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In dem Pappelwäldchen am schlammigen Fluß, drei Meilen westlich von Paris, Kansas, waren die Frommen mit Eßkörben, Staubmänteln und feuchten, unglückseligen Kindern zur ganztägigen Feier versammelt. Die Brüder Elmer Gantry und Edward Fislinger waren schon früher zum Predigen zugelassen gewesen, doch jetzt sollten sie zu flüggen Predigern, zu Baptistengeistlichen ordiniert werden.
Sie waren aus dem weitentfernten Mizpah-Seminar für Theologie heimgekommen, um von ihrer eigenen Kirchenversammlung, der Kayooska River Baptisten-Vereinigung, ordiniert zu werden. Sie hatten beide noch ein Jahr des dreijährigen Seminarkurses vor sich, aber bei den frömmeren Landbrüdern hält man es für gut, die Kleriker früh zu weihen, damit sie, auch schon bevor sie unfehlbare Weisheit erlangt haben, auf Hinterwäldlerkanzeln stehen und während der Wochenenden gute Werke mit göttlicher Autorität tun können.
Seine Ferien nach dem College hatte Elmer auf einer Farm verbracht; in den Ferien nach seinem ersten Jahr im Seminar war er Aufseher in einem Knabenlager gewesen; jetzt, nach der Ordinierung, sollte er in den kleineren Kirchen in seinem Zipfel von Kansas Dienst machen.
Während seines zweiten Seminarjahres, das eben zu Ende gegangen war, hatte er sich noch viel mehr gelangweilt, als jemals im Terwillinger. Beständig hatte er daran gedacht abzugehen, aber nach seinen Reisen in die Stadt Monarch, wo er nähere Beziehungen zu lockeren Damen und Mixern unterhielt, als man von einem heiligen Kleriker erwarten sollte, hatte er immer wieder frische Kraft für seinen Entschluß, ein reines Leben zu führen, und so gelang es ihm, auszuharren bis zur Vollendung, deren Symbol der Grad eines Baccalaureus der Theologie war.
Aber wenn es auch langweilig gewesen war, er hatte Gelegenheit gehabt, sich in seinem Beruf zu üben.
Er konnte jetzt jedem Auditorium ins Auge schauen und autoritativ über jedes beliebige Thema sprechen, so oft man wollte, ohne daß er zitterte oder irgendwelche grammatikalischen Fehler machte. Er verfügte über einen eleganten Wortschatz. Er kannte achtzehn Synonyma für Sünde, von denen die Hälfte sehr lang und eindrucksvoll war, die andere Hälfte sehr kurz, explosiv und bedrohlich – bedrohlich war eines seiner Lieblingsworte, immer von Nutzen, wenn er die vorläufig noch imaginäre Sünderschar, die sich vor ihm sammelte, in Schrecken jagen wollte.
Es bereitete ihm keine Verlegenheit mehr, auf die intimste Weise von Gott zu sprechen; ohne zu grinsen, konnte er einen sieben Jahre alten Knaben fragen: »Willst du nicht deine Laster aufgeben?« Und ohne mit der Wimper zu zucken, konnte er einem Tabaksverkäufer ins Gesicht sehen und fragen: »Haben Sie schon einmal vor dem Thron der Gnade gekniet?«
Was für weltliche Ausdrücke er auch in vertraulichen Unterhaltungen mit den weniger heiligen Studenten der Theologie gebrauchen mochte – mit Leuten wie Harry Zenz, der der überzeugteste Atheist im Seminar war öffentlich sagte er nicht einmal »verflixt«, er hatte zu sofortigem Gebrauch eine Anzahl von Phrasen in Bereitschaft, wie »Bruder, ich bin bereit, Ihnen beim Streben nach Frömmigkeit behilflich zu sein«, »Mein ganzes Leben legt Zeugnis für meinen Glauben ab«, »Für das geistige Auge bedeutet es keine Schwierigkeit, die dreifältige Natur der Göttlichkeit zu begreifen«, »Wir können keine trauerklößigen Christen in dieser Kirche brauchen – einer, der im Blut des Lamms gewaschen ist, ist so glücklich, daß er den ganzen Tag singend und Hallelujah rufend herumgeht« und »Kommt jetzt, kommt alle her, wir wollen die größte Sammlung machen, die diese Kirche je gesehen hat.« Er konnte die Vorherbestimmung voll und ganz erklären und bediente sich der Worte »baptizo« und »athanasisch«.
