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Zwölftes Kapitel

In jenem Kreise kochen die Leidenschaften und brodeln häufig stärker als im Leben; mächtig stieg unserer jungen Schweizerin dieses neue Dasein, in welchem sie alsbald eine sichtbare Rolle zu spielen begann, zu Kopf. Anfangs war sie scheu und verwirrt und wollte sich kaum darauf einlassen. Aber wie bald, und die Eigenliebe mischte sich ins Spiel. Ljuba sah, daß ihr Dodja ein wenig ängstlich war und daran zweifelte, ob es für ihn anginge, dort mit ihr zu erscheinen und ob sie nicht am Ende den anderen gegenüber schlecht abschneiden würde; Ljuba, die keineswegs ohne Scharfsinn oder Verstand war, bemerkte diese beleidigende Unschlüssigkeit und alsbald sprach aus ihr der Stolz der eitlen Schönen – sie nahm es sich vor, im Kreise jener, zu denen sie herabstieg, die erste zu sein, – und führte all jene Maßnahmen, die sie sich damals zur Linderung ihres verletzten Stolzes ausdachte, hernach mit aller nur erdenklichen Vollkommenheit aus. Dodja brauchte sich Ljubas wegen nicht zu schämen: sie lebte sich, ohne zu zaudern, in ihre Rolle ein, und spielte sie mit einem solchen Aplomb, daß ein jeder den vollen Erfolg der »Madame Paulin« anerkennen mußte. Es kann sogar sein, daß dieser zärtliche Name nicht selten zu den Ohren Pawlins drang, aber was kümmerte ihn das? er wußte ja nicht, was es zu bedeuten hatte.

Wurden auch Ljubas Erfolge immer größer und wuchs auch ihr dunkler Ruhm, so war unsere Ljuba doch kein käuflicher Schatz: sie liebte ihren Dodja nämlich und machte ihn dadurch endgültig närrisch. Seine Einbildung wuchs ins Ungemessene und es schien ihm, daß es für keine Frau einen ersehnteren Mann geben könnte, als eben ihn. Diesen Umstand machten sich Ljubas Nebenbuhlerinnen, die natürlich vor Neid und Wut kochten, zunutze: listig taten sie zunächst dem überheblichen Dodja schön und verrieten ihn zum Schluß. Ljuba war ins tiefste Herz getroffen und versuchte, sich durch gespielte Gleichgültigkeit zu rächen. Allein versäumten jene anderen derweilen nicht, Dodjas Beutel zu leeren, und leerten ihn so erbarmungslos und so gründlich, daß Dodja, ehe er sich noch recht versah, bereits tief in den allerschlimmsten Schulden steckte. Und nun begann die gewöhnliche Geschichte, die freilich nicht ganz gewöhnlich ausging. Je mehr Dodjas Mittel abnahmen, desto kühler wurden Ljubas Nebenbuhlerinnen zu ihm und überließen ihn endlich, als sie genug von Rache hatten und er ihnen nichts Annehmliches mehr zu bieten hatte, seiner Erniedrigung und Schmach. Unterdessen war nämlich auch von Pawlins Augen die Binde gefallen: Ljuba, die soviel Geschick gezeigt, als es sich darum gehandelt hatte, ihre Liebe zu verbergen, Ljuba war zu schwach, ihren Kummer stumm zu ertragen: das erste, was sie tat, war, daß sie aus den Gemächern ihrer Wohltäterin floh und sich definitiv bei ihrem Mann niederließ. Freilich war es Ljubas Absicht nicht, mit diesem Schritt eine Reihe von unwiderruflichen Schritten zu beginnen, von Schritten, die es ihr ermöglicht hätten, aufs neue ein ordentliches Leben zu führen, sie wollte nichts, als einige Zeit hindurch ihren Betrüger nicht wiedersehen; die Ärmste hoffte nämlich, ihn dadurch fühlen zu lassen, daß er ihr gleichgültig geworden sei und daß es ihr ein Kleines sei, ohne ihn zu leben … Pawlin dagegen strengte Geist und Augen an, um herauszubekommen, was das wohl für eine verborgene, aber bittere Qual sein könnte, die an seiner Frau nagte? Auf der Suche nach der Lösung dieses Rätsels kam ihm zunächst der Gedanke, ob nicht am Ende Anna Lwowna seine Ljuba gekränkt habe, aber Ljuba versicherte ihm feierlich, daß Anna Lwowna ihr nichts Kränkendes angetan hätte. Darauf schlug Pawlins Verdacht einen anderen Weg ein, und dieser führte ihn allerdings gerader und näher zum Ziele – es schoß ihm nämlich durch den Kopf, ob nicht gar der junge Herr seine Frau beleidigt haben könnte, – und hier war es, daß, als ihm dieser Gedanke gekommen, das Herz in der Brust zu drücken und zu schmerzen begann. Und kaum war das geschehen, da kam auch sogleich unverhofft und ungedacht die volle Enthüllung des Geheimnisses. Gleich den meisten der jungen Leute, die sich ohne riesige Mittel auf diesen Weg begeben, kam auch für Dodja der Tag, an dem er sich endgültig verwickelt hatte und sich gezwungen sah, das Regiment zu verlassen und sich in eine der entferntesten Städte im nordöstlichen Rußland zu begeben. Es ist nur zu verständlich, daß all das nicht ohne häusliche Szenen abgehen konnte und während einer solchen traf Pawlin wie ein Donnerschlag die Nachricht von der Untreue seiner Frau.


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