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Die Jahre vergingen in Kandern rasch, ich fühlte mich glücklich in meinem Berufe, meiner Häuslichkeit und meiner Freiheit. Wenn mir die Praxis Zeit ließ, fehlte es mir weder an guten Büchern noch an klugen, heiteren Menschen zur Unterhaltung, und die Gegend selbst bot nicht bloß landschaftlich, sondern auch für den Naturforscher viel des Schönen und Interessanten. In Kandern, Lörrach und Basel wohnten Freunde und Bekannte in großer Zahl, mit denen ich manche angenehme Stunde in ernstem und heiterem Verkehr zubrachte; von Zeit zu Zeit erfreuten mich auch alte Universitätsfreunde mit ihrem Besuche.
Unter diesen alten Bekannten befand sich Ludwig Eichrodt, dessen ich bereits wiederholt gedachte (S. 166 und 172), damals Rechtspraktikant in Achern und bald darauf in Durlach. Er hatte sich schon 1848 durch ein Gedicht in den Münchener Fliegenden Blättern, die Wanderlust: »Nach Italien, nach Italien«, als Humorist und Meister in lustigem Reimen und Dichten bekannt gemacht und war geradezu unerschöpflich im Verseschmieden. Er schickte und brachte mir seine poetischen Erzeugnisse und nahm andre dagegen von mir in Empfang, die ich schon seit den Heidelberger Studienjahren auf Lager oder auch erst in Kandern geschmiedet hatte. Diese Bierzeitungspoesie hat er später, ohne mich erst zu fragen, teils im Lahrer Kommersbuch, teils bei seinen eigenen Gedichten untergebracht. Einer dieser Scherze ist die Geschichte von dem verlorenen Sohn in Mesopotamien, ein Widerhall der »Wanderlust« Eichrodts im Gewand einer Romanze; er mag sie aus diesem 471 Grunde als sein eigenes Kind angesehen haben, obwohl er nur wenige, und nicht gerade glückliche, Aenderungen daran vorgenommen hat.
Bei diesen mutwilligen Sprüngen ließ es mein Pegasus nicht bewenden. Es lüstete ihn nach reinerer Luft und höheren Regionen. Unter den blühenden Obstbäumen, in den duftenden Rapsfeldern des Hügellandes, in den Tannenforsten des Blauen umgaukelten mich phantastische Gestalten und bunte Bilder. Ich verfaßte eine Anzahl Gedichte, die ich später vergaß und verlegte, bis sie mir der Zufall vor einigen Jahren wieder in die Hand spielte. Neue kamen keine mehr hinzu, nachdem ich die Wälder und Matten Kanderns mit den Laboratorien und Hospitälern der Universitäten vertauscht hatte. Als ich sie wieder sah, freute ich mich herzlich der wiedergefundenen Kinder. Ich putzte sie ein wenig heraus, ließ sie für meine Freunde als »poetische Jugendsünden« des Dr. Oribasius drucken und widmete sie dem Genossen meiner Kanderer Tage, der mir damals als Stadtvikar die Absolution dafür erteilt hatte, Herrn Hermann Strübe, heute Kreisschulrat in Heidelberg. Als gewissenhafter Autobiograph werde ich einige davon bekennen.
1. Der Naturforscher.
Es glüht und sprüht der goldne Reps Durchs Land den würz'gen Duft, Ein Apfelblütenregen Fällt nieder an den Wegen, Von Liedern schallt die Luft. Im Wonnemond mit Brillenglas Er steigt hinan ins Rebgebirg, Ein braun Gesicht, ein schlanker Leib, Er ruft: »Ei! welch ein seltner Fund! »Ach! wärst du mein! Wie fang' ich's an?« – O weh! du grundgelehrtes Haus, Wie hast du doch dein Glück verscherzt, |
2. Die gute Haut.
Ich hatt' einen Freund, eine gute Haut, Der hatt' einen Knecht, einen Freund, eine Braut. 473 Auf diese Drei hat die gute Haut Einst kam der Teufel um Mitternacht Das war ein Kristall, der glänzte klar Da rief er den Knecht: »Bist du ehrlich und treu? – Und bat den Freund: »O, beichte mir laut!« – Er flehte zur Braut: »Mein Gott, ist es wahr?« – Da schrie gar zornig die gute Haut Dann nahm er zur Hand den argen Stein Ein Jahr verstrich. Die gute Haut |
3. Die Eule.
Einsam, tief im dunklen Forst, Zwischen Stacheleich und Ginster, Saß, zum Sterben still bereit, Eine Eule, alt und finster. Kam ein brauner Edelfalk »Freue dich, aus dunkler Nacht Auch ein frommes Täubchen kam, »In der Unschuld Lichtgewand Selbst ein Esel stand bereit, Sprach: »Geduld! es wird der Hirt Sterbend rief die Eule aus: |
4. Der Mann im Mond.
Der bleiche Mann im bleichen Mond Das ist ein Gott, der einsam wohnt, Von jeder lieben Seele fern, Auf einem wüsten, toten Stern. Da thront der Gott im Dämmerlicht Doch einmal kam's ihm in den Sinn: Das Wandern fiel ihm gar nicht leicht, Die Erde prangte grad im Mai Und wo er ging auf Berg und Tal, Und wieder thront er stumm und bleich |
Die Bäume.