Er würde vielleicht weniger laut, weniger gelehrsamkeittriefend sein, sobald er einmal ein oder zwei Jahre nach dem Schlußexamen in der Praxis sein und entdeckt haben würde, daß die Menschen gemeinen Herzens sind, niedrige Gewohnheiten haben und nicht die geringste Lust zeigen, dem Pfarrer die Aufsicht über alles einzuräumen, was sie tun und lassen. Aber davon würde er sich wieder erholen, er sah aus wie ein Vorbild dessen, was er in zwanzig Jahren, als Zehntausenddollar-Prophet, sein würde.
Er war breiter geworden, sein glänzendes Haar, das er länger trug als im Terwillinger, war aus der schweren weißen Stirn zurückgestrichen, seine Nägel häufiger sauber, seine Sprache majestätisch. Sie war sonorer, abgemessener und priesterlicher; er konnte, und tat es auch, zeigen, daß er die verborgene moralische Krankheit eines Menschen kannte, indem er ganz einfach sagte: »Wie geht's uns heute, Bruder?«
Und obgleich er in Griechisch fast durchgefallen wäre, hatte sein Aufsatz »Sechzehn Wege, eine Kirchenschuld abzutragen« den Zehndollarpreis in praktischer Theologie gewonnen.
Er schritt unter den Kayooskatal-Kommunikanten neben seiner Mutter einher. Sie war eine kleinstädtische Geschäftsfrau, nicht übermäßig runzlig oder schäbig; sie trug sogar einen guten, kleinen, schwarzen Hut und ein neues braunes Seidenkleid mit einer Goldkette; doch neben seiner Größe und ehrbaren Pracht wirkte sie unansehnlich.
Er trug für die Zeremonie einen neuen zweireihigen Anzug aus schwarzem Tuch und neue schwarze Schuhe. Dasselbe hatte Eddie Fislinger an, dazu eine Trauerkrawatte und einen großen schwarzen Filzhut, wie ihn die Texas-Kongreßmitglieder tragen. Doch Elmer war unternehmender. Hätte er nicht eingesehen, daß er Würde zeigen mußte, so würde er sich den Prunk erlaubt haben, für den er Talent hatte. Er hatte ein Kompromiß geschlossen, indem er sich auf der Heimfahrt in Chicago einen schönen hellgrauen Filzhut kaufte, und ein rotgerändertes graues Seidentaschentuch riskiert, das seinem nüchternen Brustkasten einen gefälligen Anflug von Farbenfreudigkeit verlieh.
Aber er hatte, für diesen Tag, auf den großen Opalring mit den fast goldenen Schlangen verzichtet, den er einmal, unter dem Einfluß des Alkohols seinem Gelüst erliegend, in der Stadt Monarch erworben hatte.
Er marschierte wie eine Armee mit Fahnen, er redete wie eine Posaune, er gestikulierte weit ausholend mit seiner großen, gebleichten, dicken Hand; und seine Mutter, die in ihn eingehängt war, blickte in Ekstase zu ihm auf. Er führte sie in der Menge, leutselig wie ein Anwärter auf den Posten des Nachlaßrichters und hüllte sie in die Fransen seines Ruhms.
Zur Ordinierung waren vielleicht zweihundert baptistische Laien und Laiinnen und mindestens zweihundert kleine Kinder von den benachbarten Kirchengemeinden hergekommen, in Bockwagen, in Demokratenwagen und Einspännern. (Es war 1905; es gab noch keinen Ford näher als im Fort Scott.) Es waren anständige, freundliche, ehrbare Leute; Farmer, Grobschmiede und Schuster; Männer mit gegerbten, faltigen Gesichtern, die bügelfaltige »Sonntagsanzüge« anhatten; die Frauen, tiefbusig oder von der Arbeit eingeschrumpft, waren in sauberem Gingan. Nur ein Dorfbankier war da, sehr gesprächig und demokratisch, in einem neuen Drillichanzug. Sie bewegten sich im Kreis wie Vieh, der Staub reichte bis zu den Schnürsenkeln, und Staub hüllte sie ein, in der stillen Hitze, unter den staubigen Zweigen der Pappeln, von denen Schnitzelchen herabschwebten, auf dem groben Zeug ihrer Kleider haften blieben und dort glitzerten.
