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Fünftes Kapitel

Nach einigen dieser von uns oben beschriebenen Peripetien kam Stepan Iwanowitsch in puncto seiner Verschlossenheit und seines mangelnden Vertrauens nach und nach von den Hinterlisten einer Separat-Politik ab.

Stepanida Wassiljewna war, wie die Bauern sagten, zu ihm »wie eine Mutter, die ein Kind hütet«.

Die geradezu unwahrscheinliche, primitive Einfachheit dieser Beziehungen, die fast an die biblische Erzählung von Sarah und Hagar erinnerte, wird noch unwahrscheinlicher, wenn man den Einzelheiten Glauben schenken will, die vom Leben der zwei Ehegatten erzählt werden.

Stepan Iwanowitsch war ein richtiger Türke. Es war ihm leicht, die verschiedenartigsten Beziehungen zu unterhalten, er vereinigte alle Arten von Liebe in sich, beginnend mit der vorübergehenden Aufwallung bis zu der Anhänglichkeit, die er seinen Odalisken entgegenbrachte und erst recht der ersten Sultanin. Das Vorübergehende galt ihm natürlich wenig und wurde nicht erst in Rechnung gestellt, die Stellung der ersten Sultanin aber nahm, wie es sich auch von selber verstand, seine gesetzliche Gattin ein, die er seinerseits ebenfalls in gewisser Beziehung liebte, jedenfalls beteuerte er immer, daß er sie außerordentlich »verehre«.

»Wenn einer irgend etwas gegen mich anstellen sollte,« pflegte er zu sagen, »das könnte ich vielleicht noch verzeihen, sollte sich aber irgend jemand einfallen lassen, irgend etwas zu äußern, das für Stepanida Wassiljewna kränkend wäre, wer und wo immer er auch sei, ich würde ihn schon zu packen wissen, und selbst Zar Iwan Wassiljewitsch dürfte keine Marter erdacht haben, so grausam wie die, mit der ich den Beleidiger meiner unschätzbaren Gemahlin peinigen wollte.«

Das wußten alle, und ebenso war allen wohl bekannt, daß Stepan Iwanowitsch keine Späßchen machte und daß er, was er sagte, auch tat, darum ließ es sich keiner einfallen, gegen Stepanida Wassiljewna auch nur das geringste Anzeichen der Unbotmäßigkeit oder Widersetzlichkeit zu bekunden. Dennoch waren die Ansichten über den besorgten Eifer, den Wischnewskij seiner Gattin gegenüber zu haben behauptete, sehr geteilt; während einige ihn aus der grenzenlosen Zärtlichkeit, die er für seine Gemahlin empfand, herleiteten, wollten andere nichts als eine List darin erblicken, die in der Tat der kleinrussischen Natur Wischnewskijs in hohem Maße eigen war. Man war der Ansicht, er bezwecke damit, allen Menschen vor seiner Frau »Angst einzuflößen«, damit ihre Wünsche, die ja nur darauf gerichtet waren, ihm sein Leben durch die Liebe der leibeigenen Odalisken zu versüßen, nirgends Widerstand fänden, da anderenfalls die geringste Zuwiderhandlung so grausam bestraft werden sollte, daß selbst Zar Iwan Wassiljewitsch in seinem Grabe darüber erbeben würde.

