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Die Lamas

Wenn es durch die Korridore des Hotels »Der Sachsenhof« leise schellt, beten die Lamas gemeinsam vor ihrem geweihten herrlichen Buddha-Teppich. Seit kurzem schließen sie mich in ihr Gebet ernsthaft ein. Sie bewohnen fast die ganze zweite Etage des gentilen, heimatlichsten Hotels: Der Sachsenhof, darin ich schon viele Jahre wohne, das mich ebenfalls gastlich aufnahm und ich lieb gewann, wie ein internationales Zuhause. Zwischen tibetanischen Priestern Wand an Wand lausche ich andächtig fremden tiefen Zeremonien. Gesänge, die den Lamas teuer sind, die sie immer wieder leiernd aufrollen mit dem heiligen Gebetteppich, die Berge näher zu zaubern, die Heimat zu betreten, von deren Anhöhen sie herabstiegen, ihre Klöster verließen, einen anderen Erdteil zu schauen, den zu erreichen ihnen bis dazumal eine Traumreise nach dem Abendstern, unerklärlich verwirklicht, erschienen wäre. Europa spielt sich augenblicklich für unsere asiatischen religiösen Gäste in unserem Hotel »Der Sachsenhof« ab, ein fruchtbarer Planet, der sie reich und verständnisvoll beherbergt. Der Sternenfee Anny, dem blauäugigen jungen Fräulein der Etage, verdanken die Tibetaner eine Menge deutsche Worte, die nun ihre feinen Lippen zu bilden verstehen und Tee, Kuchen, Zigaretten zur angenehmen Folge haben. Der Dalai-Lama pflegt aus seiner eigenen goldverbrämten Tasse den Tee einzunehmen. Entzückend, wenn er im roten Festgewand an meine Tür klopft und auf mein aufgeschrecktes Herein artig erklärt: »Der Ober-Lama!! Gut Morgen.« Hingestreckt oder mit gekreuzten Schenkeln und gefalteten Füßen auf seinem seidenen Kissen ruhend, folgt er verzückt den glockenartigen Klängen der Rhythmen Buddhas und wandelt im Geiste schon über die tönenden Pfade, die ihm aus ihren Stimmen die jungen Mönche bereiten, lebend ins Nirwana. Die Türe des weitesten Hotelzimmers steht meist angelehnt, darin sich die kleine tibetanische Gemeinde beim Beten versammelt. Ich glaube, ihr Dalaihaupt liebt es, wenn man heimlich teilnimmt. Es sind liebe, kindhafte Menschen, fromm und weise, die von der Höhe ihres Landes zu uns kamen; stille Blumen ranken sich um ihre sonnigen Herzen, und ihre milden Sammetaugen gleichen den heiligen Rinderaugen ihrer Urgottheiten. Manchmal erwacht der Schelm in den jungen, zutraulichen Mönchen, dann laufen sie bangemachend mit vorgestreckten Armen in ihren monumentalen Teufelsmasken, die sie bei den Klosterfesten in Tibet tragen, durch die Gänge des Hotels; bis ihr Bogdahan, der oberste Priester, sie lächelnd zur Ruhe mahnt. Ihre glühenden Herzen sprühen ihre neckende Laune ab, doch glimmt sie noch im Gesang ihres Chors. Wir im Hotel möchten ihnen dann lauter Freude machen, sie mit Geschenken überraschen. Die Tiefe ihres Wesens ist wohl kaum ein Europäer imstande zu ergründen; ich würde was darum geben, könnte ich ihre Sprache sprechen, wenigstens die Worte lesen, die an der Pforte ihres Herzens vernarbt in Buddhafrieden in sanfter Blutfarbe sich offenbaren. Man muß verstehen, zwischen den Wimpern ihrer Seele zu lesen. Sicherlich vermag der Dalai-Lama, angelangt am Ziel des Gebetes, Vorgänge zu bewirken, von denen ich oft in den Büchern las, die Reisende durch Tibet schilderten.

Viel Freude macht es den Lamas, im Gesellschaftsauto durch die Straßen Berlins zu fahren. Hintereinander besteigen sie den großen Wagen in ihren hohen Fellmützen; eine jede ein kleiner Mount Everest. Als letzter betritt der Dalai-Lama, in seiner außerordentlichen Würde, gelassen den harrenden Autogipfel, den höchsten Sitz. England und Frankreich besuchten sie schon, bevor sie unsere Gäste wurden. Neben dem Hotel »Zum Sachsenhof«, im Theater am Nollendorfplatz, kann man der Lamas religiösen Feiern und Tänzen beiwohnen. Ihre Trompeten sind etwa zehn Meter lang, und ihre Weihe schwebt über die ganze Erde.


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