Sechs Prediger waren zusammengekommen, um dem Pfarrer von Paris bei seiner Zeremonie zu assistieren, und einer von ihnen war kein Geringerer, als der Rev. Dr. Ingle, der den ganzen Weg von St. Joe hergekommen war, wo er eine Sonntagsschule mit sechshundert Kindern haben sollte. Als junger Mann – sehr mager und beredt in einem Gehrock – hatte Dr. Ingle sechs Monate lang in Paris gepredigt, und Mrs. Gantry entsann sich seiner als ihres Lieblingsgeistlichen. Er war so freundlich zu ihr gewesen, als sie krank war; er war zu ihr gekommen, um »Ben Hur« vorzulesen und einem kleinen, untersetzten Elmer, der sich gern hinter Möbelstücken versteckte und mit Gemüseresten nach Besuchern warf, Geschichten zu erzählen,
»So, so, Bruder, das ist also das kleine Jungchen, das ich als Gelbschnabel kannte! Nun, Sie waren immer ein gutes kleines Bürschchen, und jetzt, höre ich, sollen Sie ein frommer junger Mann sein – und ausersehen, große Werke für den Herrn zu tun«, begrüßte Dr. Ingle Elmer.
»Danke schön, Doktor. Beten Sie für mich. Es ist eine Ehre für uns, daß Sie aus Ihrer großen Kirche hergekommen sind«, sagte Elmer.
»War gar keine Mühe für mich. Das liegt auf meinem Weg nach Colorado – ich hab' eine Hütte dort oben in den Bergen gemietet – prachtvolle Aussicht – Sonnenuntergänge – vom Herrn selbst gemalt. Meine Gemeinde ist so gut gewesen, mir zwei Monate Urlaub zu geben. Ich wollte, Sie könnten auf eine Zeitlang dort hinkommen, Bruder Elmer.«
»Ich wollte, ich könnte, Doktor, aber ich muß in aller Demut versuchen, die Feuer hier in der Gegend im Brennen zu erhalten.«
Mrs. Gantry keuchte. Daß ihr kleiner Junge sich mit Dr. Ingle unterhielt, als wären sie ganz gleich! Daß sie ihn wie einen Prediger reden hören konnte – als ob das ganz natürlich wäre! Und eines Tages – Elmer mit einer berühmten Kirche; mit einer Hütte in Colorado für den Sommer; verheiratet mit einer netten frommen kleinen Frau, mit einem halben Dutzend Kinder; und sie selbst eingeladen, den Sommer über mit ihnen zusammen zu sein; sie alle bei Familiengebeten kniend, von Elmer angeführt … obwohl Elmer es jetzt ablehnte, Familienandachten zu halten; er sagte, er hätte genug davon das ganze Jahr über im Seminar … zu bös, aber sie würde immer weiter schmeicheln … und wenn er nur endlich mit dem Rauchen aufhören würde, wie sie ihn bat und beschwor … na ja, wenn er gar keine Ungezogenheiten mehr hätte, wäre er vielleicht überhaupt nicht mehr ihr kleiner Junge … Wie hatte sie früher immer schimpfen müssen, um ihn dazu zu bringen, daß er sich die Hände wüsche und die netten Pulswärmer aus roter Wolle anlegte, die sie für ihn gestrickt hatte!
Nicht weniger befriedigend war für sie der Eindruck, den Elmer auf alle ihre Nachbarn machte. Charley Watley, der Anstreicher, Führer des Ezra P. Nickerson-»Postens«, der Bürgerkriegsveteranen von Paris, der immer an seinem weißen Schnurrbart gezogen und gegrunzt hatte, wenn sie ihm von Elmers verborgenen Heiligungskräften geredet hatte, nahm sie zur Seite und gestand ein: »Sie hatten recht, Schwester; er gibt einen schönen, aufrechten jungen Mann Gottes ab.«
Sie begegneten dem Stadtproblem, dem Apotheker Hank McVittie. Elmer und er waren Spielkameraden gewesen; gemeinsam hatten sie Mais gestohlen, schweren Apfelwein getrunken und Liebesgenüssen im Heu gefrönt. Hank war ein kleiner roter Mann mit mutwilligem und durchtriebenem Blick. Es war sicher, daß er heute nur gekommen war, um Elmer auszulachen.
