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Vierzehntes Kapitel.

Ein Fischer war er in den Jugendjahren;
Doch leitet ihn Bekanntschaft mit der See
Gar bald zu einem weniger ehrbaren
Beruf ...

Er hatte eine einz'ge Tochter.

Don Juan.

 

Da wir keine Souffleurpfeife besitzen, so müssen wir dafür eine Hochbootsmannspfeife nehmen, auf ihren gellenden Ton verlegen wir die Scenen nach einem Hinterzimmer in einer der engsten Straßen am östlichen Ende der stolzen und reichen Hauptstadt Englands. Die Personen des Spiels sind ein ältlicher und wohlbeleibter Mann, dessen Anzug eben so wenig Modisches zeigt, als seine Wohnung, und eine etwa zwanzig Jahre alte Jungfrau mit ausdrucksvollen und schönen Gesichtszügen, jedoch ohne Rosen auf ihren Wangen, deren hohen Werth das schöne Geschlecht so gut zu würdigen weiß, daß, wenn die Natur ihm solche versagt hat, es gar oft seine Zuflucht zu unwürdiger Nachahmung derselben nimmt. Die erste der erwähnten zwei Personen durchging mit der Brille auf der Nase verschiedene auf dem Tische liegende Papiere. Dabei wurde sie von Zeit zu Zeit durch die Beharrlichkeit einiger Fliegen gestört, die zu ihrer kahlen Stirn und Glatze eine besondere Vorliebe gefaßt zu haben schienen, und obwohl beständig weggescheucht, dieselben als eine schöne, sanfte und einzig, zu ihrem Vergnügen bestimmte Rennbahn betrachteten. Ein Theil von einer Weinkaraffe und die Ueberbleibsel eines Desserts besetzten den kleinen Tisch, an welchem er saß, vollständig und gaben dem Ganzen noch ein beschränkteres Aussehen.

»Es ist sehr heiß, Liebe. Oeffne das Fenster und lasse ein wenig frische Luft herein.«

»Ach Vater,« erwiederte das junge Frauenzimmer, während sie aufstand, um das Schiebfenster zu öffnen, »Sie wissen nicht, wie sehr ich nach frischer Luft schmachte. Wie lange wollen Sie dieses mühselige Leben voll Entbehrung noch fortsetzen?«

»Wie lange, meine Liebe? Nun ich denke, es wird nicht dein Wunsch sein, Hunger zu sterben – es würde dir keine große Freude machen, wenn ich, sobald du Geld von mir forderst, was du wenigstens jede Woche thust, dir sagen müßte, daß der Geldbeutel leer sei.«

»Ach, Possen, ich weiß es besser, Vater; halten Sie mich denn für so thöricht, daß Sie glauben, mich auf diese Art täuschen zu können?«

»Ei doch, Miß Susanne, was weißt du denn?« sagte der Alte, indem er die neben seinem Stuhle stehende Tochter durch die Brille anschaute.

»Ich weiß, was Sie mich gelehrt haben, Sir. Erinnern Sie sich nicht mehr, daß Sie mir das Wesen der Fonds, was eine Nationalschuld zu bedeuten habe, die Variationen der Stocks und den Betrag ihrer Interessen erklärten?«

»Gut, und was weiter?«

»Nun weiter, lieber Vater, habe ich oft den Betrag der Dividenden gesehen, welches Sie jedes Halbjahr einnahmen, und Ihre Aufträge an Wilmott gehört, sie wieder in den Fonds anzulegen. Nun betrug Ihre letzte halbjährliche Dividende in den Drei-Prozents – warten Sie – ja achthundert einundvierzig Pfund, vierzehn Schillinge und sechs Pence, welches doppelt genommen, wie Sie wissen, ein Einkommen ausmacht von –«

»Bitte, Miß Susanne, was bekümmert denn dich das Alles?« entgegnete schnell ihr Vater, halb erfreut, halb ärgerlich.

