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Neunzehntes Kapitel.

Fal. Habt Ihr mir für ein Halbdutzend wack'rer Leute gesorgt?
Shal. Ei freilich haben wir's. Sir.
Fal. Ich bitte, laßt mich sie sehen.
Shal. Wo ist die Liste? Wo ist die Liste?
Wenn ich rufe, sollen sie eintreten.

Shakespeare.

 

Damit der Leser mit dem Folgenden sich genauer bekannt machen kann, will ich die Charaktere des Kapitäns und der Offiziere schildern, zu deren Schiffsgenossen unser Held vom Schicksal bestimmt war. Ich beginne mit dem Kapitän, der bereits schon einige Male im Laufe dieser Erzählung ausgetreten ist.

Kapitän M. war der Sohn eines Landedelmanns aus dem Norden Englands – einer von der zahlreichen noch nicht ausgestorbenen Klasse solcher Leute, deren Erbtheil in großen Ansprüchen und geringem Vermögen besteht. Wie gewöhnlich war er des letztern früher los, als der ersten. Die Folge davon war, daß, obwohl der junge M. der einzige Sohn war, es doch für räthlich gehalten wurde, ihn für ein Gewerbe zu erziehen. Der Seedienst war seine eigene freie Wahl, die auch die Billigung seines Vaters erhielt, welcher, wenn auch kein Geld, doch einige Verbindungen hatte – das heißt, er hatte einflußreiche und begüterte Verwandte, die schon um ihrer selbst willen den jungen Mann unterstützen wollten und ihn unabhängig zu machen sich bemühten.

M. stieg so schnell zum Range eines ersten Kapitäns, als seine Verwandten nur wünschen konnten, und machte ihrer Gönnerschaft Ehre. Nachdem sie ihn nun einmal auf die höchste Stufe gebracht hatten, die im Seedienste zu erreichen war, bis er durch Anciennität Admiral wurde, glaubten sie, das Ihrige gethan zu haben, und hätte sich Kapitän M. nicht durch Diensteifer und Geschicklichkeit in besondere Gunst versetzt, so würde er auf halbem Solde verkümmert sein; allein seine Dienste wurden gehörig gewürdigt, und er war ein zu guter Offizier, als daß man ihn ohne Anstellung hätte lassen mögen.

Sein Vater war todt, und die Bezahlung der Schulden desselben, wie auch der Ankauf einer Leibrente für seine Mutter, hatte beinahe alles Prisengeld verschlungen, das Kapitän M., dem das Glück recht wollte, zusammengebracht hatte; allein er war unverheirathet aus eigener Wahl und mäßig aus Gewohnheit. Sein Sold und die Zinsen aus den wenigen übrig gebliebenen, in den Fonds angelegten Prisengeldern, waren für seine Bedürfnisse mehr als hinreichend. Er hatte eine enthusiastische Vorliebe für seinen Beruf und war dabei so geschmacklos, ein schönes Schiff einer schönen Dame vorzuziehen.

Da er später, als Andere gewöhnlich zu thun pflegen, in den Dienst getreten war, so hatte er den Vortheil einer vortrefflichen Erziehung für sich, aus welcher er um so mehr Nutzen zog, da sein ganzes Wesen ernst war und er gerne las. Als Offizier war er in seinem Berufe sowohl in der Theorie, als in der Praxis vollkommen zu Hause, oder, wie man auf der Flotte sich ausdrückte, »ganz für den Dienst.« Dies Gefühl war auch bei ihm so mächtig, daß es gleich Aarons Stab alle übrigen verschlang. Diesen einzigen Vorwurf hätte man seinem Charakter machen können. Gegen sich selbst genau, sah er auch bei Andern keine Unbesonnenheit nach; unbeugsam strenge, aber stets gerecht, schonte er sich selbst niemals, ließ sich aber auch nie überreden, Andere zu schonen. Die Dienstgesetze und Verordnungen, wie sie von der Admiralität erlassen worden waren, so wie die Kriegsartikel wurden von ihm so pünktlich beobachtet und ihre Beobachtung von Andern so pünktlich gefordert, als hätten sie zu den zehn Geboten gehört; jeden Fehltritt und jedes Vergehen gegen dieselben zog dem Uebertreter, mochte es nun der älteste Lieutenant oder der kleinste Schiffsjunge sein, unfehlbar Tadel und Strafe zu.