Sie standen einander gegenüber, und Hank bemerkte: »Morgen, Mrs. Gantry. Na, Elmy, Prediger werden, was?«
»Jawohl, Hank.«
»Gern?« Hank grinste und kratzte sich mit seiner sommersprossigen Hand am Kinn; andere gottlose Pariser hörten zu.
Elmer rief: »Sehr gern, Hank. Mit vielen Freuden! Ich liebe die Wege des Herrn und will meinen Fuß nie auf andere setzen! Weil ich von der Frucht des Bösen gekostet habe, Hank – du weißt es. Und es ist nichts dran. Was für Spaß wir auch hatten, Hank, es war nichts im Vergleich zu dem Frieden und der Freude, die ich jetzt fühle. Du tust mir ein wenig leid, mein Junge.« Er strahlte Hank an und ließ seine Tatze schwer auf die Schulter des Apothekers fallen. »Warum versuchst du nicht, dich gut mit Gott zu stellen? Oder bist du vielleicht besser als er?«
»Ist mir noch nie eingefallen, so was zu behaupten!« fauchte Hank, und in dieser Ärgerlichkeit triumphierte Elmer, jubelte seine Mutter.
Es tat ihr leid, als sie sah, wie wenige Eddie Fislinger gratulierten, der sich mit ihnen im Kreise bewegte, aber mutterlos, unansehnlich, voll ängstlicher Verlegenheit vor der führenden Geistlichkeit.
Der alte Jewkins, ein demütiger, freundlicher alter Farmer, kam heran und murmelte: »Ich möchte Ihnen die Hand drücken, Bruder Elmer. Ich freu' mich sehr, daß ich sehen kann, daß Sie so gewählt haben und jetzt für das Werk des Herrn aufgehoben sind. Jemine! Wenn ich dran denk', daß ich mich noch an Sie erinnern kann, wie Sie so 'n Grashopser waren, der einem bis zum Knie gegangen ist! Sie studieren jetzt wohl 'ne ganze Menge von schrecklich gelehrten Büchern.«
»Man läßt uns tüchtig und angestrengt arbeiten, Bruder Jewkins. Man gibt uns ziemlich schwierige Sachen: Hermeneutik, Chrestomathie, Perikope, Exegese, Homiletik, Lithurgik, Isagogik, Griechisch, Hebräisch und Aramäisch, Hymnologie, Apologetik – ach, es reicht schon.«
»Wohl, wohl! Du meine Güte«, stöhnte der alte Jewkins verehrungsvoll, während Mrs. Gantry sich wunderte, daß Elmer noch gelehrter war, als sie gedacht hätte, und Elmer voll Stolz überlegte, daß er wirklich wußte, was alle diese Worte – bis auf einige – bedeuteten.
»Herr Jeses!« seufzte seine Mutter. »Du wirst ja so gebildet, daß ich, weiß Gott, mich bald nicht mehr trauen werd', mit dir zu reden!«
»O nein. Nie wird es eine Zeit geben, wo du und ich nicht die allerbesten Freunde sein werden, oder wo ich nicht die geistliche Hilfe deines Gebetes brauchen werde!« sagte Elmer in singendem Ton, mit kultiviertem, doch mannhaftem Lachen.
Man versammelte sich auf Bänken, Wagensitzen und Kisten zur Zeremonie der Ordinierung.
Die Kanzel war ein Holztisch mit einer riesigen Bibel und einem Krug Limonade darauf. Dahinter standen sieben Schaukelstühle für die Geistlichkeit, und genau davor zwei harte Holzstühle für die Kandidaten.