»Ei, Vater, Sie lehrten mich es ja selbst und hielten mich für sehr dumm, da ich es nicht so bald begriff, wie Sie es erwarteten,« antwortete Susanna, indem Sie sich zu ihm herunterbeugte und ihn küßte; »und nun fragen Sie mich, was ich mich darum zu bekümmern habe?«

»Ja, ja, Mädchen, das ist wohl wahr,« sagte der Alte lächelnd; »aber zugegeben, daß du Recht hast, was folgt denn daraus?«

»Nun dann, lieber Vater, zürnen Sie nicht, wenn ich sage, daß Sie meiner Ansicht nach mehr Geld haben, als Sie je Ihr Leben lang ausgeben können – mehr als Sie wissen, wenn Sie es bei Ihrem Tode hinterlassen sollen. Warum sperren Sie sich denn nun in eine schmutzige, enge Straße ein und mühen sich den ganzen Tag ab, ohne irgend einen Genuß dafür zu haben?«

»Aber woher weißt du, daß ich Niemand habe, dem ich mein Geld hinterlassen könnte, liebe Susanna?«

»Haben Sie mir denn nicht zu wiederholten Malen gesagt, daß Sie Ihres Wissens außer mir keine Verwandte oder Angehörige haben – daß Sie einst Matrose vor dem Mast gewesen, und als eine Waise auf Kosten des Kirchsprengels erzogen worden wären? Wen haben Sie nun, mich ausgenommen – und wenn Sie noch länger hier bleiben, Vater, so bin ich überzeugt, daß Sie auch mich nicht – daß Sie gar Niemand haben werden. Wenn Sie wüßten, wie sehr ich es müde bin, nach dieser abscheulichen Backsteinmauer hinüber zu schauen – wie ich mich nach dem Lande und unter Veilchen und Schlüsselblumen sehne – wie ich nach Erlösung aus diesem kleinen Loche jammere. O, ich würde Alles darum geben, in dem Lugger mit M'Elvina vor dem Winde herfliegen zu können.«

»Wirklich, Miß?« erwiederte der alte Hornblow, in welchem der Leser bereits den Principal unsers schmuggelnden Kapitäns erkannt haben wird.

»Nun, Vater, ich meine es ja doch nicht böse. Mir fehlt Freiheit. Es ist mir, als könnte ich nicht zu frei sein – ich möchte in einem Luftballon umhertreiben. O warum geben Sie Ihr Geschäft nicht auf, gehen an die Seeküste, beziehen ein nettes kleines Landhaus, und machen mich und sich selbst glücklich? Ich denke mir oft, wie schön es wäre, wenn die Seeluft um mein Gesicht spielte und meine Locken glättete. Ich werde sterben, wenn ich noch länger hier bleibe; – ich werde gewiß sterben, Vater.«

Wiederholte Angriffe dieser Art hatten bereits die Grundmauer erschüttert; und als liebenswürdige und einzige Tochter besaß sie den Einfluß über ihres Vaters Herz, zu welchem sie berechtigt war.

»Gut, gut, Susanne – laß nur erst M'Elvina seine Schiffsrechnungen stellen, dann will ich deinen Wunsch erfüllen, aber ich kann, wie du weißt, ihn nicht abdanken.«

»Kapitän M'Elvina abdanken? Nein, – wenn Sie das thäten, Vater –«

»Ich glaube, du wärest sehr geneigt, ihn in's Schlepptau zu nehmen – he! Miß –«

»Ich werde bei Allem, was ich thue, auf Ihren Rath achten und mich nach Ihren Wünschen richten, mein theurer Vater,« antwortete Susanne, indem die plötzliche Röthe ihrer ungewöhnlich blassen Wangen bewies, daß ihr zur vollkommenen Schönheit nur noch Farbe fehlte.