Die Linde. | |
Ein grüner Dom, so rag' ich in die Luft, An Laub und Blüten reich und voll von Duft, Die Bienen summen drin und singen fromm das Lob Des Meisters, dessen Hand die Blütenzweige wob; Still ruht der Honigseim in zarter Kelche Schacht, Der tausend Seelen satt und fröhlich singen macht, Und fröhlich sing' ich selbst dies Lied von meinem Leben, Das, andre zu erfreu'n, mir gnädig ward gegeben. |
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Die Tanne. | |
Ich trag' mein Haupt in scharfer Nadeln Schutz, Mir deucht vergänglich Laub nur eitler Putz; 476 Ich mach' ein streng Gesicht, wenn schon der Lenz erwacht, Doch grün' ich frisch und stark, wenn Schnee und Eis erkracht, Dann rüttl' ich mein Gezweig in lust'gem Uebermut Und schüttle meinen Schnee dem Jäger auf den Hut; Er nimmt mich mit nach Haus, zum frohen Weihnachtsfeste, Und seinen Kindern bring' ich willig jetzt das Beste. |
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Die Eiche. | |
So lang ich lebe, scheint mein Wirken klein, Die herbe Frucht lädt nicht zum Kosten ein, Erst wenn die Axt mich fällt, wird klar, was ich getan, Wozu ich Jahr um Jahr legt Ring an Ringe an. Dann ist mein festes Holz ein starker Schirm und Wall! Ich fliege mit dem Wind, trotz Sturm und Wogenprall, Und bring' in sichern Port die Güter ferner Zonen, Den kühnen Wagemut mit Golde reich zu lohnen. |
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Die Pappel. | |
Ich weiß nicht, was ich bin und was ich soll, Doch halt' ich mich recht stolz und würdevoll; Zum Himmel schoß ich auf und steh' wie ein Soldat In Reih' und Glied am Weg, kerzengerad! Was kümmert mich das Volk, das Schatten begehrt? Dazu ist doch der Pappelbaum zu edel und zu wert! Der Amtmann lobt mich sehr: »Was kann man Schön'res sehen, Als solche schnurgerade Pappelalleen?« |
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Der verdorrte Baum. | |
Ich hatte guten Grund und Sonnenlicht Und trug nur fahles Laub und blühte nicht, Ich hatte Regenguß und trieb doch keine Frucht, Drum hat in seinem Zorne der Herr mich verflucht, Mir dorrt das Mark im Stamm, mir dorren Zweig und Ast, In meinem Wipfel singt kein liederfroher Gast, Mich scheut und flieht der Mensch, nur einer ist gekommen, Der hat mit frevler Hand das Leben sich genommen. |
6. Das Zeichen des Nostradamus.
Mir ward ein Buch des Nostradam, Daraus ich Wunder viel vernahm Von schwarzer Kunst geheimen Zeichen, Mit Zauberkräften sondergleichen, Nie noch zuvor gehörte Dinge: Wie Tote man zu reden zwinge. Im Mondenschein, bei heller Nacht, Da prangt in lichtbeglänzten Reih'n Mit Staunen wurd' ich da gewahr Vor einer Urne blieb ich stehn, Das Zeichen macht' ich in die Luft, Dann seufzt' er tief und sank hinab, »Gesegnet, der hier Ruhe fand! Der Tote trat gleich aus dem Tor: Er schwieg und seufzt' und sank zurück; Und auf dem Kreuze las ich dort: Mein Zeichen hab' ich nun gemacht; »Ich hab' gestritten lang und bang, Er sprach's und sank, doch eh' er schlief, |
7. Barsillai.
»Barsillai, mein Lieber,« sprach David beim Scheiden, »Du ließest in Scharlach und Seide mich kleiden, Du hast mich gespeist und gebettet weich, Als ich flüchtig durchirrte mein abtrünnig Reich. »Die Fürsten und Edeln in meinen Staaten, »Du hast mir in Trübsal zur Seite gesessen, Drauf jener: »Mein König, es soll dich nicht kränken, »Drum willst du die Treue nach Wunsche mir lohnen, »Was soll zu Zion im Königshause »Meine müde Seele in stillem Sinnen, »Ja, laß unter meinen alten Bäumen »Ich möchte zu Hause in Frieden sterben, »Es dürstet den Knaben nach Taten und Ehre, »Er zieht jetzt mit freudigem Herzen von hinnen, |