Der damalige Ortsgeistliche, Bruder Dinger, war ein magerer Mann, der langsam redete und gern lange betete. Er klopfte auf den Tisch. »Wir wollen, äh, wir wollen jetzt beginnen.«
… Elmer sah auf seinem Küchenstuhl vor den Reihen erhitzter, geröteter Gesichter hübsch aus. Er hörte auf, sich darüber zu ärgern, daß seine glänzenden neuen Schuhe staubgrau waren. Sein Herz pochte. Er war dran! Kein Entrinnen! Er würde Pastor sein! Die letzte Gelegenheit für Jim Lefferts, und der Himmel wußte, wo Jim war. Er konnte nicht – seine Schultermuskeln waren hart. Dann entspannten sie sich müde, als hätte er bis zum Überdruß gekämpft, während Bruder Dinger fortfuhr:
»Also, wir wollen mit der gewöhnlichen, äh, Prüfung unserer jungen Brüder beginnen, und die Brüder sind, äh, sie sind so gut gewesen, äh, mich, äh, unter dessen Obhut einer, äh, einer dieser lieben jungen Brüder immer gelebt und sein Heim gehabt hat – mich, äh, die Fragen stellen zu lassen. Nun, Bruder Gantry, glauben Sie voll und aus ganzem Herzen an die Taufe durch völliges Untertauchen?«
Elmer dachte: »Was für eine fürchterliche Kanzelstimme der arme Schafskopf hat«, aber laut polterte er los:
»Ich glaube, Bruder, und bin es auch so gelehrt worden, daß ein Mensch vielleicht gerettet werden könnte, wenn er ganz einfach durch Besprengen oder Übergießen getauft worden ist, aber nur, wenn er die Wahrheit nicht gekannt hat. Natürlich ist das völlige Untertauchen die einzige schriftgetreue Methode – wenn wir wirklich werden sollen wie Christus, müssen wir mit ihm bei der Taufe begraben werden.«
»Das ist schön, Bruder Gantry. Loben Sie Gott! Nun, Bruder Fislinger, glauben Sie an das Beharren in der Gnade?«
Eddies eifrige, aber mißtönige Stimme erklärte weiter – weiter – einschläfernd wie die Heuschrecken in den flimmernden Feldern jenseits des Kayooska River.
Da es in der Baptistenkirche keine Hierarchie gibt, sondern nur eine freie Gemeinschaft gleichgesinnter Ortskirchen, kennt sie keine kanonischen Formen, sondern lediglich Gepflogenheiten. Die Zeremonie der Ordinierung ist kein fest umschriebener Ritus; sie kann je nach dem Willen der örtlichen Gemeinschaft wechseln, die Weihe wird nicht durch einen Bischof erteilt, sondern durch die allgemeine Zustimmung der in einer Gemeinschaft vereinigten Kirchen.
Auf die Fragen folgte die »Ansprache an die Kandidaten«, eine fürchterliche Mahnrede, gehalten von dem großen Dr. Ingle, in welcher er Studium, leichtes Essen und Krankenbeistand durch Besuche und Vorlesen von Bibelstellen empfahl. Dann vereinigten sich alle zu einem schrecklichen Essen aus den Körben an langen Brettertischen am kühlen Fluß … Bananenkuchen, Pfannkuchen, Brathuhn, Schokoladekuchen, hausgebackene Kartoffeln, Eremitenküchelchen, Kokosnußkuchen, Tomatenkonserven, alles auf Tellern, die auf dem Tisch umherrutschten; dazu Kaffee, der aus einem ungeheuren Zinntopf in untertassenlose Becher geschenkt wurde, wobei unentwegt mindestens ein Kind verbrüht wurde, das dann heulte. Herzliche Rufe wurden laut, »Geben Sie mir doch mal die Zitronenpastete herüber, Schwester Skiff«, »Das war eine feine Rede von Bruder Ingle« und »Ach du meine Güte, ich hab' meinen Löffel fallen lassen, und 'ne Ameise ist drauf gekommen – na, ich werd' ihn ganz einfach an meiner Schürze abwischen – das war schön, wie Bruder Gantry erklärt hat, wie die Baptistenkirche schon die ganze Zeit seit den Tagen der Bibel existiert.« … Die Jungen badeten, kreischten, bespritzten einander … Die Jungen gerieten in den Giftsumach … Die Jungen wurden im Sumach so vergiftet, daß sie innerhalb sieben Stunden Flecken auf der Haut bekommen und anzuschwellen beginnen würden … Dr. Ingle erzählte den anderen Geistlichen begeistert von seinem Ausflug ins Heilige Land … Elmer log von den zärtlichen Gefühlen, die er für den Lehrkörper seines theologischen Seminars hegte.