Das Gespräch wurde hier abgebrochen, der alte Hornblow hatte längst die immer stärker werdende Zuneigung seiner Tochter zu M'Elvina bemerkt, und die treuen, unschätzbaren Dienste des Letztern, verbunden mit der hohen Meinung, welche der alte Mann in Beziehung auf seine Ehrlichkeit hegte – die, um M'Elvina Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, höchst gewissenhaft gewesen war – hatten ihn bestimmt, der Sache ihren Lauf zu lassen. In der That war der alte Hornblow mit Niemand bekannt, dem er das Glück seiner Tochter mit so großem Vertrauen in die Hand gelegt haben würde, als unserm gebesserten Kapitän.

Zwei starke Schläge an der Hausthüre kündigten den Postboten an, und nach wenigen Minuten erschien der Buchhalter mit einem Briefe an den alten Hornblow, welcher der klugen Sitte jener Zeiten gemäß, das Comptoir im Erdgeschoße seines Wohnhauses hatte, wodurch er in Stand gesetzt wurde, immer gleich nach dem Essen wieder an sein Geschäft gehen zu können. Heut zu Tage sind wir Alle über unser Geschäft erhaben, und leben über unsere Mittel, wodurch die Klagen über allgemeine Noth sich hinlänglich erklären lassen. Das Comptoir wird vor dem Dunkelwerden verlassen, damit wir in unsern Wohnungen zu Russelsquare oder Regentspark noch zu rechter Zeit anlangen, um uns zu einem Schildkröten-Diner ankleiden zu können, anstatt ganz einfach im Familienkreise um zwei Uhr ein Stück Hammelfleisch zu verzehren.

Doch zurück.

Der alte Hornblow setzte seine Brille – die auf dem Tische lag, seit Susanna sie ihm weggenommen, als sie ihn küßte – wieder auf und prüfte das Postzeichen, das Siegel und die Adresse, als ob er seinen Scharfsinn daran hätte üben wollen, da er doch all' diese Mühe erspart haben würde, wenn er sogleich den Brief geöffnet hätte.

»Von M'Elvina, denke ich,« sagte er nachsinnend; »aber das Postzeichen ist Plymouth. Was der Teufel!«

Nachdem Hornblow die beiden ersten Zeilen des Briefes gelesen hatte, faltete er sein Gesicht. Susanne, die bei Erwähnung M'Elvina's in die höchste Aufregung gerathen war, bemerkte die Veränderung in ihres Vaters Mienen.

»Doch hoffentlich keine schlimmen Nachrichten, lieber Vater?«

»Schlimm genug!« erwiederte der alte Mann mit einem tiefen Seufzer; »der Lugger ist von einer Fregatte genommen und nach Plymouth gebracht worden.«

»Und Kapitän M'Elvina – er hat doch keinen Schaden genommen?«

»Nein, ich denke nicht, da er selbst den Brief geschrieben hat, und nichts davon sagt.«

Ueber diesen Punkt beruhigt, war Susanne, die sich an das Versprechen ihres Vaters erinnerte, pflichtvergessen genug, ihrem Herzen zu gestatten, vor Freude über den erwähnten Umstand zu hüpfen. Alle ihre liebsten Hoffnungen näherten sich der Erfüllung, und kaum konnte sie sich enthalten, Ariels Worte vor sich hinzusummen: »Wo das Bienchen saugt, da weil' ich«; allein sie gedachte glücklicherweise, daß der andere Theil in ihr Frohlocken nicht einstimmen möchte. Aus Achtung vor den Gefühlen ihres Vaters nahm sie daher eine ernsthafte Miene an, die einen höchst sonderbaren Kontrast mit ihren freudestrahlenden Augen bildete.

»Ja, es ist eine böse Sache«; fuhr der alte Hornblow fort. »Wilmott!« Der Sekretär hörte die Stimme seines Principals und kam herein, »bring' mir das Hauptbuch. Laß mich sehen – Schöne Susanne – ei warum ihr der Narr diesen Namen gegeben, als hätte ich nicht bereits schon eine, die mir das Geld aus der Tasche zwackt. O hier ist es – Fol. 59. u. s. w. Fol. 100, 124, 142 – nicht abgerechnet seit April vorigen Jahrs. Zieh' mir schnell die Bilanz über den Lugger.«

»Aber was sagt Kapitän M'Elvina, Vater?«

»Was er sagt? Nun, daß er gefangen ist. Habe ich es dir nicht bereits schon gesagt?« erwiederte der alte Hornblow, in augenscheinlich übler Laune.