Doch bei all' seiner Strenge war Kapitän M. so fest entschlossen, gerecht zu sein, daß er sich niemals ohne reifliche Ueberlegung seiner Macht bediente. Als einst ein Matrose sich schwer vergangen hatte, machte der erste Lieutenant die Bemerkung, eine summarische Strafe würde bei der ganzen Schiffsmannschaft eine sehr wohlthätige Wirkung hervorbringen. »Es mag sein, Mr. H. erwiederte der Kapitän; »aber es ist gegen meinen Grundsatz, von dem ich nie abweichen werde. In meiner gereizten Stimmung erscheint mir das Benehmen des Mannes gegenwärtig vielleicht in einem schwärzern Lichte, als es wirklich der Fall ist, und ich könnte mich einer zu großen Strenge schuldig machen. Ich bin dem Irrthum unterworfen – kann mich so gut als Andere von Eindrücken des Augenblicks hinreißen lassen und habe deswegen einen Vertrag mit mir geschlossen, niemals früher, als vierundzwanzig Stunden nach dem vorgefallenen Vergehen zu strafen; denn öfters habe ich schon gefunden, daß die Züchtigung, zu welcher ich im ersten Augenblicke den Verbrecher hätte verurteilen mögen, einige Zeit später bei reiflicher Ueberlegung mir zu strenge erschien, so daß ich zum Besten des Dienstes wünschte, die Admiralität machte einen solchen Grundsatz zum allgemeinen Gesetze.«

So war der Charakter Kapitän M's. Nach dem, was wir bereits von ihm erzählt haben, wird es kaum nöthig sein, noch hinzuzufügen, daß er ein Mann von unerschrockener Tapferkeit war. Seine Gestalt war schlank und etwas hager. Seine Gesichtszüge hatten eine regelmäßige Bildung; aber in seinem Gesichte lag ein Ernst, und auf seiner Stirne ein Tiefsinn, der ihm einen ungefälligen Ausdruck gab. Nur wenn er lächelte, hätte man ihn schön nennen können; aber dann war er mehr als schön – er war bezaubernd.

Mr. Bully, der erste Lieutenant (bei dem Gefechte mit der französischen Fregatte noch der zweite) war ein Offizier, der seine Pflicht sehr wohl verstand. Er hatte das Verdienst eines unbedingten Gehorsams gegen alle Befehle, und wenn man den wohlbekannten Umstand erwägt, daß ein erster Lieutenant während zwölf Stunden wenigstens zwanzigmal hinreichende Ursache bekömmt, übler Laune zu werden, so war er so gut gelaunt, als ein erster Lieutenant nur sein konnte. Er war sehr jung in den Dienst getreten und hatte, da er von niedriger Herkunft war, durchaus seine Erziehung genossen. Seine Gestalt war kurz und untersetzt, und da er als Kind schwer an den Pocken gelitten, so hatte er keineswegs ein einnehmendes Aeußere.

Der zweite Lieutenant, mit Namen Price, war ein junger Mann von gutem Aussehen, der seine Wache abhielt und den Shakspeare las. Er gab sich unendlich viele Mühe, immer seinen Lieblings-Autor zu citiren; aber zum Glücke für die, welche Citate nicht liebten, war sein Gedächtniß sehr schwach.

