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Sechstes Kapitel

Die örtlichen Überlieferungen haben uns sogar den Namen dieses »wie ein Halm« schlanken und schwarzäugigen Mädchens erhalten, das der Pan an sich heranzog, als er bereits alt geworden war. Man nennt sie Hápka Petrunénko. Sie war so außergewöhnlich schön, »daß es den Augen angenehm war, sie anzustaunen«, und hatte, wie man aus ihrer Geschichte ersehen kann, ein empfindsames Herz und eine empfängliche Seele. Wischnewskij konnte ihren schlanken Leib umspannen, indem er die Finger spreizte, und er liebte sie so, wie keine einzige von allen vor oder nach ihr, die sich seiner Gunst erfreuten. Er kleidete sie in rosenen Atlas und ließ sie Jäckchen tragen, die aus kostbaren türkischen Geweben gemacht waren, er trug sie auf Händen und küßte ihre Füße.

Als Stepanida Wassiljewna die unersättliche Neigung ihres Mannes für das Mädchen erkannte, steigerte sich ihre Sorgfalt für sie bis zur Selbstvergessenheit, ja, sie vernachlässigte über ihr sogar ihre eigenen Töchter, deren ältere damals schon gegen zwölf Jahre alt war. Stepanida Wassiljewna flocht selber am Morgen Hápotschkas schwarze Flechten, selber löste sie sie, wenn es Nacht wurde, und parfümierte sie mit aromatischem Rauch, dessen Wohlgeruch die dichten Haare durchdrang und sich in ihnen mit der Kraft des Harzes hielt. Sie gestattete nicht, daß irgend welche anderen Hände diesen Körper berührten und badete selber mit einer starken Essenz aus duftenden Rosen ihre Füße, die Stepan Iwanowitsch oftmals vor ihren eigenen Augen in leidenschaftlicher Trunkenheit inbrünstig küßte. Mit einem Worte, das reizende Mädchen war die Favoritin der Favoritinnen und ihr Dasein im Wischnewskijschen Hause hatte vieles, das sehr von dem der anderen unterschieden war. Wenn Stepan Iwanowitsch mit seinen Windhunden auf die Jagd ritt, nahm er Hapka mit, und begnügte sich nicht damit, daß sie in ihrer Tscherkessentracht neben ihm auf dem bequemen Damensattel ritt, sondern hob sie von dort zu sich herüber und ließ sie vor sich auf seinem Sattel reiten. Wenn das Mädchen vom unbequemen und anstrengenden Reiten müde wurde und ihr Köpfchen schläfrig zu nicken begann, übergab Wischnewskij sie nicht etwa fremden Händen, sondern brach augenblicks die Jagd ab und trug Hapotschka in seinen eigenen Armen behutsam nach Hause. Und Gott bewahre, wenn um die Zeit irgend jemand aus seinem Gefolge auch nur den leisesten Lärm gemacht und den Kinderschlaf der Geliebten des Pans gestört hätte! … Für den Schuldigen hätte es keine Rettung mehr vor der feuchten Grube und den ledernen Hetzpeitschen gegeben.

Vor der Freitreppe angelangt gab Wischnewskij ebenso behutsam das Kind in die Arme seiner herbeieilenden Diener und folgte, während diese Hapka so still als überhaupt nur möglich zu den Gemächern Stepanida Wassiljewnas brachten.

Hier wurde sie alsdann entkleidet und auf die Atlaskissen des breiten türkischen Divans gebettet, auf dessen Rand die Ehegatten Platz nahmen, um ihren Lee zu trinken. Aber sie sprachen nicht, sie schauten nur stumm und entzückt das schlafende Mädchen an. Wenn dann die Zeit kam, zur Ruhe zu gehn, erhob sich Stepanida Wassiljewna, um sich mit unhörbaren Schritten über die weichen Teppiche ins nebenanliegende Zimmer zu begeben, das sie als Schlafgemach benützte, Stepan Iwanowitsch jedoch küßte in dankbarem Schweigen mehrfach die Hand seiner Frau und flüsterte ihr zu:

»Mein Schutzengel du, – ich vergöttere dich!«

Stepanida Wassiljewna vermochte das Glück ihres Mannes nachzuempfinden und teilte es mit einer Kraft, die in dieser unwahrscheinlichen Absonderlichkeit vielleicht einzig bei ihr zu finden war.

Sie schritt in ihr Schlafgemach und betete dort lange vor dem immerglühenden Lämpchen und trat alsdann mit unhörbaren Schritten wieder ins Nebenzimmer: dort lag die rosige Hapka und umarmte in ihrem Schlaf das Kopfkissen mit ihren festen jungen Armen, zu Füßen des jungen Mädchens aber lag auf dem Teppich, den Kopf an den Divan gelehnt, die athletische Gestalt Wischnewskijs.

Stepanida Wassiljewna bekreuzigte die beiden und legte sich jetzt endlich in ihr Witwenbettchen, und wie still, wie friedenvoll, wie erquickend war ihr Schlaf … In all diesem sonderbaren und scheinbar so gar nicht übereinstimmenden Zusammenspiel der Gefühle und der Beziehungen konnte sie für sich selber nichts Erniedrigendes erblicken, ja nicht einmal etwas Unbequemes, es schien ihr im Gegenteil, daß alles so vortrefflich ginge, als es überhaupt nur gehen konnte.

