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Lily Reiff

Hier kann man im wahren Sinne der Musik behaupten: C'est le ton qui fait la musique. Lilys Finger locken weiche Töne aus der Tasten Elfenbein. Der eine Flügel blickt eifersüchtig herüber zu dem bevorzugten, auf dem Lily Reiff in der Abendstunde zu spielen pflegt. Kraftvoll, süß und voll Duft, ja, ihre Tondichtungen duften; manche fromm nach Weihrauch. Am liebsten saß ich, wenn ich mich in ihrem gastlichen Hause in Zürich befand, irgendwo hinter einer Portiere versteckt und lauschte ihrem herrlichen Spiel, bis ich mich in einer schon längst verblaßten Vergangenheit befand, die aufleuchtete – entrückt zwischen Zauberbächen und Wunderblumen. Ich bin keine Musikkritikerin; von Tonfiguren und Violinschlüssel verstehe ich gar nichts; ich vernehme die Musik eigentlich ohne Ohr, wie eine Pflanze. Und zu kritisieren scheint mir lehrerhaft, denn Musik dringt in meine Poren, ergreift nicht nur meine Seele, auch meinen Körper. Lilys Musik ist ein Wolkenflug, ein Schwärm von bunten Tönen in süßerlei Mannigfaltigkeiten. Aber auch zu gewittern vermag Lily Reiff, ein Wetter zu beschwören; es blitzt und donnert dann so auf einmal unter ihren schönen Händen. Man fragte mich, wie es so üblich ist, ob ihre Kompositionen, die sie mir vorspielte, modern oder unmodern sind? Was heißt moderne oder unmoderne Musik? Musik noch im Gestein, Musik geschliffen, so verstehe ich den Unterschied von Musik, wie bei allen Künsten. Echte Musik ist eben unsterblich! Die Kompositionen der wundervollen Musikerin – sie ist keine Virtuosin – sind voll Pietät und immer wieder aufprangenden Lenzes; ein paar Musikblumen, gastlich gereichte Töne, nimmt man sich fürs Leben mit heim. In Deutschland wurde vor kurzem eine ihrer beiden Opern mit großem Erfolg aufgeführt.


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