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So steht's: zu Hause Armuth, draußen Schulden;
Schlimm geht mir's jetzt; noch Schlimm'res zeigt die Zukunft!
Was wird aus mir zuletzt?
Southeron's Isabella.
Der Gentleman, welcher sich für den nächsten Erben der vom Admiral De Courcy hinterlassenen Güter hielt, und dessen eiligen Besuch und Abreise aus dem Schlosse wir in einem der vorigen Kapitel beschrieben haben, war des Verstorbenen Vetter im dritten Grade. Seine Geschichte ist kurz. Er hatte das von seinem Vater geerbte persönliche Erbe verpraßt und seine Familiengüter, die, trotz ihrer großen Ausdehnung, keinen bedeutenden Ertrag abwarfen, waren für eine größere Summe, als worauf ihr Werth sich belief, verpfändet. In der letztern Zeit hatte er große Anlehen zu ungeheueren Zinsen gemacht, wobei er sich auf das Vermögen des Admirals De Courcy vertröstete. Der Erfolg seines Besuches in dem Schlosse desselben war daher mehr als in einer Hinsicht unbefriedigend; und bevor er noch in seiner eigenen Wohnung wieder anlangte, hatte ihn sein dienstfertiger, kleiner, schwarzgekleideter Freund an gewisse Verschreibungen erinnert, die er in Händen habe, und gegen seinen Klienten einen Ton und ein Betragen angenommen, das sehr verschieden von demjenigen war, welches er gegen den muthmaßlichen Erben der großen Güter von De Courcy beobachtete, indem er sehr deutlich merken ließ, daß nun ein anderes Verfahren eingeleitet werden müßte.
Rainscourt, der außer einem alten Schlosse auf seinem Gute zu Galway, seinen Herrschaftsrechten und der unbegränzten Anhänglichkeit und Zuneigung der wilden Vasallen, die ihn als ihren angebornen Häuptling betrachteten, nichts mehr besaß, hielt sich für überzeugt, daß er keine andere Wahl habe, als seinen zahlreichen Gläubigern zu entfliehen, die nicht anstehen würden, ihn festsetzen zu lassen, und deren Ungeduld nur sehr schwer bis zum Tode des Admirals hatte im Zaume gehalten werden können. Das Verfahren, zu welchem er sich nun entschloß, bestand darin, ohne Verzug nach Irland aufzubrechen, sich wieder nach seinem Schlosse zu begeben und der gesetzlichen Gewalt zu trotzen, im Falle sich hier Leute finden sollten, welche die ungeheure Frechheit hätten, sich mitten unter gesetzlosen Hintersaßen an seiner Person zu vergreifen.
Als er vor seiner prachtvollen Wohnung, die er im Westende der Hauptstadt gemiethet, aus dem Wagen stieg, kündigte ihm sein Reisegefährte in hohem Tone an, er würde die Ehre haben, ihm am folgenden Mittage aufzuwarten, indeß Rainscourt mit seiner gewöhnlichen Gleichgültigkeit gegen das Geld die Postillone mit einem splendiden Geschenke entließ, obwohl nur noch wenige Guineen sich in seiner Börse befanden. Hierauf begab er sich in das Wohnzimmer im ersten Stocke, wo seine Gattin und seine einzige Tochter seiner Ankunft mit Sehnsucht entgegen sahen.
Mrs. Rainscourt, eine noch immer hübsche und interessante Dame, war in ihrer Jugend wegen ihrer großen persönlichen Reize berühmt gewesen, und hatte während zweier Saisonen für die erste Schönheit der irischen Hauptstadt gegolten. Sie war damals ein Mädchen von stolzem Geiste und edlem Sinn, leicht zu reizen und eben so leicht wieder zu beschwichtigen – stolz auf ihre Schönheit und ihre Talente, für die ihre weltlich gesinnten Eltern eine Grafenkrone einzutauschen hofften. Rainscourt war zu jener Zeit einer der hübschesten, wenn nicht der schönste Mann in Irland, womit er die Vorzüge seiner Sitten, trefflicher Geistesanlagen und hoher Geburt verband. In jeder Gesellschaft gut aufgenommen und geschmeichelt, war er eben so unermüdet im Verprassen seines Vermögens, als Mrs. Rainscourt's Eltern im Bestreben, eine vortheilhafte Heirath für ihre Tochter auszumitteln.