Die grenzenlose Liebe, die diese Frau für ihren Mann empfand, und das große Unglück, das ihre Gesundheit betroffen hatte, waren auf eine höchst merkwürdige Weise in ihr verschmolzen, freilich gab es keinen anderen Menschen, dem ihre sittlichen Begriffe klar oder verständlich geworden wären. Ich, der ich diese Nachrichten aus den unzusammenhängenden mündlichen Mitteilungen mehrerer zusammengetragen habe, will hier nicht einmal versuchen, Stepanida Wassiljewnas Persönlichkeit irgendwie genauer zu schildern. Ich denke nur, daß all das ein wenig unter den heutigen Begriff des »Psychopathischen« fällt. Ich beschränke mich hier darauf, eine interessante Erzählung so wiederzugeben, wie ich sie selber gehört habe, und verzichte darauf, die Charaktere oder die Gesetze der Helden dieser legendären Überlieferungen irgendwie kritisch beleuchten zu wollen.

Ich meine nämlich, daß es sich in der Hauptsache hier keineswegs um eine Kritik handelt, der sich alle hier bezeichneten Personen sowieso im Reich der Schatten schon längst entzogen haben, sondern mehr darum, der Nachwelt die erstaunliche Unmittelbarkeit dieser Charaktere und die Züge ihres absonderlichen und originellen Lebens zu erhalten.

Wie gut bekannt sind uns die stürmischen Gestalten unserer großrussischen Edelleute, deren Leben nach dem Wort des Dichters »in Festen stets verrann, in sinnlos eitlem Prahlen, in Lastern viel und klein und auserlesenen Qualen, wo für der Diener und Leibeigener Sklavenschar das Leben eines Hunds noch zu beneiden war«. Die Gesundheit und die reale Richtung unserer russischen Literatur, die man gelegentlich sogar ihres übertriebenen Realismus wegen tadeln könnte, hat uns dieses großrussische Leben geschildert, wie es war. Wir wissen nur zu gut, welche Art diese »alten Schläuche« waren, die beim Spiel des in sie hineingeschütteten jungen Weines bedenklich zu krachen begannen. Leider folgten die Schriftsteller ukrainischer Herkunft diesem in der gegenwärtigen Periode literarischer Bestrebungen vielleicht ganz einzigartig nützlichen Beispiele nicht. Das Leben der kleinrussischen Adels-Trümpfe ist vor unseren Augen von einem Schleier der Romantik verhüllt, verschattet von der ungemeinen Volkstümlichkeit der kleinrussischen Schriftsteller. Und selbst wo es gelegentlich hervortritt, geschieht es nur in der schwülstigsten Form, die an die unendlichen polnischen Geschichten von der »panna Kochanka« erinnert. Und doch hat das ukrainische Herrentum seine besonderen Eigenarten, die zu studieren sich lohnen würde, und die gleichzeitig ein helles Licht auf das Besondere des kleinrussischen Charakters werfen könnten, wie ihn, einer Bemerkung Schéwtschenkos folgend, der gegenwärtigen Welt »großer und berühmter Ahnen unflätige Enkel« darstellen.

Es wäre auch nicht so unnütz, sich die Repräsentanten jener mittleren Generation anzuschauen, die wie eine Schicht zwischen den Ahnen und den Enkeln liegt, – zwischen jenen also, die der nationalgesinnte Dichter als »groß« preist, und jenen, die er für »unflätig« hält. Vor uns steigen hier Gestalten auf, die auf der Wasserscheide zwischen diesen zwei Hauptströmungen stehen, von denen die eine das kleinrussische Land zu einer unausdenkbaren Größe geführt haben soll, die andere aber zu der unverbesserlichen »Unflätigkeit«.

»Alles in der Welt ist ursächlich, folgerichtig und bestimmt«, und somit kann sich in der Kette wohl die Form des Kettengliedes verändern, desungeachtet aber hängt immer Glied an Glied und eines muß zum anderen in einem gewissen unbedingten Verhältnis stehen.

Indem ich jetzt alles, was ich von Wischnewskij und seinen Angehörigen vernahm, hier in einer Niederschrift vereinige, sollte ich meinen, daß ich hiermit der Literatur ein bisher übersehenes Kettenglied, das sich einzig in Überlieferungen erhielt, übermittele. Mögen diese Überlieferungen auch nicht völlig zuverlässig sein, sie bleiben deswegen dennoch von Interesse, – und zwar als Denkmäler des Volksschaffens, die uns klar zeigen, was damals für die Menschen mit Phantasie bewegend und begeisternd war, und was damals gefiel.

So wende ich mich denn wiederum zu Wischnewskij.

Wenige Zeilen zuvor verließen wir den gewaltigen Pan von Farbowanaja auf dem Teppich zu Füßen seiner Dorfnymphe schlafend. Lassen wir sie denn auch jetzt noch in dieser Stellung, da es eine schönere und poetischere wohl schwerlich in dem eigenartigen, liederlichen und mit nichts sonst vergleichbarem Leben gab. Mögen sie, wie die Kleinrussen sagen, »sich sattschlafen«, und zwar bis zum Morgenrot jenes Tages, der ihr Glück und ihren Frieden umdüsterte und in den Kelch der Liebesfreuden des Pans den bitteren Schierlingstropfen träufelte.

Wetter unten wird sich uns eine Gelegenheit bieten, die es angebracht erscheinen lassen wird, den Vorfall zu schildern, der den höchsten, den Kulminationspunkt der seelischen Leiden und der sittlichen Erregung Wischnewskijs bildete, denn nachmals gab es in seinem Leben wieder nur die Reihe der einander abwechselnden Liebeserlebnisse, von denen keines tiefer griff, als das, das wir soeben beschrieben, die aber Stepan Iwanowitschs Leben bis zu seinem Tode ausfüllten.

Wenden wir uns jetzt, so gut wir es vermögen, den anderen Seiten seiner Tätigkeit und seines Charakters zu.


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