuhr Macallan fort, »aber, wie die meisten Wissenschaften, im Anfange etwas trocken.«

»Alles, nur nicht trocken,« dachte Prose, indem er sein Gesicht mit dem Handtuche abwischte.

»Ich werde Ihnen mit Vergnügen Unterricht ertheilen, so gut ich kann,« sagte Macallan; »aber Sie müssen aufmerksam sein; man lernt nichts ohne Arbeit.«

»Mineralogie gewiß nicht,« entgegnete Prose, und warf vor Erschöpfung sein Brecheisen auf den Boden.

Zum Glück für Prose kamen jetzt, auf Befehl des Dolmetschers, der Gepäck-Elephant, welcher das Zelt trug, und die denselben begleitenden Eingeborenen, auf der Seite des Felsen an, wo Prose arbeitete; denn der Dolmetscher hatte Macallans Absicht, hierzu bleiben, so ausgelegt, als wünsche man auf diesem Platze die Erfrischungen einzunehmen. Als einer von den Eingeborenen wahrnahm, daß Prose das Brecheisen wegwarf, so bot er ihm seine Hülfe an, was dieser auch bereitwillig annahm, und die Arbeit wurde fortgesetzt.

»Nun, Mr. Prose, wie geht es jetzt?«

»O, recht gut.«

»Kommt es Ihnen nicht sehr heiß vor?« fuhr Macallan fort, der ein wenig innehielt, um sich die Schweißtropfen aus dem Gesichte zu wischen. »Nein,« erwiederte Prose kichernd.

»Aber ich, das kann ich Ihnen versichern,« antwortete der Doktor, der, um keine Zeichen von Ermüdung zu erkennen zu geben, während Prose so eifrig arbeitete, sein Geschäft wieder begann.

Noch eine Viertelstunde, und der Doktor war gänzlich erschöpft. Da er nun einen Grund haben wollte, selbst ausruhen zu dürfen, so rief er Prose abermals zu:

»Sind Sie nicht müde, Mr. Prose?«

»Ganz und gar nicht, Doktor.«

»O, Sie müssen es sein – es ist besser, wenn sie ein wenig ausruhen.«

»Danke Ihnen, aber ich bin gar nicht müde.«

Abermals fünf Minuten – »Nun, Mr. Prose, Ihre Ausdauer gefällt mir sehr. Ich will doch nachsehen, wie weit Sie gekommen sind,« sagte Macallan, der keine andere Entschuldigung finden konnte, zuerst von der Arbeit auszuruhen.

Allein Prose, der nichts weniger als dumm war, wollte sein Ansehen bei dem Doktor nicht verlieren, sondern drängte den Eingebornen auf die Seite, nahm ihm das Brecheisen aus der Hand und arbeitete, ehe der Doktor um den Felsen herum war, wieder munter daraus los.

»Meiner Treu, ich bin sehr mit Ihnen zufrieden,« bemerkte Macallan keuchend, als er den guten Fortgang der Arbeit wahrnahm.

»Aber,« bemerkte Prose, »warum sollen wir so angestrengt arbeiten, indeß hier ein Haufen schwarzer Müssiggänger steht? Daher, Bursche, da bohre,« fuhr er fort, während er das Brecheisen dem Eingebornen hingab, der augenblicklich wieder an die Arbeit ging. »Lassen Sie auch einen für sich arbeiten, Mr. Macallan.«

»Sie haben Recht, Mr. Prose,« antwortete der Doktor, und nahm einen andern Eingebornen in Anspruch. In weniger als einer Stunde war der Felsen bis zu der nöthigen Tiefe gebohrt, ohne daß die an das Klima gewöhnten Hindus nur im Mindesten ermüdet oder erhitzt schienen. Mittlerweile hatte man das Zelt aufgeschlagen, die Matten und Teppiche ausgebreitet, die Feuer angezündet, und die Köche bereiteten nun das Mahl zu. Der Doktor, welcher sich nur mit seinen Forschungen beschäftigte, nahm von Allem nicht die geringste Notiz, und hatte eben Anstalten zur Sprengung des Felsens getroffen, als die Gesellschaft von ihrem Ausfluge zurückkehrte.

»Nun, Doktor, wie geht es?« fragte Courtenay.