Mr. Courtenay, der dritte Lieutenant, war ein kleiner gallicht aussehender Mensch, der nach dem Ausdrucke des Schiffers nie recht fröhlich sein konnte, wenn er nicht verteufelt unglücklich war. Er hatte jederzeit Unglück und Klagen und beschwerte sich oder lachte immer über sein wirkliches oder eingebildetes Mißgeschick; seine Klagen gingen aber oft in Gelächter über, oder seine Freude endigte mit Trauer. Man konnte nie bestimmt sagen, ob er etwas im Scherze oder Ernste meinte. Er hatte einen so ernst-komischen Humor, daß die eine Seite seines Gesichtes Vergnügen, und die andere Aerger auszudrücken pflegte. Gute Laune und Galle schienen bei ihm beständig mit einander zu streiten, und beide vermischten sich in diesem Charakter auf eine höchst räthselhafte Weise.

Dem Alter nach müssen wir jetzt Mr. Peace, den Schiffer, unsern Lesern zunächst vorführen. Schon sein Aeußeres zeigte den rauhen Nordländer mit rauhen Gesichtszügen; allein bei einer nicht viel versprechenden Außenseite war er ein Mann von großem Verstand und Gefühl. Er besaß Alles, was man in seiner Stellung von ihm fordern konnte; seine Nerven glichen Kabeltauen. Er war pünktlich und eifrig im Dienste und ein großer Günstling des Kapitäns, seines Landsmannes. Er war ungefähr fünfzig Jahre und hatte eine Frau sammt starker Familie.

Der Wundarzt, welcher Macallan hieß, stand ebenfalls, und zwar verdientermaßen, bei Kapitän M. in großer Gunst. In der That fand eine Freundschaft zwischen ihnen Statt, die, aus langer Bekanntschaft mit ihrem beiderseitigen Werthe hervorgegangen, sich nicht recht vertragen zu wollen schien, mit einem Dienste, wo bei der fast despotischen Gewalt des Vorgesetzten die Vertraulichkeit des Untergebenen dem Streicheln der Tatze eines Löwen ähnlich sieht, dessen Krallen in einem Augenblicke übler Laune gar leicht die Hand des Zutraulichen zerfleischen. Er war ein schwächlicher, magerer Mann von etwa fünfunddreißig Jahren und hatte zu Edinburg graduirt und das Diplom erhalten, was damals unter die seltenen Fälle gehörte, obwohl die Erziehung im Dienste so mangelhaft zu sein pflegte, daß die Mediziner meistens die bestunterrichteten Offiziere aus dem Schiffe waren. Er war aber noch mehr – nämlich ein Naturkundiger, ein Mann von großem Scharfsinn und in den meisten Wissenschaften sehr gut bewandert – dabei hatte er einen liebenswürdigen und sanften Charakter und war ein aufrichtiger Christ.

Man sollte glauben, die Natur bringe es schon mit sich, daß diejenigen, deren Beruf es ist, die Beschaffenheit des menschlichen Körpers zu erforschen und die beständig die Wahrheit vor Augen haben, daß wir sehr wundervoll gebaut sind, mehr als andere geneigt sein würden, die unendliche Weisheit und Allmacht Gottes anzuerkennen. Dies ist jedoch durchaus nicht immer der Fall, und ich möchte fast das alte Sprichwort »Vertraulichkeit erzeugt Verachtung« auch dann auf den menschlichen Geist anwenden, wenn er mit der Gottheit verkehrt. Mit welch unheimlichen Gefühlen erfüllt uns der erste Anblick des Todes! Welche Schauer durchzucken den Lebenden, wenn er sich über einen Leichnam hinbeugt, aus welchem die Seele entflohen ist – wenn der Erdenklos zu dem Staube zurückkehrt, aus dem er entsprungen – die Gestalt leblos daliegt, die noch vor Kurzem umherwandelte – der so vollkommen gebaute Körper, alle menschliche Gewalt und allen menschlichen Dünkel verstummen machend, jetzt als eine unbeseelte Masse erscheint, die sich rasch auflösen und nur ein Staubhaufen sein wird!

