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Zwei Ulkiaden

Man riet mir ab, die beiden lieben Gedichte ins Buch aufzunehmen.
Ich frage aber immer die Sterne und hier das Publikum?

 

Die Erste

Der Kartoffelpuffer

An der Grenze zwischen Rheinland und Belgien nennt man ihn: Le Reibepfannekuchen.

Kaiser Karl zu Aachen saß
Am liebsten auf dem Throne,
Wenn er Le Reibekuchen aß
Mit starker Kaffeebohne.

Beide Völker, das deutsche wie das belgische, genießen ihn mit Vorliebe. Die Delikatesse schwimmt weiter den Rhein herauf bis zur Schweizer Grenze.

In Züri der Vegetarierhirt
Stammt eigentlich aus Bayern.
Wenn dir's mal flau im Magen wird,
Sein Küchli schwimmt in Eiern.

In Köln, Ohligs, Düsseldorf, Neuß, Hamm, Dortmund, Coblenz, Neuwied wirkt das Nationalgericht geradezu elektrisch. Namentlich im Wuppertal, wo des Reibepfannekuchens Pfanne stand und in Elberfeld-Barmen die Butter der Welt erblickte. Ursprünglich wurde er in reiner Butter gebraten; heute noch ganz ohne Butter im ärmsten Viertel der Wupperstädte nicht. Das half and half hingegen beleidigt die Zunge des Wuppertaler Feinschmeckers. – Großgewachsene Kartoffel schält die Köchin und reibt sie zu Teig. Kein Mehl kommt dazu wie in der Spreeküche, – aber einige gequirlte Eier, so eben recht frisch gelegte Ostereier. Salz hätte ich beinahe vergessen! Daß man den Berlinern nicht abgewöhnen kann, das begehrteste Gericht aller Gerichte in Nierenfett oder gar in Schweineschmalz zu backen.

Ach und ärscht in Dräsden, Leipzig,
Wo die Kartoffel selber reibt sich
In der Maschine zum Kartoffelpufferteig.

»Kartoffelpuffer« nennt der Norddeutsche unseren lieben Reibepfannekuchen.

Und was zuguterletzt passieren kann,
Freut man sich auch den Tag auf diese Zauberspeise
– Es kommt natürlich auf die Heimat Ihrer Köchin an
– Beißt man auf Zwiebeln im Familienpufferkreise.

Eßt Kartoffelpuffer! Zumal er zubereitet wie in seinem Vaterlande, er zu den leichtbekömmlichsten Speisen zählt.

Und nicht entehrt wird von der Köchinmutter;
Im Schweineschmalz geknuspert, armes Ferkel!
Ja, so reicht man in Berlin den Puffer
Oft im anspruchsvollsten Zerkel!

Und das Ungeheuerlichste ist –

Man pflegt ihn obendrein
Mit Zucker zu bestreuen!

Das wird Berlin noch einmal sehr bereuen!

Gerade seine Herbheit nach Wuppertaler Rezept ist es, die der Zunge nie geträumte und gebräunte Illusionen bereitet.

Eßt Kartoffelpuffer!!!!

Auch ich bestehe der Versuchung nicht, und lasse mich von ihm versuchen.

Lottchen (schwärmerisch): »In Süßrahmbollebutter, Manne, wird er – ein Gedicht« ...

Sogar ein klassisches:

Wer knuspert so spät durch Nacht und Wind?
Es ist ein Puffer in Tantchens Spind.

Übrigens:

In den Sternen steht es groß geschrieben,
Daß die Mondbewohner den Kartoffelpuffer lieben;
Und ihn backen jeden Sonntag fast.
Fragt nur Einstein, er ist oft zu Gast.

Da schon Lucullus ihn mit Begeisterung schluckte,
Buckte seine Köchin, die sonst Gifte spuckte,
Den Kartoffelpuffer, ohne daß sie muckte!

Der Schah von Persien Abdullah
Fand im Puffer goldenes Frauenhaar.
– Er ließ die Dame zu sich kommen ...

Selbst Bonaparte speiste ihn
Den Reibepuffer mit der Josephin.
Ob Werner Krauß Napoleon
– Ihn mag? Ich glaube schon.

Und weiter, frei nach Schillers Text,
Bis mir der Puffer aus dem Halse wächst –
Könnt ich Armeen aus der Pfanne stampfen,
Sie alle würden heiß serviert und tüchtig dampfen.

Der lieben Hedwig Wangel den ersten zur Dedikation:
Die Hedwig Wangel backt die Puffer fromm in Pflanzenschmalz
Und würzt den Teig mit ihrer Liebe starkem Salz
Für ihren Strafentlassenen, armen Mädchenchor.
Am Tor der Hoffnung schlingt der Puffer sich empor.

Bitte, machen Sie doch auch einmal einen Kartoffelpuffer-Reim! – Na also:

Sitzen wir, verehrte Dichterin, wie ein Duett
Im Sachsenhof bei dir, am Puppenherde,
Zum Paradies wird diese Erde –
Doch unser Puffer wie – ein – Brett.

 

Die Zweite

Der Schnupfen

Ich habe ihn doch wieder! Niesen ist unmodern geworden.

In den Biedermeierjahren,
Als die Leute noch gemütvoll waren,
Wünschten sich: »Gesundheit!« beide Gatten.
Oder auch: »Zum Wohlsein! wenn Sie mir gestatten.«

Haben doch die meisten Leute im Laufe der Jahrzehnte
der Tournüre Artigkeit gewissenlos eingebüßt und opfern
keine Worte weiter zur Verherrlichung des Schnupfens.
Mit Rezepten sind sie bei der Hand.
Ich trage meinen Schnupfen heute noch mit Würde,
Und klage nicht das launige Sommerwetter an.
Ich finde »klagen« irgendwie absurde,
Wenn man noch eben etwas schnaufen kann.
Nahm ein Verleger mir nur meine Bürde,
Die ungedruckt an meinen Ästen hängt.
Die vielen Verse werden erst zur Zierde,
Wenn ein Verlag sich druckreif danach drängt.
Gedichte, die ich in den letzten Jahren schmierte,
Prosa hellrosa, cetera, was liegt daran –
In die ich en passant die Welt einschnürte,
Beweise lieferte, daß ich was kann.
Und erst was können könnt, postwendend postrestant.
Was drängt ihr euch zu lindern meinen Schnupfen,
Als wären wir beinahe blutsverwandt.
– Am Abend führ ich in mein Nasenloch den Watte tupfen –
Vorher – in Glyzerin getaucht und – schnarche dann.


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