»O, ich bin jetzt ganz fertig, und Sie thun wohl daran, wenn Sie ein wenig auf die Seite gehen; denn ich will jetzt die Lunte anzünden.«

»Die Lunte! Nun, was haben Sie für eine Absicht?«

»Den Felsen zu sprengen.«

»Zum Teufel auch! – dann gehe ich weg,« rief Courtenay; der sich mit Seymour von den wohlbekannten Wirkungen des Pulvers zurückzog.

Auch die Eingebornen zogen sich zurück, obgleich sie die ganze Sache nicht begriffen. Der Dolmetscher verstand, die Herren machen Feuerwerk, und erstattete demzufolge seinen Bericht.

Der Doktor zündete die Lunten an und ging mit Prose, der bei dieser Gelegenheit seinen bösen Fuß vergaß, auf die Seite. Die Mine zersprang, riß große Stücke weg, und erschütterte den Felsen in seinem Grunde.

»Herrlich!« rief der Doktor, welcher, sobald der Rauch sich verzogen hatte, hinzu lief und über die Mannigfaltigkeit und den Glanz der Steine, die jetzt seinen gierigen Blicken sich darboten, hoch entzückt war.

Aber in seinem Enthusiasmus merkte der Doktor gar nicht, welchen Schaden er angerichtet hatte. Ein großes Stück hatte das Zelt zu Boden geschlagen; andere hatten die Kochgeräthe sammt dem Inhalte zerschmettert und dabei die unglücklichen Köche verwundet, während der erschrockene Elephant die Zerstörung dadurch vollendete, daß er Alles zertrat, seinen Rüssel hoch in die Luft hob, ein gellendes Geschrei ausstieß und nimmer auf die Zureden seines Führers achtete. Ueberall herrschte Verwirrung und Bestürzung.

Als die Eingebornen den angerichteten Schaden wahrnahmen, zeigten sie sich nicht wenig erstaunt. Eine lange Unterredung fand zwischen ihnen statt über das, was wohl der Doktor beabsichtige. Endlich entschied der gravitätische Abgeordnete, es habe eine Höflichkeitsbezeugung sein sollen; denn alle Feuerwerke waren in diesem Lande Höflichkeitsbezeugungen. Sie machten daher mit großer Zufriedenheit ihren Dank, allein die Engländer, die den wahren Bestand besser wußten, begannen einen heftigen Angriff auf Macallan, der noch immer mit Sammlung von Felsstückchen beschäftigt war und gar nicht wußte, daß er irgend einen Schaden angerichtet hatte.

»Nicht allein unser Mahl haben Sie zerstört,« rief Courtenay, »sondern auch drei Köche getödtet und sieben verwundet.«

»Ist's möglich?« rief Macallan voll Bestürzung, warf die Steine eben so schnell weg, als er sie aufgelesen hatte, und lief nach den verwundeten Leuten hin. Zum Glück für seinen Seelenfrieden war Courtenay's Todtenliste nur Erfindung, und die Beschädigung beschränkte sich blos auf zwei, welche der Doktor gewissenhaft unter die Rubrik der leicht Verwundeten setzte.

Nun war nichts anders anzufangen, als nach der Stadt zurück zu kehren und zu warten, bis man ein anderes Mal herbeischaffen konnte. Dieß war bald geschehen, und der Dolmetscher belehrte den Doktor, unter doppelter Verbeugung, daß wenn der Herr Lust hätte, noch ein Zelt zusammen zu schlagen, der Abgeordnete am andern Tage eines in Bereitschaft für ihn habe.

»Nun, ich muß sagen, diese Leute sind sehr höflich,« bemerkte Prose; »aber, wenn Sie Lust dazu haben, Doktor, so werden Sie mich hoffentlich nimmer zum Teilnehmer machen. Ich hätte nicht so fleißig gebohrt, wenn ich gedacht hätte, daß ich dadurch an der Zerstörung eines Mittagessens mitarbeitete.«

»Sie haben Recht, Mr. Prose,« antwortete Courtenay; »der Doktor behandelte uns nicht nach der Schrift. Wir verlangten Brod, und er gab uns einen Stein, – verdammt ärgerlich nach einem so langen Ritte. Doch, morgen wird das Wild ankommen, und wir müssen in aller Frühe aufstehen, um zu seinem Empfange bereit zu sein – also gute Nacht.«


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