So stark auch dieses Gefühl ist, wie schwach wird es, wenn wir uns einmal mit ihm vertraut gemacht haben. Es übt dann keine Gewalt mehr über unsere Sinne, und der Soldat und Matrose betten sich mit vollkommener Gleichgültigkeit, wo nicht gar mit einem Scherze auf Leichname; eben so verhält es sich auch bei denjenigen, welche sich mit der Besorgung der Begräbnisse abgeben, die Leiche vor der Beerdigung waschen, ausstellen u. s. w.

Und doch, wenn wir auch zugeben, daß die Gewohnheit die ersten Eindrücke des unheimlichen Schauders beseitigt, wie kommt es, daß jene genauern Untersuchungen, aus welchen die festeste Ueberzeugung hervor gehen sollte, so oft gerade das Gegentheil zur Folge haben? Kommt es etwa daher, daß das Geheimniß, die Mutter des Schauders, in einem gewissen Grade entfernt ist?

Glaube, sagt der Apostel, ist die Gewißheit dessen, was man nicht sieht. Es würde kein Verdienst sein, das zu glauben, was die Sinne vollkommen begreifen können.

Indessen machen einige die Einwendung, die Gewißheit sollte klarer und augenscheinlicher sein. Wenn dies der Fall wäre, würde nicht auch die unheimliche Scheu entfernt werden und müßte dadurch die Religion gewinnen? Wir sind weit genug gekommen, um zu der Ueberzeugung gelangt zu sein, daß Alles gut ist; und sollte nicht das Verborgene und Geheime deßwegen da sein, um jene unheimliche Scheu zu erzeugen, ohne welche der stolze Sinn jedes Menschen die unendliche Weisheit Gottes verachten würde? Diese Abschweifung hätte mich beinahe in einen besondern Fehler Macallan's übergehen lassen. In Folge seines langen Studiums hatte er sich gewissermaßen eine Büchersprache angewöhnt, und wenn er auf seine Lieblingswissenschaft, die Naturgeschichte, zu sprechen kam, so wurde er in seinen Ausdrücken pedantischer und schwülstiger, als je. Doch wer ist vollkommen?

Der Zahlmeister, O'Keefe, war ein ältlicher Mann, der sich immer nur um Pfunde, Schillinge und Pence bekümmerte. Er litt an einer unheilbaren Taubheit, welche zuzugeben er aber niemals für gut fand. Dies veranlaßte, indem er von dem Gesprochenen immer nur ein paar Worte auffing, wonach er seine Antwort einrichtete, häufig Heiterkeit unter seinen Tischgenossen, die, wie er sich einbildete, mit ihm und nicht über ihn lachten. Was die übrigen Offiziere betrifft, so übergehe ich sie für jetzt, mit Ausnahme des Hochbootsmanns, dessen Charakter sehr eigentümlicher Art war.

Er war lange als einer der besten Hochbootsleute im Dienste betrachtet worden, und Kapitän M. hatte ihn deswegen angeworben. Er führte sein Rohr mit Strenge, hatte aber immer einen Witz bei der Hand, um den Schmerz des Streiches zu lindern. Er war für seine eigene Person sehr thätig und ging den Leuten mit gutem Beispiele voran.

Ungefähr ein Jahr vor seiner Anstellung aus dem Schiffe hatte sich Mr. Hardsett von seiner Frau bewegen lassen, mit ihr in einen Conventikel zu gehen, den die damals auftauchenden Methodisten an dem Hafen, wo sie wohnte, errichtet hatten; und fei es nun, daß sein früheres Leben sein Gewissen beunruhigte oder daß die Predigten ungewöhnlich erbaulich waren, genug, er wurde bald einer der eifrigsten Konvertiten. Er las nichts, als die Bibel, mit welcher er sich in allen seinen Mußestunden beschäftigte, und aus welcher er in seinen Gesprächen beständig Sprüche anführte. Aber er war doch kein eigentlicher Methodist, mag man nun das Wort in der besten oder schlimmsten Bedeutung nehmen, sondern ein Enthusiast und Fanatiker, wobei er es aber dessen ungeachtet so zu machen wußte, daß seine Pflichten gegen Gott nicht mit denen eines Hochbootsmanns in Streit geriethen.