Rainscourt war von stolzem und hochmüthigem Charakter. Bis zum Uebermaße auf seine persönlichen Vorzüge eitel, hielt er sich bei dem andern Geschlechte für unwiderstehlich. Er hatte seine künftige Gattin gesehen und bewundert; er bedurfte jedoch einer Verbindung, die ihn in den Stand setzen konnte, seinem Hange zu Ausschweifungen nachzugehen, und ihre Eltern wußten, daß Rainscourt bereits bankerott war oder es in Kurzem sein würde. Sie wären aller Wahrscheinlichkeit nach nie mit einander in Berührung gekommen, sondern würden sich in verschiedenen, ihren Absichten und ihrem Vermögensstande angemessenern Kreisen bewegt haben, hätte es sich nicht zugetragen, daß bei einer großen Tischgesellschaft Rainscourt's Eitelkeit von seinen Zechbrüdern verletzt worden wäre, welche ihm sagten, er werde niemals die Hand der Miß – erhalten, indem ihre Eltern nach einer höhern Verbindung strebten. Durch diese Verbindung gereizt, und noch überdies vom Weinbecher, der lustig die Runde machte, benebelt, machte er sich anheischig, eine beträchtliche Summe zu wetten, daß er vor Ablauf eines bestimmten Termins bei Miß – sein Glück machen würde. Die Wette wurde angenommen; Rainscourt machte seine Bewerbungen, ohne Zuneigung zu empfinden, und durch Beharrlichkeit und verstellte Zärtlichkeit gelang es ihm endlich, das liebevolle Mädchen zu überreden, alle goldenen Träume ihrer Eltern zu zerstören und sich ihm in die Arme zu werfen, indem, wie er versicherte, ein reichliches Auskommen und Liebe sich gar wohl mit einer Grafenkrone und Vernachlässigung messen dürften.
Sie entflohen. – Ganz Dublin war drei Tage lang in Aufruhr. Rainscourt erhielt die gewettete Summe, nahm die Beglückwünschungen seiner Freunde entgegen und lebte eine kurze Zeit mit seiner Gattin ziemlich zufrieden. Die erste Veranlassung zu einem Streite gab ein anonymer Brief, der offenbar von einem neidischen, um getäuschter Hoffnungen willen mißmuthigen Frauenzimmer geschrieben war und Mrs. Rainscourt mit allen nähern Umständen bekannt machte, von welchen die Wette, deren Opfer sie geworden, begleitet war. Diese kränkende Nachricht wurde mit Thränengüssen und einigen Vorwürfen aufgenommen; denn Mrs. Rainscourt liebte ihren Gatten wirklich, und obwohl Rainscourt die Falschheit der Anklage betheuerte, so machte sie doch einen tiefen Eindruck auf ihr Herz, und war nur die Vorbotin künftigen Elendes. Rainscourt wurde bald einer Frau, die er nie geliebt hatte, müde, verwünschte seine Eitelkeit, die ihn verleitet hatte, sich die Last eines Weibes aufzubürden, und reizte ihre Gefühle und ihren Stolz abwechselnd durch Heftigkeit und mürrisches Wesen. Vernachlässigung von seiner Seite rief Gleichgültigkeit von der ihrigen hervor, und als die Mittel zu Vergnügungen und Aufwand zusammenschmolzen, so verloren sie alle Achtung vor einander.
Ein ausschweifender Mann wird selten ein guter Ehegatte; er geräth in Verlegenheit, seine ganze Umgebung wird für ihn drückend und verdüstert seine gute Laune. Aber auch ein Frauenzimmer, das vor ihrer Verehelichung die Bewunderung der Hauptstadt gewesen ist, wird selten eine gute Gattin. Sie seufzt fortwährend nach Schmeicheleien, die sie empfing, und die ihr nach langer Gewohnheit zum Bedürfniß geworden sind; sie fordert von dem Manne, für den sie die Welt ausgegeben, alle die Aufmerksamkeiten, deren sie durch das dargebrachte Opfer verlustig ging. Mr. und Mrs. Rainscourt waren vereinigt, aber nicht einig. Gleich vielen andern in dieser Welt des Irrthums konnte ihre Ehe einer Phiole verglichen werden, die zur Hälfte mit Oel, zur Hälfte mit Wasser angefüllt ist und einen Kork hat, der Beides einschließt und in Berührung erhält, obgleich keines mit dem andern sich vereinigen will. Die Frucht dieser Heirath war eine jetzt ungefähr sechs Jahre alte Tochter.