»Ja aber die näheren Umstände, lieber Vater?«

»Ach da steht bloß das Faktum ohne die näheren Umstände; sagt, er wolle in ein paar Tagen ausführlicher schreiben.«

»Ich stehe dafür, daß der Fehler nicht an ihm lag, Vater; – er hat sonst jederzeit Ihre Erwartungen gerechtfertigt.«

»Ich sagte auch nicht, daß er dies nicht gethan; ich fürchte blos, das Glück hat ihn leichtsinnig gemacht – es geht gewöhnlich so.«

»Ja,« erwiederte Susanna, die sich diesen Wink zu Nutzen machte, »wie Sie sagen, Vater, er hat immer gutes Glück gehabt.«

»Das hat er,« erwiederte der alte Mann, indem seine Strenge etwas nachließ; »in der That, sehr gutes Glück; gewiß ist es diesmal nicht seine Schuld gewesen.«

Der Buchhalter erschien bald mit der fertigen Rechnung; sie trug mehr zur Wiederherstellung der guten Laune des Alten bei, als selbst die Versuche seiner Tochter, ihn zu beruhigen.

»O, da haben wir's – die schöne Susanne – Debet an – Gesammtsumme 14,864 Pfund 14 Schillinge und 3 Pence. Contra – Credit 27,986 Pfd. 16 Schill. und 8 Pence. Also Bilanz des Gewinnstes und Verlustes 13,122 Psb. 2 Schill. 5 Pence. Nun, das ist so gar übel nicht in weniger als drei Jahren. Ich glaube den Verlust des Schiffes schon verschmerzen zu können.«

»Ja, Vater,« erwiederte Susanna, indem sie sich über seine Schulter lehnte und ihn schelmisch ansah: »das ist allein schon ein Vermögen für genügsame Leute.«

Da jedoch abgesehen, von der Unvollständigkeit von M'Elvina's Briefe noch andere Umstände, die für unsere Geschichte wichtig sind, mit der Wegnahme des Luggers verknüpft waren, so müssen wir die Sache ausführlich erzählen.

Länger als zwei Jahre war M'Elvina vermöge seines Muthes, seiner Gewandtheit und des trefflichen Segelns seines Fahrzeuges allen Verfolgern entronnen, und hatte seine Ladungen regelmäßig gelandet.

Während dieser Zeit hatte Willy unter seiner Leitung nicht nur in allgemeinen Schulkenntnissen, sondern auch im Seewesen rasche Fortschritte gemacht.

Eines Morgens befand sich der Lugger auf der Höhe von Kap Clear, an der irischen Küste, als er windwärts eine Fregatte entdeckte – indem Wind, Wetter und die Stellungen der beiden Fahrzeuge so ziemlich dieselben wie damals waren, als M'Elvina durch sein kühnes und treffliches Manöver dem Accisekreuzer entgangen war. Die Fregatte machte Jagd auf ihn und kam bald bis auf eine Viertelmeile an den Lugger heran, als sie umlegte und eine volle Lage gab, welche die Fockrae auf das Verdeck herunter warf. Von diesem Augenblicke an unterhielt die Fregatte ein so anhaltendes Musketenfeuer, daß alle Leute an Bord von M'Elvina's Fahrzeug, die den Versuch machten, dem Schaden abzuhelfen, auf der Stelle niedergeschossen wurden. An Flucht war jetzt gar nicht zu denken. Als die Fregatte bis auf zwei Kabeltaulängen sich genähert, legte sie gegen den Wind um, brachte den Lugger unter ihre Leeseite, und setzte ihr Kanonen- und Musketenfeuer so lange fort, bis alle seine Segel herunter geschossen waren.