Kapitän M. bedauerte die Bigotterie des Mannes, aber da er niemals Convertiten machen wollte und seine Dienstpflicht pünktlich erfüllte, so ließ ihn der Kapitän in seinen religiösen Meinungen unangefochten – um so mehr, da er sich überzeugt fühlte, daß dieselbe bei Hardsett aufrichtig waren.

Die Aspasia blieb nur eine kurze Zeit im Hafen; denn der Kapitän wollte seinen bereits errungenen Lorbeeren gern neue hinzufügen, und als das Schiff segelfertig war, um in See gehen zu können, erhielt er den Befehl, sich auf die westindische Station zu begeben. Die Fregatte verließ ihren Ankerplatz und zum Zeichen der Abfahrt wurde der blaue Peter aufgehißt und das Vortopsegel gelöst. Nachdem sie eine kurze Zeit mit schwebendem Anker dagelegen, kam Kapitän M. an Bord; der Anker wurde am Bug aufgewunden und die Fregatte flog abermals gleich einem gewappneten Ritter zu Kampf und Abenteuern.

Es war zwei Uhr Nachmittags und die Bewohner vom Konstabler-Zimmer hatten sich zum Maste versammelt. »Nun fängt all' mein Elend wieder an,« rief Courtenay, als er am Tisch Platz nahm, auf welchem das Mittagessen im bunten Gemische, Erbsensuppe, irisches Schmorfleisch und Hammelsbraten mit: Kapernsauce dampfte.

»Warum nicht gar!« sagte der Schiffer. »Worüber brummen Sie den eigentlich immer, seitdem sie aus dem Schiffe sind?«

»Bah, das waren nur kleine Unannehmlichkeiten; aber jetzt sind wir zur See. Ich werde seekrank werden. Ich muß immer Galle speien, so oft ich den Hafen verlasse.«

»Doktor,« erwiederte Pearce, »können Sie nicht den Leck in der Leber des kleinen Herrn da verstopfen? Es scheint, daß es nicht hinreicht, wenn er im Hafen mit der Handpumpe sich von seiner Galle befreit, und hier auf der See wird man wahrscheinlich die Kettenpumpe in Anwendung bringen müssen.«

»Kettenpumpen!« rief Courtnay schaudernd aus, während er unter vielen Grimassen bei dem Gedanken an eine so gewaltsame Entleerung seinen Kopf zurückbog und seine Tischgenossen mit einem ernst-komischen Gesichte rings umher ansah.

»Pumpen! ja,« sagte Price; »Shakspeare sagt im Sturm – »O Himmel – ich – –«

»Hören Sie, Price,« sagte Courtenay, »machen Sie mich nicht vor der Zeit seekrank. Das ist nicht artig. Sie glauben nicht, welch' große Verwandtschaft zwischen Redeergüssen und Seekrankheit stattfindet. In beiden Fällen wird das Ekelhafte ausgeworfen, weil der Kopf oder Magen zu schwach ist, um es behalten zu können. Verschonen Sie mich also mit Citaten, mein lieber Kamerad, bis Sie mich im Kampfe der Natur back liegen sehen, und dann leisten Sie mir vielleicht den Dienst, Sie bei ihrem Herauspumpen zu unterstützen. Billy Pitt, hast du die beiden Töpfe mit Sauerkraut in meiner Kajüte weggestaut?«

