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Dreizehntes Kapitel

Abends kam dann der Vater. Er war ein sehr lieber und noch gar nicht alter Herr, – er mochte nicht mehr als zwei- oder dreiundfünfzig Jahre alt sein. Seine Art sich zu geben, war die eines Militärs, er erschien im Uniformrock der Reserve mit Sporen, jedoch trug er keinen Schnurrbart. Da wir ihn niemals vorher erblickt hatten, bemerkten wir auch nicht, wie er das Zimmer seines Sohnes betrat, und erkannten ihn erst, als er von dort herauskam.

Er hatte gleich nach seiner Ankunft Saschas Diener rufen lassen und dieser war es auch, der ihn zum Verstorbenen geführt hatte und dort Auge in Auge einige zwei bis drei Minuten mit ihm allein blieb. Nach diesen wenigen Augenblicken trat der Vater zu uns in den allgemeinen Saal und machte einen überraschenden Eindruck auf uns, den Eindruck stiller Majestät.

»Meine Herren! Ich darf mich Ihnen wohl vorstellen,« begann er und verneigte sich, »ich bin der Vater Ihres unglücklichen Kameraden. Mein Sohn ist gestorben, er hat sich selbst getötet … und mich und seine Mutter dadurch kinderlos gemacht … aber, meine Herren, er konnte nicht anders handeln  … Er starb als ein ehrenhafter und edler, junger Mensch … und … und … das ist es, wovon ich Sie gerne überzeugen möchte … und worin ich selber Trost suchen werde …«

Bei diesen Worten sank der alte Herr, der uns ganz und gar bezaubert hatte, auf einen Stuhl, der neben dem runden Tisch stand und fing, die Hände vors Gesicht schlagend, wie ein Kind laut zu weinen an.

Ich eilte, ihm mit bebender Hand ein Glas Wasser zu reichen.

Er nahm es, trank zwei Schluck, drückte mir freundlich die Hand und sagte:

»Ich dank Ihnen, meine Herren!«

Darauf fuhr er mit einem Tuch über sein Gesicht und sprach weiter:

»Aber das ist es nicht … Ich, wer bin ich? Meine Frau jedoch, meine Frau, wenn die es erfährt! … Das Mutterherz wird es nicht ertragen.«

Und wieder führte er das Tuch an die Augen, und verließ uns, um sich, »dem Obersten vorzustellen«.

Dem Obersten sagte er das gleiche, daß Sascha gestorben sei »wie es sich für einen ehrenhaften und edlen jungen Menschen gehörte«, aber auch, daß er »nicht anders handeln konnte«.

Der Oberst blickte ihn lange starr an, wobei er, wie es seine Gewohnheit war, an einem Bonbon knabberte, und meinte nur:

»Sie wissen, daß ein unglückseliger Umstand vorherging … Sie und ich sind ja ein wenig verwandt und darum darf und muß ich Ihnen alles sagen. Ich glaube es nicht, aber trotzdem war das Benehmen des Kornetts sehr sonderbar …«

»Oh, es ging nicht anders, Oberst …«

»Ich bezweifle es nicht, doch könnten Sie nicht wenigstens einen Teil des Vorganges vor meinen Augen lüften, der dieses Geheimnis verbirgt …«

»Ich kann nicht, Oberst.«

Der Oberst zuckte die Achseln.

»Was tun,« meinte er »bleibe es denn beim alten.«

»Nur noch eines, Herr Oberst. Nicht das Regiment soll das Geld an den Bevollmächtigten des Fürsten zurückzahlen, das werde ich tun. Dies ist mein trauriges Vorrecht.«

»Ich wage nicht, es zu bestreiten.«

Und in der Tat gab Saschas Vater die Zwölftausend Awgust Matwejewitsch noch am gleichen Abend, während sie unter vier Augen miteinander sprachen.

Der Pole nahm das Paket, sagte nur dieses eine: »Niemals!« – und schob es wieder in die Tasche des alten Herrn, dann aber setzten sich die beiden einander gegenüber und begannen zu weinen.

»Großer Gott! großer Gott!« rief der alte Herr, »das alles ist so ehrenhaft und so anständig, – und dennoch muß irgendwo ein Bösewicht sein, der dies angestellt hat.«

»Und wir werden ihn finden.«

»Ja; aber mein Sohn wird nicht wieder auferstehen.«


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