Im übrigen, ob das nun so war oder anders, ist jetzt nicht mehr genau festzustellen, doch gibt es eine ganze Menge bestimmter Erzählungen darüber, daß Stepan Iwanowitsch, der in allen seinen beiläufigen Erlebnissen von äußerster Lasterhaftigkeit und bis zur Grausamkeit hemmungslos war, es dennoch vermochte, in seine Beziehungen zu den Odalisken, die ihm der Geschmack seiner ersten Sultansfrau auswählte, eine gewisse eigenartige Poesie zu legen. Und zwar gelang ihm das, ohne daß er je seine Natur zu vergewaltigen brauchte, denn in solchen Fällen konnte er sowohl zärtlich, wie auch empfindsam sein. Gleich jenem Don Juan konnte er sich rühmen, daß er nicht nur keines der jungen Geschöpfe jemals durch Rauheit gekränkt, sondern auch, daß er sie »nie verführt durch Kälte ohne Leidenschaften«. Nein, ins Haus seiner Frau, deren Liebe ihm eine Freude vorbereitet hatte, kam er stets voll zärtlicher Gefühle, und die beiden Ehegatten verhätschelten die Erwählte »wie ein Falkenweibchen ums Morgenrot«. Sie taten ihr schön und schmückten und liebkosten sie, – prächtig gekleidet, in Genüssen geradezu ertrinkend, von Leckerbissen überfüttert, durfte sie in Stepanida Wassiljewnas Zimmern leben und bemerkte selber kaum, wie sie so von einer Rolle in die andere glitt; sie kam, als wandle sie im Nebel, lange Zeit hindurch nicht zum Bewußtsein dessen, was mit ihr geschehen war, und wie das enden mußte. Alle diese Odalisken traten in einem Alter, da sie die Kindheit kaum vollendet, ihre Rollen an, ihre Köpfe hatten noch keine Erfahrungen, die Begriffe von dem, was Zukunft heißt, waren noch zu schwach, so verlockend war dagegen das Leben der Gegenwart, so voll Ergötzungen. Viele von ihnen erschlossen zutunlich ihrem Gebieter Seele und Herz, zum mindesten war er ihnen keine Last, Stepanida Wassiljewna aber liebten sie sogar »wie eine Mutter«. Und wahrhaftig, sie war zu ihnen wie eine Mutter zärtlich und stand ihnen mit Rat und Tat wie eine ältere Haremsgenossin bei, die einstmals das gleiche Glück, das jetzt die jüngeren Odalisken ihrem geliebten Padischah vermittelten, reichlich genossen. Der Mann, seine Gattin und die Favoritin du jour waren im Hause fast unzertrennlich und verbrachten die meiste Zeit miteinander selbdritt, einigen seiner Odalisken war Stepan Iwanowitsch so zugetan, daß er sich von ihnen auch nicht auf eine Minute zu trennen vermochte. Und zwar war es nicht etwa nur Sinnlichkeit, die Wischnewskij an sie fesselte, nein, er war wie ein feuriger Knabe in sie verliebt und nahm sie, wenn er in unaufschiebbaren Fällen das Haus verlassen mußte, stets mit sich, wobei sie Pagentracht tragen mußten; sie hatten alsdann die Aufsicht über seine wirklich prachtvollen Bernsteinpfeifen und den Tabaksbeutel, den er beständig brauchte, denn Iwan Stepanowitsch rauchte sogar nachts, und darum mußte sein »Pfeifen-Knabe« immer um ihn sein.

Aus diesem Grunde war vermutlich die Annahme entstanden, daß Stepan Iwanowitsch sich bis zu einem gewissen Grade von Eifersucht leiten ließe, doch sollte man andrerseits meinen, daß diese Annahme wenig Grund habe, da Wischnewskij, wenn er das Mädchen unter Aufsicht von Stepanida Wassiljewna zurückgelassen hätte, nicht die geringste Gefahr gelaufen wäre: darum scheint es viel richtiger zu sein, sich der Ansicht anzuschließen, die von den Leuten, die diesen kleinrussischen Psychopathen näher kannten, verbreitet wurde, daß er sich nämlich in seine Favoritinnen leidenschaftlich zu verlieben pflegte und sich so lange nicht von ihnen trennen konnte, bis die Leidenschaft nicht ihren Umlauf vollzogen und wieder abgekühlt war.

Je heißer Stepan Iwanowitsch seiner Odaliske zugetan war, desto zärtlicher bemühte sich seine Frau um diese Person. Wenn aber Wischnewskij Leidenschaft erloschen war, und er »hinter den Ssupoj« reiste, dann nahm es Stepanida Wassiljewna auf sich, die alte »Ergötzung« anderweitig unterzubringen und eine neue herbeizuschaffen, die geeignet wäre, den Pan von Farbowanaja aufs neue vom anderen Ufer herbeizulocken.

Tragisch gingen diese Lösungen niemals aus. Alles wurde dank dem Takt, dem warmen Herzen und der Freigebigkeit Stepanida Wassiljewnas noch jedesmal ordentlich und gut und zur allgemeinen Befriedigung aller, die dem betreffenden Mädchen nahestanden, erledigt. Ein einziger Fall bildete eine Ausnahme und zwar war das die fünfzehnjährige Tochter eines Bauern, die einen besonders großen Platz in Wischnewskijs Herzen eingenommen hatte, und die ihm einen Sohn, aber auch einen unangenehmen Bodensatz in seinen Erinnerungen zurückließ.


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