Wir müssen hier das Gespräch unterbrechen, um den Leser mit der letztgenannten Person bekannt zu machen. Pitt war ein Schwarzer, der schon als Knabe seinem Herrn entlief und an Bord eines Kriegsschiffes ging. Der Wundarzt Macallan hatte sich seiner angenommen, und er war mehrere Jahre lang auf verschiedenen Schiffen dessen Bedienter gewesen. Er war sehr verständig und hatte einen etwas sonderbaren Charakter. Macallan hatte ihn lesen und schreiben gelehrt, auf welche Kenntnisse er sich nicht wenig einbildete. Er war außerordentlich gut gelaunt, ein Liebling sämmtlicher Offiziere und der Schiffsmannschaft, die sich über seine Sonderbarkeiten zu belustigen pflegten und ihm eine ungewöhnliche Freiheit erlaubten. Seine Hauptstärke aber besaß Billy in der Eigenschaft eines Lexikographen. Er hatte ein kleines Wörterbuch, welches er immer in seiner Tasche mit sich führte, und nichts machte ihm so viel Freude, als wenn sich Jemand wegen der Bedeutung eines schwierigen Wortes an ihn wandte, was er freilich nicht immer genau erklären konnte, aber sicherlich höchst bereitwillig versuchte. Uebrigens war er, wie man denken konnte, ein ausnehmender Freund von hochtrabenden Phrasen, womit er, ohne sonderliche Rücksicht auf den Zusammenhang, seine Gespräche spickte. Obwohl Billy Pitt des Doktors Bedienter war, so pflegte doch auch Courtenay, der ihn sehr gut leiden konnte, seine Dienste in Anspruch zu nehmen, worüber der Doktor, welcher für sich selbst nicht viel Aufwartung bedurfte, als ein gutmüthiger Mann keine Unzufriedenheit blicken ließ.

Wir müssen die Frage wiederholen.

»Billy Pitt, hast du beide Töpfe mit Sauerkraut in meiner Kajüte hinweg gestaut?«

»Nein, Herr, ich nicht hab' zu wegstauen sie. Frauenzimmer sagt, daß Mr. Cortnay nicht bezahlt für die saure Zwiebel – sagen ganz unschicklich sein, noch mehr zu schicken.«

»Nicht bezahlt für die Zwiebeln! Nein, ich habe es wirklich nicht gethan, aber ich gab ihr eine neue Anweisung, was dasselbe ist.« (Pearce legte die Kartoffel, welche er so eben schälte, weg und starrte Courtenay verwundert an.) »Wahrhaftig an einen Londoner Kaufmann, das kann ich Ihnen versichern.«

»Es mag sein, aber ich kann es doch nicht recht begreifen. Gesetzt, Sie sind mir zehn Schillinge schuldig, so ist's doch nicht dasselbe, ob Sie zehn weitere von mir borgen oder die ersten zurückbezahlen.«

»Bah! Sie verstehen solche Sachen nicht.«

»Allerdings nicht,« erwiederte der Schiffer, seine Kartoffel wieder in die Hand nehmend.

»Du hast sie nicht bekommen?« sagte Courtenay, sich wieder an den Bedienten wendend.

»Nein, Herr. Sie sag', Massa Cortnay schulden neun Schilling für Zwiebel und sag', ich schulde vierzehn für Tabak und uns nicht mehr Kredit geben. Ich sag' gerade, wie sie sag', Sir. Gentleman nie zahlen. Sie mich heißt Teufels Neger und sag', wie Massa, so Diener. Ich sag' ihr, sie nicht mehr geben soll Roromantade, und geh' aus dem Laden.«

»Das ist ärgerlich! ich mag denken, an was ich will, so sehe ich mich getäuscht. Da könnte man eben so gut Sancho auf der Insel Barataria sein. Ich habe im Sinn, zum Kapitän hinauf zu gehen und ihn zu bitten, so lange beizulegen, bis ich noch einmal übergeschifft bin. Glauben Sie, ich werde es thun, Schiffer, he?« sagte Courtenay mit verstellter Einfalt.

»Sie werden am besten thun, es zu versuchen,« erwiederte Pearce lachend.

»Ja, es wäre sehr rücksichtsvoll von ihm, und Sauerkraut ist das Einzige, was mich von meiner Seekrankheit kurirt;« (jetzt bemerkte er, daß Price sprechen wollte) – »still doch – es ist nicht nöthig – steht kein Wort von Sauerkraut im Shakspeare.«

»Das habe ich auch nicht gesagt,« entgegnete Price; »aber da gibt es Rindfleisch ohne Senf, und dies ist jetzt bei Ihnen der Fall.«

»Und da gibt es auch ›unterzeichne mich als ein Esel,‹« erwiederte Courtenay, der über die Entbehrung seiner Lieblingswürze nicht wenig ärgerlich war.