Als sie nach dem Lunch wieder versammelt waren, hielt Bruder Tusker, der Prediger der größten Gemeinde in der Vereinigung, die »Ansprache an die Kirchen«. Das pflegte immer der pikanteste, skandalöseste und köstlichste Teil der Ordinierungszeremonie zu sein. Bei dieser Ansprache hatte die Geistlichkeit Gelegenheit, es den Pfarrkindern heimzuzahlen, die, als Stifter großer Beiträge, als garantierte Heilige, an ihnen herumgenörgelt hatten.
Hier gingen diese prächtigen jungen Männer in den Dienst, sagte Bruder Tusker. Nun, es gälte ihnen zu helfen. Bruder Gantry und Bruder Fislinger sprängen vor Opfer und Lernbegier. Dann sollten ihnen die Kirchen aber auch eine Möglichkeit geben und sie nicht die ganze Zeit auf der Hetzjagd sein lassen, wie es manche ältere Prediger tun müßten, um ihre Einkünfte zu erhöhen! Man sollte mit dem Kritteln aufhören; man sollte gottgefälliges Leben und endlich einmal das Wort zu schätzen wissen, statt den ganzen Tag lang auf seinen Predigern herumzuhämmern!
Und manche der Anwesenden, die den Predigerfrauen Trägheit vorwürfen, merkwürdig, wie gerade einige von diesen Zeit dafür zu haben schienen, sich mit Tratsch und Klatsch herumzutreiben, alles zu sehen und Skandal zu verbreiten! Es wären nicht nur die Mannsleute, an die der Heiland gedacht hätte, als er sagte, die ohne Sünde wären, sollten die ersten Steine aufheben!
Die übrigen Prediger lehnten sich in ihren Stühlen zurück, versuchten gleichgültig auszusehen und hofften, Bruder Tusker würde sich noch ein klein wenig eingehender mit der Sache der Gehaltserhöhung befassen.
In seiner Predigt und dem abschließenden Ordinierungsgebet gab Bruder Knoblaugh (von Barkinsville) zu Ehren Elmer Gantrys, Eddie Fislingers und Gottes einen kurzen Abriß der Geschichte der Baptisten und sprach von der Wichtigkeit der Missionen und den Gefahren, die es mit sich brächte, die Bibel nicht täglich vor dem Frühstück zu lesen.
Während dieses langen Gebets standen die Gastpastoren mit ihren Händen auf den Köpfen von Elmer und Eddie.
Zunächst gab es da einen grotesken Zwischenfall. Die meisten Geistlichen waren kleine Männer, die nicht bis zu Elmers Kopf hinaufgreifen konnten. Angestrengt, entsetzt und ganz unkirchlich standen diese ärmlichen guten Leute vor dem unruhigen Publikum. Es gab ein Gekicher. Elmer hatte einen Geistesblitz. Er kniete plötzlich nieder und Eddie, glotzend und ängstlich, ahmte ihm nach.
In dem pulverigen grauen Staub kniete Elmer, ohne sich dessen bewußt zu sein. Auf seinem Kopf lagen die müden Hände dreier geistlicher Veteranen, und mit einem Male war er demütig, einen Augenblick lang wurde er wahrhaftig für den priesterlichen Dienst Gottes geweiht.
Bis zu diesem Augenblick war er nichts als ungeduldig gewesen. In den Kapellen von Mizpah und Terwillinger hatte er zu viel berühmte Kanzelredner als Gäste sprechen gehört, als daß die bäuerische Beredsamkeit der Kayooska-Vereinigung auf ihn hätte Eindruck machen können. Doch jetzt empfand er ihre schüchterne Zärtlichkeit, ihre ungelehrte Glaubensglut – diese von der Armut ausgemergelten Pfarrer glaubten, voller Geduld in ihren kahlen, nüchternen Heiligtümern, daß sie die Welt retteten, und begrüßten voll demütiger Sehnsucht die jungen Leute, denen sie einst selbst gleich gewesen waren.
Zum erstenmal seit Wochen betete Elmer nicht, um sich zu zeigen, sondern aufrichtig, voll Leidenschaft und mit einem Anflug von Ehrlichkeit:
»Lieber Gott – ich will's schaffen – nicht Eindruck schinden, sondern nur an dich denken – Gutes tun – hilf mir, Gott!«
Ein kühler Luftzug ließ die schweren, staubüberzogenen Blätter erzittern, und als die seufzende Menge sich mit Gepolter von ihren Bänken erhob, stand Elmer Gantry voll Zuversicht da … geweihter Prediger des Evangeliums.