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Drittes Kapitel

Als Stepan Iwanowitsch Wischnewskij sich auf solche Weise gezwungen sah, sein Leben auf seinen kleinrussischen Ortschaften zu verbringen, war sein erstes, sich in den beiden Dörfern, die an den Ufern des ruhmwürdigen Ssupoj lagen, in Farbowanaja also, wie auch in Ssoßnowka Häuser zu bauen. Die vorhandenen Häuser, die auf breitester herrschaftlicher Grundlage umgebaut wurden, mußten außerdem Platz für gewaltige Scharen von Dienstboten enthalten, riesige Jagdkoppeln, ganze Gestüte und vor allem Platz für die Harems, mit welch letzteren sich Stepan Iwanowitsch übrigens keineswegs begnügte, sondern außerdem noch seine Pascha-Rechte bei allen Frauen der ihm untergebenen Gebiete im vollsten Maße ausübte. Er wohnte abwechselnd bald auf dem einen, bald auf dem anderen seiner Güter, doch wo immer er auch weilte, überall hatte die von ihm eingesetzte, eigenartige Ordnung befolgt zu werden. So hielt er es zum Beispiel für sein gutes Recht, jeden Menschen zu seinem, wie er es ausdrückte, »getauften Glauben« zu bekehren, und er erreichte ohne jedes Hindernis alles, was er sich zu erreichen vorgenommen.

Allein auch hier trat vor all den anderen Launen seines Eigensinns der durch nichts zu stillende Haß gegen die Polizei zutage. Kaum war er auf seinen Besitzungen angekommen, erließ er augenblicks den Befehl, kein Polizeibeamter, aber auch kein anderer Beamte, dürfte, solange er auf den Besitzungen Wischnewskijs weile, die Pferdeglocken beim Fahren läuten lassen. Den Bauern wurde eingeschärft, einen jeden, der mit Glöckchenschall des Weges führe, anzuhalten und nachzuforschen, wer er sei? War der Reisende ein Edelmann, oder auch nur eine Privatperson, so war befohlen worden, ihn ziehen zu lassen, wobei ihm freilich zuvor eingeschärft werden mußte, daß das Land, durch das ihn sein Weg führe, dem Pan Wischnewskij gehöre, und daß dieser Pan ehrliche Gäste »liebe und schätze«, – und darauf wurde der Reisende aufgefordert, »den Herrn« zu besuchen und sich ein wenig zu »stärken«, das heißt, von den Anstrengungen der Reise auszuruhen und sich »die Gastfreundschaft des Pans wohlschmecken zu lassen«. Hatte der Reisende Eile und konnte er der Aufforderung nicht nachkommen, dann durfte man ihn, nachdem er sich höflich bedankt, nicht etwa mit Gewalt zurückhalten, sondern man hatte ihm ebenso »höflich« zu gestatten, seine Fahrt fortzusetzen, wobei ihm auch keineswegs verboten wurde, die Schellen klingeln zu lassen. Wenn jedoch der Reisende keine Eile hatte und einverstanden war, zum Pan zu kommen, dann wurde er nach Farbowanaja oder Ssoßnowka geleitet, je nachdem auf welchem dieser beiden Dörfer der Pan gerade lebte.

Gäste wurden von Stepan Iwanowitsch gastfrei empfangen, wobei es ihm weder auf ihre Titel noch auf ihren Stand ankam, sie wurden für die Anschauungen der damaligen Zeit prunkvoll und reichlich bewirtet, – hie und da sogar zu reichlich, so daß seine Gastfreundschaft für einige ein Unwohlsein nach sich zog. Freilich wurde niemand gezwungen, zu essen oder zu trinken, es wurde nur alles bis zum Übermaß angeboten, und wenn der oder jener sich hierbei übernahm und sich überfraß, so war Wischnewskij schließlich nicht schuld daran, denn er hatte ihn ja nicht dazu gezwungen, und der unvorsichtige Gast, der über sich selber klagen durfte, mußte die Strafe für seine Unmäßigkeit eben hinnehmen, ohne murren zu können.

Wenn sich herausstellte, daß die Gäste bedürftige Menschen waren, so geschah es oft, daß Stepan Iwanowitsch ihnen auch noch weiter half, und zwar konnte diese Hilfe gelegentlich recht bedeutend sein, und waren es gar Offiziere, so erhielten sie immer etwas Wertvolles zum Andenken. Diese Art der Lebensführung mußte es mit sich bringen, daß seine Güte und seine Gastfreundlichkeit ihn zu einem äußerst liebenswerten Charakter entwickelten. Wenn es sich aber um Beamte oder gar die Polizei handelte, dann verwandelte sich Stepan Iwanowitsch sogleich zum allerschrecklichsten Tyrannen, denn was er von diesen unglückseligen Personen verlangte, war in so hohem Maße unangenehm und für sie erniedrigend, daß man kaum glauben will, daß sie sich diesen Forderungen überhaupt unterwerfen konnten, und daß sie keine Mittel fanden, sich vor dem Sonderling aus Farbowanaja zu schützen.