Als die Mannschaft des Schmugglers einsah, daß nun nichts mehr zu hoffen sei, liefen sie, um sich dem Feuer zu entziehen und ihre Effekten in Sicherheit zu bringen, nach dem Schiffsraum. Bald waren die Boote der Fregatte an Bord des Luggers und nahmen M'Elvina nebst den vornehmsten Offizieren nach dem Zollschiff.

Willy sprang in das Boot und wurde nebst seinem Patron an Bord genommen.

Der Kapitän der Fregatte stand auf dem Quarter-Deck, und wie er sich umwendete, kam es Willy vor, als habe er dies Gesicht schon einmal gesehen; doch wann, oder wo, konnte er sich nicht deutlich erinnern. Indem der Kapitän auf dem Quarterdecke hin- und herschritt, fuhr er fort, ihn zu mustern und nachzusinnen, wo ihm dies bekannte Gesicht vorgekommen sein möchte.

Endlich begegneten seinen Blicken die des Kapitäns, der, erstaunt, einen so jungen Menschen unter den Gefangenen zu finden, an die Leeseite des Quarterdecks schritt und ihn mit den Worten anredete:

»Aber du bist ein kleiner Schmuggler, mein Junge; bist du des Kapitäns Sohn?«

Diese Stimme rief augenblicklich alle Umstände seines frühern Zusammentreffens mit dem Kapitän, welchen er nun sehr gut erkannte, in's Gedächtniß zurück. Er antwortete verneinend und mit einem Lächeln.

»Du hast einen leichten Sinn, mein Junge; wie heißest du denn?«

»Sie sagten, mein Name solle Seymour sein, Sir;« erwiederte Willy, seinen Hut berührend.

»Sagten, sein Name solle Seymour sein? – was meint der Junge wohl? gütiger Himmel! ja ich erinnere mich,« rief Kapitän M–, denn dieser war es –, bist du der Knabe, welchen ich in der Chasse marée zu seiner Equipirung für das Quarterdeck nach Hause schickte?«

»Ja, Sir.«

»Und wie lange bist du in diesem lobenswerten Dienste?«

»Seit damals,« erwiederte unser Held, der nur wenig von der Gesetzwidrigkeit desselben wußte.

Die schöne Susanne war wegen ihres schnellen Segelns und weil sie den Kreuzern zu wiederholten Malen entgangen war, ebenso berühmt, als Kapitän M'Elvina und seine Mannschaft wegen ihres Muthes und ihres Glückes. Die englische Regierung hatte daher schon längst die Wegnahme des Fahrzeugs gewünscht und Kapitän M–, so sehr es ihn auch freute, dasselbe endlich in seine Gewalt bekommen zu haben, war doch zugleich höchst mißvergnügt darüber, einen Knaben zu finden, den er im Dienste vorwärts zu bringen beabsichtigte und der nun, wie er vermuthete, freiwillig sich einer Bande angeschlossen, welche so lange den Gesetzen und der Seemacht des Vaterlandes Trotz geboten. Seine Miene verdüsterte sich und er war im Begriff, sich ohne weitere Bemerkungen zu entfernen, als M'Elvina, der den Stand der Sache wohl begriff und Willy's künftiges Schicksal gefährdet glaubte, vortrat, den Kapitän ehrerbietig anredete, ihm kurz erzählte, wie er Willy von dem Wrack gerettet, und hinzufügte, der Knabe sei von ihm zurückbehalten worden und habe keine Gelegenheit gehabt, das Schiff zu verlassen, welches nur in den französischen Häfen vor Anker gegangen wäre. Er fügte auch hinzu, und zwar ganz der Wahrheit gemäß, daß er den Knaben niemals mit der wahren Beschaffenheit des Dienstes, in welchem der Lugger verwendet wurde, bekannt gemacht habe, woraus man zugleich schließen kann, daß M'Elvina, trotz seiner Vertheidigung des Schmuggelns, in seinem eigenen Gewissen nicht so gut von der Rechtmäßigkeit seines Gewerbes, als er Debriseau glauben machen wollte, überzeugt war.