»Hörten Sie, was Courtenay von Ihnen sagte, O'Keefe?« fuhr Price fort, indem er sich an den Zahlmeister wandte.

»Ja, ja, ich weiß; gebt ihm ein Gläsel hinüber; aber dieses da ist nicht rein. Steward, wollen Sie nicht ein reines Weingläsel bringen?«

Alle lachten, indem Courtenay fortfuhr: »Nun, O'Keefe, Sie hören besser als je; ich sage Ihnen, Doktor, Sie müssen mich auf die Krankenliste setzen – ich bin nicht im Stande, den Wachtdienst zu versehen.«

»Wenn Sie mir das beweisen können,« erwiederte Macallan, so werde ich Sie ohne Weiteres als krank melden.«

»Nun, das kann ich Ihnen in ein paar Augenblicken beweisen. Ich bin jetzt in einem solchen Zustande, daß es mir ganz gleichgültig wäre, wenn Alles auf dem Schiffe über Bord geworfen würde und zum Teufel ginge. Wer nun mit solcher Gleichgültigkeit behaftet ist, dem kann man doch keine Wache anvertrauen.«

»Daß Sie nicht im Stande sind, eine Wache zu übernehmen, wie Sie selbst behaupten, will ich nicht läugnen,« erwiederte Macallan; »aber ich glaube, Sie sollten dann eher von der Liste ausgestrichen, als auf dieselbe gesetzt werden.«

»Ha, ha, ha, Courtenay, Sie wissen, was Shakspeare sagt: ›Es ist der Fluch des Dienstes, daß‹–«

»Alle Matrosen, herum mit dem Schiff!« erschallte es durch das ganze Schiff, indem dieser Ruf vom Hochbootsmann und seinen Gehülfen an jeder Luke in verschiedener Tonart wiederholt und ängstlich von einem jungen Burschen der Wache mit schriller Stimme den Offizieren angekündigt wurde, daß selbst der taube Zahlmeister dabei zusammenfuhr. Der erste Lieutenant, von dem Schiffer gefolgt, rannte an ihm vorüber und war die Leiter hinauf, ehe er sich noch seiner überflüssigen Mittheilung entledigt hatte.

»Wie verdammt ärgerlich!« rief Courtenay, »ich fühlte mich eben ein wenig besser, und nun wird es mit mir schlimmer als je werden.«

»Sie erinnern sich wohl an den Sturm,« sagte Price, wo Shakspeare sagt – – –«

»Vorderkastell!« rief Kapitän M. vom Halbdeck herab, mit einer Stimme, daß man es unten deutlich hören konnte.

»Beim Jupiter! ich rathe Ihnen, machen Sie sich auf die Beine, oder Sie werden haben, was Kapitän M. sagt. Er ruft Ihren Posten an,« sagte Courtenay lachend; welcher Rath von Price augenblicklich befolgt wurde, indem er sich die Leiter hinauf machte und in wenigen Minuten auf dem Vorderkastell stand. »Auch ich muß hinauf; wie verdammt ärgerlich ist es, in der Kuhl postirt zu werden. Nichts zu thun, ausgenommen meine Ohren zu verstopfen gegen das höllische Gestampf und Getramp der Seesoldaten und Hinteren Wache über meinem Kopfe – eine süße Musik für einen ersten Lieutenant, für mich aber der abscheulichste Lärm. Ich könnte vor Aerger auf den Boden stampfen.«

»Wäre es nicht besser, Sie gingen zuerst und stampften dann nachher,« bemerkte der Wundarzt trocken.

»Bei Gott! Sie können Recht haben,« erwiederte Courtenay, als er zur Thüre des Konstablerzimmers hinausstürzte; »verdammt ärgerlich, aber der Kapitän ist ein so gallichter Mann.«


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