Wenn irgendein Polizeibeamter an die Grenze der Wischnewskijschen Besitzungen kam, mußte er augenblicks haltmachen und etwas um den Klöppel seiner Schelle herumtun, damit sie nicht mehr läuten könne. Denn die Bauern waren andernfalls angewiesen, den Hüter der Ordnung anzuhalten, seine Glocke fortzunehmen und sie unverzüglich ins Herrenhaus dem Pan abzuliefern. Widerstand von seiten des Polizeimannes drohte mit doppelten Widerwärtigkeiten, denn erstens konnte er von den Bauern verhauen werden, die das »auf den Kopf des Pans« hin taten, das heißt auf die Verantwortung des Gutsbesitzers hin, – zweitens aber war es möglich, daß der Schuldige dem »Pan« selber vorgeführt wurde, worauf einen jeden, der zur Polizei gehörte, eine unglaublich erniedrigende und noch jedes Mal mit unnachsichtlicher Strenge durchgeführte besondere Zeremonie erwartete.

Ob er nun gehorsam oder ungehorsam, ehrlich oder anspruchsvoll war, war einer Polizeibeamter, dann machte Stepan Iwanowitsch keinerlei Unterschiede mehr. An die Ehrlichkeit dieser Personen glaubte er nicht, und es scheint, daß er sich in dieser Hinsicht auch nicht gerade getäuscht hat. Er hatte ein Gesetz erlassen, daß kein einziger Beamter, aus welchem Grunde oder zu welchem Zwecke er auch komme, unter keinen Umständen die Schwelle seines Hauses überschreiten dürfe. Wenn irgendeine dienstliche Sache den Beamten zu ihm führte, oder irgendeine Bitte oder eine Klage Wischnewskij vorgetragen werden mußte, die Polizei wußte von vorneherein, daß sie auf seinem Grund und Boden ohne Schellengeläut und so langsam als möglich zu fahren hatte und daß der Wagen in der Nähe des Gutsgebäudes halten mußte, – denn es war auf das strengste verboten, vor dem Hause selber vorzufahren. Im Bereich des Gutsgebäudes hatte die Polizei zu Fuß zu gehen, am Tor die Mütze abzunehmen und am Haus entlang nie anders als mit unbedecktem Haupte zu gehen.

Geschah das nicht, oder wurde dieses Gesetz auch nur in einem Punkt verletzt, dann hatte die wohlabgerichtete Dienerschaft den Befehl, den Mißliebigen augenblicks am Arm zu packen und ihm den Weg zurück zu zeigen »nicht, ohne ihm bei der Gelegenheit einen derben Nackenstoß zu versetzen«. Und da diese Anordnung getreulich und kräftig ausgeführt wurde, wagte es keiner, sie zu umgehen, oder sich ihr zu widersetzen. Hiermit waren jedoch die Erniedrigungen noch keineswegs zu Ende: der Beamte durfte nicht weiter, als bis zur Freitreppe, unter der die großen Hetzhunde hausten. Hier hatte er zu stehen und solange zu warten, bis Stepan Iwanowitsch geruhte, seinen »Zimmer-Kosaken« zu ihm hinauszuschicken, das heißt mit anderen Worten, einen Kammerdiener. Mit diesem Lakaien hatte der Beamte sich zu begrüßen »als stünden sie auf gleichem Fuße«, das heißt, er hatte dem Diener die Hand zu schütteln, und dann erst war es ihm gestattet, dem Kammerdiener zu eröffnen, aus welchem Grunde er den Pan aufsuche.

Schien es nun Wischnewskij, daß die Angelegenheit, die den Beamten zu ihm geführt hatte, nicht der Rede wert sei, dann befahl er »ihn fortzujagen«. War aber die Angelegenheit eine, die etwa den Adel betraf, oder eine Mitteilung, die ihm von höheren Sphären aus zukam, dann zog Stepan Iwanowitsch seinen Pelzrock an, setzte die Mütze auf, ging hinaus und hörte den Beamten an, wobei er freilich die ganze Zeit über von ihm abgewandt stand und ihn kein einziges Mal ansah.

War jener fertig, dann pflegte Wischnewskij wortlos fortzugehen, der Diener aber reichte dem Beamten auf einem Teller ein Glas Schnaps und eine Fünfzigrubelnote. Den Schnaps hatte der Beamte zu trinken, die Fünfzigrubelnote aber als »Imbiß« einzustecken (denn im Wischnewskijschen Hause wurde keinem Beamten jemals etwas zu essen angeboten). War jedoch wider Erwarten der Beamte von sich so hoher Meinung, daß er den ihm vor der Freitreppe servierten Schnaps nicht trank, so ging er auch des Anrechtes auf das Geld, das für den Imbiß bestimmt war, verlustig. Der Diener war angewiesen, ihn in diesem Falle fortzustoßen, den Schnaps ihm auf den Rücken zu gießen, die für den Imbiß bestimmt gewesenen fünfzig Rubel sich selber zu nehmen und schließlich am Strick zu ziehen, dieser Strick aber öffnete den Eisenriegel vor der Türe, hinter welcher die großen Hetzhunde unter der Freitreppe saßen.

Und da das alles bekannt war, wagten die Beamten es niemals, auch nur den geringsten Widerspruch gegen Stepan Iwanowitschs Maßregeln zu verlautbaren … und waren sogar sehr froh darüber, wenn irgendeine Angelegenheit sie vor die Freitreppe des Pan von Farbowanaja führte.

Wenn das alles in der Tat so ist, wie die Überlieferung uns berichtet, so müssen damals fünfzig Rubel für einen Imbiß augenscheinlich viel Geld gewesen sein.


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