M'Elvina's Versicherungen lenkten die Waagschale abermals zu Willy's Gunsten, und nachdem er die Fragen des Kapitäns in Bezug auf das Schicksal Mr. Bullock's und der übrigen auf der Prise befindlichen Leute beantwortet hatte, beschloß Kapitän M–, der obwohl strenge, nicht nur gerecht, sondern auch menschenfreundlich war, alle seine früheren guten Absichten hinsichtlich unseres Helden in ihrer vollen Geltung zu lassen.

»Willy Seymour, du hast den Dienst ein wenig kennen gelernt, und dein Kapitän gibt dir das Zeugniß eines thätigen und verständigen Burschen. Da du gegen deinen Willen zurückgehalten wurdest, so werden wir, wie ich denke, deine Zeit und deinen Sold nachholen können. Ich hoffe indeß, daß du künftig dich in ehrenvollere Dienste begeben wirst; wir werden aller Wahrscheinlichkeit nach bald den Hafen erreichen, und bis dahin mußt du bleiben, wo du bist; denn ich kann dich nicht abermals einer Prise anvertrauen.«

Da sich unser Held auf einem neuen Schiffe befand, dessen Offiziere und Schiffsmannschaft noch nicht von seiner Geschichte unterrichtet waren, ausgenommen, daß sie gehört hatten, er sei wegen einer tapferen That vom Kapitän M. befördert worden, so wurde er von seinen Tischgenossen freundlich aufgenommen. Die Mannschaft des Luggers mußte an Bord der Fregatte gefangen bleiben und das Fahrzeug selbst wurde, unter der Leitung eines Offiziers, beordert, neben der Letztern zu segeln, da Kapitän M. die Absicht hatte, nach dem Hafen zurückzukehren, und seine werthvolle Prise nicht aus dem Gesichte zu verlieren wünschte.

»Sie haben eine treffliche Schiffsmannschaft, Kapitän M'Elvina,« bemerkte Kapitän M.; »wie viel Engländer sind darunter?«

»Etwa achtzig, und zwar so gute Seeleute, als je eine Planke beschritten.«

Kapitän M. beorderte die Mannschaft des Luggers auf den hintersten Theil des Halbdecks, und legte ihr die Frage vor, ob sie es nicht vorzögen, um der Einkerkerung zu entgehen, in königliche Dienste zu treten. Die Leute waren jedoch im Augenblicke noch zu sehr ergrimmt darüber, daß sie von einer Fregatte gefangen worden, um dem Vorschlage Gehör zu schenken und lehnten denselben einstimmig ab. Erbittert wandte sich Kapitän M. hinweg, indem er mit forschendem Blicke das schöne, in gerader Linie auf seinem Halbdecke aufgestellte Corps musterte. Er bedachte den hohen Werth desselben, wenn es ihm gelingen würde, es seiner eigenen Mannschaft einzuverleiben; denn zu jener Zeit war es fast unmöglich, die große Anzahl der im Dienste stehenden Schiffe zu bemannen.

»Wollen Sie mir erlauben, einen Versuch zu machen, was ich für Sie thun kann, Sir?« sagte M'Elvina, als die Leute vom Halbdecke sich freiwillig in ihren Kerker begaben. Als Kapitän M. seine Zustimmung gegeben, ging M'Elvina zu den Leuten hinunter, die sich um ihn versammelten. Er setzte ihnen die Vortheile des Vorschlages beredt aus einander, und zeigte, wie sie so treffliche Gelegenheit hätten, auf einer Fregatte, die so gutsegelnde Schiffe, wie den Lugger, wegzunehmen verstünde, sich durch Prisengelder zu bereichern. Er machte sie zugleich auch auf das Elend aufmerksam, welches im Gefängnisse ihrer wartete; den Ausschlag aber gab vollends die Bemerkung, daß man sie, weil jetzt die Seeleute so gesucht wären, höchst wahrscheinlich nicht einmal im Gefängnisse lassen, sondern von einander trennen und auf mehrere Schiffe vertheilen würde, wogegen sie, wenn sie in die Dienste Kapitän M.'s träten, alle zusammen Schiffsgenossen blieben, wie zuvor.