»Nun, Mr. Rainscourt, hoffentlich steht Alles gut; darf ich meine Tochter küssen und ihr als einer der reichsten Erbinnen im ganzen Königreich Glück wünschen?«
»Das können Sie, wenn es Ihnen beliebt, Madame.«
»Kann ich, wenn es mir beliebt? Wie, ist es nicht so, Mr. Rainscourt?« erwiederte die Lady bestürzt über das mißmuthige Stirnrunzeln des Gatten, der sich auf das Sopha warf.
Rainscourt würde die Frage nicht so schnell beantwortet haben, aber er beschloß, daß seine Gattin die Qualen der Täuschung, welche seine eigene Brust quälten, mit empfinden sollte. Da sie an allen seinen Vergnügungen Theil nahm, so sollte ihr natürlich ein gleicher Theil seiner Sorgen zufallen.
»Nein, Madame, es ist nicht so.«
»Sicherlich treiben Sie einen Scherz mit mir, Mr. Rainscourt; ist der Admiral nicht todt?«
»Ja, Madame, und sein Enkel lebt.«
»Sein Enkel!« schrie die Lady, blaß vor Wuth; »nun, Mr. Rainscourt, das ist abermals ein Pröbchen von Ihrer gewöhnlichen Klugheit und Vorsicht. Welcher Mann von gesunden Sinnen würde sich nicht vorher schon Kenntniß von so Etwas verschafft haben, ehe er sein ganzes Vermögen verschwendete und seine Tochter an den Bettelstab brachte?«
»Ich glaube, Madame, wenn das Vermögen verschwendet wurde, wie Sie sagen, so haben Sie mir dabei redlich geholfen; jedenfalls war es mein Vermögen, denn ich kann mich nicht erinnern, daß Sie dasselbe auch nur um einen Schilling vermehrt hatten, als ich Sie heirathete.«
»Allerdings nicht um viel, Mr. Rainscourt, etwa den Betrag der Wette ausgenommen. Ich betrachte ihn als mein Heirathgut,« erwiederte die Lady mit einem Naserümpfen.
»Machte nie in meinem Leben eine schlechtere Wette,« erwiederte der Gentleman, seine Beine auf dem Sopha ausstreckend.
»Ist möglich,« erwiederte seine Gattin mit beleidigter Miene, »aber bedenken Sie, Mr. Rainscourt, daß Sie Niemand anders, als Ihnen selbst Vorwürfe darüber zu machen haben. – Sie wurden nicht betrogen; ich hätte glücklich sein können, hätte Aufrichtigkeit und gegenseitige Zuneigung finden können. Ihr Benehmen gegen mich war eine Grausamkeit, die auch in der Brust meines erbittertsten Feindes einige Reue hervorgerufen haben würde, und doch opferten Sie mich als eine Unschuldige aus herzlose Art Ihrer Eitelkeit.«
»Sagen Sie lieber, Ihrer eigenen, die Sie verblendete; denn sonst würden Sie im Stande gewesen sein, Ihre Wahl besser zu treffen.«
Mrs. Rainscourt brach in Thränen aus. Ehe sie über ihre Bewegung Meister werden konnte, war ihr gegen solche Auftritte des Zanks längst abgehärteter Gatte tief eingeschlafen, oder stellte sich doch wenigstens so.
Das kleine Mädchen hatte sich dicht an seine Mutter geschmiegt, als es sie in Thränen ausbrechen sah, und wartete nun schweigend, bis sie sich wieder beruhigt hätte.
»Mama, ich dächte, Sie hätten gesagt, wir würden nun glücklich werden.«
»Sagte ich das, mein Kind?« sagte Mrs. Rainscourt traurig.