Nachdem Sie insgesammt eingewilligt hatten, ging Kapitän M'Elvina in Begleitung seiner Mannschaft hinauf, welche Kapitän M. erklärte, daß sie sämmtlich bereit wären, auf seinem Schiffe Dienste zu nehmen.

»Erlauben Sie mir, Sir, Ihnen wegen Ihres Glückes zu gratuliren, das Sie erst recht würdigen werden, wenn Sie finden, welch' trefflichen Zuwachs Ihre Schiffsmannschaft erhalten hat.«

»Ich bin Ihnen für Ihre Vermittlung sehr verbunden,« erwiederte Kapitän M., »und werde mich nicht undankbar zeigen. Ihr Benehmen in dieser Sache bewegt mich, Sie noch um eine andere Gefälligkeit zu bitten; ich glaube Sie können mir, wenn Sie wollen, wichtige Aufschlüsse geben. Ob Sie sich dazu verstehen, weiß ich noch nicht; aber ich denke, Sie werden es mir wohl nicht abschlagen.«

»Sie werden finden, Sir, daß ich mit Leib und Seele Engländer bin, und obwohl ich bei meinem Gewerbe bisweilen genöthigt war, zwischen Gefangenschaft und Widerstand zu wählen, so kann ich doch mit gutem Gewissen behaupten, daß jeder Schuß, den ich gegen meine Landsleute thun mußte, mich tief schmerzte.« (Und diese Versicherung war der Wahrheit gemäß, obgleich wir jetzt nicht Zeit haben, Kapitän M'Elvina's Gefühle genauer zu untersuchen.) »Ich bin nicht durch die Ehre gebunden, habe auch nicht die geringste Neigung, irgend etwas von dem, was ich in den französischen Häfen in Erfahrung gebracht habe, zu verhehlen. Ich begab mich dahin, um meine Zwecke zu verfolgen, und sie erlaubten mir dies ihres eigenen Vortheils wegen. Aber nie habe ich auf ihre Anträge gehört, obgleich mir öfters große Summen geboten wurden, ihnen über die Vorgänge in unserem Lande Nachricht zu geben, und will deswegen mit der größten Bereitwilligkeit Ihrer Aufforderung entsprechen. Ich kann in der That Nachrichten geben, von denen ich Sie schon früher in Kenntniß gesetzt haben würde, hätte ich nicht gedacht, Sie könnten auf die Vermuthung gerathen, es wäre mir mehr um mich selbst, als um mein Vaterland zu thun. Ich wünsche nur, Kapitän M., daß Sie vor meinem Abgange von Ihrem Schiffe aus eine französische Fregatte stoßen möchten, um Ihnen zeigen zu können, daß ich eben so gut für Alt-England fechten kann, als ich es zur Vertheidigung der mir anvertrauten Güter gethan habe.«

»So haben Sie die Güte, mit mir in die Kajüte hinunter zu gehen,« sagte Kapitän M.

Kapitän M. und M'Elvina blieben eine Weile in der hintern Kajüte, und die Nachrichten, welche Ersterer erhielt, waren von so großer Wichtigkeit, daß er beschloß, noch nicht vor Anker zu gehen. Bei der Einfahrt in den Kanal ließ er alle französischen Gefangenen an Bord des Luggers bringen und dieselben unter Aufsicht einer Abtheilung seiner Mannschaft stellen. M'Elvina behielt er an Bord der Fregatte und segelte rasch der französischen Küste zu.


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