»Ja, Sie thaten es, und sagten, wir würden ein schönes Haus in London haben, und nicht mehr auf das alte Schloß zurückkehren. Ich war traurig darüber; wohin werden wir nun gehen, Mama?«
»Das weiß Gott, mein Kind; du mußt deinen Vater fragen.«
»Papa schläft und ich darf ihn nicht wecken. Ich hoffe, wir werden wieder nach dem Schlosse gehen.«
»Dein Wunsch soll erfüllt werden, mein liebes Kind,« erwiederte Mr. Rainscourt, indem er aufstand; »denn ich mache mich noch diesen Abend dahin auf.«
»Dürfen wir mitgehen, Mr. Rainscourt?« fragte Mrs. Rainscourt ruhig; »oder müssen wir hier bleiben?«
»Wie Sie wollen, aber ich muß fort; denn der kleine Schurke T– drohte mir, als ich aus dem Wagen stieg, mit einem Besuche auf morgen Mittag, und ich bin überzeugt, daß er nicht ohne ein paar Begleiter kommt«.
»T–! was! T–? Ihr Freund T–? Den Sie von Dublin mitbrachten, und der mit so viel Bewunderung und Hochachtung von Ihnen sprach; Ihr Eins und Alles?«
»Ja, mein Eins und Alles; der lumpige kleine Schurke. Doch es ist keine Zeit zu verlieren. Sie haben noch einige Juwelen und andere Sachen von Werth. Sie thun am besten, dieselben einzupacken und mir so bald als möglich zu übergeben. Dann steht es bei Ihnen, ob Sie jetzt mit mir gehen, oder in ein paar Tagen nachfolgen wollen. Sie können nicht verhaftet werden.«
»Ich weiß das,« erwiederte die Lady; »da mir aber die Mittel fehlen, Ihnen zu folgen, so werden Sie schon erlauben, daß ich und meine Tochter so gut, als die Juwelen und andere Sachen von Werth, einen Theil Ihres Reisegepäcks ausmachen.«
»Es mag so sein,« erwiederte der Gentleman, der die Stichelei vollkommen verstand, aber im Augenblicke nicht für räthlich hielt, sie zurückzugeben. »Eine Postchaise kann uns Alle aufnehmen; doch wir müssen die Stadt heute Nacht um zwölf Uhr verlassen. Aber wenn ich mich recht entsinne, sind Sie zu einem Rout bei Lady G–s eingeladen?
»Ja, doch ich bitte, Mr. Rainscourt, wie kann ich so bald reisefertig sein? Die Bedienten müssen ihren Lohn erhalten – alle Rechnungen müssen eingefordert werden.«
»Wenn Sie warten wollen, bis ich im Stande bin, alle Rechnungen zu bezahlen, so können Sie vielleicht bis zum jüngsten Tage warten. Packen Sie Alles von Werth, was noch fortzuschaffen ist, ein, ohne daß die Dienerschaft davon weiß. Ihre Juwelen können Sie an sich selbst oder in einer Tasche, wenn Sie eine solche haben, fortbringen. Lassen Sie einspannen; wir kleiden uns an und gehen beide auf den Rout; ich werde Roberts den Auftrag hinterlassen, mir alle Briefe zu bringen, die etwa ankommen könnten, und ihm sagen, der Admiral sei noch nicht todt, man erwarte jedoch stündlich sein Ende – vom Gegentheil ist noch nichts laut geworden. Ich kann mich unbemerkt vom Rout entfernen und selbst den Brief schreiben, den ich durch einen Portier schicken werde. Wenn ich nach Hause komme und der bestellte Wagen vor der Thür steht, so lege ich Emilie hinein und hole Sie bei Lady G–s ab. Die Bedienten schöpfen vielleicht Argwohn; aber dann ist es zu spät.«
Die Gefahr vereinigt auch die Uneinigen. Mrs. Rainscourt ging bereitwillig in einen Plan ein, welchen die Nothwendigkeit gebot, und nach wenigen Stunden waren Vater, Mutter und Tochter auf dem Wege nach Irland, in der Absicht, die Hausmiethe, die Metzger-, Bäcker-, Lichtzieher- und alle übrigen Rechnungen, die keine geringe Summe ausmachten, zu einer günstigern Zeit zu bezahlen. Die Bedienten hielten sich schadlos, so gut sie konnten, indem sie alles Zurückgelassene sich zueigneten und den Entlaufenen tausend Flüche nachschickten. Der dienstfertige kleine Gentleman in Schwarz aber schwor ihnen Rache, als er die öde Wohnung verließ, in welcher er am nächsten Morgen, und zwar in Begleitung einiger besondern Freunde, um seinem Vortrage bei Mrs. Rainscourt mehr Nachdruck zu geben, den versprochenen Besuch abstattete.